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Test-LR

Bewertungen

Insgesamt 201 Bewertungen
Bewertung vom 14.06.2025
Hase und ich
Dalton, Chloe

Hase und ich


ausgezeichnet

Vom Hasen lernen

Gestaltung:
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Das Cover ist passend zum Inhalt schlicht, aber fokussiert auf das Wesentliche, nämlich den Hasen. Die Gestaltung des Buches ist traumhaft. Vor jedem Kapitel ist eine passende, liebevolle Schwarz-Weiß-Skizze von dem oder den Hasen, um die es in dem Abschnitt geht, jeweils in unterschiedlichen Entwicklungsstadien. Fotos wären wünschenswert gewesen, aber diese detaillierten Illustrationen sind sogar noch eindrucksvoller. Am Ende des Buches ist eine Karte von Chloes Haus und dessen Umgebung einschließlich der Fundstelle des Hasen zur besseren Orientierung beim Lesen des Geschilderten.

Inhalt:
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Zu Beginn der Pandemie, als alle im Home-Office-Lockdown verharren, zieht sich Chloe Dalton in ihr Haus am Lande außerhalb Londons zurück. Bisher war sie es gewohnt, viel durch die Welt zu reisen, immer im Stress zu sein. Die Ruhe des Landes behagt ihr nicht. Doch dann sieht sie bei einem Spaziergang einen kleinen Hasen auf dem Weg hocken, der offenbar seine Mutter verlassen hat. Nachdem sie ihn einige Stunden aus der Ferne beobachtet hat, entschließt sie sich, ihn nach Hause zu nehmen und dort großzuziehen. Dabei gibt es kaum positive Beispiele für die Aufzucht von Feldhasen und auch ein Naturschützer warnt sie. Doch sie liest sich durch alte Literatur und folgt ihrer Intuition. So wächst der Hase heran und wird zu ihrem Weggefährten.
In diesem Buch schildert sie ihre Erfahrungen, teilt ihre Beobachtungen, aber lässt uns auch teilhaben am Leid, das der Hase und andere Lebewesen in freier Natur durch das Eingreifen des Menschen erleiden müssen.

Mein Eindruck:
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"Ich konnte das Geheimnis, das Hase umgibt, bis heute nicht entschlüsseln. Im Kern ist sie für mich immer noch nicht fassbar oder erklärbar, und vielleicht liegt genau darin der Grund, warum wir Menschen so viele unserer Ängste und Wünsche auf dieses Tier projiziert haben. Warum wir Hasen übernatürliche Kräfte nachgesagt haben, die von sehr bösen bis zu durchaus angenehmen Dingen reichen, was einmal mehr unsere Neigung unterstreicht, immer jene Dinge anzubeten oder zu verteufeln, die wir nicht verstehen. Der Hase ist vielmehr ein passendes Symbol für die Vergänglichkeit des Lebens und all seines Ruhmes, für unsere Abhängigkeit von der Natur und deren achtlose Zerstörung. Doch in Hase und in der nie versiegenden Kraft zur Erneuerung – der Natur selbst – liegt auch Hoffnung. Wenn es wirklich möglich ist, wie William Blake es formulierte, in einem Sandkorn die ganze Welt zu sehen, dann gelingt es uns vielleicht, die Natur in ihrer Gesamtheit in einem Hasen zu erkennen: in seiner Einfachheit und Komplexität, seiner Zerbrechlichkeit und Stärke, seiner Vergänglichkeit und Schönheit." (E-Book, S. 188)

Mir gefiel insbesondere der Schreibstil sehr gut. In ruhigem Ton schildert die Schriftstellerin aus der Ich-Perspektive ähnlich wie in einem Tagebuch alle Ereignisse und teilt ihre Gedanken mit dem Leser. Es ist, als würde man alles aus ihrem Kopf heraus mitverfolgen. Beeindruckend fand ich ihre präzise Beobachtungsgabe, die sie in Form von sehr detaillierten Beschreibungen ausdrückt. So konnte ich mir alles gut vorstellen. Jedes Entwicklungsstadium des Hasen und später zusätzlich die seiner drei Würfe, von denen einer sogar im Haus der Autorin aufwächst, wird dokumentiert. Dazwischen befinden sich vor jedem Kapitel neben der wunderschönen Illustration auch immer ein Zitat aus einem Gedicht, einem Buch über die Hasenjagd oder anderen historischen Literaturquellen über Hasen oder die Natur.
Frau Dalton gibt dem Hasen bewusst keinen Namen, da er weiter wild aufwachsen und nicht wie ein Haustier besessen und domestiziert werden soll. Gerade weil sie dem Hasen seine Freiheit schenkt, entscheidet sich das Tier freiwillig, immer wieder ihre Nähe aufzusuchen und so ist diese eine besondere Ehre. Nur dadurch konnte sie ihre außergewöhnlichen Beobachtungen machen.
Gut gefiel mir ebenfalls, wie sie selber schildert, dass sie durch diese besondere Begegnung ruhiger wird und sich ihre Denkweise ändert. Vor allem dass sie ihren Tagesrhythmus und ihre Arbeit dem bzw. später den Hasen anpasst, war amüsant. Diese Stimmung überträgt sich entsprechend auf den Leser. Diese Lektüre war für mich wie ein beruhigender Waldspaziergang, und ich habe viel über Hasen, aber auch über andere Teile der Natur gelernt. Das Ende kam viel zu schnell, ich hätte noch ewig weiterlesen können!
Ich kann dieses Buch jedem empfehlen, um mehr über das faszinierende Wesen der Hasen zu erfahren und die Beobachtungen der Autorin in Ruhe auf sich wirken zu lassen. Es regt auf jeden Fall zum Nachdenken an über uns Menschen und unsere oft verloren gegangenen Beziehungen zur Natur.
Das Ende wird durch eine Auswahlbibliografie für weitere Recherche abgerundet.

Fazit:
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Die detaillierten Beschreibungen und Gedanken der Autorin regen zum Nachdenken über unsere Beziehung zur Natur an. Wunderbar und lehrreich!

Bewertung vom 13.06.2025
Die Spurenfinder und das Drachenzepter / Der Spurenfinder Bd.2 (eBook, ePUB)
Kling, Marc-Uwe; Kling, Johanna; Kling, Luise; Kling, Elisabeth

Die Spurenfinder und das Drachenzepter / Der Spurenfinder Bd.2 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Ein Diebstahl, ein rätselhafter Todesfall, ein Mörder und zahlreiche Spurenfinder

Gestaltung:
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Das Titelbild passt gut zur Reihe. Auch hier sind die Silhouetten der Spurenfinder abgebildet sowie die Truhe, in der sich das namensgebende Drachenzepter befindet. Es wirkt leicht düster und weckt Interesse. Auch im Innenteil gibt es wieder viele skizzenhafte Illustrationen, durch die die beschriebenen Situationen gut veranschaulicht werden.

Inhalt:
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Nachdem Elos von Bergen den Mordfall des Dorfvorstehers von Friedhofen aufgeklärt hat und seine Kinder ein Geheimnis über ihre Herkunft entdeckt haben, herrscht im Ort vorerst Ruhe, was dazu führt, dass bereits Langeweile aufkommt. Als ein Bote des Königs vor der Tür steht und den Auftrag erteilt, das verschwundene Drachenzepter zu finden, nehmen Elos und die Zwillinge Ada und Naru diesen mit Freude an. Gemeinsam beginnen sie mit den Ermittlungen, bei denen Adas Leben unerwartet in Gefahr gerät.

Mein Eindruck:
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»Das Drachenzepter gehörte einst Sonkurr, dem ersten Kaiser von Syndrakos«, erzählte Elos, »dem Gründer des Imperiums. Und angeblich ist es ein magischer Gegenstand, der dem Besitzer eine fast unwiderstehliche Autorität verleiht, eine Aura der Macht.«
»Angeblich?«, fragte Naru.
»Vielleicht ist Magie im Spiel. Vielleicht auch nicht. Ich weiß es nicht, aber wisst ihr, es spielt fast keine Rolle. Um das Zepter ranken sich so viele Legenden, dass es allein schon dadurch Wirkung entfaltet. Wenn ihr versteht, was ich meine.«
»Du meinst, das Zepter verleiht Macht, weil alle daran glauben, dass es Macht verleiht?«, fragte Ada. (E-Book, S. 34)

Nachdem ich den ersten Teil verschlungen hatte, habe ich diese Fortsetzung herbeigesehnt. Und ich wurde nicht enttäuscht. Der Fall beginnt nahtlos mit dem Ende des Vorgängerbandes und so wird man direkt wieder in das Geschehen hineinkatapultiert. Vermutlich lässt sich der Band ohne Vorkenntnisse lesen. Ich würde dies jedoch nicht empfehlen, da viele wichtige Hintergründe sich einem nur durch den ersten Teil vollständig erschließen.

Diesmal hat Elos beim Spurenfinden kräftige Unterstützung durch seine Kinder, aber auch von seinen Freunden Minna und Silas, die selbst Spurenfinder sind. Dies ist besonders wichtig, da sie es offenkundig nicht nur mit einem Dieb zu tun haben. Zusätzlich müssen sie sich um einen Traummörder und den mysteriösen Todesfall eines weiteren Spurenfinders kümmern. Zu allem Überfluss mischen sich auch noch andere Spurenfinder in die Ermittlungen ein. So sind Kombination und Teamarbeit gefragt, um den Fall zu lösen.
Mir hat die Mischung aus Fantasy, Krimi und Freundschaftsgeschichte wieder sehr gut gefallen. Die Kabbeleien zwischen Ada und Naru sowie zwischen den Spurenfindern haben mich häufig zum Schmunzeln gebracht. Auch diesmal ist dem Autorenteam Kling wieder ein spannender Fall mit viel Wortwitz, überraschenden Wendungen sowie einer schlüssigen Auflösung gelungen.
Da das Geheimnis um die Herkunft der Zwillingsgeschwister immer noch nicht gelöst ist, hoffe ich auf mindestens einen weiteren Roman, dem ich ungeduldig entgegenfiebere.

Fazit:
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Spannende, humorvolle Fortsetzung, die durch knifflige Spurenlage, Teamgeist und clevere Auflösung der Spurenfinder begeistert.

Bewertung vom 27.05.2025
Jeder im Zug ist verdächtig / Die mörderischen Cunninghams Bd.2
Stevenson, Benjamin

Jeder im Zug ist verdächtig / Die mörderischen Cunninghams Bd.2


ausgezeichnet

Mord im Ghan-Express

Inhalt:
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Nachdem er bei einem Familientreffen in den Bergen einen Serienmörder überlebt und gestellt hat, hat Ernest Cunningham ein Buch darüber geschrieben und wurde als Autor zum Jubiläum eines Schriftstellerfestivals eingeladen. Das Besondere an dem Event: Es findet mit exklusiven Gästen im australischen Ghan statt. Das ist der legendäre Zug, der die gigantische australische Wüste genau in der Mitte durchquert. Begleitet wird er dabei von seiner Freundin Juliette, die er während seines Berg-Serienmörder-Abenteuers kennen- und liebengelernt hat.
Während Ernest darüber grübelt, wie er ein zweites Buch schreiben soll, das an den Erfolg des ersten anknüpft, wird während der Fahrt erst ein Autor und später sein Verleger ermordet. Beide waren so unbeliebt, dass passend zum Titel jeder im Zug verdächtig erscheint. Und Ernest wäre nicht Ernest, wenn er nicht beginnen würde, zu ermitteln. Und dabei geht er natürlich klassisch nach den Regeln des Krimi-Genres vor. Doch in einem Zug mit vielen Krimiautoren bleibt er nicht allein. Wird es ihm gelingen, den Fall zu lösen, bevor es jemand anderes schafft?

Mein Eindruck:
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Ich habe den ersten Cunningham-Band verschlungen und gewünscht, dass es einen weiteren Band mit Ernest geben wird. Und da ist er nun endlich. Aber wie Ernest selbst anmerkt: "Niemand mag Fortsetzungen. Häufig wird kritisiert, sie seien nichts anderes als eine blasse Imitation des Vorhandenen. Angesichts der Tatsache, dass die letzten Morde im schneeverwehten Gebirge und diese hier in der Wüste begangen wurden, geht das hier raus an alle Kritiker: Eine blasse Imitation wird es nicht werden, denn diese Geschichte hat immerhin ein bisschen Sonne abbekommen." (E-Book S. 18).

Und nachdem ich das zweite Buch gelesen habe, kann ich ihm absolut zustimmen. Zwar nimmt dieser Roman anfangs noch Bezug zum Vorgänger, aber schafft aus der Zug-Situation heraus wieder neue Möglichkeiten, die der Autor voll ausschöpft. Die Handlung ist aus der Ich-Perspektive von Ernest geschrieben. Er nimmt einen mit an die Hand bei seinen Ermittlungen und Gedankengängen. Und obwohl man das Gefühl hat, dass man im Kopf von ihm ist, weiß er stets einen Hauch mehr als der Leser, führt diesen auch immer mal wieder auf die falsche Spur und wartet am Ende mit einer überraschenden Auflösung auf.
Die Handlung ist spannend, voller Rätsel und verteilt jede Menge Seitenhiebe auf das Krimi-Genre, aber auch Literatur im Allgemeinen.
Zu Beginn ist eine Skizze der (fiktiven) Zugaufteilung, sodass man sich stets einen Überblick über die Tatorte und die Unterbringung aller Verdächtigen verschaffen kann. Interessant sind außerdem die unterschiedlichen Schauplätze, denn der Ghan hat einige sehenswerte Stationen. Ich konnte beim Lesen nicht vermeiden, dass ich einige Orte im Internet recherchiert habe und dabei selbst Reiselust bekommen habe.

Ich habe mit Ernest mitgefiebert, mitgerätselt und bei seinem Humor viel geschmunzelt und hoffe sehr, dass das nicht sein letzter Fall war.

Fazit:
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Eine gelungene Fortsetzung: Ernest Cunningham ist ein genialer Ermittler, eine Mischung klassischer Detektive mit (teils schwarzem) Humor

Bewertung vom 20.05.2025
Thirteen Witches - Die Erinnerungsdiebin
Anderson, Jodi Lynn

Thirteen Witches - Die Erinnerungsdiebin


ausgezeichnet

Die Macht von Geschichten und Erinnerungen

Cover:
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Das Titelbild hat sofort meine Aufmerksamkeit erregt. Das Mädchen blickt den Betrachter direkt an, und in ihren Augen spiegelt sich eine gewisse Kühnheit und Entschlossenheit wider. Die Farbgestaltung passt sehr gut zu einer Fantasyreihe.

Inhalt:
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"Meine Bücher haben mich in schwierigen Momenten beschützt und mich weggezaubert, wenn ich flüchten musste. Sie sind wie Wolle, die einen bei Kälte warm und bei Hitze kühl
hält. An Tagen, an denen es mir besonders schwerfällt, nicht zusammenzubrechen, weil ich mir eine andere Mutter oder ein anderes Leben wünsche, flüchte ich mich in sie."
(E-Book S. 104)

Rosie Oaks ist ein durchschnittliches 11-jähriges Mädchen, das gerne Geschichten schreibt. Ihren Vater hat sie nie kennengelernt, ihre Mutter beachtet sie kaum. Daher hat Rosie gelernt, sich anzupassen und möglichst wenig Aufmerksamkeit zu erregen. Ihre einzige Bezugsperson, der sie alles anvertraut, ist ihre beste Freundin Keim. Mit dem Älterwerden bekommt die Freundschaft leichte Risse und Rosie verbrennt ihre Geschichten. Doch damit erhält sie plötzlich "die Sicht" und kann die magische Welt wahrnehmen. Als Rosie und Keim gemeinsam Geister sehen, ändert sich Rosies Leben von Grund auf. Sie freundet sich mit dem Geisterjungen Ebb an und erfährt, dass ihre Mutter einst eine erfolgreiche Hexenjägerin war, die Opfer der Erinnerungshexe geworden ist. Sie hat fast alle guten Erinnerungen an ihre Tochter verloren, was ihr distanziertes Verhalten zu ihr erklärt. Rosie ist fest entschlossen, die Erinnerungshexe zu vernichten, um ihre Mutter zurückzubekommen. Außerdem will sie das Geheimnis lüften, weshalb die Hexe Rosie bei der Geburt verschont hat. Dabei wird sie von Ebb und Keim unterstützt und erfährt, was Mut und Freundschaft wirklich bedeuten und welche Macht in Geschichten verborgen ist.

Mein Eindruck:
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"Vielleicht machen uns Geschichten stärker, weil sie eine Brücke zu Dingen schlagen, die wir verloren haben. Vielleicht machen Geschichten aus Zerbrochenem etwas Mächtiges."
(E-Book S. 186)

Die Handlung wird aus der Ich-Perspektive von Rosie geschildert, dadurch ist man ihren Gedanken sehr nah. Man kann den Schmerz und die Sehnsucht nach der Liebe ihrer Mutter spüren. Aber auch die Verzweiflung, weil sich ihre Freundschaft zu Keim so ändert und sie befürchtet, ihre Freundin zu verlieren, ist sehr authentisch. Gerade für Kinder ab der weiterführenden Schule wird hier ein altersgemäßes Problem aufgegriffen.
Die Autorin hat diese realen Themen in einer fesselnden und fantasievollen Story in flüssigem Sprachstil verarbeitet. Die magische Welt der 13 Hexen ist anschaulich beschrieben und auch die der Geister, die Verstorbene mit unerfüllten Aufgaben sind, bis sie ins endgültige Jenseits dürfen, ist nachvollziehbar dargestellt. Die Geschichte hatte mich von Beginn an in ihren Bann gezogen. Durch relativ kurze Kapitel wird man zum stetigen Weiterlesen animiert, aber auch die rasante Handlung sorgte dafür, dass ich das Buch kaum aus der Hand legen konnte. Einerseits vermittelt das Finale Zuversicht, weckt jedoch gleichzeitig das Interesse an den beiden folgenden Bänden. Ich finde diesen Trilogieauftakt sehr gelungen und freue mich auf die Fortsetzungen!

Fazit:
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Sehnsucht, Liebe, Freundschaft, Selbstfindung und die Macht der Worte zu einer spannenden Fantasiegeschichte verarbeitet - toller Auftakt!

Bewertung vom 18.05.2025
Achtzehnter Stock
Gmuer, Sara

Achtzehnter Stock


sehr gut

Einmal Platte, immer Platte?

Cover:
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Das Titelbild sieht gar nicht so trist aus, wie man es von einem Plattenbau und der Geschichte vermuten würde. Durch den blauen Himmel wirkt es fast romantisch und hoffnungsvoll. Daher ein Grund für mich, den Roman zu lesen, auch wenn der Beschreibungstext mich zunächst skeptisch gemacht hat.

Inhalt:
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"Ich hätte ihm nicht schreiben dürfen. Es war ein Fehler. Ich bin nicht frei. Niemand ist frei. Es entscheiden immer die anderen, was man wert ist. Egal, was man sich einredet, wir sind alle Opfer." (E-Book, S. 96)

Wanda ist alleinerziehende Mutter der fünfjährigen Karlie und lebt mit ihr in einer Plattenbau-Siedlung in Berlin im achtzehnten Stock. Sie träumt davon, auszubrechen und ihrer Tochter ein besseres Leben zu ermöglichen. Sie strebt an, als Schauspielerin groß rauszukommen und ein Star zu werden. Als sie nach vielen ungezählten Versuchen endlich eine Hauptrolle bekommt, scheint ihr Traum sich zu erfüllen. Doch das Glück ist sehr zerbrechlich, und schließlich stellt sich die Frage, ob man seine Herkunft verleugnen und aus seinem ursprünglichen Leben ausbrechen kann oder letztendlich dort verwurzelt bleibt. Und ist es überhaupt erstrebenswert, ein anderes Leben anzustreben?

Mein Eindruck:
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Die Frage, inwieweit ein Mensch durch seine Herkunft bestimmt ist oder ihm ein Ausbruch in ein vermeintlich "besseres Leben" gelingen kann, fand ich immer schon spannend. Daher hat mich dieser Roman interessiert. Die Geschichte ist aus der Ich-Perspektive von Wanda geschrieben. Aus ihrer Sicht erlebt der Leser hautnah die Enge der Sozialbausiedlung, den täglichen Überlebenskampf, aber auch den Zusammenhalt der Bewohner und die Liebe, die Wanda für ihre Tochter empfindet. Das Buch entwickelte durch den Schreibstil einen regelrechten Sog auf mich. Ich konnte die Hoffnung, aber auch die Verzweiflung sowie manchmal die leicht überheblichen Gefühle gegenüber den anderen gut nachempfinden. Nichts desto trotz empfand ich Wandas Verhalten auch manchmal verantwortunglos, wenn sie Karlie längere Zeit alleine lässt oder sie gegenüber ihrem Schauspielergeliebten verschweigt.
Ich bin in meinem Leben bisher glücklicherweise noch nicht in Kontakt mit solchen Situationen wie Wanda gekommen. Ich kann mir aber vorstellen, dass das Leben in einer Plattenbau-Siedlung so verlaufen kann und auch die Dekadenzen des Film-Business sind gut, aber auch gesellschaftskritisch beschrieben.
Gegen Ende nimmt die Handlung eine unerwartete Wende und den Schluss empfand ich als etwas kitschig und unrealistisch, aber auch hoffnungsvoll. "Hart und rau und schön" trifft es sehr gut. Insgesamt ein gutes Debüt von Frau Gmuer.

Fazit:
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Gesellschaftskritischer Roman in fesselndem Erzählstil und mit vielen Emotionen, der aber am Ende leider etwas kitschig-unrealistisch wird.

Bewertung vom 15.05.2025
Campion. Tödliches Erbe
Allingham, Margery

Campion. Tödliches Erbe


gut

Komplexer Cosy Crime

Inhalt:
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Percival St. John Wykes Gyrth, oft nur kurz Val genannt, ist einziger Sohn des Baronet Colonel Sir Percival Christian St. John Gyrth. Er lebt wie ein Obdachloser auf den Straßen Londons. Eines Tages findet er eine Botschaft auf einer Parkbank, um sich bei einer bestimmten Adresse eines gewissen "A. C." zu melden. Auf dem Weg dorthin wird er beinahe von einem falschen Taxifahrer entführt. A. C. entpuppt sich als unscheinbarer, aber cleverer Detektiv Albert Campion. Er offenbart Val, dass sich der Schatz seiner Familie, ein uralter goldener Kelch, in Gefahr befindet. Einige Kunstdiebe haben es auf das gute Stück abgesehen. Und so begleitet Campion Val zum Familiensitz in Sanctuary in der Grafschaft Suffolk. Dort stirbt kurz darauf auf ungeklärte Weise Vals Tante, und später verschwindet der Kelch tatsächlich. Albert Campion ermittelt und kommt dabei nicht nur den Tätern nahe, sondern auch dem Familiengeheimnis der Gyrth-Familie auf die Spur.

Mein Eindruck:
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"Penny überlief ein Schauder, und plötzlich schlug sie die Hände vors Gesicht.»Oh, Val«, sagte sie. »Hast du sie gesehen? Ich war heute Früh als Erste unten in der Halle, als Will und sein Sohn sie auf einer Hürde hereinbrachten. Der Ausdruck auf ihrem Gesicht – den werde ich nie vergessen. Sie hat etwas Grauenhaftes gesehen, Val. Sie ist vor Schreck gestorben.«" (E-Book, S. 56-57)

Ich mag altmodische englische Cosy Crimes und die Ankündigung als solcher sowie die Vergleiche mit Agatha Christie klangen vielversprechend. Tatsächlich mochte ich den Sprachstil sowie die ruhige Art von Campion sowie dessen trockenen Humor, der mich zum Schmunzeln brachte. Der Fall plätschert stellenweise vor sich hin, bis dann wieder eine Action-Szene in Form einer Verfolgungsjagd folgt oder sich ein neues Rätsel auftut. Campion geht häufig seine eigenen Wege, ohne seine Auftraggeber oder den Leser davon in Kenntnis zu setzen. So tappte ich oft im Dunkeln. Erst am Ende habe ich durch die Erklärungen die vollen Ausmaße des Ganzen halbwegs verstanden. Der Fall ist sehr komplex und die vielen Pseudonyme Campions sowie die Vielzahl an Personen machen es dem Leser nicht immer leicht, den Überblick zu behalten.
An manchen Stellen hatte ich auch das Gefühl, dass die Übersetzung etwas holprig war. So ist eine häufig von Campion gesprochene Floskel im Deutschen: "Er nimmt den langen Weg." Im Englischen gibt es eine adäquate Redewendung, aber es hätte hier gutgetan, diese ggf. in einer Fußnote zu erläutern. So lässt sie den deutschen Leser erst mal ratlos zurück.
Unverständlich ist mir auch, warum der dritte Teil der 34-teiligen englischen Reihe hier als erster Band erschienen ist. In den vorigen beiden Bänden sind vermutlich mehr Hintergründe über den Detektiv zu erfahren, die zum Verständnis hilfreich gewesen wären.
Dennoch mochte ich Albert Campion als Charakter, und auch die Nebencharaktere waren gut herausgearbeitet und vermittelten ein anschauliches Bild der englischen Gesellschaft in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Ich hoffe, dass der nächste Fall, der im September erscheint, inhaltlich und sprachlich etwas besser ausgearbeitet ist. Ich werde die Reihe weiterverfolgen.

Fazit:
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Interessanter Detekiv-Charakter, komplexer Fall mit mäßiger Spannung, teils holpriger Übersetzung - solide Krimiunterhaltung

Bewertung vom 30.04.2025
Die Schanze
Menz, Lars

Die Schanze


schlecht

Unglaubwürdiges Drama

Inhalt:
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"Als er den Weg erreichte, blieb er noch einmal stehen, legte den Kopf in den Nacken. Da hing er. Ein Mahnmal am Himmel. Vor den Bergen fast nur ein Strich, aber spätestens am Morgen würde er in der Sonne glänzen. Jetzt war er doch zufrieden. Es kam seiner Vorstellung nah. Das Ergebnis war akzeptabel. Nein! Es war wunderschön." (S. 41)

Die Ärztin Ellen Roth kehrt nach der Trennung von ihrem Freund in das Dorf zurück, in dem sie aufwuchs, um Abstand zu gewinnen. Als Neuanfang in beruflicher Hinsicht übernimmt sie die Praxis des Dorfarztes, der in den Ruhestand geht. Kaum angekommen, geschieht ein Mord: Johannes Gruber, Sohn des Bürgermeisters, hängt tot an einem Seil um den Hals von der Skischanze herab. Offensichtlich wurde er dorthin mit Hilfe eines elektischen Viehtreibers getrieben.
Ellen kennt das Opfer, denn es hängt mit schlimmen Ereignissen der Vergangenheit zusammen, die sie einst von ihrem Heimatdorf vertrieben haben. Ellen hätte damit ein starkes Motiv.

Mein Eindruck:
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Der Klappentext versprach eine sehr spannende Story, doch schon bald wurde mir diese Illusion genommen. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, um zu erläutern, warum dies einer der schlechtesten Krimis ist, die ich seit geraumer Zeit gelesen habe.
Zum einen wird schnell klar, was hinter den schlimmen Ereignissen steckt. Diese werden (unnötigerweise) sehr detailreich in Erinnerungen von ihr geschildert. Ellen ist ausgebildete Medizinerin, verhält sich aber oft unprofessionell. So hat sie ihre Emotionen nicht unter Kontrolle und scheint die Ereignisse auch nicht in Form einer Therapie aufgearbeitet zu haben, denn sie haben immer noch eine sehr starke Macht über sie und ihr Verhalten.
Wer der eigentliche Mörder ist, war mir sehr schnell klar, auch wenn der Autor sich sehr bemüht, immer wieder neue Verdächtige auftauchen zu lassen. Für meinen Geschmack werden zu viele Charaktere sehr oberflächlich eingeführt. Dadurch sind die Handlungen der Personen und ihre Motivation dahinter schwer nachvollziehbar. Alle Charaktere bleiben für mich sehr blass. Es gelang mir weder Empathie, geschweige denn Sympathie für jemanden aufzubringen, nicht mal für die Protagonistin. Es hätte der Story gut getan, weniger Personen und etwas weniger Action walten zu lassen, dafür jeden Einzelnen mit seinen Motiven stärker zu beleuchten.
Dass die Polizei hier absolut nicht ermittelt bzw. niemand etwas davon mitbekommt, weil keiner näher befragt wird und sich auch niemand an die Polzei wendet, macht die Geschichte für mich noch unglaubwürdiger. Das Gleiche gilt für die plötzlich auftauchenden Gefühle zwischen Ellen und dem mitermittelnden Zeitungsreporter Merab.
Ein Pageturner war das Buch, aber eher, weil ich schnell genervt war, die detaillierten Vergangenheitsgeschichten quer gelesen habe und Ellens ständigen willkürlichen neuen Verdächtigungen keinen Glauben mehr schenken konnte. Ich wollte den Roman nur schnell durch kriegen, um am Ende meinen Anfangsverdacht bestätigt zu wissen.
Die titelgebende Schanze spielt außer als Leichenfund auch keine Rolle mehr. Ich hatte mir von Titel und Beschreibung deutlich etwas anderes erhofft, schade um die vergeudete Lesezeit.

Fazit:
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Zu viele blasse Charaktere und eine wirre Handlung mit mäßiger Spannung und sehr konstruiertem und unglaubwürdigem Ende

Bewertung vom 28.04.2025
Halbe Leben
Gregor, Susanne

Halbe Leben


ausgezeichnet

Frauen zwischen zwei Welten

Das Titelbild zeigt zwei Frauen auf einer Wiese sitzend. Ihre Gesichter lassen sich nicht erkennen, generell wirkt das Bild sehr unscharf, verwaschen. Dies ist sicherlich beabsichtigt, denn die beiden Frauen könnten stellvertretend für jede beliebige Frau stehen. Es könnte aber auch die beiden Protagonistinnen darstellen. Auf jeden Fall passt es gut zu diesem leisen und tiefgründigen Roman.

"Es ist ein stiller Tod. An einem sonnigen Mainachnachmittag um vierzehn Uhr siebenunddreißig stürzt Klara an einer unscheinbaren Böschung fünfzig Meter in die Tiefe. Sie gibt keinen Laut von sich, zu hören ist nur ein schnelles Rascheln der Blätter, es könnte auch ein Reh sein, das davonläuft. Unten ein dumpfer Aufprall, dann Stille. An der Stelle, an der sie bis eben noch stand, nichts als ein paar dünne Zweige, brauner Boden, ein Baumstumpf, darauf Ringe, die nach außen hin immer heller werden. Wie ruhig Klaras Gesicht gewesen ist in diesem letzten Moment, wie angstlos, wird Paulína später denken." (S. 11)

Das Buch beginnt gleich im Prolog mit Klaras Tod. Der letzte Satz des ersten Kapitels baut Spannung auf, denn anschließend wird die Geschichte nach und nach von Anfang an erzählt und man ertappt sich unwillkürlich bei dem Gedanken, wie es zu dem Vorfall kam bzw. ob es sich tatsächlich um einen Unfall oder gar Fremdeinwirkung ggf. durch Paulína handeln könnte. Schon dadurch wirkt das Buch wie ein Sog, der einen immer weiter lesen lässt.
Die Handlung ist in drei durchnummerierte Teile untergliedert, die wiederum nur in Abschnitte statt in Kapitel eingeteilt sind: 1. Ankommen von Paulina in der Familie, 2. Paulinas vollständiger Vereinnahmung durch Klaras Familie und schließlich 3. Paulinas emotionaler Rückzug. Der Titel "Halbe Leben" ist nicht nur auf Klara und Paulina, sondern auch auf Irene anwendbar, die seit ihrem Schlaganfall halb in der Gegenwart und zur anderen Hälfte in ihrer Vergangenheit lebt. Diese Vieldeutigkeit hat mir gut gefallen.
Man verfolgt die Entwicklung der Frauen aus ihren abwechselnd geschilderten Gedankengängen heraus in indirekter Rede verfasst. Das macht den Ton des Romans leise und ruhig, lässt den Leser aber auch tief eintauchen in die Empfindungen der Personen und deren Zerrissenheit spüren.

"Früher hat Irene Ada am Nachmittag von der Schule abgeholt, sie in den Park gebracht. Wenn Klara nach Hause kam, war ihr Kind satt und müde, es hat gereicht, sie zu waschen und ins Bett zu bringen. Erfüllt von ihren beruflichen Erfolgen, war es einfach gewesen, die Capricen ihres Einzelkindes auszuhalten, das pausenlose Geplapper, die unvermittelten Wutausbrüche oder die gezielte Gleichgültigkeit, mit der Ada den Aufforderungen ihrer Mutter begegnete. Geduldig saß sie abends am Bett ihrer Tochter und hörte zu, wenn Ada ihr etwas erzählen wollte, wenn sie mit einer Freundin gestritten oder einem Lehrer einen Streich gespielt hatte. Wie einfach es war, ein oder zwei Stunden am Tag Mutter zu sein.
Seit Irene selbst Hilfe braucht, kommt Klara noch weniger an ihre Tochter heran. Ada entzieht sich ihr, als wäre sie nie ihre Mutter gewesen, sondern bloß eine Aushilfe." (S. 30)

Das Gefühl, als Frau allen gerecht werden zu wollen, im Berufsleben ernst genommen zu werden und gleichzeitig den Erwartungen der Familie entsprechen zu wollen, kennen viele. Und oft bleibt frau mit ihren eigenen Bedürfnissen dabei auf der Strecke. In unserer westeuropäischen Kultur versuchen viele, die es sich leisten können, durch das Engagement von Haushaltshilfen oder Pflegekräften Entlastung herbeizuführen und sich damit teilweise aus ihrer Verantwortung freizukaufen. Das ist legitim. Aber in dieser Geschichte wird auch die andere Position der helfenden Kraft beleuchtet. Auch diese Person hat Familie und Bedürfnisse, die sich nicht allein mit Geld bezahlen bzw. kompensieren lassen.
Mir gefielen die vielen Zwischentöne, die subtile Spannung, die bis zu Klaras Tod aufgebaut wurde und die Auflösung am Ende.

Fazit:
--
Ein Roman über moderne Frauen und ihre Zerrissenheit sowie an sie gestellte Erwartungshaltungen in sanften Tönen, aber fesselnd erzählt

Bewertung vom 28.04.2025
Dunkle Asche (eBook, ePUB)
Thomsen, Jona

Dunkle Asche (eBook, ePUB)


sehr gut

Ein heißer Cold Case an der Ostsee

Gestaltung:
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Das Titelbild verbreitet eine düstere Stimmung und zeigt die Umgebung der Ostsee, die den Tatort verkörpert. Es passt daher sehr gut und weckt Aufmerksamkeit.

Inhalt:
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Gudrun Möller und ihre neue Kollegin Judith Engster sind in der Cold Case Unit der Landeskriminalpolizei Schleswig-Holstein. Dort rollen sie mithilfe neuer Methoden alte Kapitalverbrechen auf, wenn neue Hinweise hierzu eingehen. In diesem Fall werden sie zur Zeugenbefragung in ein Kieler Hospiz gerufen. Dort möchte ein im Sterben liegender Mann eine Aussage zum Mord an Sanna Hansen vor 30 Jahren machen. Sie wurde als junge Frau im Badeort Kalifornien im Ferienhaus ihrer Eltern mit 12 Messerstichen brutal ermordet. Ihr damaliger Freund wurde für die Tat verantwortlich gemacht, musste aber mangels Beweisen freigelassen werden. Die Zeugenaussage gibt neue Hinweise auf den Fall.
Gudrun kann sich daran erinnern, da ihr die Tote bekannt war. Zudem kennt sie einige Personen, die damals im Zusammenhang mit dem Mord gebracht wurden, sei es als Zeugen, Angehörige oder Verdächtige. Dadurch gerät sie im Zuge der voranschreitenden Ermittlungen immer mehr auch selbst in Gefahr.

Mein Eindruck:
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"Bisher lief alles erwartungsgemäß. Er hatte damit rechnen müssen, dass der Fall irgendwann wieder auf den Tisch kommt. Jetzt hieß es, Ruhe zu bewahren. Er musste unauffällig bleiben und seine Rolle spielen. Wenn er keinen Fehler machte, würde ihm nichts passieren. Das Glück war auf seiner Seite, so war es immer gewesen. Er musste nur aufmerksam bleiben und keine Skrupel haben einzugreifen. Aus dem Schatten heraus das Geschehen lenken. Dann brauchte er sich nicht zu sorgen.
Nur eine Sache gab es, die ihn aus dem Gleichgewicht brachte. Gudrun. Sie gehörte zu den ermittelnden Beamten in der Cold Case Unit. Was für eine merkwürdige Laune des Schicksals. Er fragte sich, was dieser Umstand für ihn zu bedeuten hatte. Sie konnte nichts über die Tat wissen, das war ausgeschlossen. Trotzdem. Es war ein Risikofaktor, sie in den Ermittlungen zu haben.
Eine Weile klickte er sich durch die Berichte, dann fuhr er den Computer herunter, blieb in dem dunklen Zimmer sitzen, starrte ins Nichts und dachte über Gudrun nach." (S. 70-71)

Der Einstieg, in dem der Mord von Sanna geschildert wird, war sehr spannend. Anschließend geht es erst mal etwas seichter zu. Man erfährt ein wenig aus dem Privatleben von Gudrun und über ihr (homosexuelles) Liebesleben, über die bisher bekannten Fakten zum Mord und dass es zunächst ein Mysterium ist, warum Judith Engster zur Sondereinheit gekommen ist.
Dann nehmen die Ermittlungen jedoch allmählich Fahrt auf und es werden immer mehr neue Indizien, widersprüchliche Zeugenaussagen und Verdächtige ins Feld geführt. Zusätzlich gibt es Rückblenden, die die Vergangenheit stückweise enthüllen^, sowie die Gedanken des Mörders, die die Mordermittlungen verfolgen. Der Fall nimmt dadurch immer wieder überraschende Wendungen und bis kurz vor Schluss wäre ich nicht auf den Täter gekommen. Die Kriminalhandlung war damit sehr fesselnd und das Ende überzeugend.

Was mich leider nicht überzeugen konnte, war das Verhalten der Kommissarinnen. Gudrun gibt sich sehr verschlossen und aufgrund ihrer persönlichen Bezüge zu dem Mord unternimmt sie riskante Alleingänge. Aber auch Judith verhält sich nicht sehr aufgeschlossen. Zwar bemüht sie sich um Teamarbeit, aber geht persönlichen Gesprächen, ihre Versetzung oder ihr Privatleben betreffend, gänzlich aus dem Weg. Im großen Finale nähern sich dann beide im Showdown plötzlich an. Und gerade als man den Eindruck bekommt, dass sich die beiden gegenseitig mehr öffnen, ist der Roman vorbei. Angesichts der vorherigen Verschlossenheit empfand ich die plötzliche Öffnung beider dann etwas unrealistisch. So blieben beide Charaktere für mich etwas blass, weswegen ich einen Punkt Abzug gebe.

Fazit:
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Fesselnder Cold Case an der Ostsee mit überraschenden Wendungen und überzeugender Auflösung, aber etwas blassen Ermittlerinnen

Bewertung vom 27.04.2025
ICONS Glaubensheld*innen aus der Bibel und heute

ICONS Glaubensheld*innen aus der Bibel und heute


weniger gut

Christliche Inspirationen als Coffee Table Book

Cover:
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Das Titelbild zeigt eine Frau mit Handy in der Hand und noch vielen weiteren Symbolen im Hintergrund. Die bläuliche Farbgestaltung hat mir gut gefallen und die vielen Sinnbilder weckten meine Neugier.

Inhalt:
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"Du hältst ein Buch in den Händen, das voller Geschichten von absolut ikonischen Persönlichkeiten steckt, die alle eines verbindet: Sie schauen aus einer Perspektive auf die Welt, die den Gott der Bibel als eine Realität ihres Lebens mit einbezieht. Das war es aber eigentlich auch schon mit den Gemeinsamkeiten.
Denn du findest in diesem Buch Geschichten und Bilder von Menschen aus der Bibel und von heute. Von Menschen mit ganz unterschiedlichen Biografien, Identitäten, Talenten, Herkünften und Meinungen."

So beginnt das Buch und fasst damit den Inhalt eigentlich schon gut zusammen. Zu Beginn steht immer ein "Icon", ein Bild der (ikonischen) biblischen Person, die später dargestellt wird. Daher ist der Titel "Icon" doppeldeutig zu verstehen. Anschließend erfolgt ein Auszug der biblischen Geschichte aus der Perspektive der dargestellten Person mit einem erläuternden Text zur Grafik. Dann eine biblische Einordnung von einem theologischen Experten. Um Bezug zur Gegenwart herzustellen, werden eine oder mehrere Personen vorgestellt, deren Biografien zum vorangegangenen Bibelgeschehen passen sollte(n). Ihre Texte in Form eines kurzen blogartigen Eintrags oder als Gedicht bieten Inspirationen, um über Körper, Kunst, Unsicherheit, Arbeit und Beziehungen oder konkret über die vorgestellten Glaubenshelden/-heldinnen zu sprechen.

Mein Eindruck:
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Ich habe das E-Book gelesen und kann daher nicht über Umschlag- oder Seitenmaterialität urteilen. Beim Durchblättern in der digitalen Variante haben mich die modernen Grafiken, die Fotos der Personen sowie die farbliche Gestaltung der Texte angesprochen.

Der Klappentext hatte mich neugierig gemacht, denn ich finde die Idee gut, die Bibel zeitgemäß aufzubereiten oder Bezug zur Gegenwart herzustellen, um auf diesem Wege auch junge Leute an den Glauben heranzuführen. Optisch und von der Länge der Texte dürfte das gelungen sein.
Inhaltlich hatte ich im Laufe des Buches jedoch Probleme, einen roten Faden oder Zusammenhänge zwischen Bibeltext und den Menschen der Gegenwart zu finden. Ich hatte selten das Gefühl, dass es einen direkten Bezug gab. Hinzu kam, dass ich bis auf wenige Ausnahmen die Hintergrundgeschichte zu den Bibelpersonen nicht kannte und mir hier die biblische Einordnung keine vollständige Aufklärung bieten konnte. Generell finde ich es gut, wenn man auch mutige Menschen aus der Bibel präsentiert bekommt, die bisher weniger bekannt sind.

Bei den heutigen "Glaubenshelden/-heldinnen" fehlte mir dagegen oft das "Heldenhafte". Es sind größtenteils Menschen, die aufgrund ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Herkunft Diskriminierung auch in ihren Gemeinden erfahren haben und dennoch ihren Glauben weiterleben. Das sind Geschichten, die zum Nachdenken anregen und ich finde es auch gut, sie mit Jugendlichen, die die Hauptzielgruppe des Buches darstellen, zu diskutieren. Aber sind es deswegen gleich "Helden/Heldinnen"?
Störend empfand ich auch die vielen Rechtschreibfehler, die meinen Lesefluss negativ beeinflusst haben.

Mir hat das Buch ein paar wenige Denkanstöße gegeben und die Gestaltung und die Intention finde ich gut. Insgesamt fehlten mir aber häufig der Bezug von Bibel- zu Gegenwartstext sowie das "Heldenhafte". Als Coffee Table Book zum Durchblättern oder einzelne Texte für den Religionsunterricht als Diskussionsgrundlage sicher empfehlenswert. Für mich kein Buch mit besonders prägendem Charakter.

Fazit:
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Moderne Vorstellung von christlichen Personen aus Bibel und Gegenwart vor diversitäts- und diskriminierungssensiblen Hintergrund