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Herbstrose

Bewertungen

Insgesamt 227 Bewertungen
Bewertung vom 06.10.2025
Huth, Peter

Aufsteiger (eBook, ePUB)


sehr gut

Aufstieg und Fall
Auf dem Seziertisch liegt eine Leiche, über deren Tod Kommissar Fallner ermittelt. Wer ist es? Felix Licht, Journalist bei einem angesagten Magazin, ist es nicht. Er ist glücklich, denn heute soll er endlich den Posten des Chefredakteurs bekommen, auf den er so lange hingearbeitet hat. Doch dann ist die Enttäuschung groß, den begehrten Posten bekommt die junge Farbige Zoe Rauch, die er einst ausgebildet hat, mit der er damals sehr eng befreundet war und an die er noch oft, vielleicht zu oft, denken muss. Mit dieser Schmach kann Felix nicht umgehen. Er lässt seinen Frust zu Hause bei Frau und Kind aus und muss daraufhin ins Hotel ziehen. Der windige Rechtsanwalt Cornelius Sentheim, Spezialist für solche Fälle, wird auf ihn aufmerksam und rät ihm zur Klage gegen die Eigentümer des Magazins wegen Diskriminierung. Inzwischen hat sich Felix jedoch mit Zoe getroffen und die alte Liebe zu ihr ist wieder erwacht …
Peter Huth, geb. 1969 in Kleve, ist ein deutscher Journalist, Schriftsteller und Musikverleger. Als Chefredakteur bei namhaften Verlagen und Unternehmenssprecher bei Axel Springer hat er bereits mehrere Sachbücher und Romane veröffentlicht. „Aufsteiger“ (2025, Verlag Droemer Knaur GmbH.) ist sein dritter Roman. Peter Huth ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt mit seiner Familie in Berlin.
Dass sich der Autor in der Medienbranche gut auskennt, merkt man beim Lesen. Ehrgeiz und Rivalität sind sehr gut heraus gearbeitet und wirken glaubwürdig. Es werden viele aktuelle Themen behandelt, wie die Probleme mit den Klimaklebern, das Transgender-Thema und die Verbreitung von Fake News, um nur einige zu nennen. Spannung wird hauptsächlich dadurch erzeugt, dass Huth die Geschichte wie ein Krimi beginnt: Eine unbenannte Leiche, über deren Tod ein Kommissar ermittelt und deren Identität man erst zum Schluss erfährt. Ein angenehmer, gut lesbarer Schreibstil sowie die authentisch und lebensecht als individuelle Personen beschriebenen Charaktere machen das Lesen interessant und bieten reichlich Stoff zum Nachdenken.
Fazit: Ein gut gelungener Roman der viele Themen behandelt, die die Menschen heute beschäftigen. Meine Empfehlung!

Bewertung vom 01.10.2025
Boyle, T. C.

No Way Home (deutschsprachige Ausgabe)


ausgezeichnet

Rivalität in der Wüste
Nach dem Tod seiner Mutter fährt Terrence „Terry“ Tully, 31jähriger Assistenzart im County/USC Hospital in Los Angeles, nach Boulder City in Nevada, um dort den Nachlass zu regeln, sich um ihren Hund Daisy zu kümmern und das geerbte Haus zu verkaufen. Kaum angekommen, lernt er in einer Bar Bethany, eine junge bildhübsche Frau, kennen, von der er sofort magisch angezogen wird. Sie hatte sich von ihrem Freund Jesse getrennt und war nun ohne Wohnung. Terry erweist sich als Retter in der Not und nimmt sie mit in sein Haus. Nach dieser Nacht war er verliebt, war ihr verfallen. Das änderte sich auch nicht, als Bethany nach seiner Abreise heimlich in seinen Haus einzog und gleich noch ihre Freundin Lutie mit einquartierte. Terry ist zwar nicht damit einverstanden, kann sich aber gegen Bethanys starken Willen nicht durchsetzen. Als auch noch ihr Ex-Freund Jesse dort auftaucht, kommt es in der Wüste zum Eklat …
T.C. Boyle, geb. 1948 in Peekskill, N.Y., ist einer der populärsten US-Schriftsteller im deutschsprachigen Raum. Er studierte Englisch und Geschichte, erwarb einen Doktorgrad, und lehrte von 1986 bis 2012 als ordentlicher Professor an der University of Southern California in Los Angeles. Boyle schrieb zahlreiche Romane und Kurzgeschichten, die in vielen Sprachen übersetzt wurden. Seit 1974 ist der Autor verheiratet, hat drei Kinder und lebt seit 1994 mit seiner Familie in Montecito bei Santa Barbara in Kalifornien.
„No Way Home“ (2025 Hanser-Verlag, München) ist die Geschichte eines zerstörerischen Dreiecksverhältnisses zwischen dem in seinen Gefühlen schwankenden Arzt Terry, der schönen aber berechnenden Bethany und ihrem eifersüchtigen Ex-Freund Jesse. Dabei wechselt Boyle regelmäßig die Perspektiven und erzählt die einzelnen Kapitel abwechselnd aus der Sicht dieser drei Protagonisten. So erlebt man als Leser deren Gefühlswelt hautnah und kann ihre Ängste und Aggressionen sowie ihre widersprüchlichen Motivationen besser verstehen. Das Aufeinanderprallen dieser gegensätzlichen Charaktere erzeugt eine hohe Spannung, die durch die Abgeschiedenheit der Wüste und der Kleinstadt im kulturellen Gegensatz zu L.A. noch verstärkt wird. Auch wenn man mit der Handlungsweise der drei Protagonisten nicht einverstanden sein kann, so ist es doch ein atmosphärisch dichter, fesselnder und nachdenklich stimmender Roman, der die Abgründe zwischenmenschlicher Beziehungen schonungslos aufzeigt.
Fazit: Ein großartiger Roman, den ich besonders für Leser*innen mit Interesse an destruktiven Liebesgeschichten und psychologischen Dramen empfehlen möchte.

Bewertung vom 29.09.2025
Keweritsch, Katja

Das Flüstern der Marsch


gut

Eine Familie mit Geheimnissen

Als Mona Hansen im Haus ihrer Großeltern in der Marsch eintrifft, um bei den Vorbereitungen zum 80. Geburtstag von Opa Karl zu helfen, muss sie feststellen, dass Großmutter Annemie spurlos verschwunden ist. Während sie sich Sorgen macht, scheint Opa Karl die Abwesenheit seiner Frau gelassen hinzunehmen. Als auch die Suche der Polizei und die Befragung der Nachbarn und Freunde erfolglos bleibt, entschließt sich Mona, vorläufig bei Opa zu bleiben. So zieht sie wieder in dem alten Haus im abgelegenen kleinen Dorf ein, in dem ihre Mutter Sabine mit ihren Brüdern aufgewachsen ist und sie selbst in ihrer Kindheit viele Sommer verbrachte. Durch Zufall trifft sie Jon Hellmann, ein Freund aus Kindertagen, wieder, der ihr bei der Suche nach Großmutter Annemie behilflich ist. Gemeinsam suchen sie nach Hintergründen, erforschen die Geschichte der Familie Hansen und stoßen dabei auf dunkle Geheimnisse einzelner Familienmitglieder. Auch Oma Annemie hat ein schmerzliches Geheimnis, über das sie erfolgreich sechzig Jahre geschwiegen hat …

In mehreren Erzählsträngen berichtet die Autorin über das Leben von vier Frauen aus drei Generationen, wobei Mona in der Ich-Form erzählt, während über Großmutter Annemarie, Tante Janne und Cousine Freya in der dritten Person geschildert wird. Der ständige Wechsel zwischen den einzelnen Personen und den Rückblenden zwischen 1964 und 2024 macht die Geschichte zu Anfang sehr verwirrend und es erfordert viel Konzentration beim Lesen. Lange waren mir die Zusammenhänge nicht klar und ich hatte Schwierigkeiten, alles einzuordnen. Es herrscht eine berückende Stimmung, die sich durch die ganze Geschichte zieht, und so traurig die einzelnen Schicksale auch sind, ich konnte mich in keine der Protagonistinnen richtig einfühlen, sie blieben für mich merkwürdig blass.

Es werden sehr viele, teils schwierige, Themen behandelt: Uneheliche Schwangerschaft in den 60er Jahren, die damalige Abhängigkeit der Frauen von ihren Ehemännern, Entscheidung über Abtreibung, Doppelbelastung der Frauen durch Beruf, Haushalt und Kindererziehung, mangelndes Vertrauen und fehlender Zusammenhalt in der Ehe, usw. Lobenswert zu erwähnen ist die ausdrucksvolle Beschreibung der Landschaft, die Weite und Einsamkeit der Marsch mit ihrer vielfältigen Flora und Fauna. Gegen Ende fügen sich die einzelnen Erzählstränge dann zusammen und ergeben ein harmonisches Gesamtbild. Es kommt sogar etwas Spannung auf, was jedoch die Schwierigkeiten zu Anfang nicht wettmachen kann.

Fazit: Durchschnittliche Geschichte, mit der ich nicht warm geworden bin - anhand der Buchbeschreibung hatte ich mehr erwartet.

Bewertung vom 27.08.2025
Foenkinos, David

Das glückliche Leben


ausgezeichnet

Innehalten und neu anfangen
Zwanzig Jahre ist Éric Kherson schon im gleichen Betrieb und es ging in der Karriereleiter stetig bergauf. Er ist Geschäftsführer des Konzerns, als er von einer früheren Mitschülerin ein Angebot erhält: Amélie Mortiers ist Staatssekretärin im Ministerium für Außenhandel und sucht einen zuverlässigen Mitarbeiter, der sie auf ihren vielen Auslandsreisen begleiten soll. Trotz schrecklicher Flugangst reizt ihn die neue Aufgabe und er sagt zu. Èrics erste Reise mit Amélie geht nach Seoul, wo sie sich mit einem einflussreichen Mann von Samsung treffen sollten. Um seine Gedanken zu ordnen macht Éric vor dem Meeting noch einen Spaziergang. Dabei fällt ihm ein Laden mit dem Schriftzug „Happy Life“ auf, den er aus reiner Neugierde aufsucht. Das Erlebnis seiner eigenen Beerdigung, das er dort hatte, stimmte ihn so nachdenklich, dass er zu einem völlig anderen Menschen wurde. Wieder zu Hause möchte er seine Erfahrung weitergeben und macht sich selbständig. Das Glück ist Éric wohlgesinnt, denn eines Tages möchte auch Amélie das Gefühl der eigenen Beerdigung erleben …
David Foenkinos, geb. 1974 in Paris, ist ein französischer Schriftsteller, Drehbuchautor und Regisseur, der an der Sorbonne Literatur und Musik studierte. Er hat bisher über zwanzig Bücher geschrieben, die in über vierzig Sprachen übersetzt wurden und für die er in Frankreich bereits zahlreiche Auszeichnungen erhalten hat. Einige seiner Romane hat er, zusammen mit seinem Bruder Stéphane, selbst verfilmt. Sein letztes Werk „La vie heureuse“ (2024 Gallimard) wurde jetzt ins Deutsche übersetzt und erscheint am 04.09.2025 unter dem Titel „Das glückliche Leben“ beim Verlag Kiepenheuer & Witsch. Foenkinos lebt in Paris.
Wie so oft bei Foenkinos ist auch in diesem Roman eine gewisse Melancholie zu spüren und das Thema Tod ist mit einer Prise Humor gewürzt. Als Leser begleitet man Èric Kherson, den Protagonisten, bei seinen Aktivitäten und ist somit stets hautnah am Geschehen. Auch hier, wie meist bei Foenkinos, ist die männliche Hauptfigur etwas unschlüssig in seinem Tun und findet häufig keine Worte, ist aber immer sehr sympathisch. Der Schreibstil ist klar, präzise und schnörkellos, dennoch humorvoll und emotionsgeladen und passt ausgezeichnet zum Geschehen. Trotz meist melancholischer Grundstimmung gibt es ein hoffnungsvolles und glückverheißendes Ende, das den Leser nachdenklich zurücklässt.
Fazit: Ein typischer Foenkinos: Das Thema Tod gewürzt mit ironischem Humor und mit hoffnungsvollem Blick in die Zukunft.

Bewertung vom 22.08.2025
Konishi, Masateru

Die Bibliothek meines Großvaters


gut

Seit jeher hatten Kaede, eine junge Lehrerin aus Tokio, und ihr Großvater ein inniges Verhältnis zueinander. Daran änderte sich auch nichts, als der alte Mann allmählich dement wurde. Kaede besucht ihn regelmäßig in seinem Haus und, wenn er seine lichten Momente hat, sprechen sie wie früher über knifflige Kriminalfälle und deren verschiedenen Lösungsmöglichkeiten. Beide lieben Bücher, besonders Krimis. Als Kaede in einem alten Buch seltsame Zeitungsausschnitte entdeckt denken sie gemeinsam über deren Bewandtnis nach und versuchen, dem Rätsel auf die Spur zu kommen. Auch andere Aufgaben lösen sie gemeinsam. Doch als eines Tages Kaede selbst in Gefahr ist liegt es an Großvaters genialer Kombinationsgabe, seine Enkelin davor zu bewahren …
Masateru Konishi, geb. 1965, ist ein japanischer Autor. „Die Bibliothek meines Großvaters“ ist sein erster Roman, der 2023 in Japan ein Bestseller wurde und einen Preis erhielt, und 2025 in deutscher Übersetzung beim Verlag Kiepenheuer & Witsch erschienen ist. Das Buch beruht zum Teil auf den Erfahrungen des Autors mit der Pflege seines demenzkranken Vaters und ist der erste Teil einer Trilogie.
Der rote Faden des Romans ist die enge familiäre Bindung zwischen Großvater und Enkelin, die beide sehr herzlich und einfühlsam miteinander umgehen. Ihre gemeinsame Liebe zu Büchern und Rätseln schafft innige Momente, die die Demenz vorübergehend vergessen lassen. Die dazwischen eingebundenen kurzen Krimi-Episoden jedoch, die der alte Mann durch fundiertes Wissen, Kombinationsgabe und Zufall löst, wirken allesamt konstruiert und waren für mich weder interessant noch spannend. Die Nebenfiguren, Freunde und Kollegen, bleiben alle seltsam blass und unnahbar und konnten mein Interesse auch nicht wecken. Erst gegen Ende der Geschichte, als sich eine Romanze anzubahnen schien und Kaede selbst in Gefahr war, kam etwas Spannung auf, was wohl das Interesse am nächsten Band der Trilogie wecken soll.
Fazit: Kann man zur Unterhaltung zwischendurch lesen – ich hatte mehr erwartet.

Bewertung vom 17.08.2025
Sußebach, Henning

Anna oder: Was von einem Leben bleibt (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Auf den Spuren der Vergangenheit
1887 kommt die junge Anna Kalthoff ins sauerländische Dorf Cobbenrode, wo sie die Stelle als Lehrerin antritt. Obwohl es die Regeln vorschreiben, dass eine Lehrerin unverheiratet zu sein hat, entscheidet sich Anna, über ihr Leben selbst zu bestimmen. Sie verliebt sich in einen jüngeren Mann, heiratet ihn, wird aber bald Witwe. Sie übernimmt sein Wirtshaus mit der angegliederten Poststelle und zieht den inzwischen geborenen Sohn alleine groß. Jahre später heiratet sie erneut und gebiert mit 45 Jahren noch eine Tochter.
Henning Sußebach, geb. 1972 in Bochum, studierte in Dortmund Journalistik. Von 1995 bis 1997 volontierte er bei der „Berliner Zeitung“, wo er anschließend als Sportredakteur und Reporter arbeitete, bis er 2001 zur „Zeit“ wechselte. Nebenbei veröffentlichte er zahlreiche Sachbücher und erhielt einige der wichtigsten deutschen Journalistenpreise. Der Autor lebt mit seiner Familie in der Nähe von Hamburg.
In dem Buch „Anna oder: Was von einem Leben bleibt“ (2025, C.H.Beck-Verlag) erzählt Henning Sußebach die bewegende Geschichte seiner Urgroßmutter Anna Kalthoff. Anhand von Fotos, Poesiealben und einiger verbliebener Erinnerungsstücke, verbunden mit viel Recherchearbeit, gelang es ihm, die damalige Zeit zu rekonstruieren und ein lebendiges Bild von Annas Leben entstehen zu lassen. Er thematisiert nicht nur Annas persönliche Entscheidungen, sondern legt den Fokus auch auf die mannigfachen Herausforderungen, denen sich die Frauen seinerzeit ausgesetzt sahen. Sehr interessant sind auch die, parallel zu Annas Geschichte, chronologisch geschickt eingefügten historischen Ereignisse, die nahezu in Vergessenheit geraten sind.
Fazit: Ein literarisch ansprechendes Werk, berührend und warmherzig, das den Leser dazu anregen kann, in der eigenen Familiengeschichte nachzuforschen.

Bewertung vom 10.08.2025
Gerstberger, Beatrix

Die Hummerfrauen (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Auf der Insel der Hummerfischer
Als Kind verbrachte Mina viele Sommer mit ihren Eltern und ihrem großen Bruder Christopher auf Eagle Island, einer kleinen Insel an der Küste von Maine. Völlig unbeschwert konnte sie dort mit dem Fischerjungen Sam herum streifen, Muscheln und Vogelfedern sammeln, schwimmen und mit seinem Boot hinaus aufs Meer fahren. Doch ein Ereignis änderte plötzlich alles - die Familie kehrte nie wieder auf ihre Urlaubsinsel zurück. Inzwischen sind zwanzig Jahre vergangen. Durch den plötzlichen Tod ihres Bruders ist ihre Familie zerbrochen und Mina hat jeglichen Halt verloren. Die Suche nach sich selbst führt sie an die Küste von Maine, dorthin, wo sie eine glückliche Zeit verlebte. Es war ein stürmischer Tag, als sie im Fischerdorf Stone Harbor ankam. Bei der 72jährigen Ann, die seit der Trennung von ihrer Lebensgefährtin alleine mit ihrem Haustier, einem seltenen blauen Hummer, lebt, findet Mina Unterschlupf und bei Julie, einer resoluten Hummerfischerin Mitte 50, kann sie sich nützlich machen. Sie fährt mit ihr raus aufs Meer zum Hummerfang. Von den beiden Frauen erhält sie die familiäre Wärme, die sie so sehr vermisste. Dann trifft sie Sam wieder und die tiefe Zuneigung von damals flammt sofort wieder auf. Auch seine Familie zerbrach an jenem tragischen Sommertag …
Beatrix Gerstberger, geb. 1964 im Sauerland, ist eine deutsche Autorin und Journalistin, die bekannt ist für ihre emotionalen und tiefgründigen Reportagen und Bücher. Nach dem frühen Tod ihres Partners zog sie, um einen Weg aus der Trauer zu finden, Anfang der 2000er mit ihrem damals noch kleinen Sohn für ein halbes Jahr in ein Hummerfischerdorf. Dort lernte sie, dass es viele unterschiedliche Formen von Verlust gibt und dass es genau so viele unterschiedliche Wege gibt, damit umzugehen. Der damalige Aufenthalt in Maine inspirierte sie zu dem Roman „Die Hummerfrauen“ (2025, dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co KG, München). Beatrix Gerstberger lebt heute in Hamburg.
Der Autorin ist es großartig gelungen, den beschwerlichen Alltag der Hummerfischerinnen in einen warmherzigen Roman zu integrieren. Wir lesen von drei Frauen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, die aber dennoch viel gemeinsam haben: ihre Liebe zum Meer und ihr Bedürfnis nach Zusammenhalt. Beatrix Gerstberger hat einen sehr lebendigen, flüssigen Schreibstil und erfasst auch Zusammenhänge und Beziehungen äußerst treffend. Dabei entsteht ein wunderbares Bild der Umgebung, des Meeres und des Dorflebens, sodass man das Gefühl hat, dabei zu sein. Sie erzählt uns die Geschichte der drei Frauen hauptsächlich in den Jahren 2000/2001, schweift gelegentlich zurück zum Sommer 1982, als Mina zum letzten Mal mit ihrer Familie auf der Insel war, und im Prolog und im Epilog erfahren wir, wie es Mina in der Zwischenzeit ergangen ist und wie sie heute lebt.
Fazit: Ein außergewöhnlicher und einfühlsamer Roman über Verlust und Trauer, und über eine Liebe, die von der Vergangenheit überschattet wird.

Bewertung vom 25.07.2025
Maury , Avril

Noch fünfzig Sommer mehr


weniger gut

Eleni war fünf Jahre alt als sie zu ihren Großeltern in die Bretagne kam, wo sie von nun an bei ihnen im Haus zwischen Wald und Ozean leben sollte. Jetzt ist sie fünfundzwanzig und lebt alleine dort, denn ihre Großeltern sind inzwischen verstorben. Seit ihrem Tod hat sie eine tiefe Depression heimgesucht, sie meidet Menschen und geht nur noch nachts aus dem Haus. Bei einem ihrer nächtlichen Ausflüge ans Meer trifft sie dort auf Théo, der ihr aus einer misslichen Lage behilflich ist. Ihm kann sie sich öffnen und bald zieht er zu ihr ins Haus am Wald. Sie verleben eine glückliche Zeit, bis Théo plötzlich stirbt. Sie trauert tief, die Depression kommt mit Macht zurück und Eleni geht nicht mehr aus dem Haus – bis sie eines Tages einen Topf mit einer Sommeranemone und einen Brief mit Pflegeanleitung vor ihrer Haustür findet. Es bleibt nicht dabei, weitere Pflanzen und Briefe folgen. Ihre Neugierde ist geweckt, wer ist der geheimnisvolle Absender? …
Avril Maury ist das Pseudonym einer deutschen Autorin. Sie lebt nah am Meer, wo sie Inspiration für ihre Geschichten sammelt. Wenn sie nicht schreibt, widmet sie sich liebevoll der Pflege ihres Gartens. (Ullstein-Verlag)
Aufgrund des Titels, des schönen Covers und des interessanten Klappentextes erwartete ich eine emotionale Sommergeschichte. Leider wurde ich enttäuscht, ich fand die Geschichte banal und des einfachen Schreibstils wegen eher für Jugendliche geeignet. Zwar ist die Landschaft der Bretagne, das Meer bei Sonnenschein und Sturm, das Haus der Großeltern und die Blütenbracht in deren Garten sehr schön beschrieben, aber das reicht m. E. für ein gutes Buch nicht aus. Das Benehmen und Verhalten der Protagonistin Eleni, die immerhin beinahe 30 Jahre alt ist, fand ich sehr seltsam und konnte ihre Handlungen nicht nachvollziehen. Die Geschichte wirkt teilweise arg konstruiert, es gibt viele Wiederholungen und das Ende ist vorhersehbar. Dass Eleni unter wiederkehrenden Depressionen leidet wurde nie erwähnt und einfach so abgetan. Dass ein paar Nachrichten und Blumen einen Menschen aus diesem Tief herausholen können, ist doch mehr als unwahrscheinlich. Der ständige Wechsel zwischen Gegenwart und Vergangenheit macht die Geschichte auch nicht interessanter und erschwert nur das Lesen.
Fazit: Mag für sehr junge Menschen vielleicht ganz interessant sein, mein Geschmack war es nicht.

Bewertung vom 06.07.2025
Jenkins Reid, Taylor

Atmosphere (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Astronautin, ein Traumjob?
Schon als Kind war Joan Goodwin fasziniert von den Sternen. Nun, 1980, ist sie Professorin für Astrophysik und bewirbt sich bei der NASA als Astronautin für das Space-Shuttle-Programm. Es beginnt eine anstrengende Ausbildungszeit, die sie zusammen mit einigen anderen hoch qualifizierten Frauen und Männern absolviert. Jetzt ist sie dem Traum ihres Lebens, ins All zu fliegen, bereits ganz nahe, als das Unerwartete eintrifft: Sie begegnet der Liebe ihres Lebens, was ihre weitere Karriere infrage stellen könnte. Einige Zeit gelingt es ihr sie geheim zu halten, doch dann, 1984 während einer Mission, ändert sich alles …
Taylor Jenkins Reid, geb. 1983 im US-Bundesstaat Maryland, ist eine amerikanische Schriftstellerin, die seit 2013 schreibt. Ihre bisher erschienenen Romane und Kurzgeschichten wurden millionenfach gelesen und in über zwanzig Sprachen übersetzt. Die Autorin lebt mit ihrem Mann und einer Tochter in Los Angeles.
„Atmosphere“ ist sowohl ein Roman über die Raumfahrt der 1980er Jahre, als auch eine ergreifende Liebesgeschichte. Durch gute Recherche schafft es die Autorin, dem Leser die Atmosphäre, die Herausforderungen und die technischen Abläufe bei der NASA zu vermitteln, ohne zu sehr ins Detail zu gehen. Die Charaktere wirken dabei sehr authentisch und die Probleme, mit denen die ersten Astronautinnen zu kämpfen hatten, sind absolut glaubhaft. Der Schreibstil ist dabei präzise und mitreißend, bei der Liebesgeschichte hingegen einfühlsam und emotional.
Fazit: Ein Lesehighlight für alle, die sich für emotionale Liebesgeschichten, für starke Frauenfiguren und für die Anfänge der Raumfahrt interessieren.

Bewertung vom 30.06.2025
Hughes, Siân

Perlen


gut

Perlen der Erinnerung
Marianne ist gerade mal acht Jahre alt, als ihre Mutter Margaret kurz nach der Geburt des kleinen Joe das Haus am Rande des Dorfes verlässt und nicht mehr zurück kommt. Für Vater Edward ist es sehr schwer sich um den Haushalt und die Kinder zu kümmern, so ziehen sie bald in ein Haus in der Stadt, wo er als Dozent an der Universität arbeitet. Marianne bleiben nur die Erinnerungen an die Mutter, an ihre Liebe, an die Geschichten und Märchen die sie erzählte und an die gemeinsamen Spiele. Diese Gedanken begleiten sie, bis sie selbst erwachsen ist und eine kleine Tochter hat. Jetzt beginnt sie nach den Gründen zu forschen die ihre Mutter veranlasst haben könnten, die Familie zu verlassen – und entdeckt ein Geheimnis …
Siân Hughes, geb. 1965, ist eine britische Autorin, Dichterin und Lehrerin. Sie wuchs in einem kleinen Dorf auf, das ihr als Schauplatz des Romans „Pearl“ diente. Bereits 1996 begann sie Gedichte zu schreiben. Ihr Gedichtband „The Missing“ stand 2009 auf der Longlist für den ‚Guardian First Book Award‘, auf der Shortlist für den ‚Felix Dennis‘- und den ‚Aldeburgh-Prize‘ und gewann den ‚Seamus Heaney Award‘. Ihr Debütroman „Pearl“ stand 2023 auf der Longlist für den ‚Booker Prize 2023‘ und erschien in deutscher Übersetzung unter dem Titel „Perlen“ im Mai 2025 bei DuMont-Buchverlag. Die Autorin lebt mit ihrem Sohn in Cheshire, wo sie eine Buchhandlung besitzt und leitet.
In ruhigem, beinahe schon poetischem Schreibstil berichtet uns die Ich-Erzählerin Marianne von ihrer inneren Zerrissenheit und ihren geheimen Gedanken. Der Verlust der Mutter wirkt immer noch zurück und sie versucht, die Erinnerung an sie lebendig zu halten. Diese Rückblicke sind leider nicht chronologisch, sodass es für uns Leser nicht ganz einfach ist, Mariannes Lebenslauf nachzuvollziehen. Die Geschichte plätschert mehr oder weniger dahin und wird erst zum Ende hin interessant, wenn sich die Zusammenhänge erschließen. Insgesamt jedoch ist das Geschehen ohne große Gefühle und die Figuren wirken auf mich blass und emotionslos.
Fazit: Das Buch wird sicher seine Leserschaft finden – mich konnte es nicht begeistern.