Zwischen Verdrängung und Wahrheit
„Furye“ ist ein kraftvoller Roman über Schuld, Erinnerung und die Frage, ob man je ganz entkommen kann – der Vergangenheit, sich selbst oder den Entscheidungen, die man einst traf. Selten hat mich ein Buch so schnell gefesselt und so lange beschäftigt.
Im Zentrum steht eine namenlose Erzählerin, die sich nach einem Anruf zurück in ihre Heimat begibt – an den Ort, den sie seit zwanzig Jahren meidet, aber nie wirklich hinter sich lassen konnte. Dort wartet nicht nur die Erinnerung an eine Jugend voller Rebellion, Intensität und Schmerz, sondern auch die Wahrheit über einen Unfall, der kein Unfall war.
Der Wechsel zwischen Gegenwart und Vergangenheit ist meisterhaft umgesetzt. Die Erzählung springt scheinbar mühelos zwischen jugendlicher Unbeschwertheit und erwachsener Ernüchterung, wodurch sich ein komplexes Bild entfaltet – nicht nur von der Protagonistin, sondern auch von den Beziehungen, die sie geprägt haben. Besonders gelungen ist, wie sich Vergangenheit und Gegenwart im Verlauf zunehmend verzahnen und das große Ganze erst allmählich sichtbar wird.
Der Stil ist eindringlich, poetisch und manchmal schonungslos direkt. Die Erzählerin spricht mit einer verletzlichen Klarheit, die berührt. Und gerade weil das Ende nicht versöhnlich oder „glücklich“ ist, wirkt es umso realistischer – und bleibt im Gedächtnis.
Ein Buch, das leise beginnt, aber einen langen Nachhall erzeugt. Es erzählt von Freundschaft, Verrat und dem unausweichlichen Moment, in dem man sich den eigenen Schatten stellen muss. Für mich ein echtes Highlight – emotional, ehrlich und mit bleibendem Eindruck.
„Die Bestimmung der Mondsteinkinder“ von Maike Harel entführt Leser\:innen ab etwa 10 Jahren in eine faszinierende Welt voller Magie, Prophezeiungen und fliegender Pferde. Im Mittelpunkt steht der junge Meelo, ein Perlentaucher mit einer ungewöhnlichen Angst vor Wasser, der dennoch ins Zentrum eines großen Abenteuers gerät. Begleitet wird er von der mutigen Ria, die ihn nicht nur in ein düsteres Geheimnis einweiht, sondern gemeinsam mit ihm beschließt, sich gegen ein ungerechtes Herrschersystem zu stellen.
Das Setting ist atmosphärisch dicht und wunderbar fantasievoll. Die Autorin versteht es, mit wenigen Worten eine lebendige Welt zu erschaffen, die sowohl junge als auch erwachsene Leser\:innen schnell in ihren Bann zieht.
Spannung ist über die gesamte Handlung hinweg spürbar und hält bis zum Schluss an. Allerdings wirken die Charaktere – insbesondere Meelo und Ria – in manchen Momenten etwas blass. Ihre inneren Entwicklungen bleiben stellenweise oberflächlich, sodass man als Leser\:in nicht ganz so tief in ihre Gefühlswelt eintauchen kann, wie man es sich wünschen würde. Auch das Ende kam etwas zu glatt und schnell – nach dem intensiven Aufbau hätten einige zusätzliche Hindernisse oder Konflikte der Auflösung gutgetan.
Trotz dieser kleineren Kritikpunkte ist „Die Bestimmung der Mondsteinkinder“ ein spannendes und warmherziges Abenteuer über Freundschaft, Mut und die Suche nach dem eigenen Platz in der Welt. Ein empfehlenswerter Titel für junge Fantasy-Fans.
„Der Garten der kleinen Wunder“ ist ein ruhiger, feinfühliger Roman, der sich den leisen Tönen und zarten Veränderungen im Leben zweier introvertierter Menschen widmet. Im Mittelpunkt steht Toja, eine Buchillustratorin, die nach einer Lebenskrise in ein Haus am Stadtrand gezogen ist, um dort mit Pflanzen, Farben und Erinnerungen langsam zu sich selbst zurückzufinden. Ihr geordnetes, zurückgezogenes Leben gerät in Bewegung, als plötzlich die vierzehnjährige Vica an ihrem Gartenzaun auftaucht.
Die Beziehung zwischen den beiden Victorias – der erwachsenen Toja und der jugendlichen Vica – steht im Zentrum dieser Geschichte. Besonders die Figur der Vica hat mich überzeugt: ein zurückhaltendes, sensibles Mädchen, das mit stiller Stärke und wachsender Neugier den Leser berührt. Ihre Entwicklung ist nachvollziehbar und authentisch gezeichnet, sie bildet das emotionale Herzstück des Romans.
Toja hingegen blieb für mich etwas auf Distanz. Ihre Innenwelt wird zwar reflektiert dargestellt, dennoch fiel es mir schwer, wirklich mit ihr mitzufühlen oder tief in ihre Gedankenwelt einzutauchen. Das schmälert den Gesamteindruck jedoch nur leicht, denn die Botschaft des Buches kommt dennoch klar und eindringlich zur Geltung: Jeder Mensch hat seine eigene Art zu blühen – und manchmal braucht es nur einen achtsamen Blick und ein wenig Geduld, damit sich diese Stärke entfalten kann.
Der Schreibstil ist sanft, atmosphärisch und passend zur introspektiven Thematik. Ein stilles Buch, das für mehr Verständnis gegenüber introvertierten Persönlichkeiten wirbt – und zeigt, wie heilend menschliche Verbindung sein kann.
In „Die unsichtbare Hand“ entfaltet sich eine düstere Familiengeschichte zwischen einem Jahrzehnte zurückliegenden Doppelmord und einer Gegenwart voller ungelöster Fragen. Die Prämisse ist vielversprechend: Zwei Geschwister sterben auf grausame Weise, der Bruder wird verdächtigt – und fünfzig Jahre später soll die Tochter eines berühmten Schriftstellers genau dieses Verbrechen für seine Memoiren aufarbeiten, um endlich Licht ins Dunkel der eigenen Familiengeschichte zu bringen.
Trotz dieses spannenden Ausgangspunkts gelingt es dem Roman über weite Strecken nicht, echte Spannung aufzubauen. Die Handlung entwickelt sich über weite Strecken eher ruhig, und selbst die Rückblenden in die Vergangenheit bringen kaum zusätzliche Spannung. Besonders schade ist, dass man nur schwer Zugang zu den Figuren findet. Olivia, Vincent und auch die ermordeten Geschwister bleiben seltsam blass – ihre Motive, Ängste und inneren Konflikte werden zwar angedeutet, aber nie wirklich greifbar. Dadurch fehlt es der Geschichte an emotionaler Tiefe, und es fällt schwer, echte Empathie für die Protagonist:innen zu entwickeln.
Was dem Buch jedoch eine gewisse Stärke verleiht, ist das Ende mit einer unerwarteten Wendung, die der Geschichte im letzten Moment noch einen neuen Dreh verleiht. Auch stilistisch ist der Roman solide geschrieben, wenn auch ohne allzu große Raffinesse.
Detektivinnen-Abenteuer mit Stil
Midwatch – Institut für unerwünschte Mädchen entführt seine Leser:innen in ein wunderbar durchdachtes, fantasievolles Setting, das sofort neugierig macht. Die düstere Stadt, das Nachtmonster, das geheimnisvolle Internat, in dem aus verstoßenen Mädchen scharfsinnige Ermittlerinnen werden – all das bildet den Hintergrund für eine spannende Geschichte voller Geheimnisse, Gefahren und überraschender Wendungen.
Besonders gelungen ist die liebevolle Ausarbeitung der Welt: Die Autorin schafft es, mit vielen kleinen Details, kreativen Ideen und einer guten Portion Humor eine Umgebung zu zeichnen, in der man gern verweilt. Unterstützt wird das Ganze durch die wunderschöne Buchgestaltung: Die Zeichnungen sind atmosphärisch und charmant, und die vielen eingestreuten Detektivtipps bieten echten Mehrwert – nicht nur für junge Leser:innen.
Die Geschichte selbst ist spannend erzählt und bietet ein gutes Tempo. Die Rätsel rund um das Verschwinden von Miss Fenchurch sorgen für Nervenkitzel, und auch die Kulissen – von unteerirdischen Katakomben bis zu luftigen Höhen – sind abwechslungsreich und bildhaft beschrieben. Einzig bei den Charakteren hätte man sich mehr Tiefe gewünscht: Maggie und ihre Freundinnen bleiben ein wenig schematisch, ohne wirklich stark in ihrer Persönlichkeit hervorzutreten.
Fazit: Midwatch ist ein fantasievolles, klug gestaltetes Detektivabenteuer mit viel Atmosphäre, kreativem Weltenbau und spannender Handlung. Ein toller Einstieg in eine hoffentlich fortgesetzte Reihe – nicht nur für Kinder.
InvestiGators –Die Rache der Brösel war unser erster Band der Reihe – und ganz sicher nicht der letzte! Schon auf den ersten Seiten überzeugt das Comic-Abenteuer mit einer turbulenten Geschichte, die voller Action, Wortspiele und herrlich absurder Einfälle steckt. Die beiden Ermittler Mango und Keck sind ein schlagfertiges Duo, das mit jeder Menge Spionagetechnik und noch mehr Humor gegen die Schurken der Stadt antritt.
Die Handlung rund um den fiesen Crackerdile und einen mysteriösen Schurken mit Schlangearm ist spannend und abwechslungsreich erzählt – dabei nie zu gruselig oder verwirrend, sondern perfekt abgestimmt auf Kinder ab etwa 8 Jahren. Besonders charmant ist der durchgängige Wortwitz: Viele der Dialoge bringen nicht nur junge Leser:innen zum Lachen, sondern machen auch Erwachsenen beim Vorlesen Spaß. Allerdings sind nicht alle Wortspiele für Kinder auf Anhieb verständlich – hier und da wären kurze Erklärungen hilfreich gewesen, um den vollen Witz zu vermitteln.
Ein großes Lob verdient auch die Gestaltung: Die Zeichnungen sind bunt, dynamisch und sehr liebevoll gemacht. Jede Figur hat ihren eigenen Look und Charakter – genau richtig, um sich als Kind schnell in der Geschichte zurechtzufinden. Die Einteilung in Kapitel sorgt zusätzlich für Struktur und macht das Buch auch für Leseanfänger:innen gut zugänglich.
Der dunkle Sommer ist ein atmosphärisch dichter Roman, der mit einem geheimnisvollen Setting und einem leisen Spannungsaufbau punktet. Was als scheinbarer Neuanfang beginnt – Tilda, eine deutsche Architektin, ersteigert eine verfallene Villa in einem sardischen Geisterdorf – entwickelt sich Schritt für Schritt zu einer unheilvollen Reise in die Vergangenheit.
Der Roman nimmt sich Zeit, um Fahrt aufzunehmen, doch genau darin liegt seine Stärke: Der Schreibstil ist ruhig, präzise und durchweg gelungen. Ohne Effekthascherei baut die Autorin eine bedrückende Stimmung auf, in der sich Gegenwart und Vergangenheit der drei Protagonisten zunehmend miteinander verweben. Besonders interessant – wenn auch unbequem – ist der Einblick in die sardische Geschichte, die nicht nur landschaftliche Schönheit, sondern auch dunkle Kapitel offenbart.
Tilda ist eine Figur mit Tiefe, deren Wunsch nach Isolation und Neubeginn nachvollziehbar ist. Doch bald bröckelt die Fassade der Idylle: Der mysteriöse Nachbar Silvio schweigt, die Glocken läuten ohne erkennbaren Grund, und schließlich verschwindet Tildas Bruder Nino – was die Geschichte endgültig in eine düstere Richtung lenkt. Besonders gelungen ist das Finale, das alle losen Fäden und Figuren zusammenführt, ohne zu konstruiert zu wirken.
Die Schatten der Solaren Union spielt rund 250 Jahre in der Zukunft (Near-Future?!). Doch wer auf ein typisches Science-Fiction-Erlebnis hofft, wird schnell merken: Die technischen und gesellschaftlichen Entwicklungen des fernen Jahres sind kaum mehr als Kulisse. Stattdessen entfaltet sich ein komplexer Politthriller, der stark in der heutigen Realität verankert ist – mit Wahlkampfstrategien, Machtgerangel, medialer Inszenierung und geopolitischen Spannungen, nur eben verteilt auf Mars, Saturnmonde und die Erde.
Die Grundidee ist spannend, der Schreibstil klar und gut lesbar. Besonders positiv fällt auf, dass der Autor es versteht, dichte politische Atmosphäre zu schaffen, ohne sprachlich ins Schwülstige abzudriften. Leider verliert der Roman durch die Vielzahl an Figuren und Perspektivwechseln spürbar an Fokus. Ständig springt die Erzählung zwischen Politiker:innen, deren Partner:innen, Unternehmer:innen und Aktivist:innen – wodurch man als Lesende kaum die Chance bekommt, echte Nähe zu einer Figur aufzubauen. Viele Handlungsstränge bleiben dadurch oberflächlich, die emotionale Tiefe fehlt.
Auch das Sci-Fi-Setting wird kaum genutzt: Weder die technische Entwicklung noch gesellschaftliche Veränderungen werden wirklich greifbar gemacht. Der Plot hätte ebenso gut im Hier und Jetzt spielen können – was den Anspruch, ein Zukunftsroman zu sein, etwas untergräbt. Wer also Science Fiction erwartet, wird enttäuscht.
Fazit: Lesenswert für Politthriller-Fans – Sci-Fi-Leser:innen werden sich mehr erhofft haben.
Gerechtigkeit, Magie und Nervenkitzel – Ein Abenteuer für alle Altersstufen
Game of Noctis – Spiel um dein Leben ist ein rundum gelungenes Fantasy-Abenteuer, das nicht nur junge Leser:innen ab 10 Jahren begeistert, sondern auch Erwachsene überzeugt – dank spannender Handlung, eine atmosphärisch dichte Erzählweise und einen Schreibstil, der weder zu kindlich noch zu simpel wirkt. Die Geschichte ist klug aufgebaut, voller überraschender Wendungen und bringt genau die richtige Mischung aus Magie, Abenteuer und Tiefgang mit.
Im Mittelpunkt steht Pia, die gemeinsam mit ihrem Team, den Seefüchsen, an „Noctis“ teilnimmt – einem magischen Spiel, das an Spannung, Kreativität und Überraschungsmomenten kaum zu überbieten ist. Ob über den Dächern der Stadt, unter Wasser oder bei Wettkämpfen mit ungewöhnlichen Mitteln: Die Spielideen sind fantasievoll, abwechslungsreich und originell. Dabei schafft es die Deva Fagan, das Geschehen so lebendig und bildhaft zu erzählen, dass man die Kulissen von Dantessa förmlich vor sich sieht.
Besonders positiv ist, dass die Geschichte trotz der actionreichen Handlung auch Tiefe bietet. So entwickelt sich Pia im Lauf der Spiele weiter – sie lernt, was Gerechtigkeit bedeutet, hinterfragt Regeln und wächst an ihren Erfahrungen. Das macht sie zu einer glaubwürdigen und sympathischen Hauptfigur, mit der sich viele identifizieren dürften.
Auch der Spannungsbogen überzeugt: Es bleibt bis zum Ende aufregend, wer hinter den Spielen steckt. Ohne belehrend zu wirken, vermittelt das Buch Werte wie Fairness, Freundschaft und Eigenverantwortung – verpackt in ein magisches Setting voller Tempo und Gefühl.
Mit "Commissario Gaetano und der lügende Fisch" will Fabio Nola einen atmosphärischen Kriminalroman im Herzen Neapels erzählen – zwischen Heiligenfest, Mafiaflair und menschlichen Abgründen. Doch trotz des vielversprechenden Settings und eines brutalen Mordes zu Beginn, bleibt die Geschichte weit hinter ihren Möglichkeiten zurück.
Die Handlung startet mit einem bizarren Fund: Ein Mann wird enthauptet in einem Apartment im Centro Storico aufgefunden – eine grausige Parallele zum Stadtpatron San Gennaro. Doch was zunächst nach einem spannenden Fall klingt, verliert sich schnell in Nebensächlichkeiten. Statt sich auf die Ermittlungen zu konzentrieren, rückt der Roman zunehmend die inneren Konflikte von Commissario Gaetano in den Fokus. Seine persönlichen Probleme nehmen so viel Raum ein, dass die Krimihandlung beinahe zur Nebensache verkommt.
Auch der namensgebende Fisch bleibt weitgehend symbolisch und taucht nur in homöopathischen Dosen auf, was den Titel etwas irreführend erscheinen lässt. Die Figuren selbst sind durchweg schwer zugänglich und wirken wenig sympathisch, was es zusätzlich erschwert, emotional in die Geschichte einzutauchen.
Was besonders enttäuscht, ist die Darstellung Neapels: Statt der oft beschriebenen Lebensfreude oder des vielschichtigen Stadtbildes dominiert hier ein Bild von Schmutz, Chaos und Resignation. Die Stadt bleibt Kulisse, ohne Tiefe oder Faszination.
Fazit: "Commissario Gaetano und der lügende Fisch" bietet eine interessante Idee, verliert sich aber in der Überladung mit persönlichen Problemen und einer trist gezeichneten Kulisse. Wer auf einen spannenden Krimi gehofft hat, wird hier eher enttäuscht.
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