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Andy
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Frankfurt am Main

Bewertungen

Insgesamt 60 Bewertungen
Bewertung vom 18.11.2025
Lühmann, Hannah

Heimat


ausgezeichnet

Eine gelungene Warnung

Zufällig ist mir in der Bibliothek Hannah Lühmanns Rman „Heimat“ in die Hände gefallen und ich habe diese ca. 170 Seiten lange Werk als Zwischendurch-Lektüre entliehen. Man muss diesem Roman voranstellen: er ist politisch. Er ist eine klare Warnung vor der Unterwanderung unserer Gesellschaft durch rechtsradikale Kräfte und die AfD. Diese Warnung ist gelungen.

Der Roman geht extrem sanft vor. Er spielt mit dem Einfluss tradierter Rollenbilder, Wissenschaftsfeindlichkeit, dem Rückzug der Gesellschaft aus Land, Preppertum und vielen anderen. Zudem zeigt er auf, welche Effekte Social Media in diesem Zusammenhang hat und wie die einzelnen Effekte zusammenfließen. Gerade der Einsamkeit und der Suche nach sozialem Anschluss kommt hierbei eine Katalysator-Rolle zu. Ich habe in anderen Rezensionen gelesen, dass das Zusammenspiel der einzelnen Einflussfaktoren zu klischeebehaftet ist. Es kommt meiner Meinung nach nicht darauf an, ob es „Jana“ in der Realität geben könnte. Ich fühle mich in vielen einzelnen Details allerdings überaus ertappt. Dies ist kein Wohlfühlroman. Das mulmige Bauchgefühl hat mich von vorne bis hinten begleitet. Lest das und lasst euch die Lektüre eine Warnung sein.

Bewertung vom 16.11.2025
Tidhar, Lavie

Adama


ausgezeichnet

So spannend kann Geschichte sein
Das ist mal wieder so ein Glückstreffer. Ich hatte von Lavie Tidhar noch nichts gelesen. Das Cover war ansprechend aber auch nichtssagend. Mein Interesse hat gewonnen, wer sich auf dem Cover für das Buch ausgesprochen hat,, dass das Buch genreübergreifend ist und zusätzlich will ich mich weiter mit Israel beschäftigen. Das Buch hat all diese Erwartungen erfüllt und noch mehr.
Lavie Tidhar führt mit seiner verwobenen Geschichte durch die israelische Geschichte seit Entstehung des Staates bis in die Jetzt-Zeit. Er kennt dabei keine Genregrenzen. Es ist kein klassischer Roman, es steht Thriller auf dem Cover, aber es ist auch kein klassischer Thriller. Es ist spannend, aber auch nicht alle Passagen. Es ist tiefgründig. Und man verliebt sich in die Charaktere, bevor die Liebe schwindet. Und all die Stimmen, die sich für das Buch ausgesprochen haben, hatten Recht oder haben untertrieben. Dieses Buch ist eines meiner TOP-5 Bücher des Jahres. Lest das!

Bewertung vom 08.11.2025
Dröscher, Daniela

Junge Frau mit Katze


ausgezeichnet

Mit großem Feingefühl zu positiven Wendungen
An diesem Roman bin ich recht unbefangen herangegangen. Ich hatte von der Autorin zuvor noch nichts anderes gelesen und auch das Cover ist weder abschreckend noch einladend. Der Klappentext konnte mich zumindest thematisch abholen, aber es hätte auch gut und gerne ein Reinfall werden können. Wurde es aber nicht. „Junge Frau mit Katze“ ist eine meiner positiven Leseüberraschungen in 2025 bisher.
Einerseits liegt das an Dröschers einfühlsamer Erzählweise. Ihre Hauptfigur macht einiges durch im Laufe der Geschichte, aber es klingt immer ein großes Mitgefühl und ein hoher Grad an Empathie in der Erzählstimme mit. Für mich bleiben nach der Lektüre zwei Stränge in der Charakterentwicklung hängen, die ich beide für sehr spannend ausgearbeitet halte. Einerseits durchläuft die Hauptfigur einen Prozess bzgl. ihrer beruflichen Identität und dem Zwischenspiel zwischen Selbst- und Fremdbild. Wie sieht sie sich selbst und wie wird sie wahrgenommen bzw. will sie wahrgenommen werden? Andererseits hat die Hauptfigur mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen und es ist wahrlich ein Kampf. Wie gehe ich damit um, dass ich keine Kontrolle über meinen Körper habe? Beide Prozesse sind sehr spannend zu verfolgen, aber eben weil die Erzählstimme einen geschützten Rahmen bietet.
„Junge Frau mit Katze“ ist nun kein klassisches Feel Good Buch. Mir hat die Lektüre dennoch viele positive Gedanken mitgegeben und ich habe die Geschichte sehr gerne gelesen. Ich empfehle die Lektüre gerne weiter!

Bewertung vom 25.10.2025
Keskinkiliç, Ozan Zakariya

Hundesohn


sehr gut

Vulgär zur Nähe: Was ein Hundesohn

Ich mag das Cover und den Titel. Das Konzept hat mich angesprochen und ich gab dem Roman eine Chance. Und mir war klar, dass hätte auch gut und gerne schief gehen können. Tat es aber nicht. Ozan Zakariya Keskinkılıç gibt seiner Hauptfigur, die seinen Namen trägt, eine intensive Erzählstimme. Einerseits ist Zakariya auf der Suche nach Ablenkung und immer wieder dem nächsten Reiz, andererseits sehnt er sich nach dem Wiedersehen mit seinem besten Freund Hassan. Dieses Spiel zwischen teils vulgärer Abwechslung und der Sehnsucht nach Nähe gibt dem Roman seinen roten Faden.

Um diesen roten Faden herum spinnt Keskinkılıç ein Netz an unterschiedlichen Lebenserfahrungen seiner Hauptfigur, teils in der Türkei, teil in Deutschland, teils in der Vergangenheit, teils im Jetzt, die ein immer detaillierteres Bild ergeben. Dies könnte beliebig wirken, tut es aber nicht. Dabei greift Keskinkılıç zu einigen sprachlichen, künstlerischen und literarischen Stilmitteln, die ich euch gar nicht spoilern will. Mir haben die einzelnen Stilmittel als auch das Gesamtbild sehr gut gefallen. Es ist nur deshalb keiner meiner Top-Titel, weil mir ein großes eingewebtes Thema fehlt, das dem ganzen Roman noch eine weitere Ebene gegeben hätte. Ich habe diesen Roman dennoch sehr gerne gelesen und viel Spaß dabei gehabt.

Bewertung vom 19.10.2025
Kang, Minyoung

Plant Lady


weniger gut

Einzig das Cover sticht hervor

Wenn dieses Buch in den Buchhandlungen kein Blickfang ist, dann weiß ich auch nicht mehr. Das Cover wäre auch der einzige Grund, aus dem heraus man dieses Buch kaufen sollte. Dazu muss man aber schon sehr designversessen sein, um die Bücher im Bücherregal nur noch nach dem Coverdesign auszuwählen. Oder ein Museum.
Ich habe dieses Buch gelesen, weil ich die Grundidee erstmal originell und überraschend fand. Die Idee wurde allerdings nicht gut ausgeführt. Einerseits ist das Buch sprachlich holprig in der Ausführung, was der Übersetzung geschuldet sein mag. Es liest sich an vielen Stellen leider nicht schön. Auf der anderen Seite trägt die Handlung auch nicht zu einem gelungenen Leseerlebnis bei. Die Kapitel sind in sich abgeschlossen und die Spannung bricht am Kapitelende jäh ab. Erst später im Buch treten unterliegenden Handlungsstränge zu Tage, die mich am Ende zumindest vor dem Lektüre-Abbruch und einer noch schwächeren Bewertung bewahrt haben.
Das Buch ist ein Genre-Mix der schlechteren Art. Es ist weder Krimi, noch Thriller noch Roman. Es ist ein Buch, dem eine schöne Grundidee zu Grunde liegt, dessen Charaktere und Handlungsstränge aber leider ungenügend herausgearbeitet sind. Lasst euch in den Buchhandlungen von der schönen Cover-Art nicht überlisten. Finger weg!

Bewertung vom 14.10.2025
Mustard, Jenny

Beste Zeiten


gut

Leider overhyped
Jenny Mustard ist eine der gefeierten Autorinnen der Stunde. Ihr Debüt-Roman „Okaye Tage“ hat für die ein oder andere positive Empfehlung gesorgt und – obwohl ich ihn selbst nicht gelesen habe – bei mir dazu geführt, dass ich mir den Namen der Autorin eingeprägt habe. „Beste Zeiten“ ist nun nicht nur dem Titel nach, sondern auch in der Realität, das Folgewerk. Hm. Über das Cover hülle ich zusätzlich den Mantel des Schweigens. Es gefällt mir halt nicht.
Und leider ist das dann auch bei diesem Roman insgesamt so. Ja, Jenny Mustard erzählt nuanciert, detailversessen gar, mit Blick auf die kleinen Besonderheiten des menschlichen Lebens. Sie hat ein gutes Auge für diese vielschichtigen Facetten und vermag auch diese herauszuarbeiten. Aber für mich ist das halt zu langweilig. Handlung: Puh. Die großen Linien wirken dann auch sehr gezwungen. Natürlich braucht es dann bei der Hauptfigur den Hang zum Kreativen. Was denn sonst? Es ist stellenweise anstrengend. Leider nicht auf die gute Art.
Wer die Ruhe weg hat, kann diesen Roman diesen Herbst lesen. Ich habe alleine in den letzten Wochen mehrere Bücher gelesen, die origineller, glaubwürdiger und mit mehr Witz mir viel besser gefallen haben. Diesmal gibt es keine Empfehlung von mir.

Bewertung vom 05.10.2025
Brickley, Holly

Deep Cuts


sehr gut

Wie eine warme Decke
Deep Cuts wirkt erst einmal unscheinbar. Wenn man sich dennoch auf die Lektüre einlässt, ist das Buch ein schönes Feelgood-Werk mit zwei hauptsächlichen Schwerpunkten. Zum einen ist da die Musik. Es geht um die Lust am kreativen Prozess, an der Arbeit an Songs, an der stückweisen Verbesserung und an den Vorzügen der Kollaboration. Die Roman-Hauptfigur Percy muss ihren Weg zu ihrer eigenen kreativen Identität finden und dagegen anarbeiten, dass sie gerne mal ihr Licht unter den Scheffel stellt.
Der zweite Hauptstrang ist die Liebesgeschichte zwischen ihr und ihrer College-Liebe, die zudem auch ihr erster Songwriting-Partner war. Die Liebesgeschichte ist eine klassische Heldengeschichte und die Hauptfiguren müssen einige Hindernisse überwinden. Dieser Strang ist solide ausgearbeitet. Was dieses Buch dann hervorhebt, ist die Struktur. Die Kapitel sind nach Songs benannt, die jeweils eine Bedeutung in diesem Kapitel haben. Ein Deep Cut Song ist dann auch ein tiefgreifender Song, der einen stark berührt. Die Idee ist nicht super-originell, aber nachdem ich eine Schwäche für musik-affine Konzepte habe, gefällt mir das sehr gut. Insgesamt habe ich das Buch gerne gelesen. Es haut einen jetzt nicht direkt vom Hocker, aber es ist eine schöne Herbstlektüre, mit der man wenig falsch machen kann.

Bewertung vom 27.09.2025
Bähr, Julia

Hustle


ausgezeichnet

Wenn der Hustle zum Hit wird
Ich mag das Cover nicht, so von der Ästhetik her. Auf der anderen Seite habe ich das Cover vermehrt in meine Timeline gespült bekommen und war interessiert. Und nachdem ich einen anderen Roman beendet hatte, war dieses Buch gerade hier hereingeflattert und gefühlt legte ich es erst wieder aus der Hand, als ich es wenige Tage später beendet hatte. Was war in der Zwischenzeit passiert?
Julia Bährs Roman Hustle verfügt über ein sehr angenehm zu lesendes Erzähltempo. Die Handlung erstreckt sich ungefähr über ein Jahr und der Erzählrhythmus ist einfach großartig. Derweil werden die unterschiedlichsten Thematiken verwoben. Die Wohnungskrise ist ein Bestandteil, genau wie obskure Hobbies, als auch die Sinnfrage und die Suche nach Nervenkitzel. Ich mag hie bewusst nicht spoilern, der Roman strotzt von originellen Ideen. Die Kunst des Romans liegt darin, diese vielen, tollen Ideen zu einem großen Ganzen sinnvoll zu verweben. Das ist sehr gut gelungen.
Dies gelingt Julia Bähr auch deshalb so gut, weil sie viele Fragen nicht auflöst. Genug, aber nicht alle. Und damit passt der Roman sehr gut in den aktuellen Zeitgeist. Das Leben ist komplex und es gibt nicht auf alles Antworten, und schon gar keine leichten. Das ist okay, weil die Hauptcharaktere, die weiblichen Münchner Avengers rund um Leonie, sich beweisen und den Herausforderungen stellen. Insgesamt habe ich das sehr gerne gelesen und empfehle es mit vollem Herzen weiter. Was ein Hit, der Hustle. Bravo!

Bewertung vom 20.09.2025
Biedermann, Nelio

Lázár


gut

Overhypte Mittelmäßigkeit
Nelio Biedermanns Roman „Lazar“ schlägt ja gerade Wellen. Da werden direkt die großen Vergleiche ausgepackt, z.B. mit Thomas Manns Buddenbrooks. Kann man machen, tut dem Buch aber unrecht. Einige Punkte mag ich hierzu feststellen: Biedermann hantiert gekonnt mit der deutschen Sprache. Er tut das für sein Alter ungewohnt filigran. Sein Wortschatz ist überdurchschnittlich groß und seine Sätze schön zu lesen.
Lazar ist dann aber leider trotzdem kein sehr gutes Buch. Warum? Biedermann erzählt die Geschichte einer Familie über mehrere Jahrzehnte hinweg. Dabei tritt keines der Familienmitglieder in den Mittelpunkt. Ein paar Stunden nach Ende der Lektüre muss ich mich bemühen, mich an die einzelnen Familienmitglieder zu erinnern. Es sind gute Ausschnitte dabei, die es an sich auch wert gewesen wären, detaillierter ausgearbeitet zu werden. Alleine, das Buch bringt das nicht mit. Was ich zu schätzen weiß, sind die gelungenen Einblicke in die eingearbeitete ungarische Landesgeschichte.
Und so schürft Biedermann an der Oberfläche dieser generationenübergreifenden Geschichte und verpackt alles in seine tolle Sprache. Als Leser musste ich mich durch Längen kämpfen und vergesse das Buch recht schnell wieder. Schade. Aber da gab es dieses Jahr schon bessere deutschsprachige Neuerscheinungen.
Viel Hype um eine mittelmäßige Familiengeschichte, deren Highlight die Insights in die ungarische Historie sind.

Bewertung vom 30.08.2025
Kornmüller, Jacqueline

6 aus 49


sehr gut

Ein eindrucksvolles Frauenleben
Jaqueline Kornmüller setzt ihrer Oma ein Denkmal. Und was für eins. Lina hat ein eindrucksvolles Leben geführt, mit Tiefen aber auch mit vielen Höhen. Mit Glück und mit Schwierigkeiten. Und er für sich selbst erträumt, einem Familienmitglied ein literarisches Denkmal zu setzen, der sollte dieses Buch lesen. Es ist von der erzählerischen Struktur mit seinen 49 Kapiteln absolut gelungen, sprachlich schön geschrieben und hat mich überaus positiv überrascht.
Dazu kommt, dass ich selbst aus dem süddeutschen Raum komme und mir die Auseinandersetzung mit der Stadt mit dem Bindestrich sehr gut gefällt. Es geht um Garmisch-Partenkirchen, dessen Zusammenschluss auf die Nazis zurückgeht und deren Geist dort immer noch zu erkennen ist. Dies wurde in diesem Buch äußerst mahnend und mit kritischer Feder integriert. Auch hierfür: Chapeau.
Bei meiner Lesefrequenz stellt sich nach jedem Buch die Frage, ob es ins Regal einziehen und bleiben darf. Das darf „6 aus 49“ sicher. Ich werde es weiterempfehlen und anderen Menschen zum Lesen in die Hände drücken. Danke Jaqueline Kornmüller für dieses schöne Werk.