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Lesenderfrosch
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Deutschland

Bewertungen

Insgesamt 15 Bewertungen
Bewertung vom 25.08.2025
Chang, Molly X.

Nightblood Prince


sehr gut

Als ich mit „The Nightblood Prince” von Molly X. Chang angefangen habe, war ich sofort drin. Die Welt, die sich nach chinesischer Mythologie anfühlt, mit Vampiren und düsteren Prophezeiungen, hat mich total gekriegt. Fei, die Hauptfigur, mochte ich sofort, weil sie nicht einfach die „Auserwählte“ ist, sondern weil sie zweifelt, wütend ist, sich wehrt und trotzdem verletzlich bleibt.

Beim Lesen hatte ich dauernd ein Kribbeln, denn die Mischung aus Romantik und dunkler Fantasy fesselt wirklich. Klar, manchmal war die Handlung etwas holprig und es wurde deutlich, dass sie sich stark auf bekannte Muster stützt. Aber das hat mich ehrlich gesagt nicht groß gestört, weil ich einfach wissen wollte, wie es weitergeht. Für mich war das ein Buch, bei dem man mitfiebert, dahin schmilzt und gleichzeitig Lust hat, sofort mit jemandem darüber zu reden.

Bewertung vom 12.08.2025
Erdmann, Kaleb

Die Ausweichschule


sehr gut

Es gibt Bücher, die liest man, und es gibt Bücher, die in einem weiteratmen, lange nachdem man die letzte Seite umgeblättert hat. „Die Ausweichschule” von Kaleb Erdmann gehört zur zweiten Sorte.

Beim Lesen fühlt es sich an, als würde jemand ganz sanft an eine alte, verstaubte Schublade im eigenen Kopf klopfen. Man öffnet sie zögerlich – und plötzlich ist da diese Mischung aus Beklemmung, Wärme und Nachdenklichkeit. Erdmanns Sprache ist ruhig, fast flüsternd, und gerade deshalb trifft sie. Keine literarische Keule, sondern ein leises „Komm mal mit, ich zeige dir etwas“.

Es ist dieses seltsame Gefühl, gleichzeitig hineingezogen und auf Abstand gehalten zu werden. Man liest weiter, weil man wissen will, und gleichzeitig liest man langsamer, weil man nicht will, dass es zu Ende geht.

Am Ende legt man das Buch weg, sitzt kurz still da und spürt: Irgendetwas hat sich verschoben. Nichts Lautes, eher wie ein Möbelstück, das nachts leise an einen anderen Platz gerückt wird.
Nicht zum schnellen Weglesen. Es ist ein Buch zum Reinfühlen, Reinhorchen und für diese stillen Nachmittage, an denen der Regen ans Fenster klopft und man bereit ist, ein bisschen länger in den eigenen Gedanken zu verweilen.

Bewertung vom 11.08.2025
Kuhn, Yuko

Onigiri


ausgezeichnet

„Onigiri“ von Yuko Kuhn ist wie eine kleine, unscheinbare Schachtel, die sich erst nach und nach öffnet und dann einen erstaunlich tiefen Blick ermöglicht. Die Geschichte begleitet Aki, die mit ihrer an Demenz erkrankten Mutter Keiko nach Japan reist – zurück in die Heimat, bevor die Erinnerungen ganz verschwinden. Was zunächst wie eine Reisegeschichte klingt, entpuppt sich als feine, leise Erzählung über Familie, Identität und die Bruchstücke unserer Vergangenheit. Kuhn schreibt in einem unaufgeregten, beinahe minimalistischen Stil, der viel Raum für Stimmungen und leise Zwischentöne lässt. Die Rückblenden und Perspektivwechsel wirken anfangs etwas sprunghaft, doch gerade diese Brüche spiegeln Keikos fragmentierte Erinnerung und die innere Zerrissenheit der Figuren wider. Besonders schön ist, wie Alltagsgesten, etwa das gemeinsame Essen, plötzlich eine tiefe emotionale Bedeutung erhalten. Beim Lesen spürt man, dass es hier nicht um große Dramen geht, sondern um das Festhalten kleiner, kostbarer Momente. „Onigiri“ ist ein Buch für Menschen, die literarische Geschichten mögen, die nicht laut werden müssen, um lange nachzuhallen.

Bewertung vom 28.07.2025
Kelly, Julia R.

Das Geschenk des Meeres


ausgezeichnet

„Das Geschenk des Meeres“ ist einer dieser Romane, die man eigentlich nur kurz anlesen will und dann, zack, ist man drei Kapitel später immer noch mittendrin. Die Geschichte spielt an der malerischen Küste Cornwalls und die Atmosphäre ist schon allein ein Geschenk: raue Klippen, salzige Luft und ein geheimnisvolles Haus mit einer langen Geschichte.
 
Im Zentrum stehen drei Frauen, deren Leben auf unterschiedliche Weise mit dem Meer und miteinander verwoben ist. Und obwohl mehrere Zeitebenen oft verwirrend sein können, gelingt es Kelly wirklich gut. Man verliert nie den Faden und ist neugierig, wie sich alles am Ende zusammenfügt.
 
Besonders gut hat mir gefallen: Die Figuren sind keine perfekten Heldinnen, sondern echte Menschen mit Ecken und Kanten, Zweifeln und Mut. Es geht um Verlust, Liebe, das Finden des eigenen Weges und ja, auch ein bisschen um Geheimnisse, die das Meer irgendwann preisgibt.
 
Natürlich gibt es auch ein paar Klischees, aber hier passen sie irgendwie. Es fühlt sich stimmig an, fast wie ein moderner Märchenroman für Erwachsene.
 
Wer historische Romane mag, ein Herz für Cornwall hat und gerne in atmosphärische Geschichten mit Tiefgang eintaucht, ist hier goldrichtig. „Das Geschenk des Meeres” ist wie ein Sommerabend am Strand: warm, ein bisschen melancholisch – und man möchte, dass er niemals endet.

Bewertung vom 10.06.2025
Wen, Lai

Himmlischer Frieden


sehr gut

„Himmlischer Frieden“ ist eines dieser Bücher, die sich kaum in eine Schublade stecken lassen – und genau das macht es so spannend. Lai Wen schreibt mit einer Mischung aus Klarheit und Tiefe, die einen sofort in den Bann zieht. Es geht um persönliche Erinnerung, politische Repression und das, was zwischen den Zeilen einer offiziellen Geschichte verschwindet.
Im Zentrum steht das Tiananmen-Massaker, jedoch nicht in Form eines historischen Tatsachenberichts. Vielmehr erleben wir, wie dieses Ereignis in das Leben eines Einzelnen hineinschneidet – auf leise, aber eindringliche Weise. Dadurch fühlt sich der Roman fast wie ein inneres Tagebuch an: nachdenklich, poetisch, manchmal auch wütend, aber nie pathetisch.

Besonders gut gelingt Lai Wen der Spagat zwischen dem Persönlichen und dem Politischen. Die große Geschichte und die kleinen Biografien treffen hier direkt aufeinander – ohne erhobenen Zeigefinger, aber mit klarem Blick. Und ja, es ist stellenweise richtig berührend.
Der Stil ist ruhig und eher zurückgenommen, aber nicht langweilig. Er erinnert an den Erzählstil von jemandem, der viel gesehen und erlebt hat – und lieber genau hinschaut, als laut zu werden. Das hat was.
„Himmlischer Frieden” ist kein Pageturner im klassischen Sinn, sondern ein eindrucksvolles, stilles Buch, das lange nachwirkt. Es ist etwas für alle, die Literatur mögen, die etwas zu sagen hat, ohne gleich alles zu erklären.

Bewertung vom 10.06.2025
Vuong, Ocean

Der Kaiser der Freude


sehr gut

Mit „Der Kaiser der Freude“ beweist Ocean Vuong einmal mehr, dass er ein Meister der Sprache ist. Poetisch, feinfühlig und voller Intensität erschafft er eine literarische Atmosphäre, die von der ersten Seite an fesselt. Die Sprache ist wunderschön – teils zart, teils schonungslos – und verleiht dem Roman eine schwebende Qualität, die weit über das hinausgeht, was viele zeitgenössische Romane leisten.

Inhaltlich wagt sich Vuong an eines der drängendsten Themen der Gegenwart: die Fentanyl-Krise in den USA. Mit scharfer Beobachtung und literarischem Feingefühl zeichnet er ein düsteres Porträt eines zerrissenen Amerikas, das zwischen Schmerz, Abhängigkeit und dem verzweifelten Wunsch nach Liebe taumelt. Der Roman ist dabei weniger eine klassische Erzählung mit klarer Handlung als vielmehr ein atmosphärisches Mosaik aus Erinnerungen, Gedanken und Empfindungen.

Gerade diese erzählerische Entscheidung ist Fluch und Segen zugleich: Über weite Strecken trägt allein die Sprache. Die Handlung bleibt zurückhaltend, fast nebensächlich, was sich bei einem Umfang von über 500 Seiten als spürbare Schwäche bemerkbar macht. Wer auf eine dichte, stringente Handlung hofft, könnte enttäuscht werden. Vielmehr gleicht das Lesen einer poetischen Meditation, bei der es weniger ums Geschehen als um das Gefühl geht.

Trotz dieser dramaturgischen Schwäche bleibt „Der Kaiser der Freude” ein bemerkenswertes Werk. Es ist kein einfaches Buch, aber ein eindrucksvolles, das nachhallt. Vuong gelingt es, Schmerz in Poesie zu verwandeln und dabei den Finger auf die offenen Wunden unserer Zeit zu legen.

Fazit: sprachlich brillant, thematisch relevant, atmosphärisch stark, aber mit deutlichen Längen. Ein Buch, das man eher fühlt als „liest“. Trotzdem absolut lesenswert.

Bewertung vom 22.04.2025
Tang, Jiaming

Cinema Love


sehr gut

Jiaming Tangs Debütroman Cinema Love erzählt einfühlsam die Geschichte homosexueller chinesischer Männer, deren Leben sich um ein altes Kino in Mawei dreht - ein geheimer Zufluchtsort in einer repressiven Gesellschaft. Im Mittelpunkt stehen Old Second und Bao Mei, deren Leben von familiärer Ablehnung, gesellschaftlichen Erwartungen und unausgesprochenen Gefühlen geprägt ist.

Tang verwebt mehrere Jahrzehnte und Schauplätze - von China bis zum New Yorker Chinatown - und zeigt die langfristigen Folgen von Ausgrenzung, Migration und unterdrückter Identität. Besonders stark ist die Darstellung weiblicher Figuren wie Yan Hua und Bao Mei, die trotz allem Resilienz beweisen.

Mit poetischer Sprache und großer Empathie entwickelt Tang vielschichtige, zutiefst menschliche Charaktere. Cinema Love ist ein leises, aber kraftvolles Plädoyer für Mitgefühl, Erinnerung und queere Sichtbarkeit - ein bemerkenswertes literarisches Debüt.

Fazit: Berührend, klug und wichtig. Sehr lesenswert.

Bewertung vom 21.04.2025
Reilly, Rebecca K

Greta & Valdin


sehr gut

Greta & Valdin ist eines dieser Bücher, das man am liebsten jedem in die Hand drücken möchte mit den Worten: „Lies das – du wirst es lieben.“ Es erzählt von zwei queeren Geschwistern, die in einer Maaori-russisch-katalanischen Familie aufwachsen. Allein diese Ausgangslage verspricht schon Tiefe, Vielfalt und eine Menge spannender Dynamiken – und genau das liefert der Roman auch.

Rebecca K Reilly schafft es, queere Identität, multikulturelles Aufwachsen und komplexe Familienverhältnisse mit so viel Leichtigkeit und Witz zu erzählen, dass man sich beim Lesen gleichzeitig gesehen, unterhalten und emotional abgeholt fühlt. Es gibt keinen großen Plot – das braucht es auch nicht. Das Buch lebt von seinen einzigartigen, witzigen und liebenswerten Figuren, von pointierten Dialogen und einem Humor, der irgendwo zwischen queerer Popkultur und tiefer Lebenserfahrung oszilliert.

Und obwohl es so oft zum Lautlachen ist, trifft es auch immer wieder ins Herz. Reilly verwebt humorvoll-alltägliche Szenen mit gesellschaftskritischen Beobachtungen, ohne je belehrend zu sein. Man wünscht sich, Teil dieser liebevollen, klugen und absolut schrägen Familie zu sein – denn so sieht ideales, unterstützendes Familienleben aus.

Greta & Valdin ist die perfekte Mischung aus Romcom-Vibes, politischem Scharfsinn und echtem Gefühl. Ein Buch, das bleibt.

Bewertung vom 07.04.2025
Godfrey, Rebecca;Jamison, Leslie

Peggy


sehr gut

Der Roman "Peggy" ist eine wunderschöne Geschichte über das Leben der Peggy Guggenheim. Geboren 1898 in eine wohlhabende New Yorker Familie, erlebte Peggy zahlreiche familiäre Tragödien. Trotz dieser Schicksalsschläge entwickelte sie sich zu einer bedeutenden Förderin der Kunstszene, gründete einflussreiche Galerien in London und später in Venedig und pflegte Beziehungen zu Künstlern wie Man Ray und Samuel Beckett. Der Roman erzählt Peggys mutigen Kampf gegen Sexismus und Antisemitismus und ihre unermüdliche Suche nach künstlerischer Freiheit und Selbstverwirklichung.
Schon die packende Handlung ist toll, aber was wirklich begeistert, sind die lebendig und vielschichtig gestalteten Figuren. Jede Figur scheint mit großer Sorgfalt und Tiefe gezeichnet worden zu sein – niemand wirkt flach oder bloß funktional. Manche der Charaktere werden einem richtig ans Herz wachsen, andere werden einen vielleicht ein wenig herausfordern.
Die Erzählweise ist so harmonisch und gleichzeitig vielschichtig.
Ohne zu viel zu verraten: Die Geschichte entfaltet sich mit einer stillen, aber stetigen Spannung, die einen nicht mehr loslässt.

Bewertung vom 29.03.2025
Lorenz, Sarah

Mit dir, da möchte ich im Himmel Kaffee trinken


gut

Das Buch ist besonders, und das meine ich gut und auch etwas eigenartig. Sarah Lorenz schreibt auf eine eigene, fast versponnene Art, die man mögen muss – oder eben nicht. Ich fand viele ihrer erfundenen Worte und Bilder schön, manchmal sogar richtig poetisch. Ihre Sprache hat Charakter, das ist keine 08/15-Prosa.

Sie erzählt auch Persönliches, was ich respektiere. Teile des Buches wirken wie Tagebucheinträge oder Erinnerungsfetzen, manchmal roh, manchmal sehr berührend.Das Leben der Protagonistin ist chaotisch, wild, traurig, frei – alles auf einmal. Wenn man sich drauf einlässt, macht das auch etwas mit einem.

Aber der Aufbau des Buches hat mir nicht gefallen. Es gibt keinen klassischen Plot, sondern eher eine lose Sammlung von Erinnerungen, meist rund um vergangene Lieben. Das kann man machen, aber mir hat dabei der rote Faden gefehlt. Ich hatte oft das Gefühl, von einer Episode in die nächste zu stolpern, ohne zu wissen, wohin das alles führen soll. Auch das Gespräch mit "Mascha" hat für mich nicht wirklich Struktur reingebracht.

Es ist ein mutiges Debüt mit einer besonderen Sprache und ein paar sehr ehrlichen Momenten. Aber es ist auch wirr. Kein schlechtes Buch, aber auch kein Must read

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.