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kaffeeelse
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psychologiebegeiste und Ethnographie liebende Vielleserin

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Insgesamt 92 Bewertungen
Bewertung vom 03.07.2025
Jansson, Tove

Der Steinacker


sehr gut

Resümee

Ein Arbeitsleben in Helsinki. Der Journalist Jonas blickt auf dieses Arbeitsleben zurück, denn jetzt ist er pensioniert. Er, der Ernährer der Familie, der väterliche Gott. Zumindest in seiner Selbstbetrachtung ist er dies. Seine erwachsenen Töchter möchten, dass er auf den Finnland vorgelagerten Schären den Sommer verbringt, mit ihnen zusammen. Hier auf den Schären gelingt diesem Journalisten Jonas dennoch einmal ein ehrlicher Blick auf sein Leben, natürlich wird dieser Blick auch durch die Töchter ermöglicht. Aber nicht nur. Auch Jonas muss ehrlich zu sich selbst sein, muss seine Arbeit, muss die Gewichtung der Arbeit vor der Familie, muss die Gewichtung der eigenen Interessen vor den Interessen der eigenen Familie formulieren. Dies ist natürlich nicht schön für unseren Jonas, aber er tut es schließlich. Ist ehrlich zu sich selbst und gewinnt über diese Ehrlichkeit zu sich selbst ganz neue Sichten. Die ihm ein neues Leben, einen Neuanfang ermöglichen, auch wenn dieser Neuanfang sehr spät kommt, fast zu spät, aber gut, eigentlich könnte man ja auch damit zufrieden sein, dass diese neuen Sichten, diese Einsichten überhaupt kommen, in unserer patriarchal tickenden westlichen Welt.

Was Jonas schließlich ebenso zu diesen Gedanken bringt, ist vielleicht sein Blick auf die eigene Endlichkeit, sein Blick auf sein Nichtfunktionieren. Jonas ist Journalist, er schreibt, sein Tanz mit den Wörtern, mit den Sätzen ist natürlich berufsbedingt wichtig, sehr wichtig. Generierte doch ein stilistisch, künstlerisch und inhaltlich passender Tanz mit den Wörtern bisher seine monetären Zuwendungen. Doch dieser Tanz ist nun erschwert. Dieses Spiel, dieser Tanz mit den Wörtern fällt Jonas schwerer, die Worte kommen nicht mehr so einfach und so schnell. Was ihn natürlich verunsichert. Und auch ängstigt. Wie das jedem von uns ergeht und ergehen wird. Nun muss dieser Tanz mit den Wörtern nicht mehr das Geld für den Pensionierten einbringen. Diese Sorge ist Jonas also los. Dennoch kommt er an den Rand seines Tuns hier auf Erden und dies lässt natürlich auch Blicke zurück zu. Blicke, die für Jonas schmerzlich sein müssten und nach und nach auch zu diesem Schmerz werden.

Tove Jansson schafft es in diesem sehr dünnen, nur 95 Seiten umfassenden Buch einen intensiven Blick auf diesen Jonas zu werfen. Nun ist Jonas für mich natürlich kein Sympathieträger, dennoch stößt mich das Buch und das Tun der Hauptfigur nicht vollkommen ab. Was für mich schon etwas herausragend ist, denn solch einem Charakter würde ich im wahren Leben keinen Blick widmen, keine Sekunde zuteilen. Hier im Buch habe ich mich aber mit Jonas befasst und dies geschah auch nicht ungern.

Bewertung vom 03.07.2025
Khayat, Rasha

Ich komme nicht zurück


ausgezeichnet

Das Gestern und das Heute

Dieses Buch erzählt von einer Freundschaft, der Freundschaft von Hanna, Zeyna und Cem. In den Achtziger Jahren begann diese Freundschaft. Die drei Freunde wachsen im Ruhrgebiet auf, bilden eine von ihnen selbst gewählte Familie. Ihre Herkunft spielt für sie keine Rolle, denken sie, empfinden sie und schließlich wünschen sie es sich. Denn für sie selbst spielt das keine Rolle, aber Teilen ihrer Umgebung schon. Und diese Mitglieder unserer Gesellschaft gestalten das Leben für bestimmte Menschen in unserem Land schwieriger, machen ihnen das Leben schwerer. Dieser unsägliche 11. September 2001 gibt dann denen Nahrung, die es sowieso nicht so gern sehen, dass wir eine offene Gesellschaft haben. Und damit wird auch das Leben von Zeyna und Cem erschwert, Hanna steht hilflos daneben. Es kommt zu Rissen in der Freundschaft und schließlich zum Bruch zwischen Hanna und Zeyna.

Viele Jahre später kommt Hanna zurück, will diesem Damals nachspüren. Denn es lässt sie nicht los. Doch was genau lässt sie nicht los? Was sind die Triebfedern für menschliches Handeln?

Rasha Khayat hat hier ein intensives und mich packendes Buch geschrieben, welches einerseits menschliches Miteinander, menschliche Wünsche und Sehnsüchte thematisiert. „Ich komme nicht zurück“ setzt auch die hehren Kräfte in unserer Jugend zentral, unsere hoch gesteckten Ziele zur Verbesserung unserer Welt. In dem meist engen Rahmen der Jugend betrachtet, in der Welt aus Schwarz und Weiß, in der wir meist in jungen Jahren sitzen. Erst später werden die Welt und die Menschen darin, auch wir selbst, grauer. Es gibt nicht mehr dieses Weiß und Schwarz, dieses Gut und Böse. Das Leben ist eben nicht so einfach, wie man sich das in jungen und unerfahrenen Jahren denkt und auch etwas herbeiwünscht. Rasha Khayat packt diese Jugend und ihre hehren Sichten gekonnt in das Buch, aber genauso auch dieses Später. Spannend und intensiv verwebt sie das Thema der Herkunft in dem Buch, aber auch die Fehlbarkeit der menschlichen Natur. Der Roman „Ich komme nicht zurück“ von Rasha Khayat hat mich richtig begeistert! Ein intensives Buch.

Etwas verwundert hat mich, dass auch die Muslime in Deutschland unter dem Geschehen nach dem 11. September 2001 zu leiden hatten. Ich wusste von diesen etwas dummen Handlungen aus den USA. Von solch einem Geschehen in Deutschland wusste ich nichts. Obwohl dies ja nahe liegt. Denn warum sollten die restriktiven Kräfte hier nicht solch ein grauenhaftes Geschehen für ihre eigenen Ziele benutzen? Da diese restriktiven Kräfte seit längerer Zeit miteinander vernetzt sind, um sich gleichzuschalten, ihr Tun abzustimmen, passt das auch von diesem Gedanken heraus. Und gerade wenn dieses Treiben hier in D nicht so bekannt war, ist es dadurch besonders wichtig, es publik zu machen, den Menschen zu zeigen, wie diese Menschenfeinde ticken.

Hanna, Zeyna und Cem haben mich auf jeden Fall tief bewegt und ich habe dieses Buch sehr gern gelesen, ich empfehle es sehr gern weiter!

Bewertung vom 03.07.2025
Weßling, Kathrin

Sonnenhang


ausgezeichnet

Wegkreuzung

Katharina ist Ende Dreißig und lebt ihr Leben, steckt in ihrem Hamsterrad. Ihre Freundinnen bekommen Kinder, aber Katharinas Leben besteht aus Arbeit und einem Leben nach der Arbeit, einem Ablenken von der Arbeit. Sie meint alles ist noch möglich, bis sie die Information bekommt, dass sie keine Kinder mehr bekommen kann. Ihre Welt bricht irgendwie zusammen, sie vermisst den Sinn in ihrem Leben. Ja, wie ist das, wenn man die eigene Lebensplanung nicht mehr hinbekommt? Wenn die Zeit irgendwie vergangen ist und man vor gewissen Scherben steht, Scherben, die frau nicht mehr gekittet bekommt? Darüber schreibt Kathrin Weßling in ihrem Buch „Sonnenhang“. Und sie schreibt darüber so, dass mein Herz in Flammen aufgeht für Katharina. Denn Katharina und ihre Lebensträume berühren mich sehr, finde ich doch in Katharinas Leben so einiges wieder, was ich selbst kenne. Lebensträume verrinnen manchmal und was macht man dann?

Katharinas Veränderung beginnt mit einem ehrenamtlichen Job in der Seniorenresidenz „Sonnenhang“. Für sie völlig passend gewählt. Eröffnet sich ihr hier doch eine völlig andere Welt, die man als junger Mensch vielleicht manchmal ausklammert, über die man vielleicht hinwegsieht. Doch das Thema der eigenen Endlichkeit sollte jedem von uns klar sein. Denn irgendwann ist es nun mal vorbei mit unserem Dasein hier auf der Erde. Katharina findet nach und nach Zugang zu den Bewohnern der Seniorenresidenz und die Sichten dieser Bewohner verändern sie, lassen sie das eigene Dasein besser greifen, lassen sie nachdenken über ihr Tun und Nicht-Tun. Katharina verändert sich und wächst damit, verliert gewisse Mauern, lernt neue Blickwinkel.

„Sonnenhang“ ist ein wunderbares Buch, das zum Sinnieren einlädt. Ein herrliches Buch zum Überdenken der eigenen Lebensentscheidungen, ein wunderschönes Buch zum Träumen und auch ein wunderschönes Buch zum Fliegen. Denn Katharina und ihre Sichten, ihre Blicke berühren mich intensiv. Die Zeichnung dieser Katharina ist absolut gelungen, sie ist authentisch und nachvollziehbar für mich, ihre Findung, die Neuordnung der Dinge, die Wichtigkeiten in Katharinas Leben haben, ist in meinen Augen grandios gelungen. Und so ist dieses Buch einerseits eine wunderbare Unterhaltung und andererseits ermöglicht es ein Nachdenken über das Hier und das Jetzt, aber es ermöglicht auch Blicke auf das Vielleicht.

Ich möchte dieses Buch hier sehr empfehlen! Mir hat dieser Blick auf Katharina sehr gefallen, einerseits weil ich einiges im Tun und Denken der der Figur Katharina wiedererkannt habe und andererseits, weil Katharinas Veränderung auch der Leserschaft vielleicht ein bisschen Wegweiser sein kann.

Ein wunderschönes, lehrreiches und interessantes Buch!

Lesen!

Bewertung vom 03.07.2025
Walker, Christina

Kleine Schule des Fliegens


sehr gut

Neuordnungen

Alexander Höch kommt aus dem Krankenhaus wieder nach Hause. Zumindest möchte er dies. Doch seine Frau Eva quartiert ihn erst einmal in der Wohnung seines Bruders Georg ein. Er hat eine Chemotherapie hinter sich, ist angegriffen, verletzt und sinniert natürlich zu seinen Lebensfragen. Alexander wollte in ein Zuhause, in sein Zuhause, was anscheinend etwas in Mitleidenschaft gezogen ist, wird doch sein Haus gerade einer Grundsanierung unterzogen. Was ihm als Grund serviert wird in der Wohnung des Bruders einzuziehen, aus der Sorge heraus, ist er doch nach der Chemo angreifbar. Und natürlich hinterfragt Alexander dies. Was ja auch nachvollziehbar ist!

Abgelenkt von seinem eigenen Drama wird Alexander von den Krähen in den Platanen der Nachbarschaft. Zu diesen Krähen empfindet er eine Verbundenheit. Doch treffen diese Krähen in der Umgebung nicht nur auf Liebe und Zustimmung. Es gibt auch menschliche Bewohner der Gegend, denen die Krähen ein Dorn im Auge sind, die sich viele Maßnahmen einfallen lassen, um diese Krähen zu vertreiben. Unter ihnen auch die Nachbarin Melitta Miller, eine Nachbarin, die dazu auserkoren wurde, immer mal wieder nach Alexander Höch zu sehen. Diese sieht es gar nicht gern, dass Alexander Höch sich anscheinend für die Krähen interessiert.

Denn diese Krähen versinnbildlichen für Alexander Höch so einiges. Sollen sie doch aus ihrem Zuhause vertrieben werden, wie auch Alexander sich aus seinem Zuhause vertrieben sieht. Lassen sie doch Federn bei den Vertreibungsaktionen, wie auch der nun haarlose Alexander ja jetzt auch Federn gelassen hat.

Und so erzählt Christina Walker in „Kleine Schule des Fliegens“ von Alexander Höch und seinen Fragen, die in symbolhafter Weise auf das tierische Umfeld in der Stadt bezogen werden. Wohin fliegen die Krähen? Bleiben sie standhaft und/oder sesshaft, überstehen sie die Vertreibungsversuche oder suchen sie sich neue Wege, ein neues Zuhause? Fliegen sie? Und was macht Alexander? Fliegt er, flieht er, findet er?!?!

Ein wirklich interessantes Buch, das ich sehr gern gelesen habe. Nun lässt mich „Kleine Schule des Fliegens“ nicht lichterloh in Flammen aufgehen. Ich empfinde nicht so die Verbindung zur Hauptfigur. Aber diese symbolhafte Art des Schreibens fand ich erfrischend und den Humor, der in der Schreibe liegt, fand ich absolut gelungen. Sind es doch etwas schwere Thematiken, die hier in dem Buch behandelt sind. Dennoch schafft es Christina Walker diese Handlung leichtfüßig in Worte zu fassen und auch spannend zu gestalten. Ein Buch zum Sinnieren über das Leben und die Leidenschaften, die uns in Beschlag nehmen. Ein Buch über das Weitermachen, über das Warum und über das Vielleicht. Ein Buch, das unser Menschsein, unser Menscheln unter die Lupe nimmt. Und ein Buch, welches genauso den Umgang mit unserer tierischen Nachbarschaft thematisiert. Ein Tier ist nur nützlich, wenn es dem Menschen etwas bringt. Ansonsten muss es weg. Genauso wie der Mensch manchem menschlichen Pendant nur nützlich ist, wenn er/sie etwas von ihm hat. Ansonsten muss auch der Mensch weg.

Aber mal noch ein weiterer Gedanke zu dem Buch. Was ist, wenn die gesamte Menschheit verschwindet? Weinen die tierischen Bewohner dann und trauern uns nach?!?! Oder fliegen sie einfach weiter?

Bewertung vom 03.07.2025
Wirth, Doris

Findet mich


ausgezeichnet

Ich kann nicht mehr!

Doris Wirth gibt in ihrem Roman „Findet mich“ tiefe Einblicke in ein psychiatrisches Erkrankungsbild. Denn psychiatrische Erkrankungen reichen sehr weit. Der erkrankte Mensch ist der Leidtragende. Ja. Aber nicht nur. Denn auch sein Umfeld erkrankt mit. Denn diese Veränderungen, die psychiatrische Erkrankungen nun einmal mit sich bringen, befallen genauso das nahe Umfeld der Erkrankten. Und das wird in diesem Buch „Findet mich“ thematisiert. Was ich wunderbar finde! Denn wir brauchen in unserer Gesellschaft genau solche Einblicke. Die Zahl der psychiatrisch Erkrankten wächst in unserer Gesellschaft ständig. Nun könnte man meinen, dass läge an der wachsenden Bereitschaft sich mit diesem Thema zu befassen und sich eher ärztliche und/oder medizinische Hilfe zu suchen. Ich finde aber hier liegt ein gewisser Trugschluss. Denn den Hauptgrund für dieses vermehrte Auftreten psychiatrischer Erkrankungsbilder sehe ich in dem Druck, der in unserer Gesellschaft leider immer mehr zunimmt.


Erwin ist die Hauptfigur in „Findet mich“. Er bricht aus. Er verschwindet. Er kann nicht mehr. Erwin verabschiedet sich aber nicht vollkommen. Was er ja könnte. Da ist noch dieses Findet mich. Er hinterlässt Spuren. Will gefunden werden. Dennoch ist da diese veränderte Betrachtungswelt in Erwin, sind da diese verqueren Gedanken, die den Lesenden die Erkrankung greifbarer machen, die bei der Lektüre letztendlich immens berühren.


Ebenso thematisiert wird aber auch das Leiden der anderen Familienmitglieder in Rückblicken, die Welten der Ehefrau Maria und die Welten der Kinder Lukas und Florence. Denn diese Erkrankung ist nicht urplötzlich da. Sie erscheint und wird nach und nach mit der unbehandelten Zeit größer und größer und erschwert das Leben der Betroffenen und der Familien. Und dies schildert Doris Wirth einfach grandios. Alle in der Familie bekommen ihre Stimme und beschreiben ihr Leben. Und das passiert intensiv und absolut empathisch.


Nun könnte man meinen eine medikamentöse Einstellung verhindert so etwas. Aber so einfach ist das leider nicht. Klar hilft die Medikation und kann einen akuten Zustand abmildern und lässt die Symptome langsam verschwinden. Definitiv. Aber was passiert dann? Denn die Ursachen der Erkrankung sind hier noch nicht behandelt. Nicht umsonst spricht man in der Psychiatrie von diesem Dreiergestirn, was Medikation, Psychologie und letztendlich die Bereitschaft beim Patienten, das eigene Lebensfeld grundlegend zu verändern, beinhaltet. Und da kommt man zum schwierigsten Punkt. Das Eingemachte. Denn das ist das Schwierigste. Wie tickt man selbst? Wo sind die eigenen Wichtigkeiten? Was tut man für sich selbst, wo ist die Selbstfürsorge, wie viel Zeit hat man zur eigenen Seelenpflege? Und da kommt man zum springenden Punkt in unserer Welt des Druckes und der immer weniger werdenden Zeit, die man außerhalb des eigenen Hamsterrades verbringt!!!


„Findet mich“ ist ein kluges Psychogramm eines an einer Psychose erkrankten Mannes und seines nahen Umfeldes, aber gleichzeitig steckt in diesem Buch eine immense Gesellschaftskritik, die man bei und nach der Lektüre klug resümieren sollte!

Bewertung vom 03.07.2025
Soboczynski, Adam

Traumland


sehr gut

Träume und Wahrheiten

Traumland. Ein schöner Begriff. Doch gibt es dieses Traumland. Für die polnischdeutsche Familie in dem Buch ist dieses Traumland Deutschland. Verstehbar, wenn man an das vergangene und heutige Geschehen in Polen blickt. Möchte man selbst in Polen leben? Ich kann für mich diese Frage mit einem eindeutigen Nein beantworten. Die restriktiven Kräfte, die in Polen immer schon die Fäden in der Hand hielten und die das immer noch tun, bedingen für mich dieses Nein. Nur ist dann Deutschland ein Traumland? In meinen Augen nicht. Doch gibt es für mich Traumländer? Nein! Diese gibt es für mich eben nicht. Denn die soziale Sicherheit hat eben in Deutschland für mich einen sehr hohen Stellenwert. Auch wenn momentan mal wieder an dieser sozialen Sicherheit gesägt und gekratzt wird. Denn auch hier gibt es diese restriktiven Kräfte und sie sitzen mal wieder an Machtpositionen und noch viel schlimmere drängen an die Macht. Sie versuchen durch plumpe, aber leider dennoch wirksame Mittel, die Bevölkerung zu blenden und leider gelingt es ihnen. Ein warum wäre hier sicher hilfreich. Vielleicht sollten sich die Menschen an den Schaltpositionen in Deutschland mal fragen, warum dieses Denken hier in Deutschland auf so fruchtbaren Boden fällt. Denn es steht wirklich viel auf dem Spiel, ob das dem deutschen Untertanen so klar ist, wage ich zu bezweifeln.

In dem Buch „Traumland“ gibt Adam Soboczynski Einblicke in den Osten, den Osten von Europa, in das dortige Denken und das dortige Geschehen. Die Einreise der Familie nach Deutschland, in den Westen und ihre bisherigen Lebenswelten ermöglichen Vergleiche, die recht erhellend um die Ecke kommen. Obwohl ich bezweifele, dass Deutschland so den perfekten Blick auf den Westen ermöglicht. Denn Deutschland bietet den Blick auf den Westen in Deutschland. Andere westliche Staaten ticken schon noch etwas anders als Deutschland. Der deutsche Untertan ermöglicht hier einen ganz eigenen Westen, denn ein Aufbegehren gegen Missstände findet in Deutschland weniger statt. Was in anderen Staaten des europäischen Westens doch etwas anders erfolgt. Wie auch unsere Vergangenheit immer noch nicht vollkommen überwunden ist und dementsprechende Denke allerorten zu finden ist. Was Einreisenden sicher recht stark auffällt.

Eben durch diese anders erfolgte Prägung ermöglicht es der polnischdeutschen Familie eben dieses Deutschland, dieses Traumland anders zu betrachten, anders zu begreifen und eben dadurch ermöglicht dieses Buch „Traumland“ auch den Lesern eine andere Sicht.

„Traumland“ ist ein wirklich erhellendes Buch, welches mir sehr gefallen hat und das ich hier sehr empfehlen möchte.

Lesen!

Bewertung vom 10.06.2025
Mishani, Dror

Fenster ohne Aussicht


ausgezeichnet

Mutige Sichten

Der 7. Oktober 2023. Wohl ein genauso ein in unserem Hirn festsitzendes Datum wie der 11. September 2001. Ein furchtbarer Tag! Und wenn dieser Tag schon für jeden von uns außerhalb von Israel ein furchtbarer Tag ist, wie wird es dann wohl den Israelis gehen? Dror Mishani gibt hier seine Sicht der Dinge wieder. Was ich sehr mutig finde! Denn Dror Mishanis Sicht trifft mitnichten die Sichten der dortigen Machthaber. Netanjahu und Konsorten werden da wohl andere Gedanken zu diesem Tag haben, wie man ihrem Tun unschwer anmerkt. Aber so ist das eben, so denkt halt ein pazifistischer und empathischer Mensch. Und diese Gedanken in einem Buch zu verfassen, rechne ich Dror Mishani hoch an. Denn seine Gedanken werden Netanjahu und seinen Parteifreunden in der Likud nicht gefallen. Zu was diese Likud in der Lage ist, wage ich mir nicht auszumalen. Denn schon ihr Tun in Gaza verrät viel über die Geisteshaltung dieser Partei. Denn ob dieser Partei das Leben der israelischen Geiseln in Gaza in irgendeiner Form am Herzen liegt, nun, ich wage das zu bezweifeln.

Dror Mishani beschreibt in seinem Buch „Fenster ohne Aussicht“ was so ein Terrorakt in einem Land anrichten kann, beschreibt dieses Danach. Diese Zeit danach. Nun hat Israel schon immer mit dem Terror zu kämpfen, immer wieder gab es in der Vergangenheit Terrorakte mit menschlichen Opfern. Und auch wenn so etwas nicht normal werden sollte, in irgendeiner Form wird es das aber. Denn ein Mensch wird nicht immer in dieser Habacht-Stellung verharren können. Irgendwann wird man abgeklärter, man nimmt hin was nicht zu verändern ist und lebt, lebt weiter. Doch dieser 7. Oktober 2023 hat hier etwas verändert. Klar bedingt dieses furchtbare Geschehen Antworten. Und auch kriegerische Antworten. Durchaus. Aber meiner Meinung nach werden hier Grenzen überschritten. Denn was soll dieses Tun in Gaza verändern? Soll dieser Krieg die Hamas vernichten oder werden nicht durch dieses anhaltende Töten weitere Gefolgsleute der Hamas generiert? Wann ist die Hamas vernichtet? Wenn kein Palästinenser mehr in Gaza lebt. Ist dies nicht ein weiterer Terrorakt, der dem schändlichen Tun am 7. Oktober 2023 in nichts nachsteht?

Dror Mishani richtet in seinem Buch das Augenmerk auf das Leben von sich und seiner Familie. Richtet sein Augenmerk auf die Veränderungen, die ihm und seiner Familie passieren. Dieser Terror generiert Angst und Angst lähmt. Angst beeinträchtigt. Angst verändert. Denn wenn so etwas Furchtbares einfach so passieren kann, kann es wieder passieren. An anderen Orten, zu weiteren Daten. Passiert es dann mir? Fragen, die sich die Israelis unweigerlich gestellt haben. Doch was macht so etwas mit den Menschen? Wer genau dies erfahren möchte, sollte zu „Fenster ohne Aussicht“ greifen. Ob nun jeder zu den Antworten von Dror Mishani gelangt, nun, ich wage dies zu bezweifeln. Aber eine Gesellschaft kommt nun einmal ohne kriegerische Aktivitäten weiter, denn diese kriegerischen Aktivitäten bündeln jede Menge Menschen. Menschen, die in anderen Zweigen des Landes deutlich besser und effektiver aufgehoben wären. Nur wenn dieses unsägliche Leid endlich aufhört, zieht wieder so etwas wie Normalität in Israel ein. Ein normales Leben! Und genau darauf sollte jeder auf dieser Welt seine Aufmerksamkeit richten, auf ein normales Leben! Auf den Frieden!

Lesen!

Bewertung vom 10.06.2025
Mengeler, Thea

Nach den Fähren


sehr gut

Neuanfang

Das Buch „Nach den Fähren“ von Thea Mengeler handelt auf einer Urlaubsinsel. Nein, es handelt auf einer ehemaligen Urlaubsinsel. Denn die Urlauber kommen nicht mehr. Warum sie nicht mehr kommen, bleibt unklar. Dennoch eröffnet eben dieses Fehlen der Urlauber eine etwas dystopisch anmutende Welt. Der Lebenszweck eben jener Insel und ihrer Bewohner fehlt plötzlich. Doch welcher Bewohner? Denn mit den Urlaubern verschwinden natürlich auch die Einnahmen und so hat sich ein Großteil der ehemaligen Bewohner auch davon gemacht. Nur ein paar der einstigen Bewohner blieben zurück und warten. Auf die Fähren. Auf die Urlauber.

Doch in dem Warten sortieren eben jene Bewohner ihr Leben neu. Denn was brauchen sie wirklich? Die Urlauber? Die volle Insel? Die Unannehmlichkeiten, die eben jene Urlauber über die idyllische Insel bringen? Das Geld der Urlauber? Oder brauchen sie etwas völlig anderes? Etwas, was ihnen in der turbulenten Zeit mit den Urlaubern abhandengekommen ist? Etwas, was sie erst jetzt in der Ruhe und der Abgeschiedenheit ihrer eigenen Insel wiederfinden. Sich selbst. Und ihr eigenes Miteinander.

Auf dieser Insel passiert viel und auch eigentlich nichts. Bis dann eben doch etwas passiert und ein Mädchen namens Ada auftaucht. Sie zieht in den Sommerpalast ein und wirbelt die Bewohner der Insel etwas auf. Besonders das Leben des Hausmeisters. Ein Mann, der sich in der Zeit der Urlauber schon um jenen Sommerpalast gekümmert hat und dies auch noch nach deren Wegbleiben macht. Ada taucht auf und Ada stellt Fragen. Fragen, die Antworten verlangen. Und eben jene Antworten verändern die jetzigen Bewohner der Insel. Ada verschwindet so mysteriös wie sie gekommen ist, nur die Kraft der Veränderung bleibt.

Thea Mengeler hat in ihrem Buch „Nach den Fähren“ nur der Figur der Ada einen Namen gegeben, alle anderen Figuren werden nach ihrer Funktion auf der Insel benannt. Aber genauso könnte man nach der Funktion der Ada fragen. Ada ist die Veränderung, Ada ist das, was den Bewohnern der Insel die Veränderung bringt, obwohl sie nicht allen Bewohnern der Insel körperlich erscheint. Dies passiert nur dem Hausmeister und dieser wiederum gibt eben jene Veränderung an die anderen Bewohner der Insel weiter.

Eine Gesellschaft in einer Veränderung. Was passiert danach? Verharrt man in der Situation und sehnt man sich nach der Wiederkehr der alten Verhältnisse? Oder besinnt man sich nach einem Neuanfang. Macht aus dem Gegebenen etwas Neues, etwas Gutes. Eigentlich besitzen wir Menschen diese positive Kraft. Doch braucht man den Anstoß, eben jene Ada. Wer wird die Ada für uns sein? Denn dass wir uns in Veränderungsprozessen befinden, dürfte immer klarer sein. Machen wir die Insel zu, dass eben keine Ada zu uns durchkommt? Oder erwarten wir diese Ada und werden zu Machern. Machern unserer neuen Welt?!?!

Bewertung vom 10.06.2025
Kieser, Luca

Weil da war etwas im Wasser


gut

Monsterschau

Ein Riesenkalmar ist hier der Hauptprotagonist. Bzw. eine Riesenkalmarin. Und ihre zehn Arme. Bei Riesenkalmaren und auch anderen Kopffüßern ist bekannt, dass die Arme über eigene neuronale Zentren verfügen, die teilweise durchaus als Gehirn betitelt werden. Dadurch sind diese Tiere hochintelligent. Was in verschiedenen Versuchen mit ihnen gut zu beobachten ist. Luca Kieser nutzt dieses Wissen, diese Thesen um den Armen der Riesenkalmarin Stimmen zu verleihen. Und so berichten die Arme der Kalmarin in diesem Buch. Und diese Arme bekommen Namen und so sprechen eben der Hehre Arm, der Halbe Arm, der Andere Tentakel usw.. Eine richtig gute Idee wie ich finde. Was mir weiterhin sehr an „Weil da war etwas im Wasser“ gefallen hat, war die recht laute Kritik am Tun des am weitesten auf der Erde verbreiteten und in seinem Tun den bisher größten Schaden anrichtenden Raubtiers auf der Erde, dem Menschen. Eine immer mehr den Zeitgeist treffende Thematik! Nur leider findet sie in den Machtzentren der Erde zu wenig Gehör. Von daher sind solche Bücher wie „Weil da war etwas im Wasser“ auch ungemein wichtig und richtig. Mich hat diese Gestaltung über diese Blicke dar Arme der Kalmarin sehr begeistert.

Weiterhin in dem Buch relevant sind natürlich auch menschliche Stimmen, wie etwa Sanja, die auf einem Trawler der Fischfangindustrie arbeitet oder Dagmar, die in der Antarktis stationiert ist. Es kommen dann immer weitere Personen der Familien Sanz/Sanchez dazu, die einen zeitlich weit gefächerten Blick ermöglichen und darin enthaltene kulturgeschichtliche Aspekte der Leserschaft eröffnen, die sich thematisch um die Monster der ozeanischen Welten drehen. So befasst sich das Buch unter anderem mit der Welt des Jules Verne, der cineastischen Blicke auf die Tiere des Wassers bis zum legendären und unterirdischen „Der weiße Hai“. Doch die Monster, die hier gezeichnet wurden, sind sie wirklich diese Monster? Oder ist das wahre Monster nicht doch der Homo Sapiens?

Nun ist dieser Blick rein informativ ein wirklicher Segen. Doch erzählerisch wird mir dies dann doch alles leider etwas zu viel des Guten. Denn irgendwie empfand ich diese ganze Menge an Informationen und vor allem diese Menge an Personen den Erzählfaden des Buches zerreißend und für mich schmälert dies den Lesegenuss leider entscheidend. Nun könnte man sagen, dass genau das zur Grundaussage des Buches unbedingt benötigt wird, was ja auch so ist. Aber dennoch hat dies mein Leseerlebnis irgendwann deutlich vermindert und mir das anfänglich vorhandene Vergnügen an der Geschichte geraubt. Was schade ist. Sehr schade. Denn ich wollte dieses Buch lieben. Passt es doch thematisch voll in meinen Lesegeschmack und trifft es doch auch völlig mein Meinungsbild!

Bewertung vom 10.06.2025
Kames, Maren

Hasenprosa


sehr gut

Hasenwissen

„Hasenprosa“ Ein interessantes Buch. Experimentell. Eigenwillig. Künstlerisch. Sprachgewaltige Bilder einer Schau nach innen und außen innerhalb einer skurrilen Interaktion mit einem Hasen. Ein Gespräch mit einem Hasen. Ja. Richtig gelesen. Wie man auf so etwas kommt. Keine Ahnung. Hat es mir gefallen. Ja. Irgendwie schon. Durch das Experimentelle. Das etwas Punkige. Das Wilde. Das Ungeschliffene. Dann aber auch wieder poetisch. Mit den Worten spielend. Teilweise sprachlich sehr schön. In dieser Mischung einzigartig und genial.

Inhaltlich bin ich dagegen etwas zwiegespalten. Natürlich präsentiert „Hasenprosa“ auch Blicke auf die Erzählerin und deren Familie. Aber diese Blicke sind ungeordnet und sporadisch. Sie erscheinen immer wieder. Diese Blicke nach innen. Werden aber irgendwie nicht auserzählt. Sind traumhaft. Schemenhaft. Deuten eine Auseinandersetzung an. Aber formulieren diese Auseinandersetzung nicht vollkommen aus. So dass alles etwas sequenziell bleibt. Doch auch dies hat seinen Zauber.

Zwischen diesen Blicken nach Innen gibt es die vielen Blicke nach Außen auf dieser Reise durch Raum und Zeit mit dem Hasen. Informationen tauchen auf. Machen neugierig. Erhellen. Aber verwirren auch etwas. Wie kommt man zu so einer Zusammensetzung von nicht immer völlig zusammenpassenden Dingen. Informationen zu Kunst, Kultur und Wissenschaft und dann wieder diese Blicke nach Innen. Ein Hin und ein Her. Springend. Galoppierend. Und rasant.

Garniert mit den Gesprächen mit dem Hasen, der einen recht eigenen Humor aufweist. Eine recht eigenwillige Konversation, die damit aber klug diese Blicke nach innen und außen garniert und untermalt. Diese Reise durch Raum und Zeit mit diesem Hasen und beginnend mit den Worten »Wenn das alles gewesen ist, ziehe ich aus!«, ruft da eine und macht sich in ihren Meilenstiefeln, ihren Reisesocken davon, könnte als ein gewisses Ausklinken verstanden werden, ein Revoltieren gegen das Starre, in dem es dieses Starre durch eine aus dem Raum und der Zeit gefallenen und etwas punkigen Geschichte karikiert und mit diesen Blicken nach innen und außen garniert.

Vor allem ist aber diese Idee der Konversation mit dem Hasen, der Reise durch Raum und Zeit ein gewagtes und absolut interessantes Lese- und Schreib-Experiment, dass meiner Meinung nach völlig zurecht gewürdigt gehört.

„Hasenprosa“ ist kein Buch, welches eine laufende Geschichte erzählt, macht damit die Lektüre nicht ganz so einfach, wenn man sich aber darauf einlassen kann, wird man mit dieser doch recht experimentellen und auch sprachgewaltig-poetischen Schreibe der Maren Kames belohnt.