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Eternal-Hope
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Österreich

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Insgesamt 118 Bewertungen
Bewertung vom 19.12.2025
Rönicke, Katrin;Lucas, Laura;Sindermann, Lena

Resist! Weich bleiben in harten Zeiten.


ausgezeichnet

Bücher über feministische Themen sind in Mode, allein in diesem Jahr sind so einige erschienen. Nun haben sich drei junge Frauen, Katrin Rönicke, Laura Lucas und Lena Sindermann, die gemeinsam mit anderen den feministischen lila Podcast betreiben, die Aufgabe gestellt, eine persönliche Positionierung zu aktuellen feministischen Strömungen zu schreiben. Herausgekommen ist ein interessantes und gut lesbares Buch, das für alle, die sich neu für das Thema interessieren, eine fundierte Einführung bietet, aber auch denen, die schon länger an dem Thema dran sind, neue Impulse zum Nachdenken liefert.

Die Autorinnen wechseln sich kapitelweise ab, manche Texte haben sie auch gemeinsam geschrieben. Insgesamt ist dabei ein sehr gut lesbarer, flüssiger Text entstanden, der ein stimmiges Ganzes ergibt und dem man kaum anmerkt, wer welches Kapitel verfasst hat. Das Buch beginnt mit dem Thema Emotionalität, das ja gerne klischeemäßig Frauen zugeschrieben wird, und stellt dieses Klischee gleich auf humorvolle und provokative Art in Frage, während aufgezeigt wird, dass alle Menschen, auch Männer, natürlich auch emotional geprägt sind, und wie Gefühle und Verstand miteinander verbunden sind.

Leider wird das Klischee der emotionalen, irrationalen Frauen aber oft gegen diese verwendet, wie sich etwa in den unfairen Angriffen Donald Trumps auf das Lachen seiner Rivalin Kamala Harris gezeigt hat, bei der er eine leider historisch tief verwurzelte Fehlverknüpfung von Weiblichkeit und Verrücktheit reaktiviert und für seine Zwecke manipulativ genutzt hat. Dabei kann ein reflektierter Zugang zu den eigenen Emotionen sogar für alle Geschlechter sehr hilfreich sein, um ein glückliches, erfülltes Leben zu führen.

In weiteren Kapiteln geht es um Themen wie gendergerechte Sprache und Sprachpolitik, sexualisierte Gewalt und das einseitige Framing der Vorfälle in der Kölner Silvesternacht (während ähnliche Vorkommnisse leider seit langem bei anderen Veranstaltungen, z.B. beim Münchner Oktoberfest, ebenfalls gang und gäbe sind), Solidarität und die Frage, wie man damit umgehen soll, Männer zu lieben, möglicherweise sogar eine nicht ganz feminismuskonforme Libido am eigenen Körper zu erleben, und dennoch feministisch Position gegen Gewalt und Ungerechtigkeiten zu beziehen. Auch intersektionale Themen wie Klassismus, Rassismus, Ableismus und Antisemitismus sind Teil des Buches.

Dabei legen die Autorinnen großen Wert darauf, eine breite Leserinnenschaft abzuholen: während es im Buch durchaus auch, in gut verständlicher Sprache, um fortgeschrittene feministische Themen geht, findet sich im Anhang ein umfangreiches Glossar wichtiger Begriffe zu dem Thema für die, die noch nicht so viele Berührungspunkte damit hatten.

Mir persönlich hat besonders gut gefallen, dass deutlich wird, dass die Autorinnen sich wirklich tiefgehend mit den behandelten Themen und ihren eigenen Positionen dazu auseinandergesetzt und diese durchaus auch kritisch hinterfragt haben. Ich muss nicht jede einzelne Position zu 100 % selbst teilen, um für diese Grundlagenarbeit Respekt zu haben. Es wird immer deutlich, wie die gerade erzählende Autorin aufgrund der Beschäftigung mit einschlägiger Literatur, aber auch mit eigener reflektierter Lebenserfahrung zu ihren jeweiligen Standpunkten gekommen ist.

Insgesamt ist es ein persönliches, angenehm lesbares und sehr unterhaltsames Buch über zeitgenössischen intersektionalen Feminismus, das ich allen, die sich neu für das Thema interessieren, aber auch jenen, die sich schon länger damit beschäftigen, empfehlen kann.

Bewertung vom 15.12.2025
Melle, Thomas

Haus zur Sonne


ausgezeichnet

Ein Mann quält sich schon seit vielen Jahren mit seiner manisch-depressiven Erkrankung ab: in den depressiven Phasen erscheint alles sinnlos und leer, aber die manischen Phasen haben sein Leben noch einmal auf ganz andere Weise zerstört: so vieles, was ihm lieb war, hat er in diesen Zeiten verloren: Freundschaften, berufliche Möglichkeiten, liebgewonnene Erinnerungsstücke, Teile der eigenen Persönlichkeit. Jede manische Episode nimmt ihm etwas, das er danach nicht mehr zurück bekommen kann, so erlebt er das, und das geht schon so lange so. Auch das Verfassen eines Memoirs über das Thema (hier sieht man die zum Teil autofiktionalen Bezüge auch in diesem Buch; der Autor hat davor in "Die Welt im Rücken" über seine bipolare Erkrankung geschrieben) hat ihn nicht retten können, er erlebt sein Leben als beschwerlich, von allen entfremdet und sinnlos. Auch kleine Lichtblicke wie die Beziehung zu einer Frau können dieses Empfinden nicht umdrehen.

Als er vom "Haus zur Sonne" erfährt, klingt das also nach einem verlockenden Deal: dort wird das Bestmögliche getan, um lebensmüde Menschen mit Hilfe von Simulationen alles erleben zu lassen, was sie sich wünschen: bewunderter Rockstar sein, neue Sportarten ausprobieren, ins Weltall fliegen, noch einmal bestimmte Situationen aus dem eigenen Leben wiedererleben oder gar Verstorbene treffen: alles ist möglich! Die Menschen dort dürfen eine nicht näher definierte Anzahl solcher Simulationen erleben und eine nicht näher bestimmte Zeit dort verbringen, während sie offiziell auf der Welt schon als tot gelten (so wird es ihnen zumindest dort von den Ärzten gesagt). Um am Ende das zu bekommen, "was sie ohnehin wollen": einen sanften, frühzeitigen Tod. Auch hier wird in Bezug auf die Modalitäten auf ihre Wünsche eingegangen, doch das Ende steht fest - und einmal im "Haus zur Sonne" scheint es keinen Weg mehr hinaus zu geben. Schließlich ist das Teil dieses gesellschaftlichen Paktes mit dem Teufel: es werden eine Menge technologische und personelle Ressourcen in den Komfort und die Wunscherfüllung der Bewohnerinnen und Bewohner investiert, zum Ausgleich dafür, dass deren baldiges Ende bevor steht und sie die Sozial- und Gesundheitskassen danach nicht länger beanspruchen werden.

Geschrieben ist das Buch auf äußerst deprimierende und herunterziehende Art und Weise: sehr authentisch dafür, dass wir uns im Kopf eines manisch-depressiven Menschen befinden, der gerade in einer depressiven Episode ist und seinem Leben ein Ende setzen will. Diese Darstellung ist unglaublich realistisch und man lernt dabei sehr viel über das Innenleben solcher Menschen. Zum Lesevergnügen macht das dieses Buch aber nicht, man muss diese Düsternis aushalten und sich davon gut distanzieren können. Deshalb empfehle ich das Buch explizit nur Menschen mit einem stabilen psychischen Zustand. Wer schon zur Depression neigt, der halte sich von diesem Buch fern, es könnte sehr triggern und eigene suizidale Tendenzen verstärken.

Es ist ein sehr kluges Buch, nicht nur aufgrund der oben erwähnten authentischen Darstellung des dahinterliegenden Störungsbildes, sondern auch aufgrund der gesellschaftlichen Fragen, die es aufwirft: ist es legitim, unser eigenes Ende zu bestimmen? Sollen Institutionen dabei unterstützen? Welcher Teil in Menschen ist es, der so unbedingt sterben möchte, und sollten wir diesem zugestehen, die alleinige Entscheidung darüber zu treffen? Und was ist, wenn der betroffene Mensch seinen Sterbewunsch wieder zu hinterfragen beginnt: nachdem er schon schriftlich zugestimmt hat, sich in der betreffenden Institution befindet und viele der Wunschsimulationen in Anspruch genommen hat?

Das Buch wurde völlig zu Recht für die Shortlist des Deutschen Buchpreises nominiert. Es ist anspruchsvolles, gut geschriebenes, originelles und sehr nachdenklich machendes Werk mit vielen klugen Gedanken, die Empathie für psychisch erkrankte Menschen fördern können.

Ich kann die Lektüre insbesondere jenen, die sich für aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen und für das Innenleben depressiver oder bipolarer Menschen interessieren, und kein Problem mit einem fordernden, anstrengenden und oft niederdrückenden Lektüreerlebnis voll von Dunkelheit haben, sehr empfehlen. Es lohnt sich, durchzuhalten, man kann aus diesem Buch viel mitnehmen und es hallt lange nach.

Bewertung vom 13.12.2025
Diaw, Moussa Al-Hassan

Die Radikalisierten


ausgezeichnet

Der islamische Religionspädagoge Moussa Al-Hassan Diaw hat in Österreich die staatlich unterstützte Deradikalisierungsstelle DERAD gegründet, bei der er gemeinsam mit seinen Mitarbeitern daran gearbeitet, sich für die Deradikalisierung islamistisch beeinflusster Jugendlicher und junger Erwachsener einzusetzen - eine sehr wichtige Arbeit!

In diesem Buch erzählt er anhand von vielen Fallbeispielen von den Hintergründen seiner Arbeit und zeigt auf, wie es zur Radikalisierung dafür empfänglicher junger Menschen kommt und wie die Beratungsstelle mit diesen arbeitet. Dabei zeigt sich insgesamt ein Ausmaß des Problems, das vielen in seiner Größe sicher nicht voll bewusst ist: beispielsweise geht es um junge Menschen aus bosnischen muslimischen Familien, also aus einer Region, in der ursprünglich ein sehr offener, liberaler Islam praktiziert wurde, die sich aber nun radikalisiert haben.

Die Radikalisierung geht oft so weit, dass auch andere Muslime oder sogar die eigenen Eltern als zu bekämpfende Ungläubige angesehen werden, wenn sie der eigenen extremistischen Auslegung der Religion nicht folgen. Dabei verstärken sich die radikalen Ansichten der Jugendlichen in sozialen Blasen Gleichgesinnter und sehr stark durch den Einfluss einschlägiger Social Media Kanäle, bis es zu einer totalen Ablehnung westlicher Gesellschaften (und sogar muslimischer Länder, die als nicht gläubig, also nicht radikal genug angesehen werden) und damit verbunden oft auch zu einer Gewaltbereitschaft kommt.

Es geht auch um das Attentat in Wien im November 2020, für das es erschreckend viele Anzeichen im Vorfeld gab, aber leider von den damit befassten Institutionen und der Politik nicht entschlossen genug gehandelt wurde, so wie auch in so einigen anderen Fällen. Die Tragweite des Problems scheint noch nicht bei allen Entscheidungsträgern angekommen zu sein.

Überhaupt zeigt das Buch auf, wie wichtig Deradikalisierungsarbeit ist, aber ebenfalls, wie der Autor auch ganz offen sagt, das Problem deutlich verringert würde, wenn radikalisierte Menschen erst gar nicht ins Land gelassen würden, ihnen die (manchmal sogar gewünschte) Ausreise erleichtert oder sie nach Radikalisierung oder Straftaten entschlossener abgeschoben würden: eine unbequeme Wahrheit, für die sich viele erst langsam öffnen. Denn leider gibt es Menschen, die sehr empfänglich für immer neue Propaganda sind, die in sich viel Wut und Hass tragen, keinerlei Dankbarkeit für staatliche Unterstützung empfinden und die bereit sind, allen, die ihren radikalisierten Weg nicht teilen, massiv zu schaden.

Insgesamt ist es ein wichtiges Buch, dem ich viele Leserinnen und Leser wünsche - insbesondere unter denen, die in diesem Bereich wichtige Entscheidungen zu treffen haben.

Bewertung vom 08.12.2025
Leibowitz, Kari

Wintern


ausgezeichnet

Wissenschaftlich fundiertes Sachbuch für eine neue Einstellung zum Winter:

Kari Leibowitz hat Psychologie studiert und forscht in diesem Bereich zum Thema Wohlbefinden und Positive Psychologie. Für ihr Dissertationsprojekt hat sie sich das Ziel gesetzt, zu erforschen, was man gegen saisonale Depression machen kann - ein in den USA wichtiges Thema, von dem sie annimmt, dass es viel mit dem Winter zu tun hätte. Der Winter ist eine Jahreszeit, die sie und viele Menschen in ihrem Umfeld immer als äußerst unangenehm wahrgenommen haben, und deshalb nur im Sommer so richtig aufgelebt sind. Daraus folgert sie, dass saisonale Depressionen in Gegenden, die extrem lange und harte Winter erleben, noch viel stärker ausgeprägt sein müssten. Umso größer ist ihr Erstaunen, als sie bei einem Forschungsaufenthalt in Tromso in Nordnorwegen entdeckt, dass das nicht so ist. Zwar gibt es auch dort saisonale Depressionen, doch in einem weit geringeren Ausmaß, als sie erwartet hätte.

Angespornt von dieser neuen Erkenntnis macht die junge Frau sich auf die Suche nach dem, was den Unterschied macht: wie kommt es, dass für manche Menschen der Winter keine Belastung darstellt oder sie diesen gut akzeptierne können oder sich sogar auf diesen freuen oder ihn lieben? Und was können wir daraus an Erkenntnissen für unser eigenes Leben mitnehmen, gerade, wenn der Winter bisher eine schwierige Jahreszeit für uns war? Empirisch fundiert, basierend auf der Analyse bisheriger Studien sowie auf den Ergebnissen eigener Interviews mit Menschen in nördlichen Regionen, stellt die Forscherin in diesem Buch ihre Ergebnisse dar.

Wissenschaftliche Studien, deren Ablauf und Ergebnisse werden immer wieder ausführlich geschildert. Das ist speziell für einschlägig vorgebildete sowie an Wissenschaft interessierte Menschen aufschlussreich zu lesen. Zwar gibt es auch viele persönliche Erfahrungen und Praxistipps am Ende jedes Kapitels, doch empfehle ich dieses Buch eher Menschen, die gerne auch anspruchsvollere Sachbücher lesen, da es kein reiner Ratgeber ist, sondern ein Sachbuch auf höherem Niveau.

Wenn man sich darauf einlässt, kann man aber viel darüber lernen, was für einen Unterschied die Einstellung zum Winter machen kann: hilfreiche Faktoren sind zum Beispiel, es sich bewusst gemütlich zu machen, sich auch körperlich und psychisch auf mehr Ruhe einzustellen, sich mehr Schlaf zu erlauben, auch bei Kälte so viel Zeit wie möglich in Bewegung bei Tageslicht an der frischen Luft zu verbringen, den Winter nicht als große Einheit zu sehen, sondern ihn in Zwischenjahreszeiten (Herbst-Winter, Winter, Frühling-Winter) einzuteilen oder Rituale und Feste in dieser Zeit bewusst zu zelebrieren. Ich, die ich den Winter schon bisher als Ruhe- und Rückzugszeit sehr geschätzt habe, habe in den Tipps vieles von dem gefunden, was ich ohnehin schon länger praktiziere.

Auch die Rolle gesellschaftlicher und infrastruktureller Faktoren wird erwähnt: so ist es etwa in den skandinavischen Ländern selbstverständlich, auch im Winter und bei Kälte das Haus zu verlassen, die Schneeräumung funktioniert dort schnell und effizient und es gibt teilweise sogar beheizte Gehsteige, beleuchtete Langlaufloipen und erschwingliche, qualitativ hochwertige Funktionskleidung für den Winter. Zeit an der frischen Luft zu verbringen wird als gesund und selbstverständlich angesehen, gerade für Kinder und auch bei Minusgraden.

Insgesamt ist es ein interessantes und wertvolles Buch, das aufgeschlossenen und gut gebildeten, an wissenschaftlichen Ergebnissen interessierten Menschen helfen kann, mehr über dieses Thema zu lernen und gleichzeitig die eigene Einstellung zum Winter kritisch zu reflektieren.

Bewertung vom 06.12.2025
Kebekus, Carolin

8000 Arten, als Mutter zu versagen


ausgezeichnet

Was für ein Glück, dass die Komikerin Carolin Kebekus mit über 40 Jahren vor bald 2 Jahren doch noch Mama eines Kindes geworden ist. Denn dadurch hat sie Einblick in die vielen Verrücktheiten, überzogenen Ansprüche und Übergriffigkeiten bekommen, mit denen man als schwangere Frau und als neue Mama eines Babys konfrontiert wird. Humorvoll und ehrlich erzählt sie aus den ersten eineinhalb Jahren mit ihrem Kind, und das auf eine locker-flockig-leichte Art, die für andere neue Mamas sehr befreiend sein kann.

Ich habe selbst vor einigen Jahren ein Kind gewünscht und hätte sehr gerne schon damals dieses Hörbuch gehört - aber auch rückblickend auf die erste Zeit als frischgebackene Mama ist es eine große Freude, dieses Buch zu hören. Für mich fühlte es sich an, wie eine gute Freundin an meiner Seite zu haben, die ehrlich mit mir teilt, dass sie ihr Baby über alles liebt, sich auch viel Mühe gibt, aber an den übermenschlichen Ansprüchen, die an Mütter heutzutage gestellt werden, nur scheitern kann. Die humorvoll die Instagram-Momfluencerblase aufs Korn nimmt, genauso wie die übergriffigen Passanten mit ihren Ratschlägen, und die aufzeigt, dass es in Ordnung ist, einfach nur ein Mensch und eine Frau zu sein und zu bleiben, auch wenn man Mama geworden ist.

Carolin Kebekus erzählt auch von dem absolut idealisierten Mutterbild, mit dem sie groß geworden ist und das bis heute so verbreitet ist: von der selbstlosen, aufopferungsbereiten, jederzeit verfügbaren Frau und Mutter, ein dienender Engel ohne eigene Identität... und befreit uns gleichzeitig von diesem Anspruch, auch so sein zu müssen, indem sie erklärt, wie befreiend es auch für unsere Kinder sein könnte, nicht mehr mit diesem unrealistischen Bild aufzuwachsen und stattdessen Eltern zu haben, die ihnen eine gute Balance aus Fürsorge für die Kinder und Selbstfürsorge vorleben.

Ihr Werk ist sowohl als gedrucktes Buch als auch wie hier im Argon-Verlag als Hörbuch erschienen. Das Hörbuch wird von der Autorin selbst gesprochen - das ist bei einer Komikerin, die professionelles Sprechen gewohnt ist, natürlich ein Gewinn, und lässt einen sich der Autorin beim Zuhören noch näher fühlen, als wenn man es lesen würde. Carolin Kebekus erzählt ihr Buch auf eine sehr witzige Art, mit angenehmer Stimme und viele Varianten, sodass man ihr wirklich gerne zuhört. Danke für dieses angenehme Zuhörerlebnis und für die wichtige Botschaft, liebe Carolin Kebekus! Ich hoffe auf weitere Bücher und Hörbücher von Carolin Kebekus mit witzigen Erzählungen aus dem Leben einer Mama eines dann schon etwas größeren Kindes in den nächsten Jahren.

Bewertung vom 06.12.2025
Hewlett, Rosie

Medea


ausgezeichnet

Spannende, feministische Neuinterpretation des düsteren Medea-Mythos:

Wer war die sagenumwobene Medea, die Prinzessin und Hexe von Kolchis, Ehefrau des Jason und am Ende blutige Rächerin und Kindsmörderin? Wie können wir ihre Geschichte aus ihrer Perspektive ein Stück weit verstehen?

Der britischen Autorin Rosie Hewlett ist mit "Medea" eine sehr spannende, feministische Neuinterpretation des antiken Mythos gelungen. Während traditionelle Erzählungen meistens auf die männliche Perspektive fokussiert sind, lernen wir hier die sagenumwobene Medea aus der Innenperspektive kennen: in Ich-Form erzählt sie uns ihre Geschichte. Dabei beginnt Medea ganz am Anfang, in ihrer Kindheit, als sie noch ein kleines Mädchen war und gerade erst dabei, ihre mächtigen Zauberkräfte zu entdecken.

Es ist eine schwierige Kindheit: vom Vater unterdrückt und verprügelt, vom Bruder verspottet, mit einer schwachen, farblosen Mutter, sind die liebevolle Beziehung zu ihrer jüngeren Schwester und die wenigen Sommer, in denen ihre Tante Circe sie in der Zauberkunst unterweist, ihre einzigen Hoffnungsschimmer.

Medea selbst ist von Anfang an eine starke Persönlichkeit, freiheitsliebend und wild, die sich nicht unterdrücken lassen will, und ihren Bruder schon mal zur Strafe in ein Schweinchen verwandelt. Als junge Frau träumt sie von der Freiheit; etwas, was sich in der damaligen Zeit für die Prinzessin nur schwer verwirklichen lässt. Denn zusätzlich zu den rigiden Geschlechternormen in der Antike hat ihr Vater, der König, längst entdeckt, was für eine mächtige Waffe die Magie seiner älteren Tochter für ihn darstellt - eine Waffe, die er auf keinen Fall jemals verlieren will.

Und so ist Medeas besondere Gabe gleichzeitig auch ihr Gefängnis - bis sie sich in den Argonauten Jason verliebt, ihm mit Hilfe ihrer Fähigkeiten zum Sieg bei der Bewältigung eigentlich unmöglicher Aufgaben und damit zum goldenen Vlies verhilft, gemeinsam mit ihm und seinen Gefährten über das Meer fliehen möchte und dabei durch eine impulsive Handlung, angestiftet durch Jason, schwere Schuld auf sich lädt, die sie ihr Leben lang verfolgen wird.

Im Zentrum der Geschichte steht für mich neben Medeas Persönlichkeitsentwicklung die ungesunde Beziehung zu Jason. Selbst so vernachlässigt und verwundet aufgewachsen, idealisiert das junge Mädchen Medea diesen attraktiven Mann grenzenlos und schlägt alle Warnungen in den Wind. Sie fühlt sich gesehen und geliebt und beginnt sich erst sehr spät die Frage zu stellen, ob es diesem Mann wirklich um sie geht oder um etwas anderes. Diese Beziehungsdynamik ist sehr anschaulich geschildert.

Schlussendlich kommt es zum tragischen Finale, das jenen, die sich mit der ursprünglichen Geschichte befasst haben, bekannt sein dürfte. So, wie diese Geschichte überliefert wurde, ist dieses sehr tragisch und düster, und das ist es auch in diesem Buch. Doch ist es gleichzeitig sehr interessant, das Ganze vor dem Hintergrund der Persönlichkeit und Entwicklung Medeas zu betrachten und damit zumindest ein kleines Stück weit verstehen (wenn auch nicht gutheißen) zu können, wie es dazu gekommen ist.

Geschrieben ist das Buch sehr spannend und packend: ich konnte es kaum aus der Hand legen und war in einem Tag mit dem 500 Seiten dicken Buch durch, weil ich unbedingt wissen wollte, wie es weitergeht. Dabei hat es mir den antiken Medea-Mythos nähergebracht und gleichzeitig eine neue, feministische Perspektive auf diese Geschichte eröffnet. Das Buch hat mich also nicht nur ausgezeichnet unterhalten, sondern ich werde auch noch länger über die Geschichte nachdenken. Verdiente 5 Sterne für eine tolle Neuinterpretation dieser alten Geschichte!

Bewertung vom 03.12.2025
Herbst, Lukas

Dein Leben. Dein Impact.


ausgezeichnet

Bücher zur persönlichen Weiterentwicklung gibt es viele am Markt. Doch dieses unterscheidet sich von den anderen in mehreren Punkten: es ist auf der Basis des Glaubens eines überzeugten Christen geschrieben. Und die Sprache ist nahbar, lebendig, jugendlich und frisch, dabei sehr beruhigend und entspannend und gleichzeitig Mut machend für die Arbeit an einem bewussten, selbstgestalteten Leben in Kontakt mit Gott. Beispiele?

"Wenn ich jetzt daran denke, war das für mich ein echter holy moment." (S. 10)

"Die Spannung aushalten. Zwischen den Polen bleiben. That's where the magic happens." (S. 50)

Zuerst geht der Autor auf die Situation ein, in der sich viele Menschen heute befinden: gestresst, unter Leistungsdruck und unentspannt. Er erklärt, warum dies aus christlicher Sicht nicht nötig sei, denn wir seien als Gottes Geschöpfe durch Jesus' Opfer schon gerettet und müssten uns nicht ständig optimieren: wir dürfen und sollen uns weiterentwickeln und an uns arbeiten, aber entspannt. Denn unsere Aufgabe als Menschen sei es, kreativ und produktiv zu werden, nicht nur zu konsumieren.

Ein wichtiges Prinzip aus der Bibel, das der Autor im Buch in verschiedenen Kapiteln immer wieder erwähnt, ist das vom Säen und vom Ernten. Ein Naturgesetz, wie er es beschreibt: wir können nur ernten/als Ergebnis sehen, was wir gesät haben. Zwar können wir die Ergebnisse des Säens nicht bestimmen - das kann auch kein Bauer, weil dabei noch weitere Faktoren, wie beispielsweise das Wetter, mitspielen - doch nur, wenn wir bewusst etwas säen, haben wir überhaupt die Chance, etwas Gutes zu ernten, außer nur Unkraut.

Basierend darauf lädt der Autor die Lesenden ein, sich mit verschiedenen Bereichen ihres Lebens bewusst auseinanderzusetzen: mit ihrer Beziehung zu Gott, zu anderen Menschen, zum eigenen Körper, zur Berufung, zu Geld, zur Zeit, zu den eigenen Kompetenzen und zum persönlichen Charakter, und all diese Bereiche bewusst zu analysieren, um sich weiterzuentwickeln.

Am Ende der Kapitel finden sich gemäß des Mottos "Sehen und Säen. Zum Reflektieren und Weiterentwickeln" persönliche Reflexionsfragen und Übungen wie z.B. "Wie wichtig war dir deine Charakterentwicklung bisher auf einer Skala von 1 bis 10?", "Welche Schritte möchtest du konkret gehen, um in deinen Charakter zu investieren?" oder "Was willst du sehen? Was musst du dafür säen?" (S. 93/94)

Es ist also ein Buch, mit dem man idealerweise immer wieder arbeitet und das man nicht nur einmal liest und dann zur Seite legt.

Da es sich um ein christlich inspiriertes Buch handelt, finden sich in den Kapiteln auch verschiedene Bibelreferenzen und Zitate, die jeweils praxisnah erklärt und auf das persönliche Leben in unserer Zeit umgelegt werden. Dabei geht es um die Frage, wie wir Jesus als Vorbild sehen und ihm nachfolgen können und wie sich das in unseren verschiedenen Lebensbereichen zeigen kann.

Insgesamt ist es ein inspirierendes Buch für alle Gläubigen, die an der Vertiefung ihres Glaubens und an ihrer Persönlichkeitsentwicklung interessiert sind. Aber auch Menschen, die bisher mit dem christlichen Glauben noch nicht viel anfangen konnten, aber dafür offen sind, und sich für eine spirituell fundierte Weiterentwicklung basierend auf universalen ethischen Werten interessieren, lässt sich viel Wertvolles in dem Buch finden. Die spritzig-jugendliche Sprache und der praxisorientierte, lebensnahe Ansatz machen das Buch auch für Jugendliche und junge Erwachsene sehr zugänglich und zeigt, dass Glauben absolut nichts Verstaubtes sein muss, sondern im Gegenteil sehr gut auch in die heutige Zeit passen kann.

Bewertung vom 01.12.2025
Huxley, Aldous

Zeit der Oligarchen


ausgezeichnet

Aldous Huxley ist der Autor der bekannten Dystopie "Brave New World". Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges hat er außerdem "Science, Liberty and Peace" verfasst, das über 80 Jahre lang verschollen war, nun wiedergefunden und in deutscher Sprache unter dem Titel "Zeit der Oligarchen" veröffentlicht wurde.

Es ist von seinem Umfang her ein kurzes Werk mit nicht einmal 100 Seiten, doch inhaltlich ist es umso gehaltvoller und verblüffend in seiner Aktualität und Prägnanz, die auch in der heutigen Zeit sehr zum Nachdenken anregt. Jeder Satz in dem Buch ist bewusst gewählt und mit einer klaren Botschaft: es lohnt sich also, sich Zeit zu nehmen, um immer wieder kurz innezuhalten, um die philosophischen Gedanken und logischen Schlüsse, die der Autor daraus zieht, für sich wirken zu lassen.

Hier ein paar Beispiele:

"Stift und Stimme sind dem Schwert mindestens ebenbürtig, denn das Schwert gehorcht dem gesprochenen oder geschriebenen Wort." (S. 16)

"Der Glaube an den universellen Fortschritt basiert auf dem Wunschdenken, dass etwas umsonst zu haben ist. Dahinter steht die Annahme, dass Gewinne auf einem Gebiet nicht mit Verlusten auf einem anderen bezahlt werden müssen." (S. 32)

"Eine hochgradig organisierte und reglementierte Gesellschaft, deren Angehörige ein Minimum an persönlichen Eigenheiten aufweisen und deren kollektives Verhalten einem einzigen, von oben aufgezwungenen Rahmenplan gehorcht, gilt bei den Planern und sogar den Verplanten (so wirkungsvoll ist die Propaganda) als "wissenschaftlicher" und daher besser als eine Gesellschaft unabhängiger und selbstbestimmter Individuen, die in freiwilliger Kooperation zusammenarbeiten." (S. 34)

"Ein moderner Krieg lässt sich außerdem nur führen, wenn eine Nation in der Lage ist, die gesamte Bevölkerung in einer militärischen und industriellen Generalmobilmachung einzuberufen. Das ist nur möglich, wenn die Bevölkerung weitgehend aus Entwurzelten und Besitzlosen besteht, die für ihren Lebensunterhalt auf den Staat und große private Arbeitgeber angewiesen sind." (S. 49)

Diese Zitate zeigen auf, wie wichtig es ist, sich das eigene kritische Denken zu bewahren und insbesondere nicht zu glauben, dass die Mächtigen - ob in Politik, Wirtschaft oder Wissenschaft - unbedingt im Interesse der einzelnen Menschen handeln, sondern zu erkennen, wie diese ihre eigenen Ziele verfolgen, bei denen es meist um die Ausweitung ihrer Macht geht, auch auf Kosten des Friedens. Genauso wie auf andere Weise in "Brave New World" ruft Aldous Huxley auch hier in dieser kurzen Sammlung zeitloser Weisheiten dazu auf, wachsam zu bleiben und sich unermüdlich für das Gute in der Welt und den Frieden einzusetzen. Ein lesenswertes Buch, das den Test der Zeit bestens bestanden hat und heute genauso aktuell ist wie zur Zeit seiner Veröffentlichung - Leseempfehlung!

Bewertung vom 17.11.2025
Gornichec, Genevieve

The Witch's Heart - Das Verhängnis


gut

Von Genevieve Gornichec habe ich vor diesem Buch schon “Sisters in Blood” gelesen, von dem ich absolut begeistert war und zu dem ich auch eine Rezension verfasst habe. Nun also dieses Buch, an das ich mit entsprechend hohen Erwartungen herangegangen bin, was man natürlich nicht sollte, da jedes Buch für sich stehen sollte. Außerdem ist „The witch’s heart“ das Debüt der Autorin und „Sisters in Blood“ ihr zweites Buch. Das versuche ich, bei meiner Bewertung zu berücksichtigen.

Auch in diesem Buch geht es um alte nordische Mythologie: diesmal um die Riesin und Hexe Angrboda, die gemeinsam mit dem Trickster-Gott Loki drei Kinder in die Welt setzt, aus denen die Totengöttin Hel, der Fenriswolf und die Midgardschlange werden. Das ist eine uralte mythologische Geschichte, die sozusagen den Rahmen für dieses Buch setzt, das hier auf feministische Weise neu interpretiert wird.

Ich habe das Buch als Beschreibung eines langen Weges in die weibliche Selbstermächtigung gelesen. Angrboda war schon früher eine sehr mächtige Hexe, doch wir lernen sie zu einem Zeitpunkt kennen, zu dem sie psychisch und auch körperlich sehr geschwächt ist. Nachdem sie sich geweigert hatte, mit Hilfe der mystischen Technik des „Seid“ in die tiefsten Dunkelheiten zu reisen, um dort für den Göttervater Odin Wissen über die Zukunft zu erlangen, wurde sie fürchterlich bestraft: drei Mal wurde ihr das Herz herausgerissen und sie wurde verbrannt. Tot ist sie nicht so ganz, aber sie hat kaum mehr Erinnerungen an ihre Vergangenheit und Identität und lebt zurückgezogen ganz alleine in einer Höhle im Wald. Da besucht sie der Außenseitergott und Trickster Loki und bringt ihr ihr Herz zurück und die beiden starten erst eine Affäre, dann eine Art On-Off-Beziehung und schließlich eine halbherzige Ehe, während ihre drei gemeinsamen Kinder entstehen: ein halbtotes Mädchen und zwei Söhne: ein Wolf und eine Schlange. Soweit zum Inhalt, ohne spoilern zu wollen.

Die mythologische Geschichte ist durchaus interessant. Schwierig fand ich beim Lesen das sehr wechselnde Tempo: im ersten Drittel des Buches passiert gefühlt kaum etwas Interessantes und in die Handlung plätschert nur so dahin. Dann spitzt es sich in der Mitte zu und es kommt zu dramatischen Ereignissen, die sehr schnell geschildert werden und wonach die Handlung zum langsamen Tempo zurückkehrt bis zum prophezeiten Ende zur Zeit der Götterdämmerung, samt überraschender Wendung. Gewünscht hätte ich mir also einerseits eine Straffung einiger Teile und andererseits, dass andere Teile ausführlicher erzählt worden wären.

Mythologisch gibt die Geschichte einiges an interessanten Themen her: es geht um Vorurteile, Magie, Hexenverfolgung, Ausgrenzung, Mutterliebe, Verrat, Frauenfreundschaft und Queerness (ein Thema, das der Autorin ein besonderes Anliegen zu sein scheint) und die Veränderlichkeit oder Unabwendbarkeit des Schicksals. Das stärkste Thema für mich in diesem Buch war, wie schon erwähnt, das der weiblichen Selbstermächtigung: zu sehen, wie die gedemütigte, geschwächte und verletzte Angrboda schrittweise wieder mehr in ihre Kraft kommt, sich für ihre Kinder einsetzt und eine mutige und selbstlose Entscheidung trifft.

Dazu ein Zitat aus dem Buch:

“Ich bin Angrboda Eisenhexe”, dachte sie. Die Alte. Mutter Hexe, die jene Wölfe gebar, die Sonne und Mond jagen. Ehemalige Gattin von Loki und Mutter sowohl der Gebieterin der Toten als auch der beiden Kreaturen des Chaos, die vom Schicksal dazu bestimmt sind, Verderben über eben die Wesen zu bringen, die unser Leben ruiniert haben. Ich kann das aus eigener Kraft schaffen.“ (S. 303)

Insgesamt ist es ein durchaus interessantes Buch, das mir eine mir bisher unbekannte nordische Mythologie nähergebracht hat und weitgehend unterhaltsam zum Lesen war. Gerade weil ich es als deutlich schwächer empfinde als das darauffolgende Buch der Autorin („Sisters in Blood“) zeigt es mir aber auch ihre Entwicklung und insgesamt ihr Talent, alte Mythologie auf unkoventionelle Art und Weise neu zu interpretieren.

Wer die Autorin noch nicht kennt, dem empfehle ich aber dennoch für den Einstieg eher „Sisters in Blood“, das über alle Stärken dieses Buches verfügt, in dem die erwähnten Schwächen aber nicht mehr vorkommen. Auf weitere Bücher dieser Autorin bin ich gespannt.

Bewertung vom 15.11.2025
Yueran, Zhang

Schwanentage


sehr gut

Klassismus in China:

Yu Ling ist arm aufgewachsen, der Vater ist früh an Krebs verstorben und in ihrer Vergangenheit gibt es eine schwierige Geschichte, die sowohl in Bezug auf Beziehungen als auch beruflich ein Handicap für sie war. Nun arbeitet sie seit einigen Jahren hingebungsvoll als Kindermädchen des 7-jährigen Kuan Kuan, eines durchaus liebenswürdigen, aber verwöhnten Sohnes einer sehr reichen Familie. Der Vater des Jungen hat eine hohe regierungsnahe Position inne, ebenso wie sein Schwiegervater, während die Mutter sich als Künstlerin selbst verwirklichen will und für ihren Sohn nicht viel übrig hat.

Nun hat Yu Ling gemeinsam mit ihrem Freund Dhongu geplant, den kleinen Kuan Kuan zu entführen, um Lösegeld von der Familie zu erpressen. So eine richtige Entführung ist es aber von Anfang an nicht so wirklich, dazu liegt ihr der Kleine viel zu sehr am Herzen und so inszeniert sie mit ihm erst einmal einen schönen Ausflug ins Freie samt feinem Grill-Barbecue. Am Weg fällt dem Kleinen, der gewohnt ist, dass ihm jeder Wunsch erfüllt wird, auch noch ein Transporter mit Gänsen auf, die er für Schwäne hält und von denen er unbedingt einen haben will und auch kriegt. Währenddessen wird klar, dass das mit der Entführung eh nicht so recht was werden kann, da der Vater des Jungen verhaftet wurde und die Mutter verschwunden ist und auch sonst von den entfernteren Verwandten keiner erreichbar ist. Also kehrt Yu Ling, nach einigen Umwegen, mit dem Jungen erst einmal wieder ins Haus ihrer Dienstgeber zurück, wo die Gans im Garten einquartiert wird, Kuan Kuan dort ein Zelt aufbaut und Yu Ling entdecken muss, dass Dhongu sich mit ihren Ersparnissen aus dem Staub gemacht hat.

Dieses Buch zeigt die enormen Klassenunterschiede, die es offensichtlich auch im modernen China gibt, klar auf: während die Reichen - von denen wohl viele korrupt sind oder dies zumindest von den Ärmeren angenommen wird - sich jeden erdenklichen Luxus leisten können, arbeiten viele Ärmere fast ununterbrochen und können sich damit auch nach Jahren harter Arbeit nichts aufbauen.

Durch die Entführung des Jungen, aber vor allem dadurch, dass dessen Familie auf einmal in gröberen Problemen steckt, kehrt sich das Glück auf einmal um, zumindest kurzfristig, wie Yu Ling durchaus zufrieden bemerkt, immerhin wurde sie von ihrer Dienstherrin oft ziemlich respektlos behandelt: "Yu Ling dachte an die Hausherrin, Qin Wen. Inzwischen musste sie erfahren haben, dass man erst ihren Vater und dann ihren Mann verhaftet hatte. Ihre Schönwetterfreunde hielten sich in dieser Situation gewiss auf Distanz. Jetzt ist sie auf der Flucht, ganz allein, und weiß nicht, wohin, dachte Yu Ling, während ich gemütlich in der Sonne sitze und Grillspieße futtere." (S. 26)

Auch sonst geht es viel um Klassenunterschiede und weise Betrachtungen dazu, wie zum Beispiel auch diese Zitate zeigen:

"Es hieß, die Armen liebten es zu träumen, doch das stimmte nicht; Träume gehörten zu den Privilegien der Reichen, und die Welt sorgte auf alle erdenkliche Arten dafür, ihnen diese Träume vorzuenthalten." (S. 75)

"Sich mit den technischen Gimmicks dieses Haushalts auszukennen, war für ihre Zukunft wenig hilfreich, es war höchstens ein Grund mehr, sich zu quälen. Genau deshalb war es grausam, Kindermädchen oder Chauffeur zu sein: Man tauchte in einen völlig anderen Lebensstil ein, wurde davon in gewisser Weise geprägt, aber zurück in seinem alten Leben, würde man damit so lächerlich wirken wie ein ausgebauter Einbaubackofen. Es blieb dir nichts übrig, als dich in dein früheres Selbst zurückzuverwandeln. Aber ging das überhaupt?" (S. 103)

Damit ist es insgesamt ein sehr kluges und wichtiges Buch, das dazu anregt, sich über Klassismus, Privilegien und die eigene Position in der Gesellschaft - nicht nur in China - Gedanken zu machen. Ich habe es gerne gelesen, auch wenn es inhaltlich in einigem ganz anders war, als im Klappentext angekündigt wurde, und ich auch aus dem Ende nicht ganz schlau geworden bin.