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Herbstrose

Bewertungen

Insgesamt 217 Bewertungen
Bewertung vom 18.06.2025
Am Meer ist es schön (eBook, ePUB)
Leciejewski, Barbara

Am Meer ist es schön (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Statt Erholung bleibt ein Trauma zurück
„Am Meer ist es schön“, diesen Satz hörte Susanne oft, bevor sie in den 1960er Jahren als unterernährtes Kind im Alter von 9 Jahren an die Nordsee zur Kur verschickt wurde. Zusammen mit vielen anderen Kindern kam sie ins Kinderheim „Haus Morgentau“, wo sie anstatt sich zu erholen die schlimmste Zeit ihres Lebens verbrachte. Die Kinder wurden dort von den „Tanten“ grob behandelt und oft barbarisch gequält. Als Susanne nach vielen Wochen endlich wieder nach Hause durfte wurde es für sie nochmal traumatisch, da ihre Eltern ihr nicht glauben wollten, was sie dort erleben musste.
Jetzt schreiben wir das Jahr 2018. Susannes Vater ist längst verstorben und mit ihrer Mutter, die im Altenheim lebt, geht es dem Ende zu. Als diese sich bei Susanne für ihr damaliges Verhalten entschuldigt, kommen plötzlich die Erinnerungen mit Macht zurück. Im Beisein ihrer Geschwister Edith und Wolfgang und ihrer inzwischen 25jährigen Tochter Julia erzählt Susanne ihre Geschichte, redet sich die ganze, über viele Jahre mitgeschleppte, Qual von der Seele …
Barbara Leciejewski ist eine deutsche Schriftstellerin. Sie wurde in Mühlbach, Rheinland-Pfalz, geboren und zog später nach München, wo sie Germanistik und Theaterwissenschaft studierte. Zunächst arbeitete sie in verschiedenen Jobs am Theater und wurde dann Synchroncutterin. Seit 2015 widmete sie sich nur noch dem Schreiben. Sie veröffentlichte zahlreiche Bücher und wurde inzwischen zur Bestsellerautorin. „Am Meer ist es schön“ ist ihr neuester Roman, der im List-Verlag am 30.05.25 erschienen ist.
Mit diesem Roman, der gut recherchiert und emotional mitreißend geschrieben ist, leistet die Autorin ein wichtiger Beitrag zur Aufarbeitung des Themas Kinderverschickung in der Nachkriegszeit. Unglaublich, was damals geschehen konnte, ohne dass irgendjemand eingriff und das Leid der Kinder verhinderte. Die Geschichte wird in zwei Zeitebenen erzählt. In der Gegenwart am Sterbebett der Mutter blickt Susanne zurück auf die Zeit damals, als sie zur „Erholung“ ans Meer verschickt wurde, und berichtet ihrer Tochter und ihren Geschwistern darüber. Wir erleben das ganze Leid hautnah mit, erfahren aber auch wie die betroffenen Kinder damals zusammenhielten und lebenslange Freundschaften daraus entstanden sind.
Fazit: Ein sehr emotionaler Roman, den zu lesen sich wirklich lohnt. Meine Empfehlung!

Bewertung vom 25.05.2025
Wie Risse in der Erde
Hall, Clare Leslie

Wie Risse in der Erde


ausgezeichnet

Gibt es eine zweite Chance?
Im Alter von 17 Jahren verliebte sich die Farmerstochter Beth in den ein Jahr älteren Gabriel, den Sohn einer wohlhabenden Familie aus Dorset. Die beiden verbringen einen glücklichen Sommer zusammen. Ihre Beziehung endet, als Gabriel zum Studium nach Oxford geht, wo er bald eine neue Freundin findet.
Inzwischen sind dreizehn Jahre vergangen, Beth ist mit Frank glücklich verheiratet, sie führen gemeinsam mit Franks Bruder Jimmy eine Farm. Ihr Leben wird jedoch überschattet vom Tod ihres Sohnes Bobby, an dessen Unfall sich Frank schuldig fühlt. Gabriel, der auch verheiratet war, ist inzwischen geschieden und kehrt mit seinem 10jährigen Sohn Leo nach ‚Maedowlands‘, dem Anwesen seiner verstorbenen Eltern, zurück.
Das Schicksal führt die beiden ehemals Liebenden wieder zusammen, ihre Leidenschaft ist nie erloschen. Beth kümmert sich um Leo und hat so einen Grund für ihre Besuche bei Gabriel. Frank ahnt zwar die wahren Gründe, hält jedoch still, vermutlich weil ihn die Schuld am Tod seines eigenen Sohnes so quält. Und wieder währt das Glück der beiden Liebenden nur einen Sommer. Bevor sich Beth zwischen beiden Männern entscheiden muss, schlägt das Schicksal zu und eine Tragödie nimmt ihren Lauf …
Clare Leslie Hall ist eine Romanautorin und Journalistin, die bereits unter dem Namen Clare Empson zwei Noir-Thriller schrieb, die in Großbritannien und Deutschland veröffentlicht wurden. „Wie Risse in der Erde“ (Originaltitel: Broken Country) ist ihr erster Roman, der im Mai 2025 in deutscher Übersetzung im Piper-Verlag und weltweit in 30 Ländern erschienen ist. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in der malerischen Wildnis von Dorset/England, wo auch ihr Roman spielt.
Liebe und Schuld, Verlust und Vergebung, sind die Themen des Romans die im Mittelpunkt stehen. Als Ich-Erzählerin lässt uns Beth teilhaben an den gegenwärtigen Ereignissen im Jahr 1968 und erzählt uns in Rückblicken von ihrer Jugendliebe. Wir erleben so hautnah ihre innere Zerrissenheit und ihre Gewissensbisse, aber auch das Glück und die Leidenschaft einer großen Liebe. Ergänzt wird das Geschehen durch die eingefügten Kapitel über einen Mordprozess, der 1969 stattfindet. Wir erleben, wie falsche Entscheidungen und unerfüllte Sehnsüchte zu tragischen Konsequenzen führen können. Zugegeben, der Roman ist etwas klischeebehaftet, besticht aber durch seine emotionale Tiefe, seine spannende Handlung und sein hoffnungsvolles Ende.
Fazit: Die überzeugend gelungene Kombination aus Liebesgeschichte und Kriminalfall verspricht einen fesselnden Handlungsverlauf mit überraschenden Wendungen. Meine Empfehlung!

Bewertung vom 19.05.2025
Hase und ich
Dalton, Chloe

Hase und ich


ausgezeichnet

Eine ganz besondere Freundschaft
Während der Corona-Pandemie verbringt die britische Beraterin für Außenpolitik Chloe Dalton die Zeit in ihrem Haus auf dem Land, einer umgebauten alten Scheune. An einem kalten Februartag findet sie beim Spaziergang auf einem Feldweg ein verlassenes Hasenjunges, ein kleines, hilfsbedürftiges Bündel Leben. Sie nimmt es mit nach Hause, zieht es mit Milchersatz für Katzenbabys auf und richtet ihm in einer Schachtel ein Nest her. Sie liest im Internet alles, was sie über Feldhasen erfahren kann, denn sie möchte das Tierchen auf sein späteres Leben in Freiheit vorbereiten. Sie sperrt es nicht ein, sondern öffnet ihm alle Türen im Haus und Garten. Der Umgang mit ‚Hase‘ (sie gibt ihm keinen Namen, es ist ja kein Haustier) bringt die Autorin der Natur näher, lässt sie innehalten und zur Ruhe kommen. Im Buch beschreibt sie das Heranwachsen des Hasen, der sich bald als Häsin erweist. Diese dankt es ihr, indem sie immer wieder zurück kommt - und als endgültigen Vertrauensbeweis ihre Jungen im Wohnzimmer der Autorin zur Welt bringt …
In ihrem Buch „Hase und ich“ beschreibt Chloe Dalton respektvoll und sehr warmherzig nicht nur das Leben ihres Feldhasen und seiner Nachkommen, sondern ruft uns durch ihre wunderbaren Beschreibungen verschiedener Feld- und Wiesenpflanzen, sowie der dortigen Tier- und Vogelwelt die teils vergessene Natur ins Gedächtnis, lässt uns dabei innehalten und nachdenken. Herausgekommen ist ein bezauberndes Buch, in dem die Autorin sehr feinfühlig und klug von der Freundschaft zwischen Mensch und Tier erzählt, die auf Respekt und Vertrauen beruht. Sie ruft uns auf, die Natur mit all ihren Pflanzen und Tieren wertzuschätzen und für deren Erhalt Sorge zu tragen. Die poetische Sprache und die zahlreichen liebevollen Illustrationen runden die Erzählung gekonnt ab und machen das Buch zu einem Gesamtkunstwerk.
Fazit: Ein wunderbares Buch, das besonders alle Tierliebhaber und Naturfreunde begeistern wird.

Bewertung vom 10.05.2025
Der Duft des Wals (eBook, ePUB)
Ruban, Paul

Der Duft des Wals (eBook, ePUB)


sehr gut

Ein stinkender Wal, eine zerrüttete Ehe und ein Luxushotel
Um zu retten was von ihrer Ehe noch übrig ist, fliegen Hugo und Judith mit ihrer 10jährigen Tochter nach Mexiko, wo sie ihren Urlaub in einem luxuriösen All-Inclusive-Resort verbringen möchten. Kurz nach ihrer Ankunft wird die Idylle jedoch gestört, als ein toter Wal an den Strand gespült wird, der einen unerträglichen Gestank verströmt. Trotz aller Bemühungen des Hotelpersonals den üblen Geruch zu beseitigen, er bleibt – genau wie die Probleme des Paares. Sie schweigen sich an, sie streiten miteinander, und wenn sie sich mal amüsieren, dann jeder für sich, während ihre kleine Tochter alleine durch die Gegend streift und sich mit ihrer Zeichentafel beschäftigt. Als dann der große Regen kommt, bahnt sich die Katastrophe an …
Paul Ruban ist ein frankokanadischer Autor, der in Winnipeg/Kanada geboren wurde. Er ist Drehbuchautor, Übersetzer und Schriftsteller. „Der Duft des Wals“ (2025 Aufbau-Verlag) ist sein erster Roman, der in Kanada gleich zu einem Überraschungserfolg wurde. Der Autor lebt in München und Ottawa.
Der Autor beweist in seinem Debüt, dass er über zeitgemäße Themen schreiben und diese mit einer gehörigen Portion schwarzen Humors zu Papier bringen kann. Sein Stil ist dabei nüchtern, klar und analysierend, ganz dem Thema zwischenmenschlicher Dramen und Konflikte angepasst. Er berichtet in kurzen Kapiteln aus der Ich-Perspektive der einzelnen Protagonisten, deren Gedanken und Gefühle man somit hautnah empfindet. Dadurch gelingt ihm eine unterhaltsame Geschichte, die trotz skurriler Begebenheiten und grotesker Ereignisse nachdenklich stimmt und die Formulierung ‚Hier stinkt es gewaltig‘ gleich eine doppelte Bedeutung bekommt.
Fazit: Eine tiefgründige Analyse menschlicher Beziehungen und gesellschaftlicher Illusionen, kombiniert mit abstruser Satire und schwarzem Humor. Muss man mögen!

Bewertung vom 30.04.2025
Wut und Liebe (eBook, ePUB)
Suter, Martin

Wut und Liebe (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Oft trügt der Schein
Camilla ist es leid ihren Freund Noah, ein bisher erfolgloser Maler, mit ihrem Gehalt weiter durchzufüttern. Sie hat sich ein besseres Leben erhofft und trennt sich von ihm, obwohl sie ihn immer noch liebt. Noah leidet sehr unter der Trennung und möchte Camilla unbedingt wieder zurück haben, weiß aber, dass ihm dies nur gelingt, wenn er ihr ein sorgloses Leben bieten kann. Da kommt ihm der Zufall zu Hilfe. Die Lösung seines Problems könnte Betty Hasler, eine reiche ältere Dame, sein. Sie bietet ihm viel Geld für das Beseitigen von Peter W. Zaugg, einem Kunstsammler und Unternehmensberater, den sie für den Tod ihres Mannes verantwortlich macht. Noah kommt ins Grübeln. Soll er weiterhin auf seinen Durchbruch als Maler warten oder auf das Angebot der alten Dame eingehen?
Martin Suter ist ein Schweizer Schriftsteller, der 1948 in Zürich geboren wurde und seit 1991 zunächst als Autor von Kolumnen für diverse Magazine und Tageszeitungen arbeitete. Sein Durchbruch als Schriftsteller gelang ihm 1997 mit seinem ersten Roman Small World, der im Diogenes Verlag erschien und der, ebenso wie alle seine Romane bisher, auch international sehr erfolgreich war. Seit 2011 lässt er außerdem den Gentleman-Gauner Allmen in einer Krimi-Reihe ermitteln, von der derzeit sieben Bände vorliegen. Suters zweite Frau verstarb 2023 – heute lebt er mit seiner Tochter in Zürich.
Wie weit ist Noah bereit zu gehen? Wird er für seine Liebe alle moralischen Bedenken über Bord werfen? Das Buch entwickelt einen Sog, in den man als Leser unweigerlich hinein gezogen wird. Mit wachsender Spannung verfolgt man Noahs verzweifelte Anstrengungen, einen Mord unbemerkt ausführen zu können. Suter gelingt es dabei großartig, die zwiespältigen Gefühle und inneren Konflikte seiner Protagonisten einzufangen und zu Papier zu bringen. Sein klarer und präziser Schreibstil, seine überzeugend reale Darstellung der verschiedenen Charaktere und nicht zuletzt das äußerst klug gestaltete Ende machen das Lesen dieses Buches zum Vergnügen.
Fazit: Ein Buch, das ich mit voller Überzeugung weiter empfehlen kann!

Bewertung vom 02.04.2025
Halbinsel
Bilkau, Kristine

Halbinsel


ausgezeichnet

Mutter und Tochter
Annett, Ende Vierzig, Bibliothekarin, wohnt alleine in ihrem kleinen Haus am Wattenmeer nahe Husum. Sie ist stolz auf ihre inzwischen 25jährige Tochter Linn, die sie nach dem frühen Tod ihres Mannes alleine großzog. Linn hat Umweltmanagement studiert, beschäftigt sich mit der Klimakatastrophe, engagiert sich für Umweltprojekte und ist auf der ganzen Welt unterwegs. Als sie während eines Vortrags plötzlich zusammenbricht, holt Annett sie für ein paar Tage zur Erholung zu sich. So zieht Linn wieder in ihrem Kinderzimmer ein – und aus den Tagen werden Wochen, dann Monate. Annett versteht ihre Tochter nicht mehr, die plötzlich ohne Antrieb und ohne Perspektive für die Zukunft zu sein scheint …
Kristine Bilkau, geb. 1974 in Hamburg, ist eine der bekanntesten deutschen Journalistinnen und Autorinnen der Gegenwartsliteratur, die bereits zahlreiche Preise und Ehrungen erhielt. Der Roman „Halbinsel“ wurde 2025 mit dem Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Belletristik ausgezeichnet. Kristine Bilkau lebt mit ihrer Familie in Hamburg.
Sehr feinfühlig und mit viel Gespür für zwischenmenschliche Beziehungen erzählt die Autorin von einer Mutter, die ihre Tochter neu kennen lernen und verstehen muss. Die Beziehung der beiden Frauen ist sehr zerbrechlich, Spannungen und Missverständnisse bleiben da nicht aus. Wir sind dabei, wie beide allmählich aufeinander zugehen und versuchen, die Lebensweise der anderen zu verstehen und zu akzeptieren. Der Schreibstil ist dabei bedächtig, aber mit viel Einfühlungsvermögen. Weitere wichtige Themen des Romans sind die Klimakrise, Umweltschutz und der Generationenkonflikt, Einsamkeit im Alter, Verantwortung für unsere Erde und die Zuversicht der jüngeren Generation.
Fazit: Ein wunderbares Buch, das ich gerne weiter empfehle!

Bewertung vom 25.02.2025
Von hier aus weiter (eBook, ePUB)
Pásztor, Susann

Von hier aus weiter (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Trauer, Wut und neue Hoffnung
Marlene ist traurig und wütend. Dreißig Jahre waren sie verheiratet, jetzt hat Rolf sie verlassen, Selbstmord. Dabei wollten sie doch zusammen gehen, als er die Diagnose Krebs erhalten hatte. Nun sitzt sie alleine in dem großen Haus, will niemanden sehen und wartet auf ihren Tod. Doch als im Bad die Dusche nicht mehr funktioniert, ruft sie nach einem Klempner. Als Jack, einer ihrer ehemaligen Schüler erscheint, nimmt ihr Leben eine unverhoffte Wendung. Er erweist sich als einfühlsamer Gesprächspartner und als ausgezeichneter Koch, und zieht kurzerhand als Untermieter bei ihr ein. Ganz allmählich öffnet sich Marlene wieder der Welt. Bei Jack bahnt sich eine zarte Liebe an, als er Ida, Marlenes Ärztin, kennen lernt. Als dann von Marlenes Freundin Wally aus Wien ein Anruf kommt, sie habe einen Brief des verstorbenen Rolf erhalten, begeben sich die drei auf eine Reise, die für ihre Zukunft entscheidend sein wird …
Susann Pásztor, geb. 1957 in Soltau, ist eine deutsche Schriftstellerin mit ungarischem Vater. Sie studierte Kunst und Pädagogik und arbeitet heute als Illustratorin, Autorin und Übersetzerin. Seit Anfang der 2010er Jahre ist sie im ambulanten Hospizdienst ehrenamtlich tätig und lebt in Berlin. „Von hier aus weiter“ (2025) ist ihr 5. Roman.
Trotz tiefgreifender Themen wie Bewältigung von Trauer, Wut und Angst ist der Schreibstil sehr eingängig und entbehrt auch nicht einer gewissen Portion Humor. Die Geschichte zeigt, dass es im Leben oft eine zweite Chance gibt, man muss sie nur erkennen und ergreifen. Die Charaktere und ihre Gefühle sind sehr lebensnah beschrieben, man kann mit ihnen mitfühlen, mitleiden und sich auch mit ihnen freuen. Man begleitet sie gerne ein Stück des Weges bis zu einem hoffnungsvollen Schluss.
Fazit: Ein gutes Buch, unterhaltsam und fesselnd, das Lust auf weitere Geschichten der Autorin macht!

Bewertung vom 15.02.2025
Für Polina (eBook, ePUB)
Würger, Takis

Für Polina (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Die Liebe und die Kraft der Musik
Bei der Geburt ihrer Kinder lernten sich Fritzi und Günes kennen und wurden sofort Freundinnen. Die Kinder der beiden, Hannes und Polina, wachsen wie Geschwister auf. Fritzi wohnt mit Hannes draußen im Moor, im heruntergekommenen Gutshaus des alten Heinrich Hildebrand, und Günes kommt mit Polina regelmäßig zu Besuch. Eines Tages bemerkt Hildebrand die besondere Begabung des Jungen, dass er das absolute Gehör hat, und lehrt ihn Klavier spielen. Im Alter von vierzehn Jahren, als Polina mit ihrer Mutter zurück in die Türkei muss, komponiert Hannes für sie ein Musikstück, Polinas Melodie. Dann verlieren sie sich aus den Augen und nach einem Schicksalsschlag verliert Hannes auch seine Liebe zur Musik - die Liebe zu Polina trägt er jedoch sein ganzes Leben lang im Herzen. Er weiß, wenn er sie wiederfinden kann, dann nur über die Musik, über Polinas Melodie …
Takis Würger, geb. 1985, ist ein deutscher Autor und Journalist. Nach seinem Studium in Cambridge berichtete er für den Spiegel aus Afghanistan, Libyen und dem Irak. Seine Romane Der Club (2017) und Stella (2019) wurden Bestseller und in viele Sprachen übersetzt. Neben Berlin und Leipzig lebt Takis Würger jetzt auch in New York.
In seinem beinahe nüchternen Schreibstil ist es dem Autor hervorragend gelungen, eine unglaublich gefühlvolle und poetische Geschichte über die Liebe zwischen Menschen und zur Musik zu schreiben, die ganz ohne Kitsch und Sentimentalität auskommt. Mit seinem guten Gespür für zwischenmenschliche Beziehungen sind die verschiedenen Charaktere sehr fein gezeichnet, mit Ecken und Kanten, aber meist liebenswert. Sie wirken, wie auch die gesamte Handlung, so realistisch, als wären sie dem tatsächlichen Leben entsprungen. Man ist als Leser mittendrin, fühlt und leidet mit ihnen, und schließt das Buch am Ende zufrieden und voller Hoffnung auf eine gute Zukunft.
Fazit: Ein außergewöhnlich einfühlsamer Roman, ernsthaft und doch unterhaltend, der es verdient hat gelesen zu werden.

Bewertung vom 03.02.2025
In einem Zug
Glattauer, Daniel

In einem Zug


ausgezeichnet

Gespräche zwischen Wien und München
Dreizehn Jahre hat Eduard Brünhofer, ein einst beliebter Schriftsteller von Liebesromanen, nichts mehr veröffentlicht. Nun hat er einen Termin bei seinem Verlag und fährt deshalb mit dem Zug von Wien nach München. Als sich eine Frau mittleren Alters zu ihm ins Abteil setzt, wird er in seiner erhofften Ruhe gestört und fühlt sich genötigt, sich mit ihr zu unterhalten. Catrin Meyr ist Therapeutin und versteht es geschickt, ihn durch Fragen in ein immer tiefer gehendes Gespräch über Liebe und Ehe zu verwickeln. Aus seiner anfänglichen Abneigung entwickelt sich während der langen Fahrt allmählich eine freundschaftliche Vertrautheit …
Daniel Glattauer, geb. 1960 in Wien, ist ein österreichischer Schriftsteller und Journalist. Neben seinen Kolumnen veröffentlichte er zahlreiche erfolgreiche Romane, die teilweise verfilmt und in über 35 Sprachen übersetzt wurden. Er ist verheiratet, hat einen erwachsenen Sohn und lebt seit 2009 als freier Schriftsteller mit Familie in Wien und im Waldviertel. Sein 2025 erschienener Roman „In einem Zug“ sei nach eigener Aussage des Autors das autobiografischste Buch, das er je geschrieben habe.
Großartig wie Glattauer es versteht, aus einer simplen Zugfahrt und einer Unterhaltung zwischen zwei anfangs Unbekannten ein Roman zu schreiben, den man so schnell nicht vergessen wird. Die tiefgründigen, humorvollen und auch sehr emotionalen Dialoge zeugen vom großen Können des Autors. Einfach köstlich, wie Eduard Brünhofer sich durch die Fragen der Therapeutin Catrin Meyr zunächst genervt fühlt, dann aber allmählich ihrem Charme erliegt und immer mehr von sich und seiner Ehe preisgibt. Die Dialoge sind klug durchdacht, Eduards gedankliche Reflektionen nach dem Genuss einiger kleiner Rotweinflaschen sind sehr aufschlussreich und eine überraschende, unerwartete Wendung wird ihn in München erwarten.
Fazit: Eine lange Zugfahrt, bei der man humorvoll und geistreich unterhalten wird. Meine absolute Leseempfehlung!

Bewertung vom 13.01.2025
Ginsterburg (eBook, ePUB)
Frank, Arno

Ginsterburg (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Ginsterburg – Chronik des Untergangs
Auch in Ginsterburg, einer Stadt mitten in Deutschland, stellten sich die Menschen rasch um, als 1935 die Machtergreifung erfolgte. Einige versuchten von den neuen Verhältnissen zu profitieren, andere litten darunter und nicht wenige verhielten sich gleichgültig. Diese Gleichgültigkeit wird 1940, als der Krieg ausbricht, zu gegenseitigem Misstrauen. Das Schicksal der Zirkusleute und der Wahrsagerin Zola sowie des jüdischen Zeitungsverlegers Landauer scheinen vorbestimmt, als Blumenhändler Gürckel plötzlich Kreisleiter wird, Papierfabrikant Jungheinrich das Geschäft seines Lebens macht, Arzt Hansemann bei der SS auf Karriere hofft, Buchhändlerin Merle ihr Sortiment ändern muss, ihr Sohn Lothar zu ihrem Leidwesen zu den Kampfpiloten geht und Eugen, Kriegsveteran und Reporter der Ginsterburger Lokalzeitung, seine Gedanken nicht mehr zu Papier bringen darf. Zunächst jedoch geht das Leben wie gewohnt weiter, der Krieg ist weit entfernt, bis er 1945 auch in Ginsterburg erbarmungslos zuschlägt …
Arno Frank, geb. 1971 in Kaiserslautern, ist ein deutscher Schriftsteller und Journalist. Er studierte Kunstgeschichte und Philosophie und absolvierte die Deutsche Journalistenschule in München. Frank arbeitet als freier Journalist und Essayist für diverse Zeitungen und Magazine und schreibt seit 2017 Romane. Er lebt mit seiner Frau, einer Denkmalpflegerin, und den beiden gemeinsamen Töchtern in Wiesbaden.
Dem Autor ist es ausgezeichnet gelungen, anhand einer fiktiven deutschen Stadt und einiger unterschiedlicher Charaktere die historischen Ereignisse während der NS-Zeit und des II. Weltkriegs wieder aufleben zu lassen. In seiner bildhaften Sprache berichtet er vom Alltag der Menschen, von ihren Sorgen und Nöten, von ihren Hoffnungen und Wünschen, von anfänglich heimlichem Widerstand und von gedankenlosen Mitläufern. Wir lesen von Menschlichkeit in diesen unmenschlichen Zeiten, von beginnenden Freundschaften und von aufkeimender Liebe.
Anfangs ist das Geschehen sehr verwirrend, viele Personen und kurze Ereignisse bevölkern die Seiten. Hat man sich jedoch erst einmal eingelesen, was auch durch einige Vor- und Rückblenden erschwert wird, dann wird es wirklich zum Lesegenuss. Die Geschichte entwickelt einen Sog, dem man sich nicht mehr entziehen kann. Im Querschnitt der Gesellschaft erleben wir Nationalsozialismus, Antisemitismus, Patriotismus und Heldenverehrung mit all seinen unheilvollen Auswirkungen und erschreckenden Parallelen zur unmittelbaren Gegenwart. Eine Geschichte, die dank ihrer eindringlichen Sprache unter die Haut geht und noch lange im Gedächtnis bleiben wird.
Fazit: Ein großartiger Roman über Freundschaft, Zusammenhalt und Menschlichkeit in harten und brutalen Zeiten. Sehr lesenswert!