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Benutzername: 
Piet Kühn
Wohnort: 
Oststeinbek

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Bewertung vom 23.12.2011
Verbranntes Geld
Marazzi, Christian

Verbranntes Geld


ausgezeichnet

Christian Marazzi beschreibt in seinem Buch "Verbranntes Geld" die Entwicklung des Kapitalismus hin zu einem Finanzkapitalismus, ein Prozess, der sich nach Meinung des Autors seit den siebziger Jahren entwickelt hat. Im Verlauf dieser Entwicklung kommt es zu einer Ausweitung der Kapitalverwertungsprozesse über die Produktion von Gütern und Dienstleistungen hinaus hin zu einer Zirkulationswelt des Geldes, ohne direkten Bezug zur sogenannten Realwelt. Zunehmend werden alle Bereiche des menschlichen Zusammenlebens und die Lebensweisen der Menschen in die Vermehrung des Gewinns einbezogen. Es ist so mittlerweile ein "Biokapitalismus" (S.50) entstanden. Seine zentrale These lautet: "Die Finanzialisierung ... ist die Form der Akkumulation des Kapitals, die den neuen Produktions- und Wertschöpfungsprozessen entspricht" (S.49). Fast logisch ist dann der Versuch des Kapitals eine Rendite auf den Profit zu erzielen, Marazzi spricht von "Der Profit wird Rente" (S.45).

Das Buch "Verbranntes Geld" ist spannend zu lesen, man muss sich Zeit lassen, einige Abschnitte und zentrale Begriffe wie etwa "Externalisierung der Produktionsabläufe" und "crowdsourcing" erschließen sich erst nach und nach. Es ist erhellend und aufschlussreich, die gegenwärtige Finanzkrise der Banken und Schuldenproblematik der Staaten in diesem Zusammenhang der Entwicklung des Finanzkapitalismus zu sehen und zu begreifen. Ein großartiger Ansatz, der ein bisschen neue Hoffnung auf Besserung reifen lässt.

Die Lösungsansätze aus dem Dilemma der Finanz- und Schuldenkrise heraus müssen erst Schritt für Schritt entwickelt werden, da werden keine Illusionen durch Marazzi geweckt. Marazzi geht von folgendem Ansatz aus: "Man muss 'unten' ansetzen, um die monetären Strukturen zu reformieren" (S. 95). Einen ersten kleinen Lichtblick sieht der Autor etwa in Maßnahmen im Rahmen des US-Finanzstabilisierungspaktes, die es ermöglichen, den geschädigten und zahlungsunfähigen Hauseigentümern durch eine Senkung der Hypothekenzinsen eine Verringerung der Belastung zu verschaffen, so dass die Abwärtsspirale gebremst werden kann. In diesem Sinne entwickelt Marazzi den Ansatz des "sozialen Eigentumsrechts an einem Gemeingut" (S.95) Wohneigentum, das es gilt gegen die traditionelle Form der Privatschuld durchzusetzen. Die "soziale Rente" (S.98) könnte zukünftig eine Perspektive sein, unter den Bedingungen des Finanzkapitalismus eine Umverteilung des Einkommens anzustreben mit dem Ziel, jedem Menschen ein Leben in Würde zu ermöglichen.

Das Buch ist faszinierend zu lesen, denn Schritt für Schritt wird klar wie wenig die bisherigen "Lösungsversuche" der Politik bewirkt haben. Es sollten sich viel mehr Bürgerinnen und Bürger in den Prozess der Reformbewegung "von unten" einbringen, um dem Finanzkapitalismus Reformen abzuringen, die freiwillig und ohne den Einsatz für neue Regeln nicht zu haben sein werden.

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