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Jenni

Bewertungen

Insgesamt 6 Bewertungen
Bewertung vom 06.09.2025
Keßler, Verena

Gym


ausgezeichnet

Selbstzerstörerische Obsession

Wow! "Gym" von Verena Kessler hat mich wirklich umgehauen und (auf eine gute Art) verstört. Die Geschichte fängt recht harmlos an. Zu Beginn nahm ich die Erzählerin als bemitleidenswerte Frau wahr, die auf der Suche nach einer zweiten Chance ist. Nach und nach verwandelt sich die Geschichte dann aber in eine abgedrehte und auch wirklich brutale und eklige Story rund um Selbstoptimierung, Obsession und ungesunden Ehrgeiz, bei der mir teilweise der Mund offen stehen blieb und die mich um ehrlich zu sein immer noch ein bisschen verfolgt. Während ich das Handeln und die Gedankengänge der Protagonistin am Anfang noch nachvollziehbar fand, entglitt sie mir im Verlauf der Geschichte immer mehr, je mehr sie sich in ihrer eigenen Besessenheit verliert. Das habe ich durchaus als etwas gutes empfunden, denn ich liebe diese moralisch grauen Charaktere, die auch mal eine Charakterentwicklung ins Negative durchmachen. Das Setting des MEGA GYM fand ich wahnsinnig gut gewählt, auch wenn es im Kern nicht um Sport geht, sondern um Selbstoptimierung und Konkurrenzdruck. Das lässt sich in einem Fitnessstudio natürlich wahnsinnig gut erzählen.

Das Buch ist auf jeden Fall abgefahren (Stichwort: weird girl fiction) und wirklich brutal, also seid gewarnt. Allen, die sowas mögen, empfehle ich "Gym" zu 100% weiter.

Bewertung vom 20.08.2025
June, Joana

Bestie (eBook, ePUB)


sehr gut

Zwischen Freundschaft und Selbstinszenierung

Sich selbst neu erfinden und nochmal ganz von vorne anfangen - wer hat nicht in einem schlechten Moment schonmal darüber nachgedacht? Delia macht es wahr. Sie nennt sich Lilly und zieht nach Hamburg zu Anouk, einer Influencerin, die sie schon lange bewundert. Beide Frauen erhoffen sich etwas von dieser neuen Freundschaft und sind von Anfang an nicht ehrlich zueinander.
Ich liebe Romane, die von Freundschaft handeln. Die Beziehung zwischen Delia und Anouk besteht zwar zu einem großen Teil aus Lügen und Selbstinszenierung, doch auch rührende und ehrliche Momente spielen sich zwischen den beiden ab. Diesen Spagat bekommt das Buch sehr gut hin. Es erzählt auf ehrliche Art und Weise vom Erwachsen werden in einer von Social Media geprägten Welt, von dem Ringen mit Erwartungen und Authentizität. "Bestie" lebt von den beiden Protagonistinnen. Entgegen meiner eigenen anfänglichen Erwartung, empfand ich es als um einiges leichter, mich mit Anouk zu identifizieren. Sie ist zwar überheblich und immer zu sehr auf ihr eigenes Wohl bedacht. Doch ich fand es oft stark, wie sie für sich selbst einsteht und wie reflektiert sie ihre Umwelt betrachtet, auch wenn sie nicht immer entsprechend handelt. In Delia konnte ich mich viel schwerer hineinversetzen. Ihre ständige Unsicherheit und ihr teilweise schon obsessives Verhalten hat mich beim Lesen hin und wieder irritiert und bildet einen extremen Kontrast zur Selbstbewussten Anouk. Hier hätte ich mir noch etwas mehr Tiefgang in ihre Vergangenheit gewünscht. Generell hätte vor allem am Ende einiges etwas mehr auserzählt werden können. Insgesamt hat "Bestie" mir jedoch - sowohl was die Themen als auch die Charaktere angeht - gut gefallen.

Bewertung vom 07.08.2025
Schoeters, Gaea

Das Geschenk


sehr gut

Interessante Prämisse, mitreißend umgesetzt

"Das Geschenk" von Gaea Schoeters hat mein Interesse durch eine ungewöhnliche, vielverspreche Prämisse geweckt: Weil die deutsche Regierung die Einführung von Jagdtrophäen verbietet, schickt der Präsident von Botswana 20.000 Elefanten nach Berlin. Von einem auf den anderen Tag müssen die deutschen Bürger:innen mit den Tieren leben, in einem Land, das auf dieses Zusammenleben rein gar nicht ausgerichtet ist. Wir erleben die Geschichte aus dem Blickwinkel eines fiktiven deutschen Bundeskanzlers, der versucht, das Land durch die Krise zu navigieren. Zwar sind die Politiker:innen in dem Roman fiktiv und Parteinamen werden nicht genannt. Und trotzdem hat Schoeters es geschafft, die deutsche politische Landschaft glaubhaft darzustellen. Teilweise musste ich darüber schmunzeln, wie real ich Verhaltensweisen von Politiker:innen, Bürger:innen und Presse empfand. Das Gedankenspiel, was so eine große Menge Elefanten in unserem Land anrichten können, fand ich ebenfalls sehr gelungen. Leider ist das Buch sehr kurz und geht deshalb bei vielen Aspekten nicht in die Tiefe. Außerdem fand ich es schade, dass der Konflikt zwischen Botswana und Deutschland kaum auserzählt wird. Ich hätte gern mehr über die Dynamik gelesen, dass ein Land aus dem globalen Norden sich in die Angelegenheiten des globalen Südens einmischt. Hier habe ich mir mehr erhofft. Trotzdem hatte ich viel Spaß mit dem Buch!

Bewertung vom 22.06.2025
Noort, Tamar

Der Schlaf der Anderen


gut

Tolle Charaktere und spannende Themen

"Der Schlaf der Anderen" dreht sich um die beiden Frauen Sina und Janis. Sina leidet unter Schlaflosigkeit und kommt deshalb in das Schlaflabor, in dem Janis arbeitet. Die beiden Frauen spüren sofort eine besondere Verbindung zueinander und der Roman erzählt nach und nach von den Lebensgeschichten und Konflikten der beiden Figuren. Die beiden Protagonistinnen tragen den Roman. Beide haben mir sehr gut gefallen und wirkten auf mich mit ihren Sorgen und Ängsten sehr nahbar und eindrücklich. Auch der Schreibstil und Aufbau der Geschichte hat mir gefallen - Die Geschichte begleitet Janis und Sina abwechselnd und es gibt einige Zeitsprünge und Wechsel der Erzählperspektive. Ich finde auch Schlaf als Thema wahnsinnig interessant, und es hätte für meinen Geschmack ruhig noch ein paar nerdy Facts zum Thema Schlaf geben können. Auch die anderen Themen, die behandelt wurden - die Überforderung und Erschöpfung von Frauen, Hustle Culture, Lebensentscheidungen bereuen - haben mich definitiv abgeholt, allerdings hätte ich mir hier ein bisschen mehr Tiefgang gewünscht. Ich konnte zu vielem sehr gut relaten und trotzdem hat mir zum Teil der Funke gefehlt.

Alles in allem empfehle ich den Roman auf jeden Fall weiter, vor allem an Leute, die Charakter-getriebene Geschichten und interessante Frauenfiguren mögen.

Bewertung vom 02.04.2025
Serrano, Beatriz

Geht so


sehr gut

Der Horror der Corporate Welt

Der Roman "Geht so" von Beatriz Serrano lebt von den ungefilterten Gedanken und inneren Monologen der Protagonistin Marisa. Wir begleiten sie in ihrem Büroalltag, in dem sie sich mit nervigen Kolleg:innen rumschlagen muss und das Ziel verfolgt, möglichst wenig zu arbeiten und möglichst viel YouTube zu schauen. Marisa hat sich von ihrem Job und ihrem Alltag entfremdet. Sie sieht keinerlei Sinn in ihrem Tun und lehnt den Zweck von Marketing sogar grundlegend ab.

Das Ganze ist humorvoll, sarkastisch und bissig erzählt – sonst würde es wahrscheinlich auch keinen Spaß machen, die Gedanken dieser deprimierten Frau Anfang dreißig zu lesen. An vielen Stellen musste ich lachen und dachte sofort „same“. An anderen Stellen wird hingegen doch ein sehr ernster Tonfall angeschlagen.

Im Endeffekt ist klar, dass Marisa die sarkastische Art aufrechterhält, um sich von allem zu distanzieren und mit ihrer Angststörung fertig zu werden. Ihr Leben und ihren Job ernst zu nehmen, würde bedeuten, die Wucht darüber zuzulassen, wie langweilig und einsam sie ihr eigenes Leben findet. Ich fand den Spagat aus trockenem sinnieren über die Leere des Lebens und den lustigen Anekdoten über die Ironie des Büroalltags sehr gelungen. Allerdings bleibt das Ganze durch den sarkastischen Ton in meinen Augen etwas distanziert. Zum Ende möchte ich natürlich nicht zu viel verraten, doch eines sei gesagt: Das fand ich mehr als gelungen.

Fazit
Zum Glück hasse ich meinen Job im Gegensatz zu Marisa nicht. Trotzdem fand ich viele Aspekte von Geht so wahnsinnig interessant und konnte mich in einigem wiederfinden. Den eigenen Wert über Anerkennung im Job bemessen, der Sinn und Unsinn von typischen Bürojobs und eine toxische Überidentifikation mit dem Job – All das ist vielen Erwachsenen so oder so ähnlich im Berufsleben sicher schon begegnet. Beatriz Serrano beschreibt Themen wie Einsamkeit, Entfremdung und Mental Health auf eine unverkennbare Art und Weise – ich wusste dabei manchmal nicht, ob ich schmunzeln oder weinen soll.

Bewertung vom 23.03.2025
Montell, Amanda

Das Zeitalter des magischen Zerdenkens. Notizen zur modernen Irrationalität


sehr gut

In "Das Zeitalter des magischen Zerdenkens" erklärt Amanda Montell das Konzept von kognitiver Verzerrung, das in der heutigen, modernen Welt in unseren Köpfen präsent ist. Montell argumentiert, dass in unserem modernen Informationszeitalter eine viel zu große Masse an Informationen zur Verfügung steht, mit der unser Gehirn nicht mehr zurecht kommt. Das führt dazu, dass wir immer irrationaler werden. Kapitel für Kapitel beschreibt Montell verschiedene Phänomene kognitivier Verzerrung. Diese erklärt sie wissenschaftlich fundiert, stützt sich aber auch auf sehr nachvollziehbare persönliche Anekdoten sowie popkulturelle Phänomene, sodass das Buch gleichzeitig informativ und auch wahnsinnig unterhaltsam ist. Einige Phänomene, wie die Sunk Cost Fallacy / Versunkene-Kost-Falle, kannte ich bereits. Trotzdem habe ich eine Menge gelernt, auch wenn ich mir an der ein oder anderen Stelle etwas mehr Tiefgang gewünscht hätte.