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nessabo

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Insgesamt 215 Bewertungen
Bewertung vom 08.12.2025
Kang, Minyoung

Plant Lady


weniger gut

Ich habe Female Rage gesucht, aber leider nicht gefunden

Thriller oder Krimis lese ich persönlich gar nicht, weil ich für detailliert beschriebene Gewalt zu sensibel bin. Dahingehend war ich erst skeptisch, was diesen Roman angeht, doch diese Befürchtungen haben sich glücklicherweise nicht bestätigt. Was sich allerdings auch nicht bestätigt hat, war meine Hoffnung auf einen feministischen Roman mit viel weiblicher Wut.

Female Rage Romane sind für mich sehr reizvoll. Ich möchte sie zwar nicht ständig lesen, aber ab und zu helfen sie mir in meiner Verzweiflung und Wut auf das Patriarchat. Doch auch, wenn der Roman feministisch gefärbt ist, ging er mir schlicht nicht weit genug. Yu-hee hätte für meinen Geschmack deutlich wütender sein können. Ehrlicherweise fand ich sie bis zum Ende noch recht blass und unbeteiligt. Eventuell ist das für südkoreanische Verhältnisse trotzdem schon bahnbrechend - die dortige Gesellschaft scheint mir noch ein ganzes Stück misogyner zu sein als die deutsche. Aber im Vergleich zu ähnlichen Büchern hat es für mich einfach nicht gereicht.

So war ich beim Lesen zunehmend genervt statt involviert und wütend auf gesellschaftliche Verhältnisse. Der Schreibstil hat mit seinem Episodenhaften zusätzlich dazu beigetragen. Es fühlte sich irgendwie mehr nach einer Kurzgeschichtensammlung an und dadurch insgesamt nicht wirklich stimmig. Mir wurde auch zu viel angedeutet und dann nicht so wirklich klar aufgelöst. Einzig die zarten Analogien zwischen Pflanzen und den realen Leben der Betroffenen fand ich noch ansprechend, aber ansonsten bin ich leider herb enttäuscht.

Diese eher nüchterne und distanzierte Erzählweise funktioniert für mich in bestimmten Geschichten sehr gut. Aber wenn es um weibliche Wut und Rache geht, brauche ich persönlich einfach auch starke Emotionen, sonst bleibt die Geschichte für mich leider irgendwie nichtssagend. Und dafür sind greifbare Figuren notwendig, was hier nicht erreicht wurde. Nicht nur Yu-hee bleibt wenig greifbar, auch die betroffenen Frauen sind blass und austauschbar. Ich bleibe nach dem Lesen ein wenig ratlos zurück, was die Zielsetzung des Romans anbelangt - so leid es mir auch tut.

Bewertung vom 03.12.2025
Güntner, Verena

Medulla


gut

Da hat es irgendwie nicht so recht gefunkt..

Ich habe mir von diesem feministischen Werk einiges erhofft und zumindest inhaltlich fand ich es auch durchaus gut. Probleme hatte ich allerdings über weite Strecken mit dem Stil und auch den Figuren selbst, weshalb es insgesamt einfach nicht so überzeugen konnte wie erhofft.

Bereits den Start in die Geschichte fand ich müßig. Mir waren es irgendwie zu viele Figuren, die parallel in die Geschichte eingeführt wurden. Grundsätzlich mochte ich die Strukturierung in drei Teile mit drei zentrierten Paaren und auch das teilweise Überschneiden der Handlung, die dadurch wiederum um weitere Blickwinkel bereichert wurde, hat mir gefallen. Nachdem ich dann alle Figuren halbwegs sortiert hatte, bin ich mit dem Mittelteil auch gut klargekommen. Nichtsdestotrotz schreibt Güntner für mich zu einem gewissen Grad assoziativ, legt die Gedanken und Beziehungen der Figuren nicht unbedingt offen auf den Tisch. Das ist einfach nicht meine liebste Art der Erzählung.

Und auch die Figuren selbst haben es mir nicht so leicht gemacht. Einerseits fand ich es toll, wie radikal, rotzig, widerständig und in bestimmten Momenten solidarisch die Frauen dieser Geschichte geschrieben wurden. Sie machen bedingungslos, was sie wollen - besonders, aber nicht ausschließlich, in Bezug auf ihre Körper. Ich finde, dass das durchaus kontrovers beschrieben ist und sicherlich polarisieren wird. Mir gefällt dieses kompromisslose Verhalten bei Romanfiguren, die keine cis Männer sind, als Stilmittel aber wirklich gut. Im echten Leben wäre es sicherlich vielschichtiger, aber gerade das Zugespitzte macht den gesellschaftskritischen Punkt klar.

Andererseits waren mir die Figuren zu distanziert. Ich habe bis zum Schluss kein richtiges Gefühl für ihr Innenleben bekommen und sie in Bezug auf andere Menschen als emotional eher isoliert wahrgenommen. Auch auf Kommunikationsebene hat das Beschriebene nicht so recht meinen Bedürfnissen entsprochen.

Bereits zwischendrin gab es zudem Szenen, die mir zu abgedreht waren und das Ende schließt sich da mit an. So verbleibe ich eher ernüchtert und bin in meiner Bewertung unschlüssig. Zu großen Teilen hat sich der Roman nämlich trotzdem sehr flüssig lesen lassen und der Widerstand seitens der Figuren hat mir wirklich gefallen. Ich finde, es verdient Anerkennung, einen so kompromisslosen Roman zu schreiben, der zu einem gewissen Grad polarisieren wird. Ich vergebe deshalb wohlmeinende 3 Sterne und empfehle das Buch eher Personen, die nicht unbedingt sympathische und emotional greifbare Figuren suchen.

Bewertung vom 30.11.2025
Hoile, Lucy

Das Buch, von dem deine Katze sich wünscht, du würdest es lesen


ausgezeichnet

Ich hätte nicht gedacht, dass ich Katzen noch mehr lieben könnte…

… und dieses Buch hat mich vom Gegenteil überzeugt! Obwohl es sich um ein Sachbuch handelt, lässt es sich unglaublich gut und schnell lesen. Wahrscheinlich liegt das auch an der Nähe zum Thema und dass wir in so vielen Abschnitten unsere felligen Begleiter*innen wiedererkennen.

Ich fand das Buch wirklich gut strukturiert, alles Wichtige niedrigschwellig formuliert. Und obwohl ich mir viel Erfahrung sowie ein gutes Maß an Verständnis für meine Katzen zuschreiben würde, habe ich noch einmal richtig viel dazugelernt. Mein Wissen rund um die feinen Kommunikationswege dieser Tiere, ihre Bedürfnisse und Ängste ist deutlich gestiegen.

Die Autorin, selbst Katzen-Verhaltenstherapeutin, bleibt naturgemäß allgemein, weil es eben in allen Fällen immer auf das individuelle Tier ankommt. Und trotzdem steckt das Buch voller Details und vor allem Liebe für diese tollen Individuen, die völlig zu Unrecht ein kratzbürstiges Image haben.

Persönlich gestört habe ich mich zwar an einer Aussage zur Ernährung, die unsachlich und falsch ist, und ebenso hätte ich mir eine noch klarere Kritik an Zucht gewünscht, aber bis auf diese beiden Kritikpunkte bin ich äußerst zufrieden. Das Werk wird nun für immer eine wichtige Ressource im Haushalt bleiben und ich habe es bereits begeistert verschenkt. Ein echtes Muss für alle, die Katzen lieben und sie ehrlich kennenlernen möchten. Und dass sich das lohnt, muss ich hoffentlich nicht betonen.

Bewertung vom 30.11.2025
M'Barek, Yasmine

I feel you


gut

Ein Essay mit guten Ideen, der mir aber eher nicht im Gedächtnis bleiben wird

Ein Buch über Empathie zu lesen in den aktuellen Zeiten, die mich oft zum Verzweifeln bringen, schien mir eine gute Idee zu sein. Und so manchen Aspekt mochte ich auch wirklich an Yasmine M’Bareks Buch. Nach der Lektüre fühle ich mich aber ein wenig in der Luft hängen gelassen, was bei Essays natürlich immer eine Gefahr ist, anderen aber auch schon besser gelungen ist.

Zu Beginn fand ich das Buch nicht gerade niedrigschwellig, die zweite Hälfte hat mir dahingehend deutlich besser gefallen. Bis dahin empfand ich den Text oft gleichzeitig relativ detailliert und zu allgemein gehalten, zudem gespickt mit recht vielen Referenzen bzw. theoretischen Erklärungen. Grundsätzlich finde ich das nicht schlimm, hatte im Verhältnis zur Kürze des Buchs aber trotzdem damit zu kämpfen.

In der zweiten Hälfte kamen mir Text und Autorin deutlich zugänglicher vor. Sicherlich liegt das auch an den persönlichen Meinungsäußerungen M’Bareks, die für mich eher positiv zu bewerten sind. Anhand ihrer eigenen Einstellungen macht die Autorin so deutlich, wie kritisches Denken und Ambiguitätstoleranz aktiv gelebt werden können. Das war auch der größte positive Punkt beim Lesen für mich, denn an der Stelle habe ich mich bei all meinem Weltschmerz abgeholt gefühlt. Schwarz-Weiß-Denken und Frontenbildung tun mir aktuell nämlich ganz schön weh, besonders innerhalb linker Strömungen.

Und obwohl mir das ebenso wie die leicht selbstironische Erzählweise der Autorin gut gefallen hat, bleibt nach der Lektüre zu wenig bei mir hängen, als dass es für mich jetzt ein total einprägsames Werk gewesen wäre. Einige Ideen sind gut und haben mir phasenweise Hoffnung gegeben, aber ich fand es jetzt auch nicht total weltbewegend. Am Ende war es für meinen Geschmack dann auch etwas abrupt vorbei, das fühlte sich nicht ganz stimmig an. Vielleicht ist es eher ein Werk für Menschen, die ein dünnes Buch mit inhaltlichem Anspruch sowie leicht hoffnungsvoller Färbung suchen.

Bewertung vom 28.11.2025
Dvoráková, Petra

Die Krähen


ausgezeichnet

Eindringlich, schmerzvoll und unglaublich wichtig

[TW: physische, psychische und 6ualisierte Gewalt gegen Kinder]

„Die Krähen“ war mein erstes tschechisches Werk, weshalb ich so gar nicht wusste, was mich sprachlich erwartet. Und ich wurde hier wirklich positiv überrascht, wenngleich meine Gefühle zum Romaninhalt so gar nicht positiv waren. Petra Dvořáková schreibt nämlich gleichermaßen einfühlsam und nüchtern über ein Thema, das mich an einer sehr wunden Stelle getroffen hat.

Ich war hin und weg davon, wie leichtfüßig sich dieses Werk lesen lässt, obwohl es emotional so schwer ist. Die Seiten flogen nur so dahin, obwohl ich zwischenzeitlich die Zähne zusammengebissen habe vor schmerzhaftem Mitgefühl. Diese beeindruckende Balance spricht für ein literarisches Talent, das ich nun auf jeden Fall im Blick behalte.

Der Roman springt zwischen den Perspektiven von Mutter und Tochter. Auch die sprachliche Differenzierung gelingt der Autorin hier wirklich makellos. Die kindliche Sicht auf die erfahrene Gewalt, die damit einhergehenden Schuldgefühle und das gleichzeitige Unverständnis tun unglaublich weh, weil sie so authentisch sind. Kinder sind schutzbedürftig und machen keine Fehler, für die Erwachsene sie beschuldigen oder, noch schlimmer, bestrafen dürfen. Das allein ist schon schrecklich genug zu lesen. Bára bemüht sich nach Kräften, ihren Eltern keinen Grund mehr zu geben für deren Wut und scheitert natürlich daran, weil sie keine Schuld trägt. Eine Befreiung aus der Situation erscheint aufgrund von Abhängigkeit und Manipulationsstrategien aussichtslos.

Doch die Ergänzung um die mütterliche Perspektive, teilweise triefend vor Abneigung, macht die Lektüre umso schlimmer. Die Autorin spricht der Mutter zwar auch ihre eigenen Hürden im Leben zu, nimmt sie jedoch nie aus der Verantwortung. So gelingt es auch, dass ich für manche Wut (bspw. dem Kindsvater gegenüber) zwar Verständnis aufbringen konnte, die Mutter aber nie als Opfer ihrer Umstände gesehen habe. Wer hier das Opfer ist, wird schnell klar und die geschilderte Mobbingdynamik innerhalb der Familie tut wirklich, wirklich weh.

Sprachlich ist das Werk eindringlich und gleichzeitig nüchtern-distanziert. Die Autorin hat es geschafft, die Figuren hier wirklich selbst erzählen zu lassen, was trotz der damit einhergehenden Distanziertheit hoch emotional ist. Ich denke, noch mehr Nähe und Details hätte ich auch gar nicht ausgehalten. Die Geschichte bietet eine Projektions- und Identifikationsfläche für die eigenen Erfahrungen und das macht ihre Stärke aus. Die kurzen Abschnitte aus Sicht der Krähen runden die Handlung ab und gehen trotz ihrer Abstraktheit manchmal regelrecht durch Mark und Bein.

Ich bin wirklich beeindruckt und empfehle den Roman ausdrücklich. Er trifft punktgenau das richtige Maß an Nähe zur Handlung, sodass der Schmerz beim Lesen aushaltbar und reflektierbar bleibt. Das Ende ist dagegen fast unbefriedigend offen, aber genau das ist leider oft der Punkt dieser Gewalt.

4,5 ⭐️

Bewertung vom 26.11.2025
Fingerle, Maddalena

Mit deinen Augen


gut

Für Fans obsessiver Figuren und metaphernreicher Sprache

Ich bin sehr unvoreingenommen an diesen Roman gegangen, da ich noch kaum Berührungspunkte zu italienischer Literatur hatte. Die Kürze des Buches in Kombination mit einem queeren Kontext sowie dem tollen Cover hat mich sehr angesprochen. Schon während des Lesens musste ich für mich aber feststellen: So sehr mich obsessive Figuren immer wieder reizen, so wenig bereiten sie mir doch während der Lektüre Freude.

Schon recht am Anfang war ich etwas verwirrt von Gaias Perspektive auf andere Menschen und das Leben allgemein. Ich habe zum Beispiel bis zum Ende nicht verstanden, warum sie fremden Personen einfach andere, in ihren Augen passendere Namen gibt. Das wirkt auf mich schon recht selbstzentriert und tendenziell unsympathisch. Und auch abgesehen davon hatte ich ziemlich große Schwierigkeiten mit der Obsession der Protagonistin. Diese absolute Verkörperung ihrer Ex-Freundin hat mich in ihrer Intensität regelrecht verstört.

Dabei ist die grundlegende literarische Idee dieser Verwandlung eigentlich wirklich gut. Sie bietet Gaia eine Möglichkeit des Ausbruchs aus ihrem seit Geburt vorbestimmten Leben und des Loslösens von der Herkunftsfamilie (die wirklich nur schwer auszuhalten ist). Die Trennung löst damit auch einen Prozess der Identitätsfindung aus, der mir am Ende aber doch zu nichtssagend blieb. Einige gesellschaftskritische Passagen blitzen immer mal wieder auf, als sonderlich reflektiert würde ich Gaia dennoch nicht bezeichnen.

Schon zwischendrin, aber vor allem zum Schluss habe ich mich dann gefragt, was genau nun die Kernaussage des Romans ist. Manche Elemente, die ich durchaus als metaphernreich bezeichnen würde, sind dabei greifbarer als andere. Aber abschließend gesehen blieb mir die Entwicklung der Hauptfigur zu vage. Das muss nicht pauschal schlecht sein, aber ich bin lieber sehr nah dran an Figuren, die einen deutlichen Entwicklungsprozess durchleben.

Weiterhin schwierig fand ich ich die Isolation Gaias. Sie hat in der gesamten Handlung eigentlich keinen wirklichen Fixpunkt - weder Familie noch Freund*innen spielen eine wahrnehmbar stabilisierende Rolle. Dafür muss mensch wahrscheinlich eine Vorliebe haben und mir sind ehrliche Interaktionen sowie echte Verbundenheit mit anderen Figuren schon ziemlich wichtig. Deshalb war es für mich kein sonderlich überragendes Werk. Phasenweise lässt es sich recht gut lesen, an anderen Stellen war es mir zu stockend. Menschen, die obsessive Figuren und Geschichten mit starkem Prota-Fokus mögen sowie Metaphern nicht scheuen, finden hier aber durchaus ein wertvolles Stück Literatur.

Bewertung vom 16.11.2025
Navarro, Fabian

Miez Marple und die Tatze der Verdammnis


ausgezeichnet

Der perfekte Krimi für alle, denen Krimis zu viel Krimi sind

Ich bin ein echter Fan der Miez-Marple-Reihe und auch der dritte Band, in einem neuen Verlag erschienen, hinterlässt mich begeistert. Der Humor mit all seinen kätzischen Wortspielen und Anspielungen auf die menschliche Welt ist sicherlich nicht jedermenschs Geschmack - ABER VERSTEHEN KANN ICH DAS NICHT!! 😃

Es ist Miez’ erster Auswärtsfall und dann gleich so ein glamouröser. Eingecheckt im Luxustierhotel dauert es nicht lange, bis es den ersten Mord gibt. Und dabei soll es nicht bleiben. Alle Luxusgäst*innen haben irgendwie Dreck am Stecken und der Autor schafft es erneut bis zum Schluss, die Auflösung offen zu halten.

Der Krimi ist wirklich die perfekte Wahl für alle, die eigentlich keine Krimis lesen. Wie ich, denn für all die Gewalt und Kriminalität bin ich viel zu zart besaitet. Doch die Bücher der Reihe lesen sich allesamt nicht nur grandios schnell weg, sondern sorgen durch den in meinen Augen sehr besonderen Humor für eine optimale Auflockerung. Die Taten werden auch nicht detailliert beschrieben, es geht eher um die Auflösung des Rätsels und den aktuellen Teil würde ich sogar als besonders entspannt beschreiben im Vergleich zu den beiden Vorgängern.

Ich liebe die kätzische Überlegenheit Menschen gegenüber und wie sie uns als Spezies belächeln. Wieso können wir uns auch nicht einmal selbst ordentlich sauber lecken, sondern müssen auf so etwas wie Seife zurückgreifen?! Ich liebe die zahlreichen (!) Anspielungen, einige hätte ich ohne den Austausch mit anderen nicht einmal gefunden. Meine Freude mit Schnurrsanne, Pawtricia und Co. war endlos!

Wenn ich etwas kritisieren müsste, dann vielleicht die Kürze des Romans. Manchmal wirkte die Handlung stark eingekürzt, sodass es da für mich noch 50 Seiten mehr hätten sein können. Und ganz manchmal waren mir die Wortwitze zu dicht beieinander.

Aber muss ich wirklich etwas kritisieren? Ich denke nicht! Der Roman ist lustig, spannend, unterhaltsam bis zum Schluss und locker an einem Tag lesbar. Auf was wartet ihr noch?

Bewertung vom 12.11.2025
Mustard, Jenny

Beste Zeiten


ausgezeichnet

Eine ruhige, aber überaus tiefgründige Geschichte über Heilung und Identität

Ich mochte Jenny Mustard bereits in ihrem Debüt außerordentlich gerne. Denn obwohl ich mit ruhigen Geschichten oft mal meine Probleme habe, nimmt mich ihr Schreibstil einfach immer völlig in sich auf. So war es auch mit ihrem zweiten Roman, der dem ersten in nichts nachsteht und doch anders ist.

Während Mustards Debüt eine Paarbeziehung im Zentrum stehen hatte, dreht sich die Handlung hier noch einmal viel stärker um die Entwicklung der Hauptfigur sowie eine ganz tolle und angenehm unperfekte Freundinnenschaft. Sickan versucht ihren früheren Traumata sowie ihrem eher ärmlichen Wohnumfeld durch einen Umzug nach Stockholm zu entkommen. Das ist mit Anfang 20 ein sehr nachvollziehbarer Move, aber dass er die Probleme nicht wird lösen können, ist uns sicher allen klar.

Dabei wirkt es doch einige Zeit so, als würde die Freundinnenschaft zur selbstsicheren Hanna genau das tun. Sickan, die eigentlich um jeden Preis den coolen Leuten auffallen will, wächst an der Seite ihrer etwas eigenbrötlerischen Freundin zunächst deutlich. Doch irgendwann holen sie die früheren Prägungen ein. Ich finde es ganz toll, wie die Autorin hier wiederholt politisch wird, deutlicher als in ihrem Debüt. Es geht um Klassismus und was er sowie Mobbing mit Menschen nachhaltig anrichten können. Es geht ebenso um 6ualisierte Gewalt und auch hier schafft es Mustard, das Trauma zu verdeutlichen, ohne die Betroffene einzig darüber zu definieren. Sie macht die Auswirkungen stets klar, ohne effekthascherisch ins Detail zu gehen.

Sickan beginnt in ihrem „neuen Leben“ auch eine weitere Beziehung, die ebenso von viel Ehrlichkeit und Authentizität geprägt ist, aber zu meiner großen Freude nicht als Heilsbringer dargestellt wird. Und obwohl romantische Liebe eine Rolle spielt, macht Mustard deutlich, dass andere Beziehungen mindestens ebenbürtig, wenn nicht sogar bedeutsamer sind. Die Autorin zeigt wie schon in ihrem Debüt ihr Händchen für sanfte und reflektierte Männerfiguren. Loyalität, Ehrlichkeit und ein verletzliches Miteinander - all das spielt eine zentrale Rolle und das ganz unabhängig von der Beziehungsart.

Wer ruhig und fundiert erzählte Geschichten mag, die nah an der Hauptfigur sind, hat hier einen Treffer. Ich mochte „Beste Zeiten“ tatsächlich noch einmal mehr als den Vorgänger, weil er deutlich politischer und noch einen Ticken weniger romantisch ist. Sickans Suche nach Heilung und einer eigenen Identität ist schmerzhaft ehrlich und ich gehe rundum zufrieden aus dem Buch.

Bewertung vom 07.11.2025
Raasch, Sara

The Nightmare Before Kissmas


weniger gut

Das war nichts - unpassende Tropes, schlechtes Worldbuilding, unreifer Protagonist

Ich habe mich wirklich sehr gefreut auf diese Geschichte, weil ich den leichten Fantasy-Aspekt rund um die Feiertage kombiniert mit einer queeren Romance wirklich sehr vielversprechend fand. RomComs lese ich vor allem mit dem Ziel, eine gute und lustige oder herzerwärmende Zeit zu haben, wenn ich eben genau das brauche. Und an diesen Erwartungen ist der Roman wirklich sang- und klanglos gescheitert.

Es fing für mich schon recht früh an, dass ich nicht so gut in einen Lesefluss gefunden habe. Anfangs dachte ich noch, dass das an einer hölzernen Übersetzung liegt und vielleicht trägt das auch wirklich seinen Teil dazu bei. Doch es geht auch weit darüber hinaus, denn ich habe den Wortwitz und allgemeinen Humor einfach gar nicht gefühlt. Er wirkte plump und unreif - was auch ganz generell auf den Protagonisten Coal zutrifft.

Coal ist Anfang 20, verhält sich aber so sprunghaft, selbstbezogen und lüstern wie ein Teenager (und selbst damit tue ich sicher vielen Teenager*innen unrecht!). Und nicht nur das: Er entwickelt sich auch einfach gar nicht weiter. Das wird im weiteren Verlauf der Handlung zwar über ihn behauptet, weil er teilweise Dinge in die Hand nimmt, aber das geschieht für mich auf eine völlig unglaubwürdige Weise.

Hex ist dagegen eine wirklich sympathische Figur, vulnerabel und sanft, ganz konträr zu seinem Erscheinungsbild. Doch die Chemie zwischen ihm und Coal habe ich bis zum Schluss nicht gespürt. Die spicy Szenen sind okay, sehr konsensgeprägt (was ich gut finde), aber ich hatte da einfach keinen Spark. Auch emotional wird viel gesprochen, aber gefühlt habe ich diese Verbindung nicht. Die weiteren Nebenfiguren bleiben überwiegend blass und eindimensional. Das hätte ich bei starken Protas noch akzeptieren können, aber an der Stelle mangelte es eben auch.

Und dann kommen wir zum Worldbuilding bzw. dessen Fehlen. Wieso wird zu Beginn dieses ganze Feiertagsfamiliensystem eingeführt und dieser komische Freudenzähler, nur um das dann komplett zu vernachlässigen? Ich bin scheinbar auch nicht die einzige, die die Welt bis zum Schluss nicht verstanden hat. Da wäre soooo viel möglich gewesen, so viel Magie und interessante Verflechtungen, aber die Autorin ließ dieses Potenzial ungenutzt.

Auch das Drama rund um Santa ist für mich einfach nur unglaubwürdig und schlecht geschrieben. Es wird ziemlich langweilig und zäh aufgebauscht, um es schlussendlich in gefühlten 3 Sätzen durch den Helden der Geschichte auflösen zu lassen. Und der Grund für Santas Verhalten? Möchte ich natürlich nicht spoilern, aber meine Güte: So einen unreflektiert misogynen Trope habe ich 2025 wirklich nicht mehr erwartet!

Ich verbleibe so heftig enttäuscht wie schon lange nicht mehr. Die Bewerbung mit „Slow Burn“, „Enemies to Lovers“ und „Grumpy x Sunshine“ ist in meinen Augen unfassbar fehlgeleitet - keiner dieser Tropes trifft zu. Und bei so inkonsistentem und teils unlogischem Worldbuilding, veralteten Stereotypen sowie flachen oder unreifen Charakteren bleibt mir die Lust auf die weiteren Teile schon dreimal weg.

Bewertung vom 31.10.2025
Dörrie, Doris

Wohnen


gut

Ein netter Essay zwischen Anekdotischem und Politischem

Ich kenne Doris Dörrie nur ansatzweise von ihren Filmen und fand den Themenkomplex rund ums Wohnen durchaus reizvoll. Nach der Lektüre würde ich sagen, dass sich auch dieses Buch gut in die Leben-Reihe des Verlags einfügt, ich jedoch selten viel aus den Werken mitnehmen kann.

Grundlegend schreibt Dörrie durchaus kurzweilig und teilweise humorvoll, ohne dabei den Blick für strukturelle Probleme zu verlieren. Sie vermischt in ihrem Essay Erinnerungen aus ihrem Leben mit feministischer und antikapitalistischer Analyse. Selbstredend kann in einem so kurzen Text wie diesem nicht tiefgreifend kritisiert werden, aber ich fand die vielen Elemente rund um Wohnungsnot, Klassen-Privilegien und sexistischer Rollenzuschreibung sehr wichtig. Ohne sie hätte mir definitiv die politische Komponente gefehlt.

Die Nähe und Liebe zu Japan ist der Autorin auf jeden Fall anzumerken - angenehmerweise aber ohne die starke Romantisierung, die ich in westlichen Diskursen zu Japan oft wahrnehme. Stattdessen gibt es einfach deutsche, us-amerikanische und japanische Elemente, die im Leben Dörries eine Rolle spiel(t)en. Nebenbei gibt sie uns auch immer wieder Einblicke in ihren Schreibprozess sowie ihr Schaffen als Regisseurin.

Insgesamt also eine sympathische und authentische Autorin sowie ein nett zu lesender Text, für mich aber mit wenig Potenzial für tiefgreifende Reflexionen. Wer Essays grundsätzlich schätzt, kann getrost zu diesem greifen und wird sicherlich auch etwas daraus mitnehmen können.

3,5 ⭐️