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Andy
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Frankfurt am Main

Bewertungen

Insgesamt 54 Bewertungen
Bewertung vom 05.10.2025
Brickley, Holly

Deep Cuts


sehr gut

Wie eine warme Decke
Deep Cuts wirkt erst einmal unscheinbar. Wenn man sich dennoch auf die Lektüre einlässt, ist das Buch ein schönes Feelgood-Werk mit zwei hauptsächlichen Schwerpunkten. Zum einen ist da die Musik. Es geht um die Lust am kreativen Prozess, an der Arbeit an Songs, an der stückweisen Verbesserung und an den Vorzügen der Kollaboration. Die Roman-Hauptfigur Percy muss ihren Weg zu ihrer eigenen kreativen Identität finden und dagegen anarbeiten, dass sie gerne mal ihr Licht unter den Scheffel stellt.
Der zweite Hauptstrang ist die Liebesgeschichte zwischen ihr und ihrer College-Liebe, die zudem auch ihr erster Songwriting-Partner war. Die Liebesgeschichte ist eine klassische Heldengeschichte und die Hauptfiguren müssen einige Hindernisse überwinden. Dieser Strang ist solide ausgearbeitet. Was dieses Buch dann hervorhebt, ist die Struktur. Die Kapitel sind nach Songs benannt, die jeweils eine Bedeutung in diesem Kapitel haben. Ein Deep Cut Song ist dann auch ein tiefgreifender Song, der einen stark berührt. Die Idee ist nicht super-originell, aber nachdem ich eine Schwäche für musik-affine Konzepte habe, gefällt mir das sehr gut. Insgesamt habe ich das Buch gerne gelesen. Es haut einen jetzt nicht direkt vom Hocker, aber es ist eine schöne Herbstlektüre, mit der man wenig falsch machen kann.

Bewertung vom 27.09.2025
Bähr, Julia

Hustle


ausgezeichnet

Wenn der Hustle zum Hit wird
Ich mag das Cover nicht, so von der Ästhetik her. Auf der anderen Seite habe ich das Cover vermehrt in meine Timeline gespült bekommen und war interessiert. Und nachdem ich einen anderen Roman beendet hatte, war dieses Buch gerade hier hereingeflattert und gefühlt legte ich es erst wieder aus der Hand, als ich es wenige Tage später beendet hatte. Was war in der Zwischenzeit passiert?
Julia Bährs Roman Hustle verfügt über ein sehr angenehm zu lesendes Erzähltempo. Die Handlung erstreckt sich ungefähr über ein Jahr und der Erzählrhythmus ist einfach großartig. Derweil werden die unterschiedlichsten Thematiken verwoben. Die Wohnungskrise ist ein Bestandteil, genau wie obskure Hobbies, als auch die Sinnfrage und die Suche nach Nervenkitzel. Ich mag hie bewusst nicht spoilern, der Roman strotzt von originellen Ideen. Die Kunst des Romans liegt darin, diese vielen, tollen Ideen zu einem großen Ganzen sinnvoll zu verweben. Das ist sehr gut gelungen.
Dies gelingt Julia Bähr auch deshalb so gut, weil sie viele Fragen nicht auflöst. Genug, aber nicht alle. Und damit passt der Roman sehr gut in den aktuellen Zeitgeist. Das Leben ist komplex und es gibt nicht auf alles Antworten, und schon gar keine leichten. Das ist okay, weil die Hauptcharaktere, die weiblichen Münchner Avengers rund um Leonie, sich beweisen und den Herausforderungen stellen. Insgesamt habe ich das sehr gerne gelesen und empfehle es mit vollem Herzen weiter. Was ein Hit, der Hustle. Bravo!

Bewertung vom 20.09.2025
Biedermann, Nelio

Lázár


gut

Overhypte Mittelmäßigkeit
Nelio Biedermanns Roman „Lazar“ schlägt ja gerade Wellen. Da werden direkt die großen Vergleiche ausgepackt, z.B. mit Thomas Manns Buddenbrooks. Kann man machen, tut dem Buch aber unrecht. Einige Punkte mag ich hierzu feststellen: Biedermann hantiert gekonnt mit der deutschen Sprache. Er tut das für sein Alter ungewohnt filigran. Sein Wortschatz ist überdurchschnittlich groß und seine Sätze schön zu lesen.
Lazar ist dann aber leider trotzdem kein sehr gutes Buch. Warum? Biedermann erzählt die Geschichte einer Familie über mehrere Jahrzehnte hinweg. Dabei tritt keines der Familienmitglieder in den Mittelpunkt. Ein paar Stunden nach Ende der Lektüre muss ich mich bemühen, mich an die einzelnen Familienmitglieder zu erinnern. Es sind gute Ausschnitte dabei, die es an sich auch wert gewesen wären, detaillierter ausgearbeitet zu werden. Alleine, das Buch bringt das nicht mit. Was ich zu schätzen weiß, sind die gelungenen Einblicke in die eingearbeitete ungarische Landesgeschichte.
Und so schürft Biedermann an der Oberfläche dieser generationenübergreifenden Geschichte und verpackt alles in seine tolle Sprache. Als Leser musste ich mich durch Längen kämpfen und vergesse das Buch recht schnell wieder. Schade. Aber da gab es dieses Jahr schon bessere deutschsprachige Neuerscheinungen.
Viel Hype um eine mittelmäßige Familiengeschichte, deren Highlight die Insights in die ungarische Historie sind.

Bewertung vom 30.08.2025
Kornmüller, Jacqueline

6 aus 49


sehr gut

Ein eindrucksvolles Frauenleben
Jaqueline Kornmüller setzt ihrer Oma ein Denkmal. Und was für eins. Lina hat ein eindrucksvolles Leben geführt, mit Tiefen aber auch mit vielen Höhen. Mit Glück und mit Schwierigkeiten. Und er für sich selbst erträumt, einem Familienmitglied ein literarisches Denkmal zu setzen, der sollte dieses Buch lesen. Es ist von der erzählerischen Struktur mit seinen 49 Kapiteln absolut gelungen, sprachlich schön geschrieben und hat mich überaus positiv überrascht.
Dazu kommt, dass ich selbst aus dem süddeutschen Raum komme und mir die Auseinandersetzung mit der Stadt mit dem Bindestrich sehr gut gefällt. Es geht um Garmisch-Partenkirchen, dessen Zusammenschluss auf die Nazis zurückgeht und deren Geist dort immer noch zu erkennen ist. Dies wurde in diesem Buch äußerst mahnend und mit kritischer Feder integriert. Auch hierfür: Chapeau.
Bei meiner Lesefrequenz stellt sich nach jedem Buch die Frage, ob es ins Regal einziehen und bleiben darf. Das darf „6 aus 49“ sicher. Ich werde es weiterempfehlen und anderen Menschen zum Lesen in die Hände drücken. Danke Jaqueline Kornmüller für dieses schöne Werk.

Bewertung vom 13.08.2025
Rebanks, Helen

Die Frau des Farmers


sehr gut

Persönliche und herzliche Momente im Leben einer Bäuerin

Helen Rebanks hat ein persönliches Memoir verfasst. Es geht um ihr Leben, welches sie anekdotisch an einem Tag und chronologisch nacherzählt. Dazu hat sie die vielen Rezepte gepackt, mit denen sie ihre Familie über die Jahre ernährt hat und die in Erinnerung bleiben sollen. Das Buch ist damit eine zutiefst persönliche Angelegenheit.
Der Titel lädt dabei schon dazu ein, in eine Klischeefalle zu tappen. Und natürlich erfüllt Rebanks zusammen mit ihrer Familie das ein oder andere davon, wie wahrscheinlich wir alle. Auf der anderen Seite sind Helen Rebanks und ihr Mann James keine Landwirte aus dem Bilderbuch. Ihr Weg zur eigenen Landwirtschaft war nicht geradlinig. Sie haben ihren Betrieb nach ihren eigenen Vorstellungen aufgebaut.
Am Ende ist es das, was das Buch so eindrücklich für mich gemacht hat. Den eigenen Weg zu finden, wo dieser nicht direkt vorgezeichnet ist. Darauf zu vertrauen, mit dem richtigen Partner für die eigene Familie den richtigen Weg schon identifizieren zu können. Der offene Umgang mit Scham, Fehlschlägen und Ablehnung, als auch Konflikten in der Beziehung. Ich habe die Lektüre als bereichernd empfunden und werde vielleicht für das ein oder andere Rezept das Buch erneut zur Hand nehmen.

Bewertung vom 07.08.2025
Kuhn, Yuko

Onigiri


sehr gut

Eine berührende Familiengeschichte zwischen Deutschland und Japan
Das Cover hat mich in diesem Falle nicht abgeholt und mir nicht gefallen. Es wäre für das Buch wohl förderlicher gewesen, ein anderes Cover zu haben, um in den Buchhandlungen mehr Menschen anzusprechen. Dafür bin ich von dem interkulturellen Aspekt der Geschichte sehr angezogen worden. Ich bin seit einigen Jahren von Japan und seiner Kultur fasziniert. Das hat auch in diesem Falle dazu geführt, dass ich das Buch gerne zur Hand genommen habe. Und – soviel kann man jetzt schon verraten – nicht enttäuscht worden bin.
Abseits des interkulturellen Aspekts des Romans hält eine Kernkomponente dieses Buch zusammen: der Umgang einer erwachsenen Tochter mit ihrer alten, dementen Mutter in dem Bewusstsein, dass diese nicht mehr allzu lange zu leben hat. Die Tochter beleuchtet aus unterschiedlichen Perspektiven ihr Leben an der Seite ihrer Mutter und geht dabei auch die Erinnerungen aus ihrer Vergangenheit durch. Das Buch folgt dabei keiner geradlinigen Erzählstruktur, was zur Abwechslung beiträgt. Ich habe im Verlauf des Romans sowohl Tochter als auch Mutter ins Herz geschlossen. Ich kann mich zudem total mit dem Nähe/Distanz-Problem der Tochter identifizieren, dass fundamental für das Thema dieses Buchs ist.
Insgesamt möchte ich dem Buch den Stempel „Gute Literatur“ aufdrücken. Es lässt mich über meine eigenen Erfahrungen aus neuen Perspektiven nachdenken. Ich kann den Finger nicht genau darauf packen, warum es für mich nicht perfekt war, aber ich habe es in jedem Falle sehr gerne gelesen.

Bewertung vom 27.07.2025
Schoeters, Gaea

Das Geschenk


ausgezeichnet

Ein Hit, der zum Nachdenken anregt

Gaea Schoeters hat zuletzt mit „Die Trophäe“ einen Roman abgeliefert, der den Leser auf eine eindrucksvolle Reise nach Afrika mitgenommen hat. Das Buch war eines meiner Lektüre-Highlights in 2024. Die Vorfreude auf „Das Geschenk“ war entsprechend riesig.
Vom Cover weg, welches erneut toll ist, bis zur letzten Seite enttäuscht „Das Geschenk“ überhaupt nicht. Es kommt erneut mit einer sehr originellen Idee daher, die ich an dieser Stelle nicht spoilern möchte. Nimmt man diese Idee einfach hin und lässt sich von Gaea Schoeters mitnehmen, dann wird man diesen Roman sehr gern haben. Schoeters bringt ihre Charaktere erneut in Zwickmühlen. Die Welt steht Kopf. Und sie führt mit ihren klaren und präzisen Sprache durchs Chaos. Dabei regt sie einiges an eigener Reflektion an. Sie ist eine der Autorin, die durch ihr Werk, die Sichtweise ihrer Leser*innen auf die Welt ändert. Wenn man an diesem Roman etwas mäkeln möchte: der Spaß ist nach 140 Seiten schon zu Ende. Die Ideen hätten Stoff für mehr gehabt, aber ich mag es so lieber, als wenn sich ein Autor in der Länge und seinen eigenen Ideen verliert. Von mir gibt es volle Punktzahl und eine klare Empfehlung.

Bewertung vom 14.07.2025
Zwickau, Dora

Gesellschaftsspiel


ausgezeichnet

Ein spannendes Gedankenexperiment

Dora Zwickaus Roman „Gesellschaftsspiel“ war ein Zufallsfund. Der Rezensionsstapel wurde immer dünner und ich habe in vielerlei Leseproben hineingelesen. Hier war mir schnell klar, dass ich dieses Buch gern lesen mag. Die Hauptfiguren Isabelle, Annika und Dagmar haben alle ihre Ecken und Kanten, sind aber jede auf ihre Art äußerst liebenswert und werden von mir schnell ins Herz geschlossen. Dazu ist Zwickaus Sprache sehr gut verdaulich und das gewählte Format zwischen Romanpassagen und Auszügen erdachter Social Media zu springen etwas, das genau zu meinem Leserhythmus passt.
Zum Inhalt des Romans mag ich dann gar nicht spoilern. Es geht um ein großes Sozialexperiment eines Milliardärs in Weimar und die Idee ist spannend und faszinierend. So faszinierend, dass diese Idee es ist, die hauptsächlich dieses Buch trägt und ein sehr solides Fundament durch diesen Handlungsstrang ist. Gerne würde ich einen zweiten Teil lesen, der die Idee weiterführt. Ähnlich geht es mir aber auch mit den Figuren. Die Frauen sind alle alleinstehend und stark und es wird das weibliche Leben der Unabhängigkeit aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet. Ich als Leser nehme auch durch die Perspektiven und das Leben der Frauen neue Impulse für mein Weltbild mit. Charaktere und Handlungsstränge sind klar und ausgewogen ausgearbeitet.
Insgesamt macht das „Gesellschaftsspiel“ zu einem meiner liebsten Bücher aus 2025. Es ist ein erstes Highlight meines Lesesommers und ich habe Angst, dass die nachfolgende Lektüre da leider nicht rankommen wird. Unverhofft ein Hit. Ich empfehle dieses Buch vollen Herzens weiter!

Bewertung vom 06.07.2025
Berkel, Christian

Sputnik


sehr gut

Viele bereichernde Einblicke in die europäische Geschichte

Wenn ich nun ein paar Tage nach der Lektüre über dieses Buch nachdenke, klingt es immer noch positiv nach. Der Einstieg hat mich irritiert und an manchen Stellen fehlt dem Werk etwas mehr Klarheit. Ich glaube der Einstieg in das Buch ist nicht besonders gelungen, weil Berkel sich klar an die zeitlichen Abläufe hält und entsprechend sogar noch im Mutterleib seine Geschichte beginnen lässt. Wer sich da denkt: „Oh, oh“ dem sei geraten durchzuhalten. Grundsätzlich ist dies aber ein Roman, den ich auch Freunden und Bekannten in die Hand drücken würde.
Dies liegt an einigen Aspekten im Besonderen. Einerseits fand ich Berkels herausgearbeitete Perspektive auf Nachkriegstrauma sehr spannend. Ich fand zudem seine eigene, sehr frühe Leidenschaft für den Schauspiel- und Theaterbetrieb inspirierend. Auch Berkels Perspektive über sich selbst als Deutschen in Frankreich und seine Perspektive auf seine Zeit dort hat mich sehr begeistert. Danach traut er sich an den innerdeutschen Konflikt heran, in dessen Mittelpunkt die RAF stand. Auch das hat mir sehr gut gefallen.
Und am Ende war das dann ein sehr guter Roman, den ich gerne gelesen und der mich mehr mitgenommen hat, als ich mir erhofft hätte. Mit einer noch klareren Sprache und leichten inhaltlichen Anpassungen wäre das herausragend gewesen, aber auch so hat das in der Lektüre sehr viel Spaß gemacht.

Bewertung vom 07.06.2025
Hagena, Katharina

Flusslinien


sehr gut

Mehr-Generationen-Geschichte rund um den römischen Garten in Hamburg

Ich war sehr unvoreingenommen, was dieses Buch angeht. Ich hatte von Katherina Hagena noch keine Werke gelesen und mich auch vorher nicht informiert. Das Buch ist dann schon mal rein äußerlich ein Schmuckstück. Das Cover ist schön und die Farbkombination auch mit dem Lesebändchen sind ästhetisch schön anzuschauen.
Bei der Lektüre musste ich mich dann erstmal einfinden. Das Buch spielt mit drei und einer halben Erzählperspektiven und hat dadurch auch einen lyrischen Einschlag. Es ist in jedem Fall kein Werk, in dem sich die Handlungsstränge überschlagen. Die Erzählgeschwindigkeit ist gering und die Detailtiefe groß. Das hat einen beruhigenden Effekt und lässt sich sehr gut lesen.
Die Hauptpersonen, die in der Mehrzahl weiblich sind (für mich ein Plus), bringen die unterschiedlichsten Themen mit in die Geschichte ein. Einerseits haben alle vergangene Erlebnisse zu bewältigen. Andererseits besteht eine große Unsicherheit über zukünftige Geschehnisse. Dies sorgt für Spannung in diesem, in Blankenese verorteten, Roman.
Flusslinien kommt insgesamt mit ruhiger Gangart, Spannungsbögen aber vor allem mit liebenswerten Charakteren daher, denen man gerne folgt. Eine etwas unscheinbarere, aber umso ansprechendere Frühjahrserscheinung, die ich gerne weiterempfehle.