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VolkerM

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Insgesamt 175 Bewertungen
Bewertung vom 06.08.2025
Schloß, Bernhard;Botta, Christian

Das Methodensystem für Projekte


gut

Wer schon einmal ein Softwareprojekt geleitet hat weiß, es gibt unzählige Methoden, Werkzeuge und Konzepte. Einige sind sehr nützlich – andere weniger hilfreich. Manche erfordern viel Zeit und Aufwand, um sie zu verstehen und richtig anzuwenden. Dabei den Überblick zu gewinnen und zu behalten, ist eine echte Herausforderung.
Bernhard Schloß und Christian Botta haben den Versuch gewagt und das Buch „Das Methodensystem für Projekte“ herausgebracht. Es ist ein praxisorientierter Leitfaden, der über 130 Methoden, Werkzeuge und Modelle für den erfolgreichen Einsatz in Projekten vorstellt und dabei nicht ein dogmatisches Vorgehen in den Vordergrund stellt, sondern die flexible und situationsgerechte Anwendung – je nach Bedarf, Teamgröße oder Projektphase. Herzstück des Buches ist die (im Business-Neusprech:) „Table of PM Elements“– eine visuelle Systematik, die an das Periodensystem der Elemente erinnern soll. Allerdings zeigt die Struktur, dass die Autoren das Prinzip des chemischen Periodensystems eindeutig nicht verstanden haben. Aber es klingt halt so schön wissenschaftlich. Ob das „Methodensystem" bei der Suche wirklich hilft, da habe ich meine Zweifel, mir hat es jedenfalls nicht geholfen, dazu gleich mehr. Immerhin sind die kurzen und qualifizierten Methodenbeschreibungen und -bewertungen ein guter Einstieg.

Das Buch behandelt alle wichtigen Themen im Projektmanagement – von Planung und Steuerung über Zusammenarbeit im Team und das Sammeln von Anforderungen bis hin zu Qualitätssicherung, Risikomanagement und allgemeinen Managementansätzen. Die Autoren machen dabei deutlich, dass die Sammlung nicht vollständig ist und bei Bedarf durch weitere Methoden ergänzt werden kann. Besonders im Bereich der Künstlichen Intelligenz ist in Zukunft mit vielen neuen Tools zu rechnen.

Gelungen ist die einheitliche Struktur, nach der jede Methode vorgestellt wird: Zunächst gibt es eine kurze Einführung, die erklärt, was die Methode leistet und wofür sie geeignet ist. Danach folgen Hinweise zur Anwendung, eine Übersicht über Vor- und Nachteile, praktische Tipps für den Einsatz im Alltag sowie Hinweise auf ähnliche oder ergänzende Methoden. Zusätzlich ist jede Methode farblich gekennzeichnet – je nach Kategorie, etwa Projektmanagement-Methode, Management, Kommunikation oder Kreativität. Dabei sollte jedoch beachtet werden, dass diese Zuordnung zu einem gewissen Teil subjektiv ist, da manche Methoden mehreren Kategorien zugeordnet werden könnten, die Autoren sie aber nur einer zuordnen. Da das Entscheidungssystem nach Kategorien sortiert ist, bekommt der Nutzer in diesem Fall also nicht alle geeigneten Methoden vorgeschlagen. Letztlich ist das System eine Entscheidungstabelle mit mehreren Filtern. Die grafische Aufteilung, die in der Tat etwas an das Periodensystem der Elemente erinnert, ist absolut willkürlich und weder intuitiv noch übersichtlich.

Im Anhang des Buches finden sich Tabellen, in denen die Methoden und Werkzeuge nach verschiedenen Kriterien sortiert sind – zum Beispiel nach Aufwand, Schwierigkeitsgrad oder Bewertung. Das sind im übertragenen Sinn die „Filter“ der dahinterliegenden Auswahltabelle. Das Stichwortverzeichnis enthält nur die Namen der Methoden. Leider fehlen ein Literaturverzeichnis oder weiterführende Links, was den Zugang zu vertiefender Information einschränkt.

Beim Kauf des Buches erhält man einen persönlichen Code, mit dem man das zugehörige eBook kostenlos als PDF- oder epub-Datei herunterladen kann – ein praktischer Bonus für alle, die lieber digital lesen und recherchieren.

Das Buch eignet sich gut als grundlegendes Nachschlagewerk – sowohl für Einsteiger als auch für erfahrene Projektmanager. Es bietet eine schnelle Orientierung im Projektalltag und unterstützt bis zu einem gewissen Grad bei der Auswahl und Anwendung von Methoden. Wenig überzeugend finde ich das sogenannte „Methodensystem“. Es wirkt auf mich willkürlich und subjektiv, weshalb es sich aus meiner Sicht auch nicht als zuverlässiger „Methoden-Finder“ eignet.

Bewertung vom 05.08.2025

American Icons Volume 2


ausgezeichnet

Nach ihrer Gründung im Jahr 1776 waren die USA sehr lange auf der Suche nach einer eigenen Identität. Die Architektur orientierte sich noch bis ins 20. Jahrhundert an Europa, dessen Stile man weitgehend unverändert übernahm. Um 1920 entwickelt sich dann ein typisch amerikanischer Baustil, initiiert von Architekten, die zwar in Europa ausgebildet wurden, sich aber zunehmend emanzipierten.

Wie schon in Band 1 versammelt „American Icons“ die Crème de la Crème amerikanischer Architekten und Architektur. Band 2 ist jedoch keine Fortführung der Chronologie von Band 1 in die Gegenwart, sondern beginnt wieder um die Jahrhundertwende, mit weiteren Beispielen herausragender Architektur. Das allgemeine Konzept wurde beibehalten, indem durch die großformatigen Fotografien ein exzellenter Eindruck von der inneren Raumwirkung und der Einbindung in die jeweiligen (Stadt)Landschaften vermittelt wird. Überhaupt ist die Einbeziehung der Außenumgebung ein besonders charakteristisches Element amerikanischer Individualarchitektur. Man bekommt eine sehr konkrete Vorstellung davon, wie sich das jeweilige Gebäude heute präsentiert bzw. präsentiert hat, denn einige wenige sind nicht mehr im Originalzustand oder sind sogar verloren. In diesen Fällen werden gute historische Aufnahmen herangezogen, ansonsten sind es aktuelle, technisch perfekte Fotos, die selbst bei starken Kontrasten jedes Detail wiedergeben und keinerlei Verzeichnungen oder Verzerrungen aufweisen. Architektur kann man kaum besser und anschaulicher illustrieren, zumal viele der Wohnhäuser von ihren Besitzern mit viel Liebe zum Detail original eingerichtet blieben. Es sind im wahren Sinn begehbare (und bewohnbare) Kunstwerke.

Besonders gefallen hat mir die Kombination aus visuellem Reiz und den sehr kompakten, aber pointiert formulierten biografischen Hintergrundinformationen. Je nach Kontext stehen der Lebenslauf des Architekten, das Verhältnis zum Auftraggeber, Designinnovationen oder auch konstruktive Besonderheiten im Fokus.

Der Schwerpunkt der vorgestellten Gebäude liegt zeitlich zwischen 1930 und etwa 1970, der Blütezeit der amerikanischen Architektur. Im Anhang findet man einige Kurzportraits, die dann bis 1988 reichen. Der späte Stil ist aber nicht mehr im engeren Sinn und erkennbar „amerikanisch“, sondern weitgehend international.

Das schwere, matte Papier reflektiert nicht, bildet aber trotzdem jedes Detail präzise ab und auch der Einband ist handwerklich gut produziert, mit Fadenbindung und leinenverstärktem Rücken, sodass man lange Freude an dem Buch haben wird.

Bewertung vom 05.08.2025
Martin, George R. R.

Das Lied von Eis und Feuer - Die große Hörbuch-Box


ausgezeichnet

Über den Inhalt der Bücher muss man wohl kein Wort verlieren, also beschränke ich mich auf den Sprecher und der ist ein Genie, anders kann ich es nicht bezeichnen. Wer dachte, Rufus Beck bei Harry Potter wäre ein Wunder stimmlicher Wandlungsfähigkeit, der hat Stefan Kaminski noch nicht gehört. Ich habe es wirklich nicht fassen können, dass diese Figuren alle aus einer Kehle kommen. Das sind nicht irgendwelche verquetschten Karikaturen, sondern völlig andere Personen, die absolut natürlich klingen, aber so unterscheidbar sind wie in einem Kinofilm. Alleine die Stimme von Lord Varys! Es ist unfassbar, dass das nicht ein völlig anderer Sprecher ist. Da hört man regelrecht Varys‘ Körperlichkeit. Das sind alles echte Charaktere, reale, lebendige Personen, in deren Stimmen sich die Charaktereigenschaften widerspiegeln, aber es ist nie überzeichnet oder übertrieben. Das ist ein Hörspiel, kein Hörbuch. Jede Minute ein Genuss.

Einfach nur genial!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.08.2025
Carver Wees, Beth; Barron Smithie, Sheila

Marcus & Co.


ausgezeichnet

Mitte des 19. Jahrhunderts wanderte Hermann Marcus in die USA aus. Geboren in Kassel, war er einige Zeit Mitarbeiter des Dresdner Hofjuweliers Moritz Elimeyer, bevor er den Sprung über den großen Teich wagte. Aber genauso zielstrebig, wie er die Ausbildung in Deutschland betrieb, verlief auch seine Karriere in New York. Schon bald wurde er als Mitarbeiter der Firma Tiffany & Co. geführt, aber das blieb nicht seine letzte Station. Er knüpfte Kontakte, lernte Sprache und Umgang und bereits 1864 gründete er ein erstes, sehr erfolgreiches Unternehmen zusammen mit dem Juwelier Theodore Starr. Durch mehrere Wirtschaftskrisen und persönliche Tiefs führten seine Aktivitäten (und die seiner Söhne) letztlich zu Marcus & Co., die eine der führenden Juwelierfirmen der USA am Ende des 19. Jahrhunderts wurde.

Die ausgezeichnet recherchierte Monografie „Marcus & Co.“ zeichnet sehr detailliert den Weg vom mittellosen Auswanderer zum wohlhabenden Luxushändler nach, mit zahlreichen Ausflügen in die spannende Wirtschaftsgeschichte der USA. Marcus ist genau zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort und er scheut keine Risiken. Seine Biografie ist geradezu mustergültig für einen erfolgreichen Entrepreneur dieser Zeit: Marcus ist ein Meister darin, die richtigen Mitarbeiter zu rekrutieren und mit seinen alten Arbeitgebern und Mitbewerbern ein gutes Verhältnis zu bewahren. Mit Louis Tiffany verband ihn eine über 50 Jahre währende Freundschaft, trotz der äußerlichen Konkurrenzsituation. Marcus & Co waren Spezialisten für seltene Diamanten und hochwertige Farbsteine, die extrem aufwendig verarbeitet und gefasst wurden. Er erfand den „New Hindu Style“, der Ende des 19. Jahrhunderts äußerst beliebt war und war bis in die 1940er-Jahre immer auf der Höhe der aktuellen Mode. Er überstand schadlos mehrere schwere Wirtschaftskrisen, einen Weltkrieg und erst Roosevelts Steuerpolitik auf Luxuswaren 1941 leitete den Niedergang ein. Es war kein schlagartiges Aus, sondern ein langsames Verlöschen, indem Altbestände noch bis 1970 verkauft wurden, bevor die Firma vollständig aufgelöst wurde.

Das Buch ist eine Fundgrube an qualifizierter Information, nicht nur über die Familie Marcus, sondern auch über die komplexen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verflechtungen im Juwelen-Business der Zeit. Marcus ist einer der wenigen, die persönlich durch die Welt reisten, um kostbare Steine (und Antiquitäten) zu kaufen und er beschäftigte neben der eigenen Werkstatt zahlreiche qualifizierte Auftragnehmer, die seine Entwürfe umsetzten. Die Autorinnen hatten neben privaten Fotos und historischen Zeitungsausschnitten auch Zugang zu den erhaltenen Entwurfsbüchern der Firma mit über 1000 Zeichnungen, die die stilistische Entwicklung über fast 100 Jahre nachvollziehen. Auch einige Originale haben bis heute überdauert. Auktionshäuser und Sammler haben ihre Schätze für das Buch ablichten lassen, wodurch es zum eindrucksvollen Zeugnis der handwerklichen Perfektion wird, mit der Marcus & Co arbeiteten bzw. arbeiten ließen. Gemessen an den Mengen, die sie produzierten und verkauften, ist allerdings erstaunlich wenig erhalten geblieben. Zuweilen tauchen Stücke auf den internationalen Juwelenauktionen auf, aber die Zahl ist nicht zu vergleichen mit z. B. Tiffany. Marcus & Co verwendeten oft sehr große Steine, die wahrscheinlich später ausgefasst und umgeschliffen wurden, denn die Schleiftechnik für Diamanten wurde erst nach 1920 auf wissenschaftlicher Grundlage perfektioniert und auch der etwas schwere Stil des späten 19. Jahrhunderts ist heute nicht mehr so gefragt. Die meisterhaft leichte Art Nouveau Plique-à-jour Brosche vom Titelbild ist für Marcus & Co eher untypisch. Die perfekte Verarbeitung dagegen schon.

Mit wissenschaftlicher Akribie werden Quellen zitiert, das Bildmaterial ist sehr anschaulich und technisch hervorragend reproduziert. Im Anhang finden sich Abbildungen der verwendeten Punzen, allerdings sind die Goldpunzen ein wenig klein geraten. Da braucht man tatsächlich eine Lupe, wie beim Original.

Das Buch ist eine nicht nur biografisch sehr qualifizierte und gut lesbare Monografie, sondern beleuchtet durch seinen breiten Ansatz auch einen Teil der amerikanischen Wirtschaftsgeschichte aus einem spannenden, neuen Blickwinkel.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.08.2025
Süddeutsche Zeitung Magazin

Wann kommt das Salz ins Nudelwasser?


gut

Die Kolumne „Gruß aus der Küche“ aus dem SZ-Magazin hat es jetzt zwischen zwei Buchdeckel geschafft. Die interessantesten Beiträge rund um wahres oder auch unwahres Küchenwissen finden sich hier gesammelt und sie räumen nicht selten mit liebgewonnenen Mythen auf. Es gibt Hintergrundwissen über Zutaten und wie man sie verarbeitet, allgemeine Küchenirrtümer, Gesundheitsmythen oder auch ganz praktische Küchentipps. Mittlerweile wieder nötig auch das Kapitel zu den Benimmregeln beim Essen oder im Restaurant.

Sehr unterschiedliche Autoren schreiben die Beiträge, jeder mit unterschiedlichem Fachhintergrund. Da gibt es Ernährungswissenschaftler, Mediziner, Köche, Toxikologen und sogenannte „Experten“, für was auch immer. Zuweilen habe ich aber doch einige Lücken im vermeintlichen Fachwissen festgestellt, wenn sich die Autoren zu weit von ihrer eigentlichen Expertise entfernen. Ein Konditor kennt nicht unbedingt den biochemischen Hintergrund seiner Backwaren, eine Ökotrophologin sollte in physikalischer Chemie sattelfest sein, wenn sie schon dazu referiert. Aber selbst Experten zeigen manchmal in ihren Fachgebieten Schwächen, wenn die Medizinerin beim Thema Zuckerersatzstoffe die Unterzuckerung nach Insulinausschüttung vergisst oder eine „Ernährungsexpertin“ der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg Zutatenliste und Nährwertkennzeichnung verwechselt. Dabei sind die Verbraucherzentralen doch sonst immer die ersten, die Klage einreichen, wenn ein Unternehmen da einen Fehler macht. Aber so ist das mit dem Balken im eigenen Auge. Und im Autorenregister fehlt ausgerechnet Thomas Vilgis, dessen Beitrag tatsächlich mal makellos ist.

Insgesamt fand ich das Buch ordentlich, aber es ist wirklich nicht der große Wurf. Dafür habe ich mit meinem eigenen Hintergrundwissen einfach zu viele Fehler und Ungenauigkeiten gefunden. Da will ich gar nicht wissen, was darüber hinaus noch sachlich angreifbar wäre.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.08.2025
Himpsl, Franz;Gehlen, Dirk von

Wie KI dein Leben besser macht


gut

Das Buch von Franz Himpsl und Dirk von Gehlen enthält 50 kurze Kapitel, die jeweils einen Denkanstoß zum praktischen Einsatz von KI im Alltag geben – ohne mit technischen Details zu langweilen. Die Kapitel sind bewusst leicht verständlich gehalten, oft mit persönlichen Anekdoten und konkreten Beispielen. Am Ende jedes Abschnitts gibt es eine kleine Zusammenfassung oder Handlungsanregung.

Besonders gut gefallen hat mir die große Themenvielfalt. Das Buch gibt praktische Denkanstöße zur Verbesserung der eigenen Produktivität – zum Beispiel, wie KI-Werkzeuge dabei helfen können, im Alltag Zeit zu sparen, Texte automatisch zusammenzufassen oder E-Mails zu formulieren. Auch der Einsatz von Chatbots zur schnellen Vermittlung von Wissen wird behandelt. Darüber hinaus geht es um gesundheitliche Aspekte, etwa den sinnvollen Einsatz von Meditations-Apps, Unterstützung bei einem gesünderen Lebensstil oder die Auswertung von Bewegungs- und Schlafdaten im Rahmen der Selbstbeobachtung. Kreative Anwendungen kommen ebenfalls vor, zum Beispiel wie KI für das Erstellen von Texten, Bildern und Musik genutzt werden kann oder auch nur als Gesprächspartner für ein Brainstorming. Die Autoren regen auch dazu an, über ethische Fragen sowie das Verhältnis zwischen künstlicher und menschlicher Intelligenz nachzudenken. Die Risiken der KI werden nur am Rande erwähnt – stattdessen liegt der Fokus darauf, KI als hilfreiches Werkzeug für den Alltag zu verstehen und Tipps zur sinnvollen Nutzung zu geben.
Wichtigster Tipp der Autoren: Einfach mal mit den KI-Werkzeugen spielen und sehen, wie sie einem persönlich weiterhelfen können.

Richtig gestört hat mich das aufdringliche Gendern mit Doppelpunkten. Es zerstört den Lesefluss, da Doppelpunkte normalerweise eine andere Funktion haben und verlängert den Text ohne zusätzlichen Informationsnutzen, abgesehen davon, dass es weder eine „natürliche“ Sprachentwicklung ist, noch den Rechtschreibregeln entspricht. Früher hätte ein Schriftsetzer bei so einem Buch seinen Vorrat an Doppelpunkten erschöpft…
Für die digitale Ausgabe hatten die Autoren ursprünglich geplant, verschiedene Sprachvarianten anzubieten – etwa mit generischem Maskulinum oder Femininum (auch wenn es das grammatisch nicht gibt), oder mit dem Sternchen („*“) als Genderzeichen – um unterschiedlichen Leserwünschen gerecht zu werden. Diesen Ansatz haben sie jedoch verworfen und auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Immerhin waren sie sich bewusst, dass das kein angenehm zu lesender Text ist.

„Wie KI dein Leben besser macht“ richtet sich vor allem an Leser, die neu in das Thema Künstliche Intelligenz einsteigen möchten. Das Buch eignet sich besonders für Menschen ohne technisches Vorwissen, die kurze Kapitel mit praktischen Denkanstößen schätzen und sich vom exzessiven Gendern im Text nicht stören lassen.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 30.07.2025
Schneider, Mario

Mario Schneider


ausgezeichnet

Straßenfotografie ist die spontanste Form der Fotografie, unmittelbar, intuitiv und ohne Hemmung Grenzen zu überschreiten. Mario Schneider hat auch stets Gewissensbisse, wenn er Menschen fotografiert, ohne sie gefragt zu haben. Er nimmt ihnen etwas, ohne etwas dafür zurückzugeben – ein ungleiches Geschäft. Die Gewissensbisse überwindet er nur, da er weiß, dass man nur auf diese Weise wirklich gute Straßenfotos bekommt, die absolut ungekünstelt, distanzlos und ehrlich sind. „New York Short Stories“ ist so ein Glücksfall gelungener Straßenfotografie und der Buchtitel bringt es auf den Punkt: Jedes gute Foto erzählt eine ganze Geschichte, es schaut den Menschen in die Seele, hat Humor und Emotionen, überrascht den Betrachter und besitzt eine eigene ästhetische Qualität. All das trifft auf „New York Short Stories“ zu. Jede Seite ist so individuell und originell wie die Stadt New York, sie zeigen Menschen aus allen sozialen Schichten, jeden Alters und ethnischer Herkunft, ein Schmelztiegel der Biografien, so bunt wie Schneiders Fotos meist schwarz-weiß sind.

Er hat ein so untrügliches Auge für Situationen und den richtigen Moment, dass man schon etwas wie den siebten Sinn vermuten darf, ohne sehr zu übertreiben. Ein gewisser Hang zum Skurrilen darf vorausgesetzt werden, das ergibt sich auch schon aus der selbstironischen Schilderung seiner Jugend im sächsischen Helbra, die in ihrer Episodenhaftigkeit geradewegs aus seinen Fotos entsprungen sein könnte. Ähnlich ironisch ist der kurze Text von Andreas Reimann, dem Freund, der eigentlich die in solchen Bildbänden übliche Huldigung verfassen sollte, dann aber nur zu Papier bringt, dass er dessen nicht fähig ist. Gehuldigt wird zwischen den Zeilen.

„New York Short Stories“ zeigt die Stadt aus dem Augenwinkel. Verschmitzt, komisch, direkt, rührend, aggressiv, entspannt und weltoffen. Hoffen wir mal, dass es so bleibt.

Bewertung vom 27.07.2025

Badisches Klosterbuch - 3 Bände im Set


ausgezeichnet

Die Klosterdichte im Südwesten war historisch außergewöhnlich hoch, was nicht zuletzt daran lag, dass von hier aus die Christianisierung Deutschlands begann. Mit der Gründung der ersten Orden im Frühmittelalter explodierte die Zahl der christlichen Gemeinschaften. Wesentliche Rückschläge waren dagegen die protestantische Reformation und die josephinische Säkularisation im 18. Jahrhundert, die zu teilweise dramatischen Einschnitten führten. Mit der napoleonischen Säkularisation nach 1803 kam das Zeitalter der Klöster dann an sein Ende.

Erst im Jahr 2003 gab es den ersten Versuch einer umfassenden und auf enzyklopädische Vollständigkeit zielenden Darstellung der regionalen Klostergeschichte, zunächst begrenzt auf Württemberg. Diese damals in einem Band erschienene Monografie reicht allerdings in Eindringtiefe und Vollständigkeit bei weitem nicht an das heran, was jetzt in drei Bänden zu den Regionen Baden und Hohenzollern gelungen ist. Dieses Werk ist ein Meilenstein in der Erschließung weit verstreuter und teilweise schwer zugänglicher Quellen, es ist hervorragend strukturiert und wurde mit großer Sorgfalt und wissenschaftlicher Akribie zusammengestellt. 20 Jahre koordinierter Teamarbeit stecken in diesen drei Bänden und das spürt der Leser sofort. Die Informationsdichte ist ungeheuer hoch, durch die eingängige Sprache und sachliche Darstellung bleibt sie aber leicht verständlich.

Einleitend schildern mehrere Kapitel die historischen Entwicklungen im Klosterwesen, die übergreifend gelten und die Essenz dieser Monografie darstellen. Alleine diese vier Kapitel wären eine eigene Publikation wert, in ihrer Konzentration auf das Wesentliche und ihrer klaren Struktur. Während die Übersichtskapitel bei der Säkularisation enden, wird in den jeweiligen Kloster-Beschreibungen, die den weitaus größten Raum einnehmen, die Geschichte bis in die Gegenwart fortgeschrieben. Zwar haben nur wenige Gemeinschaften bis heute überlebt, aber nach 1815 kam es zu zahlreichen Wiederbelebungen, oft auch in Kooperation mit kirchlichen oder städtischen Schulen. Dass Konvente mangels Nachwuchs ausstarben, ist übrigens keine neue Entwicklung, sondern war zu fast allen Zeiten ein Problem (sieht man vom katholischen „Boom“ am Ende des 19. Jahrhunderts ab).

Die Einzelbeiträge zu den einzelnen Klöstern folgen stets derselben Struktur und machen damit das Auffinden von Fakten einfach. Auf die knappe Übersicht mit historischen und kirchenorganisatorischen Grundinformationen folgt ein umfassendes Kapitel zur Geschichte, den wirtschaftlichen Grundlagen und monastischen Netzwerken (oft sehr anschaulich visualisiert), des religiösen Wirkens sowie dem Archiv- und Bibliothekswesen, gefolgt von einem bau- und kunsthistorischen Abschnitt mit zahlreichen Plänen, zeitgenössischen Abbildungen, Informationen zur Bauausstattung und Klosterinventar, sowie der Bibliografie.

Ein Teil des Klosterbuchs ist als hybride Ausgabe auch online abrufbar und über eine (rudimentär) recherchierbare Datenbank werden zusätzliches Bildmaterial, Listen der Klostervorsteher und Siegel, sowie eine Gesamtbibliografie bereitgestellt. Der online verfügbare Inhalt bleibt allerdings wesentlich hinter der Printausgabe zurück, es ist eher ergänzendes Material, das den Umfang des Buches gesprengt hätte, aber keine grundlegend neuen Aspekte berührt. Die Online-Autoren sind in der Regel andere als im Buch. Alle wesentlichen Abbildungen und Pläne finden sich im Übrigen in der Printausgabe.

Umfang, Eindringtiefe, Vollständigkeit und Übersichtlichkeit machen dieses Klosterbuch zu einem enzyklopädischen Meilenstein, der Maßstäbe setzt und eine breite Zahl interessierter Kreise anspricht. Für Laien wie Experten eine Fundgrube qualifizierter und exzellent aufbereiteter Informationen zur monastischen Geschichte in Baden und Hohenzollern.

Bewertung vom 25.07.2025
Hewitt, Seán

Öffnet sich der Himmel


ausgezeichnet

James ist ein Außenseiter. Seit ihn eine Mitschülerin als schwul geoutet hat, fühlt er sich keiner Gruppe mehr zugehörig. Die Mädchen betrachten ihn als geschlechtsneutrales Kuriosum, die Jungs meiden ihn. Nicht dass er offene Diskriminierung erfährt, aber er ist zutiefst einsam. Bis er Luke begegnet. Dieser ist ein Jahr älter, bereits aus der Schule und verbringt den Sommer auf dem Bauernhof seines Onkels in der Nachbarschaft. Luke wird James erste Liebe, er wird ihn aus seiner Einsamkeit holen und es wird ein Sommer werden, der für James alles verändert.

„Öffnet sich der Himmel“ ist ein klassisches Coming-of-Age-Buch über einen Jugendlichen auf der Suche nach sich selbst. Aber schon auf den ersten Seiten ahnt der Leser, dass diese Suche auch nach vielen Jahren und James‘ gescheiterter Ehe noch nicht beendet ist, und dass dieser eine Sommer seine Narben hinterlassen hat. Eine tiefe Traurigkeit durchzieht die ganze Geschichte, die aus James Sicht geschrieben ist und den Leser subtil in seine Gedankenwelt mitnimmt. James vorsichtige Annäherung an Luke, der jede Regung daraufhin überprüft, ob seine Zuneigung erwidert wird, die unausgesprochene Eifersucht, die Unsicherheit, die Momente reinen Glücks und tiefer Verzweiflung. Am Ende geht es um die Frage aller Fragen: Was ist Liebe? Gibt es nur eine Form der Liebe und wie grenzt sie sich von Begierde ab? James sucht Antworten, aber er findet sie erst viele Jahre nach diesem schicksalsträchtigen Sommer. Die Schlussszene ist eine der rührendsten der gesamten schwulen Literatur.

Sean Hewitt besitzt das Talent, selbst komplizierteste Gefühle in die richtigen Worte zu fassen, mit so viel Einfühlungsvermögen und Sympathie für seine Figuren, dass der Leser unausweichlich in den Sog des Geschehens hineingezogen wird. James‘ Herzschmerz wird zum eigenen und die überwältigende Natur, der Wandel der Jahreszeiten sind dabei kaum verhüllten Metaphern für James‘ Erwachen. Der Text lebt von subtilen Beobachtungen, mit emotionaler Präzision festgehalten, ebenso schmerzhaft für den Protagonisten wie für den Leser. Selbsterkenntnis ist ein langsamer, quälender Prozess, ein Weg über glühende Kohlen, bei dem jeder Schritt neue Überwindung kostet. Und die Frage ist, ob am Ende wirklich Erlösung wartet.

Hewitt ist ein Meister der leisen Zwischentöne, die man in dieser Form wohl nur findet, wenn man Ähnliches selber erlebt hat. Anders will ich es mir nicht vorstellen, denn James und Lukes Geschichte ist so wahrhaftig, wie eine Geschichte nur sein kann.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.07.2025
Kirschner, Manuela;Bergbauer, Matthias

KOSMOS Riff-Führer Rotes Meer


ausgezeichnet

Das Rote Meer beherbergt einige der artenreichsten Riffe der Erde, da sich hier die Fauna des Indopazifik mit vielen endemischen Arten mischt. Die Bandbreite der Biotope ist hier ungewöhnlich groß.
Die Unterwasserfotografin Manuela Kirschner und der Biologe Matthias Bergbauer sind seit vielen Jahren in diesem artenreichen Revier als Fotografen unterwegs und haben die Schätze ihres umfangreichen Bildarchivs in einem außergewöhnlichen Naturführer für Tauchtouristen zusammengetragen. Im engeren Sinn ist es kein Bestimmungsbuch, da es keine Bestimmungsschlüssel enthält, sondern nur Bildtafeln mit kurzen Begleittexten. Die Autoren fokussieren in erster Linie auf auffällige Arten, die entweder durch intensive Farben oder Größe ins Auge springen, mit anderen Worten, es sind die Arten, denen man beim Tauchen auch bewusst begegnet.
In gewissem Rahmen berücksichtigen die Beispielfotos auch Farbvarianten, allerdings darf man nicht zu viel erwarten. Die Riffe im Roten Meer sind teilweise ökologisch durch Barrieren voneinander isoliert, was die Ausbildung lokaler Farbvarianten fördert. Das kann ein kurz gehaltener Naturführer natürlich nicht berücksichtigen, aber es gibt genügend Arten, die dieses Problem nicht haben.

Die Mehrzahl der abgebildeten Tiere sind Fische, die jeweils in Seitenansicht gezeigt werden. Darüber hinaus gibt es ein kurzes Kapitel zu Meeressäugern, sowie ein längeres zu Wirbellosen. Während die Fischarten mit insgesamt fast 800 Spezies eine gewisse Vollständigkeit bieten (man schätzt, es gibt im Roten Meer über 1000 Arten), geben die Wirbellosen eher einen Überblick mit charakteristischen, häufigen und auffälligen Arten. Abgesehen davon, dass die korrekte Bestimmung von Wirbellosen auch Spezialisten herausfordert, ist die tatsächliche Artenzahl hier einfach unübersehbar. Komplett unberücksichtigt bleiben Algen, Bryozoen, Schwämme und Korallen.
Die Steckbrieftexte sind knapp gehalten. Es gibt Angaben zur Größe, den Verbreitungsgebieten, oft auch zum Verhalten (z. B. Schwarm/Einzelschwimmer) und Farbvarianten, die manchmal auch abgebildet sind.

Der Riff-Führer ist ein sehr intuitiver, praxisnaher Begleiter, der zwar im Einzelfall auch mal danebenliegen kann, aber insgesamt einen sehr guten Überblick liefert. Wer hier wirklich tiefer eindringen will, braucht sehr viel Spezialliteratur und teilweise auch vertiefte Kenntnisse und Equipment. Es ist ein sinnvoller Kompromiss zwischen Vollständigkeit und Praktikabilität.