"Kein neuer Mythos, keine neue Religion tut not, sondern Aufklärung drüber, was Mythen und Religion uns im Innersten angehen und heute immer noch und mehr denn je zu sagen haben. Martin Spuras neues Buch führt ebenso kenntnisreich wie ansprechend und kurzweilig weiter, was er 2009 mit „Das verweigerte Opfer des Prometheus“ begonnen und 2015 mit „Autobiographie der Nacht“ fortgeführt hat: Eine existentielle Selbstverständigung des ganzen oder ganz werden wollenden Menschen über sein In-der-Welt-Sein und den Sinn des Seins.“ (Benedikt Maria Trappen)
Die mit Hilfe eines Co-Autors authentisch, offen und unterhaltsam erzählte Lebensgeschichte der inzwischen 43 jährigen Protagonistin macht deutlich, dass es im Übergang vom 20. ins 21. Jahrhundert innovative Wege gibt, auch jenseits traditioneller kognitionslastiger Bildungswege zu Erfolg und Erfüllung zu kommen, vorausgesetzt, man lässt sich auch von schwierigen Umständen nicht unterkriegen und entmutigen, bleibt rebellisch, hat das Glück, zum richtigen Zeitpunkt den richtigen Menschen zu begegnen und etwas zu entdecken, das einen im Innersten fasziniert, motiviert, für das man brennt. In diesem Buch ist es das Interesse an der Feuerwehr, die Herausforderung durch Gefahr und die Möglichkeit, durch Angst und Selbstzweifel hindurch mutig über sich hinauszuwachsen, wirksam und wirklich zu werden und anderen zu helfen. Eine frühe Schwangerschaft, scheiternde Beziehungen und das Fehlen einer Ausbildung - traditionell erhebliche Risikofaktoren für den Weg ins soziale Abseits - fügen sich in dieser Geschichte nahezu märchenhaft zu einem überraschenden Weg zu persönlicher Erfüllung und sozialem Erfolg. Ein Weg, der ohne moderne Kommunikationstechnik, digitale Vernetzung und social media so kaum möglich gewesen wäre. In einer Zeit, in der es - nicht nur in Deutschland - in vielfältiger Hinsicht „brennt", macht das Buch Mut, an die eigene Stärke und Möglichkeiten zu glauben, sich zu engagieren, zu vernetzen und gemeinsam dazu beizutragen, mutig die Krisen und Brände dieser Welt zu bekämpfen und für Freiheit und Selbstentfaltung einzustehen. Eine wichtige Botschaft, die sich vor allem, aber nicht nur an Frauen wendet. Und eine nachhaltige Werbung für staatsbürgerliches Engagement, Ehrenamt und freiwillige Feuerwehr.
Das Buch, das im Selbstverlag erschienen ist, verarbeitet zwar wesentliche Literatur. Trotz Lektorat ist es aber voller Satzbaufehler, die einem das Lesen verleiden und den Eindruck von Achtlosigkeit hinterlassen. Wichtige Autoren wie Brigitte Holzinger, Allan Hobson, Matthew Walker und Thomas Metzinger fehlen ganz. Eigene Erfahrungen sind auf niedrigem Niveau mit geringem Erkenntnisgewinn beschrieben. Fazit: Wer wirklich etwas zum Thema lernen will, tut besser daran, die Standard-Autoren zu lesen. Neben Stephen LaBerghe, Paul Tholey und Brigitte Holzinger gehört Tenzin Wangyal Rinpoche "Übungen der Nacht“ unbedingt dazu.
Michael Thumann schildert in gewohnter Authentizität, Präzision und Anschaulichkeit die bedrohlichen Veränderungen, denen ein Journalist aus einem „unfreundlichen Land“ in Russland inzwischen ausgesetzt ist und die dazu beitragen, sich nicht mehr sicher und zuhause zu fühlen. Befragungen durch den FSB gehören ebenso dazu wie überbordende Bürokratie, Beschattung, Eindringen in Wohnräume, Verhaftung und Anklage. Thumann gelingt es, den Leser hautnah auf seine Reisen - auch in die Vergangenheit - mitzunehmen, ihm möglicher Weise noch vorhandene Illusionen zu nehmen und die unerbittliche Bedrohlichkeit des Regimes Putins nahe zu bringen. Sein Rat: Warm anziehen und gut anschnallen in einer Welt, die keine Gewissheiten mehr kennt und unerbittlich hybrider Kriegsführung ausgesetzt ist.
Berkeley, Kant, Schopenhauer und die immer noch offenen Fragen des magischen Realismus
Der junge Freiburger Philosoph Jan Kerkmann, der sich zuletzt in Cambridge aufgehalten hat, hat mit Unendliches Bewusstsein nicht nur eine gründliche und erhellende ideengeschichtliche Studie zum Idealismus vorgelegt, die den britischen Empirismus seit 1710 mit der deutschen Transzendentalphilosophie bis 1844 ins Gespräch bringt. Auch systematisch ist seine Arbeit aktuell und bedeutsam, indem sie Grundfragen der Metaphysik zumindest ansatzweise mit Grundfragen der Neurowissenschaften und Traumforschung in Berührung bringt. Dass dabei immer wieder auch die Sprache selbst in den Fokus gerät, wundert – nicht erst seit Descartes und Wittgenstein – niemanden.
Was Berkeley, Kant und Schopenhauer eint, ist der Abschied sowohl vom naiven Realismus als auch von dogmatischer Metaphysik. Es gibt keine vom Subjekt, seinen Wahrnehmungen, seinem Bewusstsein unabhängige Außenwelt. Mit dieser Erkenntnis des Immaterialismus wurde zugleich aber auch das Tor zum Skeptizismus, Relativismus, Nihilismus und Atheismus aufgestoßen, und Kerkmann zeigt detailliert, wie jeder der drei Denker versucht, diesen intuitiv als gefährlich erkannten Abwegen und Abgründen zu entgehen. Redlichkeit und Wahrhaftigkeit zeichnen daher nicht nur die drei gewählten Philosophen, sondern auch den Untersuchenden selbst aus, der uns die bis in die Gegenwart reichenden Fragen immer wieder eindringlich vor Augen führt. Zu ihnen gehört neben der Intersubjektivität vor allem die Frage, was Bewusstsein eigentlich ist und worin es seinen Grund hat. Fragen, die auch die Hirnforschung immer noch nicht hinreichend beantwortet hat.
Wesen und Leistung der Einbildungskraft und des Urteils werden dabei ebenso dringend wie die Frage nach Zeitlichkeit, Traum und Wirklichkeit und der Bedeutung der Sprache. Nietzsche und Heidegger – mit beiden hat Kerkmann sich lange und gründlich auseinandergesetzt – wesen zwischen den Zeilen häufiger und intensiver an, als sie im Text oder Anmerkungen erwähnt werden. Kerkmann führt akribisch die Spielarten des Idealismus vor, den „schwärmend-mystischen“, des „träumenden“ und den „eigentlichen Idealismus“ und umkreist dabei die andauernde Problematik eines Ideal-Realismus oder magischen Realismus, der ebenso evident wie fragwürdig scheint. Sein als Wahrnehmung, die Welt als Schöpfung des transzendentalen Ich oder als Wille und Vorstellung: Die anthropozentrische oder anthropologische Wendung der Erkenntnis wirft Fragen auf, die die vormals dogmatische Rede von Gott aufheben und neu verstehen lassen.
Die Auffassung, Erkenntnis, dass Welt wird, wenn Gott im Menschen denkt, rückt den Begriff des Geistes sowie Fragen nach dessen Ursprung, Qualität und Entwicklung in den Mittelpunkt und ist geeignet, Theologie, Philosophie und Naturwissenschaft miteinander ins Gespräch zu bringen. Einheit, Ewigkeit, Unsterblichkeit, Seligkeit, Freiheit können als mögliche erfahrbare Qualitäten des Bewusstseins und der Seele verstanden werden, die zugleich ethisch und ontologisch bedeutsam und wirksam sind. Unendliches Bewusstsein – Gott oder Geist – ist dann nicht das ganz andere, der Welt und dem Menschen Transzendente, sondern ihr Wesen. Welt und Mensch sind in Gott und Gott ist in der Welt und im Menschen. Gott könnte, folgt man dieser Lesart Kerkmanns, im redlichen Gespräch der Fakultäten auferstehen, nachdem wir ihn, um mit den Worten Nietzsches zu reden, mit einem zu kurz gedachten Materialismus und Reduktionismus getötet haben. (Benedikt Maria TRappen in DAMARU)
Leser hatten sich möglicher Weise gefragt, ob es die Texte des verstorbenen Dichters wirklich gibt, über die in "Der Himmel ist auch die andere Erde" (2016) geschrieben und nachgedacht wird. Die Antwort liegt nun vor. "Erste Gedichte" des jungen Dichters über Natur, Leben, Menschsein. Geheimnisvolle Erzählungen über Sehnsucht, Liebe, die Möglichkeit der Erkenntnis, Freiheit. Politische wie existentielle Gedichte und Prosa. Reflexionen über das Schreiben und das Scheitern des darin Gesuchten und Versuchten. Dass der "Herausgeber" samt seinen Vorworten in beiden Büchern selbst literarische Fiktion ist, sollte man dabei allerdings nicht übersehen. Dichtung und Wahrheit scheinen unauflöslich verbunden. Goethes "Faust" und Nietzsches Schriften werden offensichtlich nicht ohne tiefen Grund erwähnt. Schreiben - aber auch Lesen - als Wagnis, zu dem man interessierte LeserInnen nur ermutigen kann.
Leserinnen und Leser hatten sich möglicher Weise schon gefragt, ob es die Texte des "verstorbenen Dichters" überhaupt gibt, über die in "Der Himmel ist auch die andere Erde" geschrieben und nachgedacht wird. Es gibt sie offensichtlich wirklich. "Erste Gedichte" des jungen Dichters über Natur, Leben, Menschsein. Geheimnisvolle Erzählungen über Sehnsucht, Liebe, die Möglichkeit der Erkenntnis, Freiheit. Politische und existentielle Gedichte und Prosa, die gerade heute wieder aktuell scheinen. Reflexionen über das Schreiben und das Scheitern am darin Gesuchten und Versuchten. Dass der "Herausgeber" samt seinen Vorworten in beiden Büchern selbst literarische Fiktion ist, sollte man dabei allerdings nicht übersehen. Dichtung und Wahrheit scheinen unauflöslich verbunden. Goethes "Faust" und Nietzsches Schriften werden offensichtlich nicht ohne tiefen Grund erwähnt. Schreiben - aber auch Lesen - als Wagnis, zu dem ich interessierte Leserinnen und Leser nur ermutigen kann.
"Diesseits von Eden. Über den Ursprung der Religion" ist ohne Zweifel eine weitere literarische Fleißarbeit des Enfant terrible der Ethnologie. Hans Peter Duerr (...) hat sich als Fortsetzung seines umfangreichen Buches über Nahtoderfahrungen ein sensibles Thema vorgenommen, das mit epochemachenden Werken wie "Das Heilige" von Rudolf Otto und "Die Vielfalt religiöser Erfahrung" von William James seit Jahrzehnten in seiner irreduziblen Eigenständigkeit gegen unangemessene Zugriffe und unzulängliche Betrachtungsweisen abgegrenzt gilt. Genau das hatte Duerr bereits in seinen wilden Heidelberger Jahren in Frage gestellt, und mit dieser Erinnerung an ein provozierendes Gespräch mit einem Dozenten für Religionsgeschichte beginnt er sein Werk. (...) Es gibt keine spezifisch religiösen Empfindungen. Das Heilige ist keine Kategorie sui generis. Es gibt lediglich allgemein verbreitete, universelle, Zeit- und Raum durchziehende menschliche Erfahrungen, die unterschiedlich gedeutet werden können. Gerüstet mit neurowissenschaftlichen Kenntnissen, der kritischen Sprachphilosophie Wittgensteins, gesundem Menschenverstand, eigenen Drogen- und Nahtoderfahrungen und Sinn für Humor macht sich Duerr an sein durchaus aufklärerisches Werk, dessen wesentlichster Teil die aus allen Zeiten und Weltgegenden zusammengetragene Phänomenologie religiöser und spiritueller Erfahrung ausmacht. Duerr entlarvt Schauspielerei und Betrug, erklärt Erfahrungen mit Hilfe neurologischer und naturwissenschaftlicher Modelle, bemüht Hirnareale, Aktivierungsmuster, Gehirnwellen, Frequenzen und Magnetresonanz. Aber auch Hypnose, tierischer Magnetismus, Traumata und Freuds Unbewusstes werden zur Erhellung religiöser und spiritueller Phänomene herangezogen. Es geht um Besessenheit, das Eindringen von Geistern und Seelen in Menschen, Schamanismus, Tantra, Kundalini, um Heilung, multiple Persönlichkeiten, Zungenreden, Mana und Shakti. Immer wieder wird deutlich, wie nahezu ununterscheidbar die beschriebenen religiösen und spirituellen Erfahrungen von sexuellen Erfahrungen sind. (...) Es geht um Energien, Kräfte, Schauer, die den Menschen durchströmen, wobei immer wieder die Wirbelsäule eine besondere Rolle spielt. (...) An den besten Stellen des Buches wird allerdings klar, dass Duerr keine wirkliche Antwort auf die Frage nach Herkunft, Wesen und Wirkung gut dokumentierter Erfahrungen hat. Dazu gehören u.a. zahlreiche Beispiele aus dem brasilianischen Spiritismus. Schmerzunempfindlichkeit, automatisches Schreiben und operative Eingriffe durch Geistheiler ohne Betäubung und sterile Werkzeuge, wie Kiu Eckstein sie dokumentiert hat, lassen sich nicht naturalistisch reduzieren, auch, wenn Duerr dies an einigen Beispielen versucht. (...) Kundalini Shakti ist eine Kategorie sui generis, eine mögliche Erfahrung und Wirklichkeit, die ganz sicher biologische Grundlagen hat, wie Gopi Krishna bereits gezeigt hat, deswegen in ihrer Einzigartigkeit und spezifischen Wirklichkeit aber nicht reduziert werden kann. Hier zeigt sich die Schwäche dieses, in der Fülle der geschilderten Phänomene durchaus bewundernswerten und wichtigen Buches. Weder mit dem reichlich vorhanden, gut dokumentierten Wissen über Kundalini Shakti, Yoga und Buddhismus, noch mit den auch heute noch bedeutsamen Beschreibungen und Argumenten von William James oder den religionsphilosophischen Einsichten Keiji Nishitanis setzt sich Duerr wirklich auseinander. Außen vor bleiben auch die bedeutsamen religions-, metaphysik- und sprachkritischen Ansätze Descartes, Nietzsches, Ludwig Feuerbachs und Martin Heideggers. Wer nicht nur Aufsehen und Anstoß erregen, sondern wirklich aufklären will, kann aber grundlegende, als sicher geltende anthropologische und philosophische Einsichten nicht ignorieren. (...) "Diesseits von Eden" ist ein bemerkenswerter Beitrag zur Phänomenologie der Religion. "Über den Ursprung der Religion" sagt es wenig. (aus: Benedikt Maria Trappen in : Yoga aktuell 9/2020)
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