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hasirasi2
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Dresden

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Insgesamt 1250 Bewertungen
Bewertung vom 14.10.2025
Ganeshananthan, V. V.

Der brennende Garten


sehr gut

Berührender Geschichtsunterricht

„WENN DICH DER FALSCHE bittet, das Richtige zu tun, würdest du es tun?“ (S. 436)
Die Tamilin Sashi lebt mit ihrer Familie in einem Dorf, das zu Jaffna auf Sri Lanka gehört. 1981 ist sie 16 und setzt alles daran, Ärztin zu werden, um ihrem Großvater und ihrem ältesten Bruder nachzueifern. Darauf ist ihr ganzes Leben ausgerichtet, dafür lernt sie fast ohne Pause. Als sie sich beim Teekochen eine schwere Verbrennung zuzieht, leistet K erste Hilfe, ein Junge aus der Nachbarschaft. Zwischen ihnen entwickeln sich zarte Bande, aber bevor mehr daraus werden kann, bricht der Bürgerkrieg aus, der 26 Jahre andauern wird.

V. V. Ganeshananthan hat es mir mit der Lektüre nicht leicht gemacht. Sie schreibt ungeschönt vom Grauen des Bürgerkrieges, von Leid und Elend, den unschuldig Verletzten, Frauen und Kindern, denen Gewalt angetan wurde.
Sashis Geschichte und die ihrer Familie ist sehr berührend. Sie gehören einer ethnischen Minderheit an, die ihre Diskriminierung nicht länger hinnehmen will. Doch während des Bürgerkrieges triftet die Familie auseinander. Zwei ihrer Brüder schließen sich den Tamil Tigers an, den Rebellen, und geben damit ihre Lebens- und Zukunftspläne auf.
Sashi schafft es trotz aller Widerstände und Schwierigkeiten, Medizin zu studieren. In ihrem ersten Studienjahr kommt K mit einem verletzten Rebellen zu ihr, den er nicht in ein Krankenhaus bringen kann. Das ist der Startschuss für Sashis Arbeit in einem geheimen Feldlazarett mitten in der Stadt. Sie sieht es als ihre Pflicht an, die Kämpfer auf diese Art und Weise zu unterstützen. Außerdem lernt sie dort mehr als im Studium. Doch damit gilt sie auch als Unterstützerin der Rebellen und ist selber in Gefahr.
K will eigentlich nicht kämpfen, schließt sich den Rebellen aber irgendwann doch an und wird zum Helden. Seinen Namen nennt Sashi auch 30 Jahre später nicht, um seine Identität weiterhin zu schützen.

Obwohl Sashis Geschichte bewegend ist, liest sich das Buch über lange Strecken leider eher wie ein Geschichtslehrbuch mit vielen historischen Fakten, als wie ein Roman. Das Persönliche steht hinter dem großen Ganzen zurück, einzig Sashis Ausbildung und die Beziehung zu K bilden eine Ausnahme. Zum Ende hin wird es immer mehr zum Tagebuch.

Außerdem fehlt (mir) ein Glossar bzw. Übersetzungen für diverse Wörter und eine Erklärung für die unterschiedlichen Bezeichnungen der Personen. Neben ihren Vornamen werden sie mit Spitznamen, verschiedenen Verwandtschaftsverhältnissen oder Ehrenbezeichnungen angesprochen. Ich bin irgendwann nicht mehr mitgekommen, wer jetzt eigentlich gemeint ist, und habe das Googeln aufgegeben.

„Der brennende Garten“ ist ein wichtiges und bewegendes Buch über den tamilischen Bürgerkrieg, das mich allerdings mit seinen vielen Fakten und Fremdwörtern oft überfordert hat.

Bewertung vom 14.10.2025
Murrin, Orlando

Tod unter Deck / Chefkoch Paul Delamare Bd.2


sehr gut

Eine Seefahrt ist nicht lustig, eine Seefahrt ist nicht schön …

„Sie haben es geschafft, ganz allein die komplette Reise zu ruinieren, Paul.“ (S, 374)
Chefkoch Paul Delamare darf seine Freundin Xéra auf deren Hochzeitsreise auf einer Privatjacht in die Karibik begleiten. Außer ihm ist nur die Familie ihres Mannes, Sir Billy Hardcastle, mit an Bord, Xéra hat keine eigenen Verwandten mehr. Nebenbei wollen sie und Paul an ihrem nächsten Buch arbeiten, das sich um die Patisserie ihrer Familie drehen soll.
Doch schon am ersten Abend kippt die Stimmung: Als Xéra ihr Hochzeitsgeschenk präsentieren will – eine antike Halskette mit einem Padparadscha-Saphir, bekannt als der Schatz von De Lage – ist diese spurlos aus ihrer Kabine verschwunden. Sir Billy ist außer sich und lässt das ganze Schiff durchsuchen, doch die Kette bleibt verschwunden.
Paul, der vor einem Jahr bereits einen Mord bei einem Kochkurs aufgeklärt hat, beginnt eigene Nachforschungen. Doch die Lage spitzt sich zu, als beim Frühstück plötzlich eine Leiche am Tisch sitzt – anscheinend erstickt, doch Paul ist überzeugt, dass es sich um Mord handelt. Bald gerät er selbst unter Verdacht und bringt sich mit seinen Ermittlungen in Lebensgefahr.

Eigentlich wollte Paul auf dieser Reise zur Ruhe kommen. Der Tod seines Ehemannes liegt noch nicht lange zurück, und dessen Familie versucht, ihm das Cottage streitig zu machen, in dem er lebenslanges Wohnrecht hat. Auch finanziell steht er unter Druck, das Honorar für Xéras Buch käme ihm da sehr gelegen. Doch anstatt sich auf dem Sonnendeck zu erholen, wird Paul „gebeten“, in der Küche auszuhelfen. Die Köchin scheint kaum ein Rührei zustande zu bringen, und auch sonst wirkt die Crew merkwürdig unprofessionell.

Wie schon im ersten Teil der Reihe „Mit scharfer Klinge“ verbindet Orlando Murrin auch in „Tod unter Deck“ klassischen Whodunit-Charme mit kulinarischen Elementen und der Enge eines Kammerspiels. Die Handlung spielt sich vollständig auf dem Schiff ab, Pauls einzige Verbindung zur Außenwelt sind die Mails an seine Freundin Julie und deren Partner Declan, einen Polizisten, die ihm bei seinen Recherchen helfen sollen – sofern das schwächelnde WLAN mitspielt.

Die Geschichte entwickelt sich gemächlich, fast bedächtig. Paul hört sich unter den Gästen und der Besatzung um, versucht, Verbündete zu gewinnen und die zahlreichen kleinen Geheimnisse an Bord zu entwirren. Gegen Ende wird die Handlung durch die Vielzahl möglicher Motive und Verdächtiger etwas unübersichtlich, und auch der Showdown gerät ein wenig überzogen.
Trotzdem überzeugt „Tod unter Deck“ mit seinem sympathischen Ermittler, feinem britischem Humor und einer angenehm altmodischen Krimiatmosphäre. Orlando Murrin gelingt es, Spannung und Witz zu verbinden, ohne den Charme seiner Figuren zu verlieren. Wer klassische, gemütliche Krimis mit maritimem Setting und kulinarischer Note liebt, wird auch diesen zweiten Fall von Paul Delamare mit Vergnügen lesen.

Bewertung vom 13.10.2025
Oliver, Jamie

Eat Yourself Healthy


ausgezeichnet

Lecker, bunt, gesund

Ich bin, genau wie Jamie Oliver, letztes Jahr 50 geworden und obwohl ich mich schon mein ganzes Leben bewusst und gesund ernähre, ist diese magische Grenze nicht spurlos an mir vorübergegangen. Darum war ich auf der Suche nach Rezepten und Inspirationen, die ein neues, fitteres Lebensgefühl liefern. Die Gerichte in Eat Yourself Healthy sehen, lecker, bunt und gesund aus und machen wirklich Lust zum Nachkochen. Die Faustregel des Buches ist, statt der 5 Portionen Obst und Gemüse am Tag, wie ich es mal gelernt habe, 7 Portionen in den Speiseplan einzubauen. Also fängt man am besten schon beim Frühstück damit an. „Faustregel“ ist übrigens wörtlich gemeint – eine Portion entspricht 80 g oder einer großen Hand voll.

Los geht es mit einer umfangreichen Einführung, die u.a. die Vorratskammer und Ausstattung, aber auch 50 gesunde Tipps und Tricks zum Einkaufen, Essen, Alltag und Schlafen beinhaltet. Darauf folgt der 2-Wochen-Kickstarter-Plan, der einen genauen Speiseplan für Frühstück, Mittag- und Abendessen aus Rezepten des Buches enthält. Dabei sollten morgens mindestens 1 Portion und mittags und abends je mindesten 2 Portionen Obst oder Gemüse gegessen werden. Gleichzeitig wird auf Kalorien geachtet: morgens max. 400, mittags und abends max. 600. Damit nimmt man die 1600 kcal pro Tag zu sich, die ein normalgewichtiger Mensch braucht, wenn er sein Gewicht gesund reduzieren will. (Die genauen Nähwertangaben für jedes Rezept stehen am Ende des Buches.)

Wir haben uns in den letzten Wochen quer durch das Buch gekocht und schon einige Highlights gefunden, die es jetzt regelmäßig geben wird. Dazu gehören z.B. die pochierten Eier mit Dukkah zum Frühstück, die auf Süßkartoffelstampf mit einem frischen Tomatensalat serviert werden. Ohne das Buch hätte ich mich wahrscheinlich nie an pochierte Eier gewagt, dabei sind die kinderleicht und die orientalische Gewürzmischung Dukkah, passt perfekt dazu. Wenn man beim Frühstück mal Eindruck schinden will, sollte man das Omelett mit Roggenbrot und Räucherlachs machen. Das geht schnell und schmeckt himmlisch.
Wie wäre es mittags mit leckeren Karotten-Süßkartoffel-Küchlein? Nur dem dazugehörigen Spinat-Humus hat noch eine frische Komponente gefehlt – vielleicht ein Spritzer Zitrone? Ich werde es ausprobieren.
Zum Abendessen haben uns die recht unspektakulär aussehenden Hähnchen-Fajitas überzeugt, die schnell gemacht und dank des Cajun schön scharf sind. Das bisherige absolute Lieblingsessen des Buches ist der Lachs-Couscous mit dicken Bohnen, bunten Tomaten und einem Frühlingszwiebeljoghurt.
Und wenn es zwischendurch mal was gesundes Süßes sein soll, hat Jamie Oliver Heidelbeermuffins mit Banane und Haferflocken oder gemogeltes Softeis aus gefrorener Banane, frischen Beeren und Sesammus im Angebot.

Alle Rezepte waren leicht nachzukochen, auch wenn die Zubereitungszeiten nicht immer gepasst haben, da ich zum Gemüseschnibbeln mehr Zeit brauche als der Spitzenkoch. Aber das plane ich sowieso immer mit ein. Die Zutaten sind nicht zu außergewöhnlich und in einem gut sortierten Supermarkt zu bekommen. Zu beachten ist, dass Standards wie Salz und Pfeffer oder Essig und Öl nicht in der jeweiligen Zutatenliste stehen, sondern nur im Textteil des Rezeptes angegeben werden. Übrigens wurde jedes der Gerichte sehr appetitanregend fotografiert.

Bewertung vom 10.10.2025
Henn, Carsten Sebastian

Sonnenaufgang Nr. 5


ausgezeichnet

Gestrandet

„Fragen ist Ihre Aufgabe, Jonas. Antworten meine Möglichkeit.“ (S. 141)
Jonas ist 19 und hat gerade sein Germanistikstudium abgebrochen - zu trocken, zu theoretisch. Stattdessen will er als Ghostwriter für Autobiographien durchstarten. Seine erste Kundin ist ehemalige Filmdiva Stella Dor, die zurückgezogen in einem ehemaligen Strandpavillon an der Nordsee lebt. Seit ihrem plötzlichen Rückzug aus der Filmbranche vor 25 Jahren ist Jonas der erste, den sie in ihr Haus und in ihr Leben lässt. Stella empfängt ihn im Chanel-Kostüm mit einem Fascinator auf dem Kopf. Sie ist genauso stark, selbstbewusst und exzentrisch, wie er es erwartet hatte. Womit er nicht gerechnet hat, sind die Bücherregale, die jeden Zentimeter der Wände füllen – alle voller Autobiografien. Und überall liegen Zettel verstreut, kleine Anker ihrer Erinnerungen. „Erinnerungen braucht nicht viele Worte, um wieder zum Auftauchen gebracht zu werden. Es mussten nur die richtigen sein.“ (S. 10)

Carsten Henn erzählt die Geschichte aus Jonas‘ Perspektive. Er ist für sein Alter erstaunlich empathisch und hat, wie auch Stella, eine problematische Vergangenheit, die sich im Verlauf des Buches langsam enthüllt.
Stella hat genaue Vorstellungen davon, wie ihre Lebensgeschichte erzählt werden soll – welche Momente wichtig sind und welche nicht. „In eine Autobiografie gehören vor allem die Momente, in denen das Leben plötzlich die Richtung ändert.“ (S. 41) Doch Jonas merkt bald: So glänzend, wie Stella ihr Leben schildert, war es nicht. Schließlich steht er vor der Entscheidung, welche Wahrheit er aufschreiben soll: Stellas Version oder die ihrer Weggefährten.

Neben Stella und Jonas begegnet man weitere Protagonisten, die tief berühren. Da ist Paul mit seinem Hund „Guter Junge“, der sich seit 20 Jahren um Stellas Pavillon kümmert, täglich kleinere Dinge repariert und doch nur eines hofft: dass Stella eines Tages mit ihm tanzt. Doch sie sagt jeden Tag nein. Paul ist vermutlich dement, überall in seinem Haus liegen Zettel. Aber das Wichtigste muss sich nicht notieren: dass er Sofia liebt.
Dann gibt es den Maler, der ausschließlich Sonnenuntergänge malt – genau 7 verschiedene. Die alte Bentje, die ihren Mann nach 43 Ehejahren verloren hat, wartet jeden Tag an der Bushaltestelle auf ihn. Er hatte einst die Ansagen in den Bussen eingesprochen, und jedes Mal, wenn einer hält, hört sie seine Stimme wieder. Nessa stammt aus Thailand, kann sich aber nicht an ihre Kindheit dort erinnern. Sie freundet sich mit Jonas an und bringt ihn schließlich dazu, die Wahrheit hinter Stellas Erinnerungen zu suchen.

Mich hat lange kein Buch mehr so berührt wie „Sonnenaufgang Nr. 5“. Schon nach rund 100 Seiten musste ich die erste Träne verdrücken, und es sollte nicht die letzte bleiben. Diese Geschichte ist extrem emotional, berührend und ehrlich. Man sollte beim Lesen unbedingt Taschentücher bereithalten. Es ist ein Roman über Abschiede und Neubeginne, das Loslassen und (un)verfälschte Erinnerung, Dichtung und Wahrheit. „Jonas hatte den Eindruck, dass man bei jedem Erinnern die Geschehnisse ein klein bisschen veränderte, so wie man einen Schuh bei jedem Anziehen ein wenig weitet, bis er richtig passte.“ (S. 250)

Bewertung vom 08.10.2025
Meyrick, Denzil

Der Tote im Kamin


sehr gut

Kein gemütlicher Weihnachtskrimi

„Wenn Sie sich nicht gerade dämlich anstellen, sind Sie ein durchaus fähiger Polizist.“ (S. 19)
Leider neigt Inspector Frank Grasby bei Ermittlungen zu unüberlegten Aktionen, darum wird er im Dezember 1952 von York nach Elderby in den North York Moors strafversetzt. Dort hat es zahlreiche Diebstähle auf den Farmen von Lord Damnish gegeben. Grasby soll die Polizei vor Ort unterstützen – je eher er die Schuldigen erwischt, desto eher kann er zurückkommen.
Sergant Bleakly, der Leiter des örtlichen Reviers, ist genauso verschlafen wie das Dörfchen. Grasbys einziger Lichtblick ist die hübsche Praktikantin Miss Daisy Daen, genannt Deedee. Sie stammt aus New York und studiert in Yale Kriminologie. Grasby ist mit fast 40 immer noch Junggeselle und sehr von ihr angetan, aber sie hält ihn auf Abstand.
Weil bei ihrem Antrittsbesuch bei Lord Damnish dessen Kamin extrem qualmt, will Grasby helfen. Dabei zieht er eine Leiche aus dem Schacht, die angeblich niemand kennt. Und schon am nächsten Morgen gibt es den nächsten Toten. Hinter der Kirche wird der im Ort ansässige amerikanische Journalist Chuck Starr gefunden. Doch noch bevor Gasby mit den Nachforschungen beginnen kann, mischt sich sein Chef mit einen außergewöhnlichen Anliegen ein.

„Der Tote im Kamin“ ist ein sehr ungewöhnlicher und herrlich skurriler Krimi, der (Achtung Spoiler!) immer mehr zum Agententhriller wird. Der 2. WK ist noch nicht lange vorbei, die Lebensmittel sind noch rationiert und der Kalte Krieg ist in vollem Gang. Alle Fremden im Ort werden misstrauisch beäugt, aber auch Lord Damnish hat sich Feinde gemacht. Er hat seinen Titel nämlich nicht geerbt, sondern dem alten Lord zusammen mit dem Besitz und dessen Tochter abgekauft.

Der Fall beginnt relativ gemütlich, wird immer undurchsichtiger und zieht immer größere Kreise. Irgendwann überschlägt sich die Handlung förmlich, es gibt ständig neue Beteiligte, Motive und Indizien. Es wird für Grasby (und auch für mich) sehr unübersichtlich, weil man bald nicht mehr weiß, wer hier alles ein falsches Spiel spielt. Kaum jemand ist der, der er vorzugeben zu sein scheint.

„Frank Grasby ist ein geborener Schriftsteller, der unterhaltsam zu erzählen vermag. Nur hie und da neigt er zu Abschweifungen …“ (S. 8) schreibt Denzil Meyrick, der hier als übergeordneter Erzähler des Ich-Erzählers Frank auftritt und hat Recht. Er lässt Grasby selbst berichten lässt, was der erlebt und denkt, wie er ab und an oft unfreiwillig komisch ist und in welche Fettnäpfchen er tappt. Er ist ein ziemlich verschrobener Charakter, muss sich neben den Ermittlungsproblemen auch mit einer unheimlichen Wirtin und deren gruseligen Voraussagungen beschäftigen und einem allmächtigen, stets unzufrieden nörgelndem Vater rumschlagen.

Bewertung vom 06.10.2025
Below, Christin-Marie

Winterglück im Café am Meer


ausgezeichnet

Freundinnen fürs Leben

„Wir bleiben zusammen, egal was passiert. Niemand von uns geht verloren. Und wenn eine von uns Hilfe braucht, dann sind wir füreinander da.“ (S. 7) – das haben sich Fenja, Helena und Mara als Kinder versprochen. Doch dann ist Helena mit ihrer Mutter von Norderney nach Kassel gezogen.
Inzwischen sind sie erwachsen und haben nur noch sehr selten Kontakt. Als sich Helenas Freund von ihr trennt, findet sie die Muschelkette von damals wieder und erinnert sich an ihren Schwur. Noch bevor sie selbst zum Hörer greifen kann, meldet sich Fenja bei ihr: Mara braucht dringend Hilfe.
Kurzentschlossen fährt Helena nach Norderney. Sie hat noch ein paar Wochen Zeit, bis sie ihr Café eröffnen kann, von dem sie schon so lange träumt. In dieser Zeit übernimmt sie Maras Pension Haus Muschelsand und verwöhnt die Gäste mit Frühstück. Bald bietet sie Kuchen am Nachmittag an und stellt sich die Frage, ob sie wirklich nach Kassel zurückkehren oder in ihre alte Heimat bleiben will. Sie erliegt dem Charme der Insel und seiner Bewohner – besonders dem von Fenjas Bruder Jannik. „Es ist, als würde die Insel mich ganz langsam einwickeln. Wie ein alter Schal, der nach zu Hause riecht. Und ich weiß nicht, ob ich mich wehren soll oder mich einfach reinlegen.“ (S. 231)

„Winterglück im Café am Meer“ ist der Auftakt einer neuen Reihe von Christin-Marie Below und hat mich sofort in den Bann der Insel und der drei Freundinnen gezogen.
Helena steht vor einem Neuanfang. Mit ihrem Freund hat sie auch ihren Job (sie war beim ihm angestellt) und ihre Wohnung verloren. Jetzt könnte sich die gelernte Konditorin endlich ihren Traum vom eigenen Café erfüllen. Doch die Reise nach Ney macht sie nachdenklich. Was lief bisher schief in ihrem Leben? Wie sehr hat sie sich in der Beziehung selbst verloren? Sie entdeckt das Glück der kleinen Dinge wieder: eine schöne Muschel, ein Stück Bernstein, ein Spaziergang am Strand, das Leben auf der Insel …. und natürlich ihre Freundinnen. Sie erinnert sich an ihr früheres Ich, das hier so glücklich war. Aber kann und will sie wirklich für immer auf Ney bleiben? Und würde sich ein Café auch außerhalb der Saison tragen?

Zwischen den Zeilen ist dieser herzerwärmende und heimelige Roman sehr philosophisch. Er macht nachdenklich und wehmütig – aber auch hoffnungsvoll. Es geht um Freundschaft und Heimat, ums Ankommen im Leben, um Hilfsbereitschaft und darum, selbst Hilfe anzunehmen.

Ich habe mich im Kreis der drei Freundinnen auf Ney sofort wohlgefühlt und bin gespannt, um wen sich der nächste Band dreht.

Bewertung vom 05.10.2025
Oetker, Alexander

Wolfstal / Luc Verlain Bd.9


ausgezeichnet

Solitude – Einsamkeit

„Monsieur Jacques war mehr als ein Eigenbrötler. Er hatte die fantastische Angewohnheit, sich Feinde zu machen, ohne anwesend zu sein.“ (S. 93)
Jahrzehntelag hat Jaques wie ein Einsiedler in den Bergen von Espelette gelebt und seine Schaf- und Ziegenherde in die Pyrenäen getrieben. Geredet hat er kaum, aber er hatte immer sein Gewehr dabei, um die Pilger des Jakobsweg mit Luftschüssen davon abzuhalten, seinem Hof zu nahe zu kommen. Als er ermordet aufgefunden wird, bittet Luc Verlains ehemaliger Kollege Commissaire Gilen Etxeberra ihn um Amtshilfe. Zusätzlich wird ihnen vom Präfekten ein Kollegin zugeteilt – Rose Schillinger. Wurde sie wirklich zu ihnen strafversetzt, wie böse Gerüchte behaupten?

Schon am Tatort erfährt das Ermittlerteam, dass sich die Bewohner Espelettes nicht nur nicht über Jaques gewaltsamen Tod wundern, sondern ihn längst erwartet – oder gar herbeigesehnt? – hatten. Er hatte sich zu viele Feinde gemacht, weil er die Touristen vertrieb, von denen die Einwohner hauptsächlich leben. Außerdem werfen seine Mitbürger Jaques vor, einen Wolf angelockt und im Winter sogar gefüttert zu haben. Gesehen hat ihn zwar noch niemand, aber sie finden regelmäßig gerissenen Schafe und Ziegen. Als sie mit verbotenen (und sehr teuren) Tellereisen gegen das Tier vorgehen wollten, hat er die Fallen zerstört.
Als Wortführer gegen Jaques stellen sich der Hotelier Claude und Aitor, ein anderer Schäfer, heraus. Aber auch die Bürgermeisterin scheint froh, dass „das Problem Jaques“ endlich vom Tisch ist. Ist einer von ihnen der Mörder?

Der 9. Teil der Reihe um Luc Verlain führt ins Baskenland an die spanische Grenze und bietet ein Wiederlesen mit einem alten Bekannten. Früher waren sich Luc und Gilen spinnefeind, inzwischen arbeiten sie sehr gut zusammen, sind Freunde geworden. Nur Rose fügt sich so gar nicht in das Ermittlerteam ein, scheint ihr eigenes Süppchen zu kochen. Misstrauen Luc und Gilen ihr zu Recht?

Wie in allen Büchern von Alexander Oetker lernt man viel über Land und Leute und die örtlichen Spezialitäten. Früher haben die Bewohner vom berühmten Piment d’Espelette gelebt, heute bauen ihn die meisten nur noch für den Eigenbedarf an.
Die Basken sind ein eigenbrötlerisches Volk mit einer eigenen Sprache, die sich nur ungern von externen Ermittlern in die Karten gucken lassen. So redet die örtliche Polizistin lieber mit ihren Mitmenschen über alle Details des Falles, als mit Luc und seinen Kollegen zuzuarbeiten.
Im Rahmen der Ermittlungen lernt Luc die verschiedenen Pilgerunterkünfte (vom Wellnesshotel bis zur Herberge) und die entsprechenden Küchen kennen. Das leibliche Wohl kommt nicht also zu kurz und wie immer gilt: Nicht hungrig oder durstig lesen!

Ich fand das Buch wahnsinnig spannend und habe auf einem Rutsch durchgelesen, was vor allem an der Persona des Opfers lag. Alle hatten etwas gegen ihn, man meinte, ihn zu kennen, und wusste doch kaum etwas von ihm. Auch die mystische Komponente mit dem Wolf und der filmreife Showdown haben mir sehr gut gefallen.

Ich bin schon sehr gespannt, welcher Fall im März 2026 in Lacanau auf Luc wartet.

Bewertung vom 04.10.2025
Kalpenstein, Friedrich

Salute - Das letzte Gebet


ausgezeichnet

Spannung trifft Dolce Vita

„Hier sollte man eigentlich das Leben genießen und nicht in einer Kirche getötet werden.“ (S. 84)
Paul Zeitler, ehemaliger Hauptkommissar aus München, ist zur Beerdigung seiner Vermieterin Sofia unterwegs, als in der Kirche von Bardolino ein grausiger Fund gemacht wird: Ein junger Mann wurde im Weihwasserbecken ertränkt, in seinem Mund stecken Seiten eines Gesangbuchs. Schnell stellt sich die Frage: Hat dieser Mord einen religiösen Hintergrund?

Commissario Lanza vermutet eher ein berufliches Motiv. Marcello, der Tote hatte ein Patent auf eine neuartige Wasserfilterfolie, mit der der Gardasee gereinigt und gleichzeitig mineralisiert werden kann. Gemeinsam mit zwei Geschäftspartnern hatte er ein Start-up gegründet. Lanza entdeckt bei seinen Ermittlungen, dass Marcello seinen Partnern gegenüber nicht ganz ehrlich war. Außerdem hatte er sich dem Marktführer angelegt.

Zeitler ist unsicher, wie es nach dem Tod seiner Vermieterin mit dem Café weitergeht. In die Ermittlungen mischt er sich kaum ein, allerdings stößt er zufällig auf entscheidende Hinweise und Indizien. Dafür findet er endlich eine Aushilfe, den deutschen Studenten Emil. Der ist ein Gästemagnet, flirtet gern und verkauft zu fast jedem Kaffee auch eine süße Kleinigkeit. Wenn es nach ihm ginge, würde er das MONACO komplett umkrempeln, das Angebot erweitern und die Öffnungszeiten ausdehnen. Mal sehen, wie lange Zeitler ihn noch bremsen kann und will.

Commissario Lanza konzentriert sich ganz auf den Fall. Dass Marcello nicht nur berufliche, sondern auch private Geheimnisse und sein Produkt Neider hervorgerufen hat, wird schnell deutlich. Aber was wollte er nachts in der Kirche? War er dort verabredet oder wurde er überrascht? Der aufgebrochene Opferstock liefert weitere Rätsel.

Auch der 3. Band der Reihe überzeugt mit spannenden Wendungen bis zur letzten Seite und bringt zugleich den unverwechselbaren Charme und das Lebensgefühl des Gardasees zum Ausdruck. Ein Krimi, der Mord und Dolce Vita auf gekonnte Weise verbindet

Bewertung vom 29.09.2025
Atkins, Dani

Versprich mir, dass du tanzt


ausgezeichnet

Herzergreifende Geschichte mit Taschentuchgarantie

„Du weißt genau, warum Adam mich hierhergeschickt hat, und noch bevor der Schnee schmilzt und wir von hier fortkommen, wirst du mir die Wahrheit sagen.“ (S. 147) Vor einem Jahr hat Lily ihren Mann Adam nach nur 6 Jahren Ehe verloren. Sein letzter Wunsch war, dass sie ihren Jugendfreund Josh aufsucht und sich mit ihm ausspricht. Doch erst, als der Ahornbaum im Nachbarsgarten ihrer Eltern gefällt wird, jener Baum, auf dem sie und Josh sich vor 20 Jahren kennengelernt haben, findet Lily den Mut, sich auf die Suche nach ihm zu machen.
Mit viel Mühe spürt sie Josh auf, doch er weigert sich, mit ihr zu sprechen. Dann zieht ein Schneesturm auf und schneidet sie von der Außenwelt ab. Je mehr Zeit sie zusammen verbringen, desto mehr bröckelt die Mauer, die Josh um sich errichtet hat.

Das war mein erstes Buch von Dani Atkins, aber garantiert nicht mein letztes, denn Lilys Geschichte hat mich extrem berührt. Mit nur 31 Jahren wird sie Witwe und ist überzeugt, dass sie nie wieder lieben kann. Sie hatte zwei große Lieben: Adam und Josh. Um sich abzulenken, stürzt sie sich in ihre Tortenmanufaktur, während sie Trost bei Adams Hund Fletcher findet.

Der Roman ist wunderbar flüssig geschrieben und hat mich von der ersten Seite an gefesselt. Dani Atkins erzählt eine bewegende Dreiecksgeschichte: Lily und Adam verbindet zunächst nur Freundschaft, die sich langsam in Liebe verwandelt. Eine Liebe, die jedoch nie ausgesprochen wird. Ausgerechnet am Vorabend ihrer Hochzeit mit Adam eskaliert die Situation und Josh und Lily beschließen, den Kontakt abzubrechen.

Adam hatte eine schwere Kindheit. Erst als Pflegekind bei Lilys Nachbarn erfährt er, was Familie und ein Zuhause bedeuten. Aber da ist er schon so traumatisiert, dass er selber nie Kinder will, obwohl Lily sich genau das wünscht: ein Zuhause mit Kind(ern), Haus und Hund. Adam teilt ihren Traum – und hat sogar schon den Hund. Er ist das ganze Gegenteil von Josh, umwirbt Lily und sagt ihr jeden Tag, wie sehr er sie liebt. Lily ist sich sicher: Er ist der Eine ist, mit dem sie ihr ganzes Leben verbringen will, auch wenn sie Josh nie ganz vergessen kann.

„Versprich mir, dass du tanzt“ ist eine herzergreifende Geschichte mit Taschentuchgarantie, voller Drama und Verluste, Freundschaft, Liebe und dem Mut, neu anzufangen.

Bewertung vom 27.09.2025
Mullen, Kelly

Die Einladung - Mord nur für geladene Gäste


sehr gut

Eine Pyjamaparty aus der Hölle

„Wir sitzen in einem gruseligen Anwesen mit einer Leiche fest. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, dass du das alles arrangiert hast. Es ist doch genau wie in einem deiner Spiele. Ein Ausbruchraum.“ (S. 103)
Rosemary (Mimi) hat schon keine Lust auf die Party bei Jane Ireland gehabt, aber die Gastgeberin hat sie erpresst, sonst ihr dunkelstes Geheimnis zu offenbaren. Jetzt ist Jane tot und der Täter lässt es so aussehen, als sei es Mimi gewesen. Zum Glück hat sie ihre Enkelin Addie überzeugen können, sie zu begleiten. Die weiß zwar nichts von Mimis Geheimnis und sie hatten in letzter Zeit wegen Addies keine besonders gute Beziehung, aber natürlich will sie ihr trotzdem helfen, den wirklich Täter zu finden. Addie setzt dabei auf Strategien, die sie beim Entwickeln ihres erfolgreichen Multiplayer-Krimi-Onlinespiel genutzt hat.

„Die Einladung – Mord nur für geladene Gäste“ ist ein typischer Whodunit, der mit einem außergewöhnlichen Setting punktet. Schauplatz ist eine Villa mit Zugbrücke und Wassergraben im Tudor Stil auf dem knapp 10 km2 großen, autofreien Mackinac Island in Michigan, während ein Schneesturm tobt, der Strom ausfällt und sie von der Außenwelt abgeschnitten sind.

Neben Mimi hatte Jane noch 6 weitere Gäste gezwungen, zur Party zu erscheinen, um ihre Geheimnisse zu waren. Doch nachdem Jane umgebracht wurde, ist Mimi und Addie klar, dass Jane sie weder eingeladen, noch erpresst hat. Das muss einer der anderen Gäste gewesen sein!

Ich fand den Krimi recht spannend und unterhaltsam. Sobald sie von der Außenwelt abgeschnitten sind, wird er zum Kammerspiel.
Mimi ist 77 und lebt nach dem Tod ihres Mannes vor über 20 Jahren zurückgezogen. Sie liebt Kreuzworträtsel und ihren täglichen Gibson. Außerdem hat sie eine natürliche Art, die Menschen zum Reden zu bringen. Weil sie Addies Ex Brian nicht mochte, hatten sie in den letzten Jahren kaum Kontakt. Addie ist wegen Brian nebenberuflich Spieleentwicklerin geworden. Vor einem halben Jahr hat er sie verlassen, ohne sie für ihre Arbeit am gemeinsamen Spiel zu entlohnen oder an der Firma zu beteiligen. Seitdem überlegt sie, ob sie einen Anwalt beauftragen soll, ihren Anteil einzufordern. Diese Überlegungen und die Streitereien mit Mimi wegen Brian und dem Spiel überlagern die Ermittlungen leider etwas. Zudem geht Addie immer wieder sehr detailliert auf Parallelen zwischen ihrem Spiel und den Morden ein (es bleibt nicht nur bei Janes Tod), die für Entwickler und Gamer sicher interessant sind, mir aber etwas zu ausführlich waren.

Man kann den ganzen Krimi über wunderbar miträtseln, auch wenn es natürlich etwas unwahrscheinlich ist, dass sich die anderen Partygäste und das Personal so einfach von Mimi und Addie ausfragen lassen. Etwas plötzlich und nicht ganz nachvollziehbar war für mich dann aber leider die Auflösung.

Mein Fazit: Ein solider Whodunit-Krimi mit interessanten Protagonisten, tollem Setting und etwas Luft nach oben. 3,5 von 5 Sternen.