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Nina
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Sankt Augustin
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Ein Leben ohne Bücher kann ich mir nicht vorstellen!

Bewertungen

Insgesamt 42 Bewertungen
Bewertung vom 29.08.2025
Furniss, Jo

Der Stau


sehr gut

Nervenaufreibender Locked Car Thriller

Ein endloser Stau vor den Toren von London, eine Kommissarin kurz vor dem Ruhestand und ein Mörder, der ebenso wie seine potenziellen Opfer im Verkehrschaos gefangen ist. Das ist das Setting von „Der Stau“ und ich wurde sofort neugierig.

Schon der Einstieg zieht mich unweigerlich in die beklemmende Szenerie. Belinda Kidd – genannt Billy, vom Jetlag gezeichnet und eigentlich nach einer Auszeit in Australien auf dem Weg nach Hause, wird von der plötzlichen Explosion im Tunnel und der damit verbunden Sperrung der Autobahn genau wie alle anderen zum Anhalten gezwungen, denn nichts geht mehr. Die Idee, dass niemand entkommen kann – weder die Ermittlerin, noch der Täter – erzeugt ein konstantes, greifbares Spannungsfeld. Die Autorin spielt mit der Dynamik des Stillstandes.

Jo Furniss versteht es, die Figuren mit wenigen, prägnanten Kapiteln vorzustellen und so nach und nach ein Kaleidoskop menschlicher Abgründe, Ängste und Hoffnungen zu entwerfen. Extremes Setting, extreme Reaktionen: Ausnahmesituationen fördern bei allen Beteiligten überraschende Seiten zutage, sei es Misstrauen, Panik oder auch unerwartete Solidarität. Besonders Billy wird dabei nicht nur zur Ermittlerin, sondern auch zur Getriebenen ihrer eigenen Vergangenheit. Furniss gelingt es, die inneren Konflikte und Dämonen ihrer Hauptfigur schrittweise zu enthüllen, sei es durch Selbstgespräche oder Rückblicke in die Vergangenheit.

Der Schreibstil mag für manch einen etwas rau oder derb wirken; für andere passt er jedoch ausgezeichnet zu der düsteren, angespannten Atmosphäre, die über der gesamten Handlung liegt.

Ein besonderes Lob verdient die detailverliebte Ermittlungsarbeit: Billy setzt im Kopf und mit scharfem Blick Mosaiksteinchen um Mosaiksteinchen zusammen. Die Spannung entsteht nicht durch wilde Verfolgungsjagden, sondern durch akribische Beobachtung und das allmähliche Entschlüsseln menschlicher Verhaltensmuster.

Insgesamt hat mir „Der Stau“ gut gefallen. Die raffinierte Konstruktion, die vielschichtigen Charaktere und die konsequent durchgehaltene Stimmung machen das Buch lesenswert und spannend.

Fazit: Eine coole Idee, packend umgesetzt – und definitiv ein Thriller, der nachwirkt, denn wir alle geraten mal in einen Stau ...

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.08.2025
Beck, Jan

Dorn / Simon Dorn und Lea Wagner ermitteln Bd.1 (eBook, ePUB)


weniger gut

Leider nicht so spannend wie erhofft

Der Auftakt zur neuen Krimireihe von Jan Beck hat mich leider nicht überzeugt. Dabei beginnt es mit einem vielversprechenden und düsteren Szenario.

Ein Serienkiller treibt sein Unwesen, ein traumatisierter Kriminalpsychologe zieht sich nach persönlichen Verlusten in ein verfallenes Hotel zurück, und ein Mord an einer Cold-Case-Ermittlerin verstrickt die Figuren in einen neuen Fall. Der Klappentext verspricht ein innovatives Thriller-Erlebnis und die ersten Seiten liefern tatsächlich eine hohe Spannung, als Karla Hofbauer im Zuge ihrer verdeckten Ermittlungen in Hamburg ihr Leben verliert.
Im Mittelpunkt steht Simon Dorn, der nach tragischen Ereignissen seinen Polizeidienst quittiert und sich ins abgelegene Hotel Dornwald zurückzieht. Dort verwandelt er die Zimmer des verlassenen Hotels in einen makabren Schaukasten ungelöster Mordfälle. Seine einzige Verbindung zur Außenwelt ist Karla Hofbauer. Nach deren Tod wird die junge Kriminalpolizistin Lea Wagner auf die Spur des Falls angesetzt und reist nach Bad Gastein. Die Konstellation verspricht ein spannendes Katz-und-Maus-Spiel.

Allerdings hält das Buch diese Erwartungen nicht durchgehend. Während der Einstieg fesselnd ist, bleibt die Darstellung von Simon Dorn eher enttäuschend. Er wirkt auf mich seltsam, verschlossen und wenig sympathisch. Die Begegnung mit Lea Wagner bringt zwar Bewegung in die Handlung, doch auch diese Dynamik entfaltet sich nicht so spannend wie erhofft.

Die Grundidee – ein Kriminalpsychologe, der nach seinem Rückzug einen Schaukasten ungelöster Mordfälle inszeniert – ist originell und bietet viel Potenzial für eine düstere und psychologisch intensive Erzählung. Leider gelingt es dem Buch nicht, diese Tiefe konsequent auszuschöpfen. Die Figuren bleiben auf Distanz und erzeugen wenig Empathie, die Spannung flacht nach dem packenden Einstieg spürbar ab.

Das ungewöhnliche Setting hatte mich gelockt, aber leider enttäuscht.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.08.2025
Grandl, Peter

Reset


ausgezeichnet

Digitaler Kollaps
Peter Grandl hat mit Reset einen Thriller vorgelegt, der den Puls der Zeit trifft und mich mit seiner düsteren Zukunftsvision kalt erwischt hat. Denn ich habe die Geschichte als sehr real und beängstigend empfunden.

Im Zentrum stehen einige Hauptpersonen, die die Herzstücke dieses Thrillers sind. Reset ist in viele kurze Kapitel gegliedert, die jeweils den unterschiedlichen Hauptfiguren gewidmet sind. Rückblenden führen in deren Vergangenheit und lassen die Charaktere vielschichtig und greifbar erscheinen. So kommen mir die Hauptpersonen ziemlich nah, was das Lesen sehr emotional macht. Meine Lieblingsfigur ist Jill Jones, eine Großaktionärin der New York Times, die mit einer grandiosen Idee zur Lösung des weltweiten Problems beiträgt. Aber auch die Japanerin Seiko Ito und der Brite Valentine O’Brien sind faszinierende Persönlichkeiten.

Das Hauptthema in „Reset“ sind Deepfakes und Künstliche Intelligenz, die den Informationsfluss manipulieren und die Wahrheit infrage stellen. Gerade heute, wo gefälschte Bilder, Videos und Audiodateien zunehmend im Social Media präsent sind, wirkt das Szenario absolut realistisch und bedrückend. Peter Grandl zeigt, wie dünn die Grenze zwischen Fiktion und Wirklichkeit geworden ist und wie leicht Vertrauen zerstört werden kann, wenn die Fakenews auf bislang seriösen Nachrichtenseiten auftauchen.

Der Stil ist schnörkellos verbunden mit schnellen Perspektivwechseln. Die vielen kurzen, fokussierten Kapitel sorgen für Tempo und Spannung. Das gefällt mir richtig gut. „Reset“ ist ein beängstigender, hochaktueller Thriller mit vielschichtigen, starken Charakteren. Das Buch regt zum Nachdenken über digitale Sicherheit, Vertrauen und die Zukunft der Kommunikation an. Das Buch geht unter die Haut und bleibt lange im Gedächtnis. Es ist eines der Werke, die man nicht vergisst, weil sie die aktuelle Weltlage glaubhaft widerspiegeln.

Aber „Reset“ ist nicht nur spannend und beängstigend, sondern gibt auch Hoffnung. Absolute Leseempfehlung.

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.08.2025
Stava, Sophie

Eine falsche Lüge - Wird es ihre letzte sein? (eBook, ePUB)


gut

Spiel mit Identität und Wahrheit

Sophie Stava legt mit „Eine falsche Lüge“ ihr Debüt vor und widmet sich darin dem vielschichtigen Thema der Selbstinszenierung und den Facetten der Lüge. Im Mittelpunkt steht Sloane Caraway, deren Leben von kleinen und großen Unwahrheiten durchzogen ist. Sie lügt nicht aus Bosheit, sondern um sich interessanter zu machen, um Anerkennung und Nähe zu gewinnen. Schon zu Beginn wird deutlich, wie leicht ihr das Täuschen fällt: Als sie in einem Park einem weinenden Mädchen begegnet und sich kurzerhand als Krankenschwester ausgibt, setzt sie eine Kette von Ereignissen in Gang, die ihr Zugang zu einer privilegierten Familie verschafft.

Die Dynamik zwischen Sloane und Violet, der Mutter des Mädchens, entwickelt sich rasch. Sloane wird von der hilfsbereiten Fremden zum Kindermädchen und findet in Violet eine Freundin – oder zumindest eine Verbündete. Doch die zwischenmenschlichen Beziehungen sind von Beginn an von Unsicherheit und Täuschung geprägt. Sloane beginnt, sich immer mehr an Violet zu orientieren, übernimmt äußerliche Merkmale und wird von Violet sogar ermutigt, sich ihr weiter anzunähern. Ich frage mich immer öfter: Ist Sloane wirklich die Einzige, die lügt? Welche Wahrheiten bleiben verborgen?

Die Figurenzeichnung ist bewusst ambivalent gehalten. Violet erscheint zunächst freundlich und undurchsichtig, erst später erschließt sich ihr wahres Wesen. Jay Lockhart, Violets Ehemann, wird als attraktiv beschrieben, bleibt jedoch in seiner Charakterzeichnung blass und wenig greifbar. Sloane selbst ist für mich eine arme Person, deren Lügen mehr Ausdruck eines Mangels als einer Täuschungsabsicht sind.

Stavas Erzählstil ist gegenwärtig und direkt, die Geschichte beginnt recht spannend, verliert aber bald an Tempo und Tiefgang. Erst mit dem großen Twist, der an Freida McFaddens „Wenn sie wüßte“ erinnert, gewinnt der Roman neue Spannung und überrascht mit einer Wendung, die das bisherige Geschehen in ein anderes Licht rückt. Bis dahin bleibt die Handlung nett und unterhaltsam, aber wenig nachhallend. Auch das Ende hat mir nicht gut gefallen. Letztendlich eine nette Geschichte, die mich nicht wirklich überzeugen konnte.

5 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.08.2025
Strohmeyer, Anette

Die Frau und der Fjord


ausgezeichnet

Im Mittelpunkt der Erzählung steht Gro Kristjánsdóttir. Sie lässt nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes Nicklas alles hinter sich und zieht sich in ein einfaches Holzhaus auf den norwegischen Lofoten zurück. Dort widmet sie sich ihrer Trauer und versucht ganz zaghaft einen Neuanfang fernab jeglicher Zivilisation. Die karge, raue Szenerie des Polarkreises ist zugleich Trost, Herausforderung und Spiegelbild der inneren Gefühlswelt von Gro.

Der Einstieg in den Roman ist von tiefer Melancholie geprägt. Gro versinkt in ihrer Trauer, die sie oft überwältigt. Ich erlebe mit Gro die Schwere und Unausweichlichkeit des Verlustes. Das macht mich mitunter sehr traurig, denn ich mag mir diesen Verlust nicht vorstellen. Die Trauer wird nicht beschönigt, sondern als Prozess in all seinen Facetten gezeigt – mit Zweifeln, Rückblicken, der Angst, Fehler gemacht zu haben, und dem Wunsch, niemanden mehr an sich heranzulassen. Das war manchmal schwer auszuhalten. Aber die atemberaubende Natur und auch die Einsamkeit, für die sich bewusst entschieden hat, helfen Gro Schritt für Schritt aus ihrer Trauer heraus und den Wert des Lichtes nach der Dunkelheit neu zu entdecken.

Mitten in der Einsamkeit bringt ein stürmischer Abend die Wende: Der Fischer Jens ist mit seinem Boot in Gros Fjord havariert und während sie ihn gesund pflegt, entsteht ganz zaghaft Nähe. Die Annäherung ist behutsam erzählt, es ist ein fragiles Tasten, frei von jeglichem Kitsch, das von Unsicherheit und vorsichtiger Hoffnung geprägt ist. Es wird immer mehr deutlich, dass wirkliche Heilung nur in der Begegnung mit anderen möglich ist. Dies wird nicht nur durch die Beziehung zu Jens erkennbar, sondern auch durch die Konfrontation mit ihrer Vergangenheit. So ganz ohne Spannung geht es in einem Buch von Anette Strohmeyer nicht. Aber für mich hat dieser nicht unwichtige Teil gar keine so große Rolle gespielt.

Das Buch ist in vier Teile gegliedert. die den Jahreszeiten folgen. Der Roman beginnt im Winter, wenn die Dunkelheit am tiefsten ist, und folgt dem natürlichen Wandel bis in den Frühling und Sommer, wenn das Licht zurückkehrt – ein geschicktes Symbol für den Trauerprozess und die allmähliche Öffnung von Gro.

Die Sprache ist klar und atmosphärisch. Mit wenigen, sorgfältig gewählten Worten entstehen Bilder vor meinem inneren Auge, die lange nachwirken. Besonders die Landschaftsbeschreibungen und die Darstellung der Emotionen sind von großer Sensibilität geprägt. Anette Strohmeyer verzichtet auf übertriebene Dramatik und setzt stattdessen auf leise Zwischentöne. Am Ende bleibt das Gefühl, dass nur jene, die die Dunkelheit kennen, das Licht wirklich schätzen können. Und dass jeder Fjord, jeder Neubeginn, seinen eigenen Zauber hat, den es zu entdecken gilt.

5 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.08.2025
Caspian, Hanna

Schwestern des brennenden Himmels


ausgezeichnet

Sorgfältig recherchiert und meisterhaft erzählt

Zum wiederholten Mal begebe ich mich in die Zeit nach dem 2. Weltkrieg. Schauplatz ist dieses Mal Potsdam, wo die legendäre Konferenz stattfindet. Vor diesem Hintergrund erzählt Hanna Caspian die Geschichte von Ann Miller, die als Mitglied der britischen Delegation nach Potsdam reist.

Während die 3 Großen auf Schloss Cecilienhof über das Schicksal Deutschlands debattieren, versucht Ann ihre Fehler aus der Vergangenheit wieder gut zu machen. Sie sucht verzweifelt nach überlebenden Familienmitgliedern und bekommt dabei Hilfe von dem amerikanischen Soldaten Jackson. Beide wachsen an der schwierigen Situation. Aber kann Ann Gefühle für jemanden zulassen, der die Deutschen so sehr hasst wie Jackson?

Im Mittelpunkt stehen zwar Ann und Jackson, aber es ist Liesel, die mich am meisten berührt hat. Anfangs erscheint sie verschlossen und distanziert. Aber im weiteren Verlauf erfahre ich immer mehr über ihr Schicksal. Liesel steht exemplarisch für viele Menschen der damaligen Zeit, denen so schlimmes widerfährt und die dennoch die Kraft finden, weiterzuleben.

Die gekonnt eingebauten Rückblenden zeigen mir ein umfassendes Bild der Vergangenheit von Ann und Liesel. Sie machen deutlich, wie prägend vergangene Erlebnisse für das Handeln und Empfinden in der Gegenwart sind. Die Einteilung in vier Abschnitte sorgt für eine klare Gliederung der Handlung und gab mir Raum für Reflexion und Gespräche.

Hanna Caspian versteht es, die Spannungsbögen sorgsam zu setzen und dennoch Platz für leise, nachdenkliche Momente zu lassen. Sie spart nicht mit feinen Beobachtungen, die das gesellschaftliche Klima jener Jahre einfangen: Unsicherheit, Misstrauen, aber auch der unbedingte Wille, das eigene Schicksal in die Hand zu nehmen.

Die Sprache von Hanna Caspian ist klar, packend und von einer schlichten Eleganz, die weder Effekthascherei noch Sentimentalität benötigt und sie geht absolut unter die Haut. Sie versteht es meisterhaft, große Gefühle mit wenigen Worten zu transportieren, und gibt selbst den stillen Momenten Gewicht. Die Dialoge sind authentisch, lebensnah und entfalten ihre Wirkung durch das, was unausgesprochen bleibt.

Ich bin tief beeindruckt! Dieses Buch ist ein literarisches Kleinod, das gleichermaßen unterhält, berührt und bildet – und somit weit mehr ist als nur ein weiterer historischer Roman.

6 von 6 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 14.07.2025
Höflich, Sarah

Maikäferjahre (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Liebe, Mut und Menschlichkeit

Ich habe schon viele Bücher über diese schlimme Zeit gelesen und bin jedes Mal aufs Neue erschüttert und tief berührt.

Im Frühjahr 1945 ist Europa von Krieg und Zerstörung gezeichnet. Anni flieht gemeinsam mit ihrer kleinen Tochter und dem halbjüdischen Geiger Adam aus dem brennenden Dresden. Ihr Weg ist gefährlich und führt sie durch das von Besatzungsmächten durchzogene Deutschland bis zu ihrer Schwiegerfamilie nach Tirol. Dort stehen die drei vor einer schweren Entscheidung: Wenn Anni bleiben will, muss Adam gehen.

Währenddessen entkommt Annis Zwillingsbruder Tristan nur knapp dem Tod und gerät in britische Kriegsgefangenschaft. Trotz heftiger Anfeindungen pflegt ihn dort die britische Krankenschwester Rosalie. Zwischen ihnen entsteht eine Liebe, die nicht nur durch das Gesetz, sondern auch durch Rosalies schottische Familie verboten ist.

Die Zerstörung Dresdens in nur einer Nacht, die Verzweiflung und die Ablehnung der Menschen werden anschaulich geschildert. Ebenso gelingt es der Autorin, die ein feines Gespür für historische Details an den Tag legt, die Atmosphäre in Deutschland und Großbritannien lebendig einzufangen. Und immer wieder erscheinen kluge Menschen, die durch ihre Haltung das Leid lindern und Hoffnung geben: „Nur Sieger, die fähig sind, ihre einstigen Feinde zu umarmen, haben ihren Sieg wirklich verdient.“ So ein schöner und wahrer Satz! Der Roman ist geprägt von dramatischen Szenen und Momenten, die tief berühren und Hoffnung geben.

Der Schreibstil zeichnet sich aus durch die klare, schnörkellose Sprache, die dennoch immer wieder poetische Bilder zulässt. Sarah Höflich schildert dramatische Szenen mit einer Intensität, die unter die Haut geht, ohne ins Sentimentale oder Übertriebene abzugleiten. Besonders beeindruckend sind die Passagen, in denen die Autorin die großen historischen Ereignisse mit privaten Schicksalen verwebt und so Geschichte auf eine persönliche, greifbare Ebene holt.

Sarah Höflich ist mit „Maikäferjahre“ ein eindrucksvoller Roman gelungen, der historische Ereignisse und persönliche Schicksale zu einer vielschichtigen, emotional bewegenden Geschichte verwebt. Es regt zum Nachdenken an, erschüttert und tröstet zugleich – und bleibt lange im Gedächtnis.

9 von 9 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.07.2025
Peters, Amanda

Beeren pflücken (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Verlust, Schuld und die Suche nach Wahrheit

Im Mittelpunkt dieser tragischen Geschichte stehen 2 Kinder, die ich bis ins hohe Erwachsenenalter begleite. Im Juli 1962 reist eine indigene Mi'kmaq-Familie aus Nova Scotia in das amerikanische Maine, um wie immer den Sommer über Blaubeeren zu pflücken. Während dieser scheinbar friedlichen Zeit verschwindet die vierjährige Ruthie spurlos. Der letzte Mensch, der sie sieht, ist ihr älterer Bruder Joe. Der Verlust erschüttert die Familie bis ins Mark und bleibt fast fünf Jahrzehnte lang ein ungelöstes Rätsel.

Parallel dazu verfolge ich das Leben von Norma, die als Einzelkind in wohlhabenden Verhältnissen in Maine aufwächst. Sie leidet unter der übergriffigen Fürsorge ihrer Mutter. Immer wieder wird sie von unerklärlichen Träumen heimgesucht, die sich wie Splitter einer verlorenen Erinnerung anfühlen. Mit dem Erwachsenwerden wächst in ihr das Gefühl, dass ihre Eltern ihr ein entscheidendes Geheimnis vorenthalten.

Die Kapitel wechseln ab zwischen Joes und Normas Perspektive. Während Joe von Schuldgefühlen und der Suche nach Erlösung gezeichnet ist, kämpft Norma um Selbstbestimmung und die Wahrheit über ihre Herkunft. Ihre Geschichten laufen lange Zeit parallel, bevor sie sich – ganz allmählich und doch unausweichlich – miteinander verweben.
Die Sprache von Amanda Peters ist klar und sehr empathisch. Bei vielen Sätzen muss inne halten und ich habe einige Lieblingssätze markiert.

Die Figuren sind sehr vielschichtig angelegt. Sie durchleben sehr viele Emotionen und Amanda Peters schildert diese Gefühle sehr einfühlsam und anschaulich.

Die zentralen Themen sind Identität, Zugehörigkeit und der Umgang mit Schuld. Joe verkörpert die Unfähigkeit, loszulassen und sich selbst zu verzeihen. Norma hingegen steht für die Hoffnung, dass die Wahrheit – so schmerzhaft sie auch sein mag – letztlich befreiend wirkt.

Ein weiteres Thema ist das Schweigen. Familiengeheimnisse und das Nichterzählen bestimmter Wahrheiten prägen das Leben der Figuren oft mehr als die ausgesprochenen Worte. Es ist ein Schweigen, das trennt, aber auch eines, das schützen will.

Amanda Peters versteht es, die Spannung beständig zu halten. Ich ahne früh, dass Joes und Normas Geschichten miteinander verbunden sind, aber die Autorin lässt sich Zeit mit der Auflösung. Erst spät im Buch erfahre ich, was wirklich mit Ruthie geschah und wie tief die Wunden sind, die ein solcher Verlust hinterlässt. „Beeren pflücken“ ist ein bewegender Roman, der lange nachhallt.

10 von 10 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.07.2025
Pierre, Marie

Der Weg der Frauen / Das Pensionat an der Mosel Bd.3


ausgezeichnet

Poetisch, spannend und dramatisch

Schon zum dritten Mal entführt mich Marie Pierre nach Lothringen in das jetzige Thionville (damals Diedenhofen) in das Pensionat von Pauline Martin. Auch dieses Mal steht Pauline im Mittelpunkt des Geschehens denn sie wird mit den Folgen der Verhaftung ihrer Schülerin Sophie konfrontiert, die sich bei einer Kundgebung für Frauenrechte engagiert hat. Die Situation lässt nicht nur den Ruf des Pensionats leiden, sondern bringt auch Pauline in eine prekäre Lage. Sophie kehrt nach ihrer Entlassung aus Luxemburg als gebrochene Persönlichkeit zurück, und Pauline beginnt, über nachzuforschen. Das führt sie zu verstörenden Entdeckungen im Elternhaus des Mädchens.

Die Handlung wird zusätzlich durch Paulines persönliche Konflikte vertieft. Sie wird zwischen zwei Männern zerrissen: ihrem ehemaligen Verlobten Roland, der erneut um sie wirbt, und Erich von Pliesnitz, der sich enttäuscht zurückzieht, als er von Rolands Rückkehr erfährt. Diese Dreiecksbeziehung zwingt Pauline dazu, eine Entscheidung zu treffen, die nicht nur ihre Zukunft, sondern auch ihr Herz auf eine harte Probe stellt.

Marie Pierre gelingt es meisterhaft, historische Ereignisse mit einer fiktiven Erzählung zu verweben. Die Atmosphäre des frühen 20. Jahrhunderts wird so lebendig eingefangen, dass man sich förmlich in die damalige Zeit versetzt fühlt. Besonders beeindruckend ist die Darstellung der gesellschaftlichen Kämpfe und Herausforderungen, mit denen Frauen zu jener Zeit konfrontiert waren. Themen wie Frauenrechte, gesellschaftliche Erwartungen und persönliche Freiheit ziehen sich wie ein roter Faden durch das Buch.

Die Sprache des Romans ist von einer bemerkenswerten Eleganz, die perfekt zur Erzählung passt. Viele Sätze wirken wie kleine poetische Kunstwerke, die mich oft innehalten lassen. Der Schlusssatz gehört zu den schönsten, die ich in der letzten Zeit gelesen habe und lässt mich mit einem guten Gefühl, einem Lächeln und einer kleinen Gänsehaut das Buch beenden.

"Der Weg der Frauen"* von Marie Pierre ist ein emotionaler und gut recherchierter historischer Roman, der mich nicht nur durch seine spannende Handlung, sondern auch durch seine feinfühlige Charakterzeichnung und seinen poetischen Stil begeistert hat. Marie Pierre erzählt eine kraftvolle berührende Geschichte über Mut, Veränderung und die Suche nach Selbstbestimmung in einer von gesellschaftlichen Zwängen geprägten Zeit.

12 von 12 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.06.2025
Engel, Henrike

Die Lichter über St. Pauli / Elbnächte Bd.1 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Ein bisschen düster und sehr atmosphärisch

Ich mag Hamburg sehr und deshalb habe ich mich auch gerne in das Hamburg im Jahr 1913 von Henrike Engel entführen lassen. Schon damals war es eine faszinierende und vielschichtige Stadt, was mir die Autorin gut und anschaulich vermitteln konnte.
Der Sommer 1913 wird das Leben von 3 Menschen für immer verändern.– Louise, Ella und Paul – die jeweils auf ihre eigene Weise mit Schicksalsschlägen kämpfen und sich schließlich in der turbulenten Atmosphäre von Sankt Pauli begegnen.
Louise lebte Viktors Leben und wurde sehr unsanft wach gerüttelt. Paul hadert mit seinem Schicksal, seit er seinen Arm und dadurch auch den geliebten Job als Polizist verloren hat. Ella wurde von ihren Eltern verkauft und musste dann ihren Körper verkaufen. Sie flieht und ein Zufall führt sie nach Hamburg, wo sie auf Louise und Paul trifft. Mein Lieblingssatz von Ella: „Ich habe Hunger, solchen Hunger, auf das Leben und darauf meine eigene Herrin zu sein.“ Sie ist meine Lieblingsfigur und ich bewundere ihren Mut und auch ihre Entwicklung. Sie ist ein Mensch, den man einfach mögen muss.
Doch zunächst werden alle drei in einen Mordfall verwickelt und da ist Spannung garantiert.
Die Wechselwirkungen zwischen den Figuren und die düstere, aber atmosphärische Kulisse von Sankt Pauli machen "Elbnächte" zu einem fesselnden Leseerlebnis. Es geht um Verlust, Mut und Hoffnung und ich war gefesselt und begeistert von den Einblicken in die gesellschaftlichen Herausforderungen. Beste und spannende Unterhaltung nicht nur für Hamburg-Liebhaber!

13 von 13 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.