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Benutzername: 
hcelvis
Wohnort: 
Ravensburg

Bewertungen

Insgesamt 5 Bewertungen
Bewertung vom 17.07.2009
Unser allerbestes Jahr
Gilmour, David

Unser allerbestes Jahr


ausgezeichnet

Hey, was, zu Ende? Ich hätte doch noch so viel mehr wissen, erfahren wollen...
Dabei bricht das Buch nicht einfach so ab, nein es endet ordnungsgemäß und gut, schließlich wollen Jesse und David ja auch ein bisschen ihre Privatsphäre wieder haben. Und doch fühlt man sich mitten drin und es ist komisch, nicht zu wissen, wie es mit den beiden weitergeht.

Aber mal von vorne: David erlaubt seinem sechzehnjährigen Sohn Jesse, die Schule abzubrechen, wenn er sich bereit erklärt, drei Filme pro Woche zusammen anzuschauen, die Papa aussucht. Ein bisschen Bildung wenigstens, wenn auch in ungewöhnlicher Form. Drei Filme pro Woche und Gespräche über alles mögliche, drei Jahre lang ... allerlei Familienleben, Erwachsenwerden, Frust, Liebe, Liebeskummer, Verständnis, Enttäuschung, Erfolge und Misserfolge und das alles aus der Sicht eines Vaters, der ganz nah dabei ist, wie es sonst leider keinem Vater möglich ist, wenn ein Kind erwachsen wird.

David Gilmour erlaubt uns, dabei zu sein, er schreibt sehr flüssig und sehr persönlich, man lernt ihn und seinen Sohn kennen, fühlt sich mitten drin im Geschehen, kann nachvollziehen, wenn Jesse über seine Ex redet, die ihn immer noch nicht loslässt. Aber auch die Zweifel, die mit der Entscheidung, den Schulabbruch zu erlauben, zusammenhängen, die Ängste, den Sohn um seine Zukunft gebracht zu haben und Reflektionen über sein bisheriges Leben schildert David Gilmour in Filmclub, wie das Buch im Original heißt. Abgesehen davon, dass "Unser allerbestes Jahr" die Dauer dieser Zeit falsch suggeriert, klingt "Filmclub" nicht nur viel besser, sondern passt haargenau, schließlich spielen sich die Dramen, Komödien und Romantiken im echten Leben von Vater und Sohn zwischen den Filmtagen ab, die die beiden dreimal in der Woche haben. So lernt man nebenbei viel über Kino, Anekdoten über Regisseure, Besonderheiten einzelner Filme, Schauspieler und allem, was damit zusammenhängt. Gut, manchmal ist es etwas viel, vor allem wenn man viele Filme nicht kennt, aber vieles ist auch interessant und gut in die wahre Geschichte der Gilmours eingebettet, die sogar Menschen, die sich nicht sonderlich für Filme interessieren, mehr als entschädigt.

Eine cineastische sympathische Familiengeschichte, großartig geschrieben, offen und ehrlich erzählt, leicht und unbeschwert zu lesen, rundum eine Empfehlung, keinesfalls nur aber vor allem für Väter!

8 von 9 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 26.06.2009
Heartland
Goebel, Joey

Heartland


ausgezeichnet

Die USA vor der Wahl für das Repräsentantenhauses: John Mapother, 40-jähriger Sproß einer der reichsten Familien des Landes, sieht in seiner Kandidatur den Anfang einer Karriere, die in der Präsidentschaft ihren Höhepunkt finden soll. Um sich auch die Stimmen der Armen und der Unter- und Mittelschicht zu sichern, spannt er seinen 13 Jahre jüngeren Bruder Blue Gene ein. Der hat sich von der Familie und ihrem Reichtum losgesagt, wohnt in einem Trailer und arbeitet als Flohmarktverkäufer, stellt also das krasse Gegenstück zum Snobismus und dem besseren Leben der Mapothers dar. Aber genau dadurch soll er Johns Image auch bei diesem Klientel bessern und Wahlwerbung machen. Als berge dieses Aufeinanderknallen der Kulturen, Wrestling versus Gala Diner, Flohmarkt versus Big Business, nicht schon genug Konfliktpotential, bahnen sich zudem dunkle Familiengeheimnisse ihren Weg ans Licht, die die Pläne der Mapothers zu vereiteln drohen.

Passend am 4. Juli im großen amerikanischen Wahljahr 2008 erschienen erzählt Heartland die Verbindung einer Familiengeschichte, die Spuren der Extreme wie bei John Irving aufweist, mit einer Gesellschaftssatire, die inhaltlich teilweise an die Dokumentationen von Michael Moore erinnert. Beinahe unvorstellbar sind hierzulande die Waffenvernarrtheit, die Rolle, die der Glaube an Gott spielt und wie er mißbraucht wird, der blinde und aggressive Patriotismus, der für viele den einzigen Halt darstellt, weil sie nichts anderes haben. Doch Joey Goebel erzählt auch von Träumen einer besseren Welt, von Alternativen, von Liebe und Ehrlichkeit.

Joey Goebel, 1980 geboren als Sohn zweier Sozialarbeiter, schreibt flüssig und spannend, so daß die 720 Seiten wie im Fluge vergehen. Wer den reißerischen Stil des Michael Moore nicht so mag und dennoch etwas über das Leben in den USA erfahren will, wie schwierig und ungerecht es sein kann, sollte sich Heartland unbedingt zu Gemüte führen. Wer einfach eine gute und fesselnde Geschichte lesen will, kann es dem gleich tun. Heartland bietet beides.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.04.2009
Der Schuh auf dem Dach
Delecroix, Vincent

Der Schuh auf dem Dach


gut

Was könnte es mit einem Schuh auf einem Dach auf sich haben? Zehn Geschichten darum hat sich Vincent Delecroix, französischer Schriftsteller und Dozent für Philosophie, ausgedacht, teils komisch, teils tragisch, teils philosophierend, oder irgendwie alles zusammen. Dabei handelt es sich immer um dasselbe Dach und die Geschichten hängen an einzelnen Fäden zusammen. Das ist wichtig, denn, obwohl es sich um eine Art Kurzgeschichten handelt, sollte man doch eine nach der anderen lesen.

Schon die ersten beiden Kapitel hinterlassen einen zwiespältigen Eindruck, ist das eine um ein Mädchen, das einen Engel auf dem Dach entdeckt hat, doch sehr ruhig und etwas langatmig geschrieben während das andere um einen verschmähten Mann, der in die Wohnung seiner Ex einbricht, lockerer zu lesen und humorvoller ist. Doch dieser Zwiespalt verstärkt sich im Laufe des Buches, da gibt es Geschichten, schön flüssig zu lesen, spannend und sehr unterhaltsam, während philosophische Abhandlungen in anderen Geschichten langatmig sind, einen leicht abschweifen lassen und kein Ende zu nehmen scheinen.

Leichte Kost versus intellektuelle Philosophie? Mir scheint Der Schuh auf dem Dach nicht entschieden zu sein, leider, denn die unterhaltsame leichte Art auf der einen Seite lädt ein zur entspannenden Strandlektüre für "Normalleser", während der andere Teil zumindest bei mir, der sich nie groß mit Philosophie beschäftigt hat, mehr zum unangenehmen Durchhaltestoff wird. Schade eigentlich.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.