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Christina19

Bewertungen

Insgesamt 81 Bewertungen
Bewertung vom 07.06.2025
fantastisch fermentiert
Blum, Alma Corina

fantastisch fermentiert


ausgezeichnet

Fundierte Grundlagen, strukturierter Aufbau, vielfältige Rezepte

„Fantastisch fermentiert“ führt uns ein in die Welt des Fermentierens. Diese alte Technik hilft nicht nur dabei, Lebensmittel zu konservieren, sondern unterstützt auch die Darmgesundheit. Auf den ersten Seiten des Buches kann man viel über die Grundlagen lernen: Wie funktioniert die Milchsäurefermentation? Welche Bakterien bringen mein Darmmikrobiom in Schwung? Was benötige ich zum Fermentieren? Daran schließt sich ein großer Teil mit Rezepten an, wobei neben Gemüse auch Obst, Kräuter und Pilze haltbar gemacht werden. Der letzte Abschnitt zeigt mit einer Vielzahl an weiteren Rezepten, wie die Fermente in Suppen und Salaten, Hauptspeisen sowie in Saucen, Dips und Beilagen weiterverarbeitet werden können.

Als Einsteiger im Fermentieren gefällt mir dieses Buch sehr gut! Es ist übersichtlich strukturiert und daher leicht zu handhaben. Der Grundlagenteil hilft mir zu verstehen, wie das Ganze funktioniert und zeigt auch auf, was man möglichst vermeiden sollte, um seine Lebensmittel erfolgreich zu konservieren. Die Anleitungen zum Fermentieren sind sehr vielfältig, sodass für Jede/Jeden etwas dabei ist. Die ersten Fermente habe ich angesetzt, kurz nachdem ich das Buch bekommen habe. Ich kam mit den Beschreibungen gut zurecht, da die Vorgehensweise verständlich erklärt wird und entsprechend einfach nachzumachen ist. Den Geschmack kann ich aktuell allerdings noch nicht beurteilen, da die Fermentation einige Zeit dauert. Von den Rezepten, die zeigen, wie man Fermente in seine Gerichte einbinden kann, habe ich daher aktuell noch keines ausprobieren können. Grundsätzlich finde ich es aber klasse, dass dieser Teil im Buch bedacht und aufgegriffen wurde. Die Rezepte sehen sehr ansprechend aus, sodass ich mich schon darauf freue, bald die ersten umsetzen zu können!

Bewertung vom 31.05.2025
Hello Baby
Eui-kyung, Kim

Hello Baby


ausgezeichnet

Mutterschaft und unerfüllter Kinderwunsch

Als ihr Handy aufblinkt, liest Munjeong eine Nachricht in einem ihrer Gruppenchats. Sie hatte die Gruppe gegründet, um sich mit Frauen auszutauschen, die wie sie die Kinderwunschklinik besuchen. Regelmäßig teilen sie hier Updates über Erfolge und Misserfolge ihrer IVF-Behandlung. Nun soll ausgerechnet Yeonghyo, die sich seit über einem Jahr nicht mehr gemeldet hatte, ein Baby bekommen haben. So sehr sich die Frauen für ihre Freundin freuen, wirft der plötzliche Nachwuchs jedoch auch einige Fragen auf. …

„Hello Baby“ rückt die Themen Mutterschaft sowie den unerfüllten Kinderwunsch in den Fokus. Die Autorin Kim Eui-kyung, selbst einstige Patientin einer Kinderwunschklinik, schreibt in ihrem Roman von sechs Frauen über 35 Jahren, die ihr Schicksal eint: Keine von ihnen kann auf natürlichem Wege schwanger werden. In jedem Kapitel des Romans steht eine der Frauen im Mittelpunkt, was das Lesen abwechslungsreich macht. Schon lange habe ich kein Buch mehr so schnell beendet wie dieses! Die einzelnen Geschichten sind dabei höchst unterschiedlich: Die Frauen entstammen unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten. Einige verspüren einen sehr starken Kinderwunsch, andere sind sich hinsichtlich der eigenen Mutterschaft nicht ganz sicher. Die Ursachen, weshalb es nicht auf natürliche Weise klappt, sind vielfältig. Auch die Art, wie die jeweiligen Partner der Patientinnen mit dem Thema umgehen, unterscheidet sich voneinander. Während einige der Männer offen über die eigene Unfruchtbarkeit sprechen und ihre Frauen zu den Behandlungen in der Klinik begleiten, zeigen andere Scham und unterstützen ihre Partnerinnen kaum. Ich mochte es sehr, wie die einzelnen Charaktere und ihre Lebenswege gezeichnet waren, da ich diese als sehr authentisch empfunden habe.
Neben der eigentlichen Handlung beschreibt die Autorin alle Schritte einer IVF-Behandlung, die für Frauen gegenüber ihren Männern physisch und teilweise auch psychisch kräftezehrender und schmerzhafter sind. Dabei fängt sie die Emotionen der Patientinnen gekonnt ein: Hoffnung, Unsicherheit, Sorge und Verzweiflung hinsichtlich des eigenen Kinderwunsches. Mitgefühl, Freude oder Neid bezüglich der Behandlungen ihrer Mitstreiterinnen.
Obwohl das Ende schon früh abzusehen war, hat mich die Geschichte an keiner Stelle gelangweilt. Viel zu interessant war es, wie die Autorin sich zwischen den Zeilen der Frage gewidmet hat, ob Mutterschaft zwingend zum Frau-Sein gehört. Aus meiner Sicht schließt sie mit der Feststellung, dass sich niemand den familiären oder gesellschaftlichen Erwartungen beugen sollte, sondern jede Frau für sich entscheiden darf, worauf sie den eigenen Lebensentwurf ausrichtet.

Bewertung vom 25.05.2025
Urlaub vom Patriarchat
Oertel, Friederike

Urlaub vom Patriarchat


sehr gut

Informative Mischung aus Reise-/Erfahrungsbericht und Sachbuch

Als Friederike Oertel merkt, dass es ihr nicht mehr gut geht, sie unglücklich, gestresst und überfordert ist, fasst sie einen Entschluss: Sie braucht Urlaub vom Patriarchat. So tritt sie die Reise nach Juchitán an. Über die Stadt an der Westküste Mexikos heißt es, dort herrsche das Matriarchat. Drei Monate verbringt die Autorin dort und macht sich in dieser Zeit ein eigenes Bild von den Menschen vor Ort, den vorherrschenden Gesellschaftsstrukturen und gelebten Geschlechterrollen.

Mit großer Neugier und viel Interesse habe ich Friederike Oertels Buch erwartet. Die Journalistin reiste vor einiger Zeit in eine Stadt, in der angeblich mächtige Frauen das Sagen haben und traditionell die Töchter das Haus und Vermögen erben. Vor Ort in Juchitán muss die Autorin jedoch schnell feststellen, dass das Matriarchat nicht automatisch das Gegenteil des Patriarchats und damit die Vorherrschaft der Frau sowie die Unterdrückung des Mannes bedeutet. In diesem Zuge klärt sie zunächst darüber auf, dass es keine einheitliche Definition des Begriffs Matriarchat gibt und man demzufolge unterschiedliche Formen des gesellschaftlichen Zusammenlebens darunter verstehen kann.
In insgesamt zwölf Kapiteln beschreibt Friederike Oertel ihre Beobachtungen und Erlebnisse in der Stadt am Isthmus: Sie erlebt Frauen, die auf dem Marktplatz Handel betreiben und finanziell unabhängig sind. Sie lernt sogenannte Muxe kennen, die als drittes Geschlecht akzeptiert werden. Und sie nimmt an traditionellen Festen teil, die so gar nicht in eine matriarchale Gesellschaft passen wollen. Oertel versucht, die Geschlechterrollen in Juchitán zu verstehen, stößt dabei aber immer wieder auf Ungereimtheiten, sodass sich zunächst kein schlüssiges Gesamtbild ergibt.
Zum Vergleich beleuchtet sie immer wieder auch die Rolle der Frau im Patriarchat: Die Autorin schreibt u. a. über die Ehe, die Aufgabenverteilung innerhalb einer Familie, Frauenrechte wie das Wahlrecht, den Zugang von Frauen zu politischen Ämtern uvm. Dabei untermauert sie ihre Ausführungen mit Verweisen auf wissenschaftliche Untersuchungen und Statistiken. Gleichzeitig übernimmt sie nicht alle Sichtweisen von Wissenschaftlern, sondern setzt sich durchaus kritisch mit einigen Forschungsergebnissen auseinander, wobei sie ihre Argumente verständlich und nachvollziehbar darlegt. Sämtliche Quellenangaben kann man am Ende des Buches nachlesen, was zeigt, mit welcher Seriosität Oertel an das Thema herangegangen ist.
„Urlaub vom Patriarchat – Wie ich auszog, das Frausein zu verstehen“ ist somit eine Mischung aus Reise- bzw. Erfahrungsbericht und Sachbuch. Auch wenn einige Fakten mehrmals aufgegriffen wurden, mochte ich die Einbeziehung des sachlichen Hintergrundwissens. Für mich war das Buch sehr informativ und hinsichtlich der Diversität von Formen des gesellschaftlichen Zusammenleben augenöffnend.

Bewertung vom 23.04.2025
Fischtage
Brandi, Charlotte

Fischtage


gut

Anders als erwartet

Ella steckt mitten in der Pubertät, was nicht immer einfach ist. Oft sind es Kleinigkeiten, die ungehaltene Wutausbrüche in ihr hervorrufen. Die meisten ihrer Mitmenschen halten sich von ihr fern – und Ella sich von ihnen. Als eines Tages ihr jüngerer Bruder spurlos verschwindet, spürt sie jedoch nicht mehr nur Wut, sondern auch Sorge. Ella begibt sich daraufhin auf die Suche nach ihm. Dabei erfährt sie überraschend Unterstützung durch einen Fisch und schließt neue Bekanntschaften.

Mit „Fischtage“ hat Charlotte Brandi ihren Debütroman veröffentlicht. Die Geschichte ist in Ich-Perspektive aus der Sicht von Ella erzählt. Der Schreibstil gibt die Gedanken und Gefühle einer 16-jährigen glaubwürdig wieder – oft genervt, voller Sarkasmus, rotzig und bisweilen übermütig. Thematisch behandeln die ersten Seiten neben der Pubertät auch das Leben in einer dysfunktionalen Familie sowie die daraus resultierenden Folgen: Ellas Eltern nämlich sind an ihrem Verhalten nicht ganz unschuldig. Damit konnte mich vor allem das erste Viertel das Buches sehr fesseln.
Ab Ellas Begegnung mit dem Fisch fiel es mir allerdings schwerer, mich weiter auf die Geschichte einzulassen. Unter dem, was im Klappentext angekündigt war und was die ersten Seiten versprochen hatten, hatte ich eine authentische Geschichte erwartet, wie sie aus dem Alltag stammen könnte. Ein sprechender Plastikfisch gehört hier definitiv nicht dazu. Ausgerechnet dieser Fisch spielt im weiteren Verlauf jedoch eine nicht unwesentliche Rolle. Hinzukommt, dass im Folgenden auch Figuren und deren Verhaltensweisen, Begegnungen und Ereignisse auf mich zu konstruiert und damit unglaubwürdig wirkten.
Inhaltlich wird der Roman noch vielfältiger: Demenz, das Drogenmilieu und eine versuchte Vergewaltigung finden zusätzlich Eingang in die Geschichte. Manche dieser Themen werden in meinen Augen nicht ausreichend aufgearbeitet. Da insbesondere die Demenz und das Sexualdelikt für den Handlungsverlauf keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielen, hätte ich es gutgeheißen, sie somit gar nicht erst anzureißen.
Als gelungen empfinde ich die Entwicklung, die Ella von der ersten bis zur letzten Seite durchläuft. Die Autorin lässt ihre Protagonistin behutsam und doch spürbar reifen, sodass der Roman für sie ein versöhnliches Ende bereithält.

Bewertung vom 01.04.2025
Von Stufe zu Stufe
Kucher, Felix

Von Stufe zu Stufe


sehr gut

(Österreichische) Filmgeschichte mit Stärken und Schwächen

Nachdem vor einigen Jahren die Kinematographen auf den Markt gekommen sind, träumt Luise davon, den ersten Langspielfilm Österreichs zu drehen. Kein einfaches Unterfangen angesichts der Vorbehalte ihres Mannes gegenüber dem neuen Medium und der Tatsache, dass man ihr als Frau den Erfolg Anfang des 20. Jahrhunderts nicht zutraut.
Über 100 Jahre später hat Marc ganz andere Sorgen. Nach seinem Studium der Filmwissenschaft hatte er eine Anstellung im Filmarchiv in Wien gefunden. Wenn in wenigen Tagen seine Stelle gestrichen wird, wird er arbeitslos sein. Als Marc jedoch von der Existenz längst verloren geglaubter Filme von Louise Kolm erfährt, sieht er seine Chance gekommen, als ernstzunehmender Wissenschaftler einen Job an der Universität zu bekommen. Ob sich die alten Filmrollen nicht längst in ihren Dosen zersetzt haben, kann ihm niemand mit Gewissheit sagen. Marc kann es nur herausfinden, indem er die waghalsige Reise in die Ukraine antritt, wo die frühen Werke österreichischer Filmgeschichte in einem Keller aufgetaucht sein sollen…

„Von Stufe zu Stufe“ ist ein Roman, der in Teilen auf wahren Begebenheiten beruht. In zwei Erzählsträngen, die sich regelmäßig abwechseln, erzählt Felix Kucher ein Stück (österreichischer) Filmgeschichte. Ein Teil des Buches spielt in den Jahren 1906 bis 1909, in denen Louise Kolm, ihr Mann sowie ihr Bediensteter die ersten Versuche mit einem Kinematographen unternehmen. Sie drehen kürzere und längere Filme, müssen Rückschläge hinnehmen, können aber auch Erfolge verbuchen. Der zweite Erzählstrang spielt am Ende des Jahres 2021. Darin berichtet der Ich-Erzähler Marc von seinem drohenden Jobverlust und all dem, was er unternimmt, nachdem er ein Foto sieht, das alte Filmdosen in einem Keller in der Ukraine zeigt.
Beim Lesen – und auch jetzt, da ich die Geschichte beendet habe – hatte ich ambivalente Gefühle zu diesem Buch. So musste ich mich anfangs erst an die Sprache gewöhnen. Diese ist durch einige österreichische Ausdrucksweisen geprägt, die für mich etwas fremd klangen. In dem Teil, der von Louise erzählt, fließt außerdem die Wortwahl des letzten Jahrhunderts ein, sodass z. B. die Mehrzahl von Film als „Films“ gebildet wird.
Streckenweise habe ich zudem sehr mit dem Ich-Erzähler gehadert. Ich habe ihn immer wieder als übergriffig, wenn nicht gar frauenfeindlich empfunden. Obwohl er sich seiner unpassenden Gedanken und Taten teilweise bewusst ist, sich selbst auch als Se*isten betitelt, macht ihn das nicht unbedingt sympathischer.
Gleichzeitig muss ich festhalten, dass der Roman stellenweise einen solchen Sog entwickelt hat, dass ich ihn nicht mehr aus der Hand legen wollte. Vor allem am Ende der Kapitel baut der Autor immer wieder eine solche Spannung auf, dass man förmlich den Atem anhält.
Gut gefallen hat mir auch die Rolle von Louise. Sie ist es, die die Idee entwickelt, einen längeren und vor allem niveauvollen Film zu drehen. Während sie anfangs nur zusehen darf, wie ihr Mann und ihr Angestellter den Kinematographen bedienen, nimmt sie zusehends das Zepter in die Hand und emanzipiert sich. Interessant an dieser Stelle ist, dass ihre Figur auf Luise Fleck zurückgeht, die als zweite Filmregisseurin der Welt in die Geschichte eingegangen ist. Der Film, nach dem das Buch betitelt ist, wurde tatsächlich von ihr und den Personen im Roman gedreht und gilt bis heute als verschollen.
Auch wenn der Film im Buch schließlich gefunden wird und der Ausgang der Geschichte somit ein anderer ist, bildet „Von Stufe zu Stufe“ dennoch ein interessantes Stück den (österreichischen) Filmhistorie ab.

Bewertung vom 31.03.2025
Geht so
Serrano, Beatriz

Geht so


sehr gut

Ernste Themen überspitzt und mit Sarkasmus verpackt

Marisa arbeitet in einer Werbeagentur in Madrid. Obwohl sie sich einst glücklich schätzen konnte, nach ihrem Studium eine Anstellung gefunden zu haben, hasst sie ihren Job. Die täglichen Aufgaben, die Kollegen und Kolleginnen, all das erträgt sie nur dank stundenlanger YouTube-Sitzungen und zu vieler Beruhigungsmittel. Die Aussicht auf ein Teambuilding-Wochenende sorgt bei Marisa daher absolut nicht für Freude, dennoch versucht sie die so mühsam aufgebaute Fassade aufrechtzuerhalten.

Mit „Geht so“ bringt uns Beatriz Serrano mitten in die Arbeitswelt einer Werbeagentur. Dort findet man jeden erdenklichen Charakter, den man wohl auch aus dem Alltag kennt: die strebsame Mitarbeiterin, die alle ihr gestellten Aufgaben immer ein bisschen zu genau nimmt, die garstige Kollegin, die nicht gut mit ihren Mitmenschen umgeht, und den Vorgesetzten, der seine Schäfchen fast ein wenig väterlich behandelt. Außerdem ist da Marisa, die nach mehreren Jahren in der Werbebranche so gar keine Lust mehr auf ihren Job hat. Die Ablehnung, die sie für all ihre Aufgaben verspürt, sorgt für absolute Demotivation und wirkt sich zunehmend auf ihre psychische Gesundheit aus. Marisa zieht sich zurück, entwickelt Angstzustände und Panikattacken und flüchtet sich in Tabletten, Alkohol und Drogen.
Beatriz Serrano stellt ihre Figuren überspitzt dar, ohne dass diese dabei eindimensional wirken. Stattdessen schafft es die Autorin, die unterschiedlichen Charaktere, die in der Arbeitswelt anzutreffen sind, genau auf den Punkt zu bringen. In ihrem Debütroman verpackt sie ernste gesellschaftliche Probleme mit einer Menge Ironie und Sarkasmus so geschickt, dass sie den Anschein einer leichten, unterhaltsamen Geschichte bekommen. Doch die Kritik, die mitschwingt, ist unübersehbar. So kritisiert sie den Kapitalismus, der uns ständig glauben lassen will, dass uns der nächste Lippenstift attraktiver und ein neues Parfum unwiderstehlicher macht. Sie zeigt, mit welchen Erwartungen und Problemen Mütter nach ihrer Elternzeit im Job konfrontiert werden. Und sie verdeutlicht, dass ein „Bullshit-Job“ ernsthafte gesundheitliche Folgen nach sich ziehen kann, von Boreout oder Burnout bis hin zu Depressionen.
Mit ihren tollen Figuren und ihrem besonderen Schreibstil konnte mich die Autorin vor allem in der ersten Hälfte des Romans einnehmen. Die zweite Hälfte habe ich als etwas schwächer empfunden. Den Verlauf der Geschichte an dem gemeinsamen Teambuilding-Wochenende und vor allem den Ausgang des Buches hätte ich mir anders gewünscht. Andererseits hat es Serrano genau dadurch geschafft, dass das Erzählte noch lange in mir nachhallte und mich mit einem Kopfschütteln zurückließ.
„Geht so“ ist ein Roman, der den Finger in mancherlei Hinsicht in die Wunde legt und dabei bis zum Schluss kurzweilig und unterhaltsam ist.

Bewertung vom 27.03.2025
OTTO fährt los - Ein Sommer in den Bergen
Ottenschläger, Madlen

OTTO fährt los - Ein Sommer in den Bergen


ausgezeichnet

Kindgerechte Reiseabenteuer in den Alpen

Es ist wieder so weit! Otto, der Camper, fährt mit einer neuen Familie auf zu neuen Abenteuern. An Bord sind diesmal Yurika, Christian und ihre Zwillingsmädchen Luzie und Klara. Gemeinsam bereisen sie die Berge im Süden Deutschlands, in Österreich und der Schweiz.

Ganz im Stil der beiden schon erschienenen Bücher haben Madlen Ottenschläger und Stefanie Reich mit „Ein Sommer in den Bergen“ den dritten Band ihrer Reihe rund um den Camper Otto herausgebracht. Nachdem zuerst Schweden und anschließend Italien bereist wurden, behandelt der neue Band mit den Alpen nun ein Gebiet, das über Ländergrenzen hinausgeht: Das Gebirge erstreckt sich über Deutschland, Österreich und die Schweiz, die allesamt Eingang in das Buch finden. Gut gefallen mir die Sehenswürdigkeiten, die entlang der Route herausgegriffen wurden, darunter Schloss Neuschwanstein und der Rheinfall. Außerdem finden auch landestypische Köstlichkeiten wie Kaiserschmarrn und Käse sowie besondere Pflanzen, Tiere und traditionelle Feste Erwähnung – eine bunte Auswahl an Highlights also.
Die Geschichte selbst wartet mit einer kindgerechten Sprache auf. Mehrfach werden junge Leser und Leserinnen direkt angesprochen und zum Suchen von Motiven in den Bildern aufgefordert oder zum Erzählen zu bestimmten Themen angeregt.
Die Illustrationen ergänzen den Text perfekt. Sie zeigen idyllische Landschaften, die zum Träumen einladen, und die Familie, wie sie ihre gemeinsame Zeit genießt. So bekommt man beim Betrachten der Bilder richtig Lust auf den nächsten Sommerurlaub!
„Otto fährt los – Ein Sommer in den Bergen“ ist ein empfehlenswertes Kinderbuch für kleine Campingfreunde, Naturliebhaber und alle Abenteurer.

Bewertung vom 24.03.2025
Die Allee
Anders, Florentine

Die Allee


ausgezeichnet

Familie Henselmann: Deutsche Architekturgeschichte, Familienleben und Emanzipation, Politikgeschichte

Als 1959 ein internationaler Ideenwettbewerb für die Umgestaltung des Alexanderplatzes ausgerufen wurde, wurde Hermann Henselmann ausgeschlossen. Dennoch reichte er einen Entwurf für einen Turm ein, der nach Weiterentwicklungen verschiedener Architekten und Ingenieure als Fernsehturm seither das Bild Berlins maßgeblich prägt. Doch Henselmanns Karriere startete bereits in den späten 1920er Jahren. Nach seinem Vorbild Le Corbusier verwirklichte er Bauten ganz im Sinne des Bauhauses. Als zuerst die Nationalsozialisten und später die Führungsriege der DDR diese Stilrichtung ablehnte, musste sich Henselmann den neuen Idealen oft unterordnen – ohne jedoch immer wieder modernistische Ideen anzubringen und damit den Fortschritt anzutreiben.
Derweil versuchten seine Frau Isi und seine Tochter Isa ihre eigenen Lebensträume zu verwirklichen, was unter dem herrischen Architekten nicht immer einfach war… .

Hermann Henselmann zählt zu den einflussreichsten deutschen Architekten des vergangenen Jahrhunderts. In diesem Buch, das seine Enkelin Florentine Anders verfasst hat, lernt man ihn in vielen Facetten kennen. Daneben begleitet man mit Isi und Isa zwei Frauen aus seinem engsten familiären Umfeld bei ihrer Emanzipation.
Geprägt durch das Bauhaus zeichnen sich Henselmanns Ideen durch eine radikal modernistische Formgebung aus. In der DDR soll er sich jedoch den sozialistischen Vorstellungen der Politführung beugen. Man erfährt, dass er, der zum Chefarchitekten Ostberlins aufgestiegen war und sich in elitären Kreisen bewegte, dennoch immer wieder zukunftsweisende Entwürfe vorlegte. Als Architekt war Henselmann mutig, teils provokativ, angesichts der drohenden Gefahren für Kritiker der DDR-Führung aber auch leichtsinnig. Mehr als nur einmal ist er mit der Staatsführung aneinandergeraten und mehr als nur einmal musste er anschließend um Entschuldigung bitten. Dennoch hat er sich nie vollends unterworfen, sondern weiter in kleinen Schritten daran gearbeitet, seine Vorstellungen anzubringen. So ist es Henselmann selbst wichtig, als Architekt nicht als Produkt der DDR wahrgenommen zu werden, sondern als Gestalter des Landes nach seinen Idealen (S. 292). Von den Gebäuden, die nach seinen Plänen errichtet wurden, sind mir viele gut bekannt, was den Roman sehr anschaulich macht.
Neben seiner beruflichen Laufbahn kann man in „Die Allee“ auch einiges über den Menschen Hermann Henselmann lesen. Dieser war oft voller Jähzorn, konnte von einem Moment auf den anderen völlig ungehalten werden. Als Ehemann und Vater war er damit kein einfacher Charakter. Seine häufigen Affären und die Gewalt, die er gegenüber seinen Kindern anwendete, haben mich beim Lesen sehr betroffen gemacht. Bei all den Vorkommnissen habe ich großen Respekt vor seiner Frau, die immer zu ihm gehalten hat. Gleichzeitig kann ich gut nachvollziehen, dass sie daran arbeitete, ihre eigenen Träume in die Tat umzusetzen und damit aus dem Schatten ihres berühmten Mannes zu treten – nicht immer einfach mit acht Kindern. Unter diesen wiederum ist es vor allem das Schicksal der Tochter Isa, das ergreifend geschildert wird. Gleichzeitig ist es gerade ihr Lebensweg, der nach vielen Tiefpunkten zum Ende des Romans hin Hoffnung schenkt.
Obwohl der Roman der Familie Henselmann gewidmet ist, bietet er auch einen Einblick in die Erlebnisse einer jungen Familie im zweiten Weltkrieg, den Wiederaufbau in der Nachkriegszeit sowie die Gründung und den Zusammenbruch der DDR. Die kurzen Abschnitte, in die das Buch unterteilt ist, folgen dem chronologischen Ablauf der Ereignisse, sodass hier ein Kapitel der deutscher Politikgeschichte greifbar wird.
„Die Allee“ ist ein unglaublich vielschichtiger Roman und hat mich durchweg gefesselt. Große Empfehlung!

Bewertung vom 16.03.2025
Bis die Sonne scheint
Schünemann, Christian

Bis die Sonne scheint


ausgezeichnet

Eine authentische Reise zu einer mittelständischen Familie in den 1980er Jahren

Daniel steht kurz vor seiner Konfirmation, als seine Eltern in finanzielle Schieflage geraten. Die Familie mit vier Kindern, von denen er das jüngste ist, bekommt schon bald Besuch von einem Gerichtsvollzieher. Obwohl mit dem Klavier und dem Fernseher die ersten Besitztümer gepfändet werden, hofft Daniel für seine Konfirmation weiterhin auf das Sakko aus blauem Samt und eine große Feier. Doch er hat die Rechnung ohne seine Eltern gemacht, die nicht mit Geld umgehen können…

Das Wichtigste gleich vorab: Dieses Buch hat mich positiv überrascht!
Die Geschichte ist wie eine Zeitreise in die 1980er Jahre in der Bundesrepublik. Aus der Perspektive von Daniel lernen wir dessen Mutter Marlene, seinen Vater Siegfried sowie die drei älteren Geschwister kennen. Die sechsköpfige Familie lebt in einem Eigenheim nahe Bremen, das der Vater geplant und mit viel Eigenleistung verwirklicht hat. Obwohl das Haus noch nicht sehr alt ist, besteht bereits Renovierungsbedarf: Nach starkem Regen tropft es durch das Dach des Bungalows. Damit steht der Bau, wie ich finde, fast schon sinnbildlich für die finanzielle Lage der Familie, die, wie man bald erfährt, problematisch ist – anders ausgedrückt: Familie Hormann ist pleite.
Wie es dazu kommen konnte, zeigen zahlreiche Rückblenden auf. Man lernt hierbei die Großeltern beiderseits kennen, die im zweiten Weltkrieg verschiedene Positionen einnahmen. In der Nachkriegszeit wuchsen Marlene und Siegfried mit ihren jeweiligen Familien unter unterschiedlichen Umständen auf, ehe sie ein Paar wurden und ihre eigene Familie gründeten. Ich mochte es sehr gerne, wie die Rückblenden in die Geschichte eingeflochten wurden, denn Stück für Stück setzt sich dadurch beim Lesen das Gesamtbild der Hormanns zusammen. Somit kann man deren Verhaltensweisen und Entscheidungen, die sie als Erwachsene tätigten, besser einordnen und bewerten.
Wie die beiden mit ihren Finanzen umgehen, kann ich dennoch nicht gutheißen. Marlene und Siegfried lebten stets über ihren Verhältnissen und leisten sich auch nach ihrer Pleite Dinge, auf die sie nach meiner Meinung verzichten sollten. Ob sie den Ernst der Lage nicht wahrhaben wollen oder es ihnen schlichtweg egal ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Was sich aber festhalten lässt: Die Art, wie der Autor seine Figuren agieren lässt, empfinde ich als absolut authentisch. Auch der Handlungsverlauf an sich wirkte auf mich sehr lebensnah. Umso überraschter (und berührter) war ich, als ich im Nachwort erfahren habe, dass dem Roman tatsächlich die Familiengeschichte von Christian Schünemann zugrundliegt, wenn auch aus seiner subjektiven Erinnerung und mit geänderten Namen.
Eine unbedingte Leseempfehlung für „Bis die Sonne scheint“!

Bewertung vom 28.02.2025
Papas Tattoos
Schuff, Nicolas

Papas Tattoos


sehr gut

Ein fantasievolles Mädchen und ihr tätowierter Vater

Emilia wächst bei ihrem Vater auf. Der ist groß und trägt viele bunte Tätowierungen. Wenn er abends vor ihr einschläft, schaut sie sich gerne die Bilder auf seiner Haut an. In Emilias Fantasie erwachen die Motive zum Leben und bestreiten mit ihr einige Abenteuer.

„Papas Tattoos“ erzählt auf etwa 30 Seiten von Emilia und ihrem Vater. Mir gefällt, dass der Autor für seine Geschichte einen alleinerziehenden Vater gewählt hat und dadurch mit den klassischen Geschlechterrollen gebrochen wird. Gleichzeitig wird die Familiensituation nicht weiter ausgeführt, sondern ist eher im Hintergrund wahrnehmbar, sodass sie als etwas ganz Selbstverständliches behandelt wird.
Emilias Vater ist sehr auffällig dargestellt: Er trägt einen Vollbart, Irokesenschnitt und hat gepiercte Ohren. Sein Körper ist mit zahlreichen Tätowierungen verziert. Diese Tattoos regen Emilia abends zum Träumen an. In wenigen Sätzen erfährt man beispielsweise, wie sie sich ein Treffen mit dem Matrosen vorstellt und worüber sie in ihren Gedanken mit dem Totenkopf spricht. Mit der Pantherin wird dabei ein Tattoo, das für den Vater eine wichtige Bedeutung hat, besonders in den Fokus gerückt.
Die Beschreibungen bleiben insgesamt eher knapp, weshalb ich mir für die Geschichte mehr Tiefgang wünschen würde: Die Bedeutung der Motive wird beispielsweise nur für zwei genannt. Wofür stehen aber die übrigen Bilder, die im Buch aufgegriffen werden? Welche Abenteuer erlebt Emilia noch in ihren Träumen? Auch wenn ich persönlich mehr Text und weniger Leerstellen bevorzugen würde, bietet der Raum, den die Geschichte an der einen oder anderen Stelle lässt, viele Gesprächsanlässe. So kann man die Fantasie des eigenen Kindes anregen, Erklärungen zu den Tätowierungen zu finden und sich selbst Abenteuer mit ihnen auszudenken.
Die Illustrationen sind durchweg farbenfroh gestaltet. Sie passen gut zur Geschichte und sind in ihrem Stil sehr ansprechend.
Ein schönes Bilderbuch über ein fantasievolles Mädchen und ihren besonderen Vater.