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Herbstrose

Bewertungen

Insgesamt 223 Bewertungen
Bewertung vom 22.08.2025
Konishi, Masateru

Die Bibliothek meines Großvaters


gut

Seit jeher hatten Kaede, eine junge Lehrerin aus Tokio, und ihr Großvater ein inniges Verhältnis zueinander. Daran änderte sich auch nichts, als der alte Mann allmählich dement wurde. Kaede besucht ihn regelmäßig in seinem Haus und, wenn er seine lichten Momente hat, sprechen sie wie früher über knifflige Kriminalfälle und deren verschiedenen Lösungsmöglichkeiten. Beide lieben Bücher, besonders Krimis. Als Kaede in einem alten Buch seltsame Zeitungsausschnitte entdeckt denken sie gemeinsam über deren Bewandtnis nach und versuchen, dem Rätsel auf die Spur zu kommen. Auch andere Aufgaben lösen sie gemeinsam. Doch als eines Tages Kaede selbst in Gefahr ist liegt es an Großvaters genialer Kombinationsgabe, seine Enkelin davor zu bewahren …
Masateru Konishi, geb. 1965, ist ein japanischer Autor. „Die Bibliothek meines Großvaters“ ist sein erster Roman, der 2023 in Japan ein Bestseller wurde und einen Preis erhielt, und 2025 in deutscher Übersetzung beim Verlag Kiepenheuer & Witsch erschienen ist. Das Buch beruht zum Teil auf den Erfahrungen des Autors mit der Pflege seines demenzkranken Vaters und ist der erste Teil einer Trilogie.
Der rote Faden des Romans ist die enge familiäre Bindung zwischen Großvater und Enkelin, die beide sehr herzlich und einfühlsam miteinander umgehen. Ihre gemeinsame Liebe zu Büchern und Rätseln schafft innige Momente, die die Demenz vorübergehend vergessen lassen. Die dazwischen eingebundenen kurzen Krimi-Episoden jedoch, die der alte Mann durch fundiertes Wissen, Kombinationsgabe und Zufall löst, wirken allesamt konstruiert und waren für mich weder interessant noch spannend. Die Nebenfiguren, Freunde und Kollegen, bleiben alle seltsam blass und unnahbar und konnten mein Interesse auch nicht wecken. Erst gegen Ende der Geschichte, als sich eine Romanze anzubahnen schien und Kaede selbst in Gefahr war, kam etwas Spannung auf, was wohl das Interesse am nächsten Band der Trilogie wecken soll.
Fazit: Kann man zur Unterhaltung zwischendurch lesen – ich hatte mehr erwartet.

Bewertung vom 17.08.2025
Sußebach, Henning

Anna oder: Was von einem Leben bleibt (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Auf den Spuren der Vergangenheit
1887 kommt die junge Anna Kalthoff ins sauerländische Dorf Cobbenrode, wo sie die Stelle als Lehrerin antritt. Obwohl es die Regeln vorschreiben, dass eine Lehrerin unverheiratet zu sein hat, entscheidet sich Anna, über ihr Leben selbst zu bestimmen. Sie verliebt sich in einen jüngeren Mann, heiratet ihn, wird aber bald Witwe. Sie übernimmt sein Wirtshaus mit der angegliederten Poststelle und zieht den inzwischen geborenen Sohn alleine groß. Jahre später heiratet sie erneut und gebiert mit 45 Jahren noch eine Tochter.
Henning Sußebach, geb. 1972 in Bochum, studierte in Dortmund Journalistik. Von 1995 bis 1997 volontierte er bei der „Berliner Zeitung“, wo er anschließend als Sportredakteur und Reporter arbeitete, bis er 2001 zur „Zeit“ wechselte. Nebenbei veröffentlichte er zahlreiche Sachbücher und erhielt einige der wichtigsten deutschen Journalistenpreise. Der Autor lebt mit seiner Familie in der Nähe von Hamburg.
In dem Buch „Anna oder: Was von einem Leben bleibt“ (2025, C.H.Beck-Verlag) erzählt Henning Sußebach die bewegende Geschichte seiner Urgroßmutter Anna Kalthoff. Anhand von Fotos, Poesiealben und einiger verbliebener Erinnerungsstücke, verbunden mit viel Recherchearbeit, gelang es ihm, die damalige Zeit zu rekonstruieren und ein lebendiges Bild von Annas Leben entstehen zu lassen. Er thematisiert nicht nur Annas persönliche Entscheidungen, sondern legt den Fokus auch auf die mannigfachen Herausforderungen, denen sich die Frauen seinerzeit ausgesetzt sahen. Sehr interessant sind auch die, parallel zu Annas Geschichte, chronologisch geschickt eingefügten historischen Ereignisse, die nahezu in Vergessenheit geraten sind.
Fazit: Ein literarisch ansprechendes Werk, berührend und warmherzig, das den Leser dazu anregen kann, in der eigenen Familiengeschichte nachzuforschen.

Bewertung vom 10.08.2025
Gerstberger, Beatrix

Die Hummerfrauen (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Auf der Insel der Hummerfischer
Als Kind verbrachte Mina viele Sommer mit ihren Eltern und ihrem großen Bruder Christopher auf Eagle Island, einer kleinen Insel an der Küste von Maine. Völlig unbeschwert konnte sie dort mit dem Fischerjungen Sam herum streifen, Muscheln und Vogelfedern sammeln, schwimmen und mit seinem Boot hinaus aufs Meer fahren. Doch ein Ereignis änderte plötzlich alles - die Familie kehrte nie wieder auf ihre Urlaubsinsel zurück. Inzwischen sind zwanzig Jahre vergangen. Durch den plötzlichen Tod ihres Bruders ist ihre Familie zerbrochen und Mina hat jeglichen Halt verloren. Die Suche nach sich selbst führt sie an die Küste von Maine, dorthin, wo sie eine glückliche Zeit verlebte. Es war ein stürmischer Tag, als sie im Fischerdorf Stone Harbor ankam. Bei der 72jährigen Ann, die seit der Trennung von ihrer Lebensgefährtin alleine mit ihrem Haustier, einem seltenen blauen Hummer, lebt, findet Mina Unterschlupf und bei Julie, einer resoluten Hummerfischerin Mitte 50, kann sie sich nützlich machen. Sie fährt mit ihr raus aufs Meer zum Hummerfang. Von den beiden Frauen erhält sie die familiäre Wärme, die sie so sehr vermisste. Dann trifft sie Sam wieder und die tiefe Zuneigung von damals flammt sofort wieder auf. Auch seine Familie zerbrach an jenem tragischen Sommertag …
Beatrix Gerstberger, geb. 1964 im Sauerland, ist eine deutsche Autorin und Journalistin, die bekannt ist für ihre emotionalen und tiefgründigen Reportagen und Bücher. Nach dem frühen Tod ihres Partners zog sie, um einen Weg aus der Trauer zu finden, Anfang der 2000er mit ihrem damals noch kleinen Sohn für ein halbes Jahr in ein Hummerfischerdorf. Dort lernte sie, dass es viele unterschiedliche Formen von Verlust gibt und dass es genau so viele unterschiedliche Wege gibt, damit umzugehen. Der damalige Aufenthalt in Maine inspirierte sie zu dem Roman „Die Hummerfrauen“ (2025, dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co KG, München). Beatrix Gerstberger lebt heute in Hamburg.
Der Autorin ist es großartig gelungen, den beschwerlichen Alltag der Hummerfischerinnen in einen warmherzigen Roman zu integrieren. Wir lesen von drei Frauen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, die aber dennoch viel gemeinsam haben: ihre Liebe zum Meer und ihr Bedürfnis nach Zusammenhalt. Beatrix Gerstberger hat einen sehr lebendigen, flüssigen Schreibstil und erfasst auch Zusammenhänge und Beziehungen äußerst treffend. Dabei entsteht ein wunderbares Bild der Umgebung, des Meeres und des Dorflebens, sodass man das Gefühl hat, dabei zu sein. Sie erzählt uns die Geschichte der drei Frauen hauptsächlich in den Jahren 2000/2001, schweift gelegentlich zurück zum Sommer 1982, als Mina zum letzten Mal mit ihrer Familie auf der Insel war, und im Prolog und im Epilog erfahren wir, wie es Mina in der Zwischenzeit ergangen ist und wie sie heute lebt.
Fazit: Ein außergewöhnlicher und einfühlsamer Roman über Verlust und Trauer, und über eine Liebe, die von der Vergangenheit überschattet wird.

Bewertung vom 25.07.2025
Maury , Avril

Noch fünfzig Sommer mehr


weniger gut

Eleni war fünf Jahre alt als sie zu ihren Großeltern in die Bretagne kam, wo sie von nun an bei ihnen im Haus zwischen Wald und Ozean leben sollte. Jetzt ist sie fünfundzwanzig und lebt alleine dort, denn ihre Großeltern sind inzwischen verstorben. Seit ihrem Tod hat sie eine tiefe Depression heimgesucht, sie meidet Menschen und geht nur noch nachts aus dem Haus. Bei einem ihrer nächtlichen Ausflüge ans Meer trifft sie dort auf Théo, der ihr aus einer misslichen Lage behilflich ist. Ihm kann sie sich öffnen und bald zieht er zu ihr ins Haus am Wald. Sie verleben eine glückliche Zeit, bis Théo plötzlich stirbt. Sie trauert tief, die Depression kommt mit Macht zurück und Eleni geht nicht mehr aus dem Haus – bis sie eines Tages einen Topf mit einer Sommeranemone und einen Brief mit Pflegeanleitung vor ihrer Haustür findet. Es bleibt nicht dabei, weitere Pflanzen und Briefe folgen. Ihre Neugierde ist geweckt, wer ist der geheimnisvolle Absender? …
Avril Maury ist das Pseudonym einer deutschen Autorin. Sie lebt nah am Meer, wo sie Inspiration für ihre Geschichten sammelt. Wenn sie nicht schreibt, widmet sie sich liebevoll der Pflege ihres Gartens. (Ullstein-Verlag)
Aufgrund des Titels, des schönen Covers und des interessanten Klappentextes erwartete ich eine emotionale Sommergeschichte. Leider wurde ich enttäuscht, ich fand die Geschichte banal und des einfachen Schreibstils wegen eher für Jugendliche geeignet. Zwar ist die Landschaft der Bretagne, das Meer bei Sonnenschein und Sturm, das Haus der Großeltern und die Blütenbracht in deren Garten sehr schön beschrieben, aber das reicht m. E. für ein gutes Buch nicht aus. Das Benehmen und Verhalten der Protagonistin Eleni, die immerhin beinahe 30 Jahre alt ist, fand ich sehr seltsam und konnte ihre Handlungen nicht nachvollziehen. Die Geschichte wirkt teilweise arg konstruiert, es gibt viele Wiederholungen und das Ende ist vorhersehbar. Dass Eleni unter wiederkehrenden Depressionen leidet wurde nie erwähnt und einfach so abgetan. Dass ein paar Nachrichten und Blumen einen Menschen aus diesem Tief herausholen können, ist doch mehr als unwahrscheinlich. Der ständige Wechsel zwischen Gegenwart und Vergangenheit macht die Geschichte auch nicht interessanter und erschwert nur das Lesen.
Fazit: Mag für sehr junge Menschen vielleicht ganz interessant sein, mein Geschmack war es nicht.

Bewertung vom 06.07.2025
Jenkins Reid, Taylor

Atmosphere (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Astronautin, ein Traumjob?
Schon als Kind war Joan Goodwin fasziniert von den Sternen. Nun, 1980, ist sie Professorin für Astrophysik und bewirbt sich bei der NASA als Astronautin für das Space-Shuttle-Programm. Es beginnt eine anstrengende Ausbildungszeit, die sie zusammen mit einigen anderen hoch qualifizierten Frauen und Männern absolviert. Jetzt ist sie dem Traum ihres Lebens, ins All zu fliegen, bereits ganz nahe, als das Unerwartete eintrifft: Sie begegnet der Liebe ihres Lebens, was ihre weitere Karriere infrage stellen könnte. Einige Zeit gelingt es ihr sie geheim zu halten, doch dann, 1984 während einer Mission, ändert sich alles …
Taylor Jenkins Reid, geb. 1983 im US-Bundesstaat Maryland, ist eine amerikanische Schriftstellerin, die seit 2013 schreibt. Ihre bisher erschienenen Romane und Kurzgeschichten wurden millionenfach gelesen und in über zwanzig Sprachen übersetzt. Die Autorin lebt mit ihrem Mann und einer Tochter in Los Angeles.
„Atmosphere“ ist sowohl ein Roman über die Raumfahrt der 1980er Jahre, als auch eine ergreifende Liebesgeschichte. Durch gute Recherche schafft es die Autorin, dem Leser die Atmosphäre, die Herausforderungen und die technischen Abläufe bei der NASA zu vermitteln, ohne zu sehr ins Detail zu gehen. Die Charaktere wirken dabei sehr authentisch und die Probleme, mit denen die ersten Astronautinnen zu kämpfen hatten, sind absolut glaubhaft. Der Schreibstil ist dabei präzise und mitreißend, bei der Liebesgeschichte hingegen einfühlsam und emotional.
Fazit: Ein Lesehighlight für alle, die sich für emotionale Liebesgeschichten, für starke Frauenfiguren und für die Anfänge der Raumfahrt interessieren.

Bewertung vom 30.06.2025
Hughes, Siân

Perlen


gut

Perlen der Erinnerung
Marianne ist gerade mal acht Jahre alt, als ihre Mutter Margaret kurz nach der Geburt des kleinen Joe das Haus am Rande des Dorfes verlässt und nicht mehr zurück kommt. Für Vater Edward ist es sehr schwer sich um den Haushalt und die Kinder zu kümmern, so ziehen sie bald in ein Haus in der Stadt, wo er als Dozent an der Universität arbeitet. Marianne bleiben nur die Erinnerungen an die Mutter, an ihre Liebe, an die Geschichten und Märchen die sie erzählte und an die gemeinsamen Spiele. Diese Gedanken begleiten sie, bis sie selbst erwachsen ist und eine kleine Tochter hat. Jetzt beginnt sie nach den Gründen zu forschen die ihre Mutter veranlasst haben könnten, die Familie zu verlassen – und entdeckt ein Geheimnis …
Siân Hughes, geb. 1965, ist eine britische Autorin, Dichterin und Lehrerin. Sie wuchs in einem kleinen Dorf auf, das ihr als Schauplatz des Romans „Pearl“ diente. Bereits 1996 begann sie Gedichte zu schreiben. Ihr Gedichtband „The Missing“ stand 2009 auf der Longlist für den ‚Guardian First Book Award‘, auf der Shortlist für den ‚Felix Dennis‘- und den ‚Aldeburgh-Prize‘ und gewann den ‚Seamus Heaney Award‘. Ihr Debütroman „Pearl“ stand 2023 auf der Longlist für den ‚Booker Prize 2023‘ und erschien in deutscher Übersetzung unter dem Titel „Perlen“ im Mai 2025 bei DuMont-Buchverlag. Die Autorin lebt mit ihrem Sohn in Cheshire, wo sie eine Buchhandlung besitzt und leitet.
In ruhigem, beinahe schon poetischem Schreibstil berichtet uns die Ich-Erzählerin Marianne von ihrer inneren Zerrissenheit und ihren geheimen Gedanken. Der Verlust der Mutter wirkt immer noch zurück und sie versucht, die Erinnerung an sie lebendig zu halten. Diese Rückblicke sind leider nicht chronologisch, sodass es für uns Leser nicht ganz einfach ist, Mariannes Lebenslauf nachzuvollziehen. Die Geschichte plätschert mehr oder weniger dahin und wird erst zum Ende hin interessant, wenn sich die Zusammenhänge erschließen. Insgesamt jedoch ist das Geschehen ohne große Gefühle und die Figuren wirken auf mich blass und emotionslos.
Fazit: Das Buch wird sicher seine Leserschaft finden – mich konnte es nicht begeistern.

Bewertung vom 18.06.2025
Leciejewski, Barbara

Am Meer ist es schön (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Statt Erholung bleibt ein Trauma zurück
„Am Meer ist es schön“, diesen Satz hörte Susanne oft, bevor sie in den 1960er Jahren als unterernährtes Kind im Alter von 9 Jahren an die Nordsee zur Kur verschickt wurde. Zusammen mit vielen anderen Kindern kam sie ins Kinderheim „Haus Morgentau“, wo sie anstatt sich zu erholen die schlimmste Zeit ihres Lebens verbrachte. Die Kinder wurden dort von den „Tanten“ grob behandelt und oft barbarisch gequält. Als Susanne nach vielen Wochen endlich wieder nach Hause durfte wurde es für sie nochmal traumatisch, da ihre Eltern ihr nicht glauben wollten, was sie dort erleben musste.
Jetzt schreiben wir das Jahr 2018. Susannes Vater ist längst verstorben und mit ihrer Mutter, die im Altenheim lebt, geht es dem Ende zu. Als diese sich bei Susanne für ihr damaliges Verhalten entschuldigt, kommen plötzlich die Erinnerungen mit Macht zurück. Im Beisein ihrer Geschwister Edith und Wolfgang und ihrer inzwischen 25jährigen Tochter Julia erzählt Susanne ihre Geschichte, redet sich die ganze, über viele Jahre mitgeschleppte, Qual von der Seele …
Barbara Leciejewski ist eine deutsche Schriftstellerin. Sie wurde in Mühlbach, Rheinland-Pfalz, geboren und zog später nach München, wo sie Germanistik und Theaterwissenschaft studierte. Zunächst arbeitete sie in verschiedenen Jobs am Theater und wurde dann Synchroncutterin. Seit 2015 widmete sie sich nur noch dem Schreiben. Sie veröffentlichte zahlreiche Bücher und wurde inzwischen zur Bestsellerautorin. „Am Meer ist es schön“ ist ihr neuester Roman, der im List-Verlag am 30.05.25 erschienen ist.
Mit diesem Roman, der gut recherchiert und emotional mitreißend geschrieben ist, leistet die Autorin ein wichtiger Beitrag zur Aufarbeitung des Themas Kinderverschickung in der Nachkriegszeit. Unglaublich, was damals geschehen konnte, ohne dass irgendjemand eingriff und das Leid der Kinder verhinderte. Die Geschichte wird in zwei Zeitebenen erzählt. In der Gegenwart am Sterbebett der Mutter blickt Susanne zurück auf die Zeit damals, als sie zur „Erholung“ ans Meer verschickt wurde, und berichtet ihrer Tochter und ihren Geschwistern darüber. Wir erleben das ganze Leid hautnah mit, erfahren aber auch wie die betroffenen Kinder damals zusammenhielten und lebenslange Freundschaften daraus entstanden sind.
Fazit: Ein sehr emotionaler Roman, den zu lesen sich wirklich lohnt. Meine Empfehlung!

Bewertung vom 25.05.2025
Hall, Clare Leslie

Wie Risse in der Erde


ausgezeichnet

Gibt es eine zweite Chance?
Im Alter von 17 Jahren verliebte sich die Farmerstochter Beth in den ein Jahr älteren Gabriel, den Sohn einer wohlhabenden Familie aus Dorset. Die beiden verbringen einen glücklichen Sommer zusammen. Ihre Beziehung endet, als Gabriel zum Studium nach Oxford geht, wo er bald eine neue Freundin findet.
Inzwischen sind dreizehn Jahre vergangen, Beth ist mit Frank glücklich verheiratet, sie führen gemeinsam mit Franks Bruder Jimmy eine Farm. Ihr Leben wird jedoch überschattet vom Tod ihres Sohnes Bobby, an dessen Unfall sich Frank schuldig fühlt. Gabriel, der auch verheiratet war, ist inzwischen geschieden und kehrt mit seinem 10jährigen Sohn Leo nach ‚Maedowlands‘, dem Anwesen seiner verstorbenen Eltern, zurück.
Das Schicksal führt die beiden ehemals Liebenden wieder zusammen, ihre Leidenschaft ist nie erloschen. Beth kümmert sich um Leo und hat so einen Grund für ihre Besuche bei Gabriel. Frank ahnt zwar die wahren Gründe, hält jedoch still, vermutlich weil ihn die Schuld am Tod seines eigenen Sohnes so quält. Und wieder währt das Glück der beiden Liebenden nur einen Sommer. Bevor sich Beth zwischen beiden Männern entscheiden muss, schlägt das Schicksal zu und eine Tragödie nimmt ihren Lauf …
Clare Leslie Hall ist eine Romanautorin und Journalistin, die bereits unter dem Namen Clare Empson zwei Noir-Thriller schrieb, die in Großbritannien und Deutschland veröffentlicht wurden. „Wie Risse in der Erde“ (Originaltitel: Broken Country) ist ihr erster Roman, der im Mai 2025 in deutscher Übersetzung im Piper-Verlag und weltweit in 30 Ländern erschienen ist. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in der malerischen Wildnis von Dorset/England, wo auch ihr Roman spielt.
Liebe und Schuld, Verlust und Vergebung, sind die Themen des Romans die im Mittelpunkt stehen. Als Ich-Erzählerin lässt uns Beth teilhaben an den gegenwärtigen Ereignissen im Jahr 1968 und erzählt uns in Rückblicken von ihrer Jugendliebe. Wir erleben so hautnah ihre innere Zerrissenheit und ihre Gewissensbisse, aber auch das Glück und die Leidenschaft einer großen Liebe. Ergänzt wird das Geschehen durch die eingefügten Kapitel über einen Mordprozess, der 1969 stattfindet. Wir erleben, wie falsche Entscheidungen und unerfüllte Sehnsüchte zu tragischen Konsequenzen führen können. Zugegeben, der Roman ist etwas klischeebehaftet, besticht aber durch seine emotionale Tiefe, seine spannende Handlung und sein hoffnungsvolles Ende.
Fazit: Die überzeugend gelungene Kombination aus Liebesgeschichte und Kriminalfall verspricht einen fesselnden Handlungsverlauf mit überraschenden Wendungen. Meine Empfehlung!

Bewertung vom 19.05.2025
Dalton, Chloe

Hase und ich


ausgezeichnet

Eine ganz besondere Freundschaft
Während der Corona-Pandemie verbringt die britische Beraterin für Außenpolitik Chloe Dalton die Zeit in ihrem Haus auf dem Land, einer umgebauten alten Scheune. An einem kalten Februartag findet sie beim Spaziergang auf einem Feldweg ein verlassenes Hasenjunges, ein kleines, hilfsbedürftiges Bündel Leben. Sie nimmt es mit nach Hause, zieht es mit Milchersatz für Katzenbabys auf und richtet ihm in einer Schachtel ein Nest her. Sie liest im Internet alles, was sie über Feldhasen erfahren kann, denn sie möchte das Tierchen auf sein späteres Leben in Freiheit vorbereiten. Sie sperrt es nicht ein, sondern öffnet ihm alle Türen im Haus und Garten. Der Umgang mit ‚Hase‘ (sie gibt ihm keinen Namen, es ist ja kein Haustier) bringt die Autorin der Natur näher, lässt sie innehalten und zur Ruhe kommen. Im Buch beschreibt sie das Heranwachsen des Hasen, der sich bald als Häsin erweist. Diese dankt es ihr, indem sie immer wieder zurück kommt - und als endgültigen Vertrauensbeweis ihre Jungen im Wohnzimmer der Autorin zur Welt bringt …
In ihrem Buch „Hase und ich“ beschreibt Chloe Dalton respektvoll und sehr warmherzig nicht nur das Leben ihres Feldhasen und seiner Nachkommen, sondern ruft uns durch ihre wunderbaren Beschreibungen verschiedener Feld- und Wiesenpflanzen, sowie der dortigen Tier- und Vogelwelt die teils vergessene Natur ins Gedächtnis, lässt uns dabei innehalten und nachdenken. Herausgekommen ist ein bezauberndes Buch, in dem die Autorin sehr feinfühlig und klug von der Freundschaft zwischen Mensch und Tier erzählt, die auf Respekt und Vertrauen beruht. Sie ruft uns auf, die Natur mit all ihren Pflanzen und Tieren wertzuschätzen und für deren Erhalt Sorge zu tragen. Die poetische Sprache und die zahlreichen liebevollen Illustrationen runden die Erzählung gekonnt ab und machen das Buch zu einem Gesamtkunstwerk.
Fazit: Ein wunderbares Buch, das besonders alle Tierliebhaber und Naturfreunde begeistern wird.

Bewertung vom 10.05.2025
Ruban, Paul

Der Duft des Wals (eBook, ePUB)


sehr gut

Ein stinkender Wal, eine zerrüttete Ehe und ein Luxushotel
Um zu retten was von ihrer Ehe noch übrig ist, fliegen Hugo und Judith mit ihrer 10jährigen Tochter nach Mexiko, wo sie ihren Urlaub in einem luxuriösen All-Inclusive-Resort verbringen möchten. Kurz nach ihrer Ankunft wird die Idylle jedoch gestört, als ein toter Wal an den Strand gespült wird, der einen unerträglichen Gestank verströmt. Trotz aller Bemühungen des Hotelpersonals den üblen Geruch zu beseitigen, er bleibt – genau wie die Probleme des Paares. Sie schweigen sich an, sie streiten miteinander, und wenn sie sich mal amüsieren, dann jeder für sich, während ihre kleine Tochter alleine durch die Gegend streift und sich mit ihrer Zeichentafel beschäftigt. Als dann der große Regen kommt, bahnt sich die Katastrophe an …
Paul Ruban ist ein frankokanadischer Autor, der in Winnipeg/Kanada geboren wurde. Er ist Drehbuchautor, Übersetzer und Schriftsteller. „Der Duft des Wals“ (2025 Aufbau-Verlag) ist sein erster Roman, der in Kanada gleich zu einem Überraschungserfolg wurde. Der Autor lebt in München und Ottawa.
Der Autor beweist in seinem Debüt, dass er über zeitgemäße Themen schreiben und diese mit einer gehörigen Portion schwarzen Humors zu Papier bringen kann. Sein Stil ist dabei nüchtern, klar und analysierend, ganz dem Thema zwischenmenschlicher Dramen und Konflikte angepasst. Er berichtet in kurzen Kapiteln aus der Ich-Perspektive der einzelnen Protagonisten, deren Gedanken und Gefühle man somit hautnah empfindet. Dadurch gelingt ihm eine unterhaltsame Geschichte, die trotz skurriler Begebenheiten und grotesker Ereignisse nachdenklich stimmt und die Formulierung ‚Hier stinkt es gewaltig‘ gleich eine doppelte Bedeutung bekommt.
Fazit: Eine tiefgründige Analyse menschlicher Beziehungen und gesellschaftlicher Illusionen, kombiniert mit abstruser Satire und schwarzem Humor. Muss man mögen!