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Sursulapitschi
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Wedemark

Bewertungen

Insgesamt 7 Bewertungen
Bewertung vom 27.11.2025
Gelfuso, Hayley

Das Buch der verlorenen Stunden


gut

Melodram voller Klischees und Ungereimtheiten

Die Idee dieses Buches ist wirklich hübsch und neu. Man stelle sich vor, es gäbe einen „Zeitraum“, einen Raum, der außerhalb der Zeit existiert und in dem in unendlich vielen Bücherregalen die Erinnerungen aller Menschen aufbewahrt werden.

Dort landet die kleine Lisavet. Ihr Vater wollte sie vor den Nazis in Sicherheit bringen, konnte sie aber nicht wieder abholen. Lisavet ist dort gefangen, wächst alleine auf, jenseits der Zeit und lernt, sich mit fremden Erinnerungen zu unterhalten. Als sie feststellen muss, dass immer wieder Männer in den Zeitraum vordringen und gezielt Erinnerungen vernichten, wird es ihre Mission, möglichst viele davon zu retten.

So weit fand ich das Buch ganz wundervoll, nur verlässt es diese zauberhafte Ebene dann doch und wandelt sich zu einer Art Spionagethriller, wo die CIA gegen russische Agenten kämpft und beide versuchen, den Wandel der Zeit zu ihren Gunsten zu verändern.

Daran hätte ich mich noch gewöhnen können, wenn auch der Logikfaden oft arg strapaziert wird. Gar nicht gefallen hat mir Lisavets Wandlung vom neugierigen Mädchen zum Vamp, der über Leichen geht. Es ist schön, dass sie eine wehrhafte Frau geworden ist, aber die Methode, zuzuschlagen statt zu reden finde ich fragwürdig. Auch dass immer wieder jemand lügt, betrügt oder sogar mordet, nur um andere zu schützen ist ein unschönes Motiv, das hier überstrapaziert wird und noch dazu wenig nachvollziehbar ist.

Der Erzählstil ist blumig bis pathetisch und spart nicht mit Floskeln. Ständig verkrampfen sich Mägen, werden Lippen gebissen, Stirnen gerunzelt, ein- oder ausgeatmet und Augen zusammengepresst.

Dieses Buch hat durchaus einigen Unterhaltungswert, aber die schöne Grundidee geht unter in einem Melodram voller Klischees und Ungereimtheiten. Sehr schade.

Bewertung vom 29.10.2025
Lalami, Laila

Das Dream Hotel


ausgezeichnet

Was finsteres Buch! Es ist ein bisschen die moderne Version von 1984.

Man stelle sich vor, die Menschheit wird maximal überwacht. Überall wird dein Verhalten beobachtet, gescannt, bewertet und gespeichert. Sogar deine Träume fließen mit in die Bewertung ein und wenn dann jemand als potenzieller Gefährder erkannt wird, wird er vorsorglich in Gewahrsam genommen.

Das passiert Sara, die sich keiner Schuld bewusst ist, aber trotzdem am Flughafen festgehalten wird. Sie wird vorübergehend zur Beobachtung einbehalten. Sara ist sich sicher, dass das ein Irrtum sein muss, aber es ist bitterer Ernst. Sie landet in einem Gefängnis, das nicht Gefängnis genannt wird und in dem ihr Verhalten ständig bewertet wird, je nach Laune der Bewacher. Es ist eigentlich gar nicht möglich deren Ansprüchen gerecht zu werden. Wie soll sie jemals wieder zu ihrer Familie zurückkommen?

Die Situation ist ausweglos und beklemmend und steigert sich tatsächlich immer weiter. Mit grausamer Konsequenz legt die Autorin immer wieder noch eine Schippe drauf. Und so absurd es klingt, kommt einem das Szenario doch schrecklich realistisch vor.

Was kann KI und was sollte man KI tun lassen? Ab wann wird technische Unterstützung zu Kontrolle und wer hat eigentlich den Nutzen davon? Wo bleibt Individualität, wenn sie nicht ins Profil passt und ein Algorithmus dein Leben bestimmt.

All das wird hier anhand eines höchst plastischen Beispiels untersucht. Es ist ein böses Buch, das gleichermaßen unterhält, verstört und nachdenklich macht. Ich habe es gerne und voller Ehrfurcht gelesen und bin beeindruckt.

Bewertung vom 21.10.2025
Ganeshananthan, V. V.

Der brennende Garten


sehr gut

Über Tamilen in Sri Lanka habe ich nie wirklich nachgedacht, bis ich dieses Buch erwischt habe. Es ist höchst aufschlussreich und nur sehr schwer zu ertragen.

Hier erzählt ein tamilisches Mädchen aus ihrem Leben. Sashi geht noch in die Schule, zu Beginn dieses Buches. Es ist Anfang der 80er Jahre und sie möchte Ärztin werden. Das hat fast Tradition in ihrer Familie. Auch ihre Brüder studieren und lernen mit ihr, bis immer mehr Unruhen den Alltag durchbrechen, weil Tamilen immer mehr Repressalien auferlegt bekommen. Plötzlich herrscht Bürgerkrieg. Junge Männer schließen sich zu Widerstandsgruppen zusammen, auch Sashis Brüder kommen immer seltener nach Hause.

Hier bekommt man ein anschauliches Bild vom Leben in einer tamilischen Familie. Bildung ist ihnen wichtig und auch der Familienzusammenhalt. Man kann nie wissen, ob der Nachbar auch ein Freund ist. Sashi gerät in einen Gewissenskonflikt. Sie möchte helfen, aber wem hilft man in solchen Zeiten, den Eltern zu Hause oder sollte man helfen, Widerstand zu leisten?

So weit ist das Buch hoch interessant, allerdings habe ich mich mit dem Erzählstil etwas schwer getan. Sashi erzählt selbst, gerade heraus und schnörkellos, mit vielen Wiederholungen. Manche Dinge betont sie mantraartig immer wieder. Das ist eindringlich aber auch monoton. Ich habe das Buch als beklemmende, frustrierende Lektüre empfunden. Im letzten Teil wird es dann sogar noch wirklich brutal und sehr leidvoll, da konnte es mich dann doch noch ein wenig packen.

Ein schönes Buch ist es nicht, aber eine Erfahrung auf jeden Fall.

Bewertung vom 03.10.2025
Maschik, Anna

Wenn du es heimlich machen willst, musst du die Schafe töten


gut

Erster Eindruck: Das ist ein Buch mit ganz viel Luft. Hier hat man sich wirklich Mühe gegeben, den Text auf mehr als 200 Seiten zu strecken, die Schrift ist riesig und die vielen kurzen Kapitel haben viel Platz.

Der Text selbst ist schlicht und hat eine ganz eigene Poesie. Die Sprache ist knorrig, direkt, geradeaus und damit sehr norddeutsch.

Es geht um eine Bauernfamilie, die einen kleinen Hof an der Nordsee betreibt. In kurzen Passagen reist man durch mehrere Generationen, die Orientierung ist nicht einfach. Man weiß nicht immer gleich, von wem die Rede ist, aber es gibt Gemeinsamkeiten: Es ist immer jemand absonderlich, es gibt immer Problemkinder und Lieblingskinder. Oft ist sogar das Problemkind das Lieblingskind, das die ganze Liebe und Aufmerksamkeit der Mutter bekommt. Es gibt Krieg und es werden Schafe geschlachtet, manch einer verlässt das Dorf und lebt anderswo weiter.

Das ist zweifellos Kunst und gut gemacht, mir war es aber auf Dauer zu fragmentarisch. Die karge Sprache wirkt irgendwann monoton, selbst wenn immer wieder zur Auflockerung Listen wie ein Gedicht dargeboten werden. Auch die Handlung geht gleichförmig dahin, da kommt der Krieg und geht.

Dieses Buch hat auf jeden Fall sehr eigenen Charme, konnte mich dann aber doch nicht sonderlich fesseln.

Bewertung vom 20.09.2025
Horncastle, Mona

Peggy Guggenheim


sehr gut

Peggy Guggenheim hat in Venedig ein einzigartiges Museum für moderne Kunst hinterlassen. Wie es dazu kam kann man in diesem Buch lesen. Dieses Museum ist ihr Lebenswerk.

Sie war ein amerikanische Tochter aus gutem Hause, reich, jüdisch und literaturinteressiert. In den 1920er Jahren war sie jung und ging auf in der Pariser Boheme. Sie lernte Künstler kennen, die damals noch niemand kannte, die heute weltberühmt sind. Und sie fing an, Bilder zu kaufen, um diese Künstler zu unterstützen.

In den 1940ern galten diese Bilder bei Nazis als entartete Kunst. Peggy schaffte es, ihre ganze Sammlung nach Amerika zu retten, eröffnete eine Galerie in New York und wurde zur Anlaufstelle für Surrealisten oder Expressionisten aus aller Welt.

Mit diesem Buch bekommt man das Leben dieser besonderen Frau wundervoll präsentiert. Es besticht durch eine dezente, edle Aufmachung, wirkt wertvoll, und liebevoll zusammengestellt. Viele tolle Fotos ergänzen perfekt den Text.

Das Buch konzentriert sich auf Peggys Werk und lässt ihre Persönlichkeit und ihr Privatleben dabei ein wenig außen vor, das finde ich etwas schade. Eigentlich lese ich genau deshalb eine Biografie. Auch bekommt man zwischendurch immer wieder lange Listen der Berühmtheiten, die Peggys Weg gekreuzt haben, das ist aufschlussreich aber auch ermüdend.

Viel gelernt habe ich trotzdem. Es war ein toller Ausflug in eine exotische Kunstwelt voller Visionäre und Exzentriker, in der Frauen eigentlich keine Rolle spielten und in der sich Peggy Guggenheim trotzdem behauptet hat. Ich bin jetzt sehr inspiriert und möchte nach Venedig fahren.

Bewertung vom 17.09.2025
Dische, Irene

Prinzessin Alice


sehr gut

Dass es Alice von Battenberg, Mutter von Prinz Philip, Schwiegermutter von Queen Elisabeth, Großmutter des jetzigen Königs Charles III, überhaupt gab, weiß ich nur, weil ich The Crown bis zum Schluss gesehen habe. Sie war eine tragische Gestalt, wohl beinahe ein Familiengeheimnis.

Hier lernt man sie ein klein wenig kennen, auch wenn das Buch keine komplette Romanbiografie ist. Es beleuchtet einen Teil von Alice Leben, ein wenig jedenfalls. Vieles bleibt schwammig, weil Alice selbst erzählt und Alice‘ Wahrnehmung eben bisweilen schwammig ist.

In ihren jungen Jahren war sie eine Märchenprinzessin, klug, schön, reich, zwar gehörlos, aber sie konnte in mehreren Sprachen Lippenlesen. Sie heiratete Prinz Andreas von Griechenland, aber ihre zunehmende Religiosität hat die Beziehung nicht ausgehalten. Sie passt nicht mehr in die Norm, wird Freud zur Behandlung überantwortet, wird weggesperrt, experimentellen Kuren unterzogen, bis sie es schafft, sich davon zu befreien. Besser geht es ihr danach nicht. Sie sieht die Welt mit anderen Augen, ob trotz oder wegen der Kur weiß sie selbst nicht. Wahrscheinlich weiß es Gott, wer sonst.

War diese Frau ernsthaft verrückt oder wollte sich ihr versnobtes Umfeld nicht mit ihren Eigenheiten auseinandersetzen? Dieses Buch lässt beide Interpretationen zu, vielleicht ist auch beides irgendwie wahr. Es vermittelt das Bild einer Frau, die nicht von dieser Welt ist, nichts auf Etikette gibt, der die Meinung der Welt über sie egal ist, weil sie höhere Ideale hat, die gleichzeitig egozentrisch und selbstlos sein kann. Es erzählt auch von einer gefährlich patriarchalen Gesellschaft, von royalen Fesseln, vom Leben im goldenen Käfig und wie so ein Käfig auch fallen kann.

Dieses Buch durchlebt man wie einen Traum mit viel Nebel, manches ist klar zu sehen, dann verschwimmt es wieder, manches blitzt kurz auf. Das unterstreicht kunstvoll und plastisch, wie Alice sich gefühlt haben mag, allerdings hätte ich mir ab und an ein paar mehr Fakten gewünscht. Immerhin lädt es zu gründlichem Googeln ein. Ich habe sehr unterhaltsam einiges gelernt.

Bewertung vom 11.09.2025
Kuang, R. F.

Katabasis


gut

Selten werden Bücher so sehr gehypt, wie die von Rebecca F. Kuang, deshalb lesen wir sie alle, obwohl sie polarisieren, aber man möchte ja mitreden können. Ich kann das, weil ich alle gelesen habe. Die Autorin ist auf jeden Fall originell, klug, humorvoll und vielseitig, und traut sich auch an heikle Themen heran. Hier geht es sogar mitten in die Hölle hinein.

Es beginnt in Cambridge, wo Alice Law analytische Magie studiert. Bei einem Zauberunfall hat sie versehentlich ihren Professor getötet und ist verzweifelt. Das durfte nicht passieren. Kann man ihn zurückholen? Es gibt wissenschaftliche Quellen, die das behaupten. Orpheus war dort und hat berichtet, Dantes Inferno ist auch sehr aufschlussreich. Alice wagt eine Rettungsexpedition in die Hölle und Peter Murdoch, ihr ärgster Konkurrent an der Universität begleitet sie spontan.

Am Anfang war ich sehr begeistert und fand das Buch grandios, herrlicher Humor, jede Menge Spitzfindigkeiten, irrwitzige Theorien zum Tod und dem Leben danach, nur irgendwann wird es dann zu viel. Es ist zu großen Teilen hoch philosophisch, mathematisch, religiös-weltanschaulich-divers. Die Fantasie der Autorin und ihre Unverfrorenheit, Fakten mit Erfundenem so zu kombinieren, dass es hoch wissenschaftlich klingt, ist grandios, aber ich habe es auch gerne, wenn ich ein Buch verstehen kann. Das ganze Szenario ist surreal, trotzdem versuchen Alice und Peter den Weg durch die Hölle wissenschaftlich zu erschließen, sitzen in der Hölle und philosophieren endlos und kryptisch.

Dabei ist diese Hölle ein grausiger Alptraum zum Thema Universität. Sie durchwandern tückische Bibliotheken, treffen die Geister ehemaliger Universitätskollegen, um am Ende in Dis zu landen, der Abteilung für die Endabrechnung, in der man seine letzte Dissertation schreiben muss, um wiedergeboren zu werden.

Das ist natürlich fantasievoll und möglicherweise klopfen sich da Studierende oder Universitätsmitglieder auf die Schenkel: wie witzig, die echte Hölle ist Cambridge! Aber für mich ist der Gag eher lau. Wenn ich schon die Hölle bereise, erwarte ich ein vielfältiges Angebot an Gräueln, das Uni-Leben gehört nicht dazu.

Dieses Buch hat einigen Unterhaltungswert, aber richtig gefallen hat es mir nicht. Nach Yellowface hatte ich mit Genialem gerechnet. Das hier ist fantasievoll und plastisch beschrieben, der Stil ist toll, aber die Logik hakt an allen Enden. Zudem hat es viel zu viele Passagen, in denen die Autorin ihr umfangreiches Wissen ausbreitet, ohne dass es die Geschichte voranbringt. Schade.

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