Es wird auf dem Rücken von Unpaarhufern vermutet, auf der Straße oder in den kleinen Dingen: das Glück. Mehr ein Gefühl, denn eine Tatsache. Ein Zustand, den jeder anders empfindet. Bei Jaeckie Thomae geht es ums Mutterglück, bzw. das Fehlen desselben und die Frage, ob es sich frau auch ohne erfüllten Kinderwunsch erlauben darf, sich vollständig zu fühlen. Quasi, ohne die biologische Mission der Arterhaltung vollendet zu haben. Der Roman liest sich wie eine Streitschrift, bzw. eine Bestandsaufnahme weiblicher Befindlichkeit in einer Zeit, in der Karriere ebenso wichtig ist, um sich erfüllt zu fühlen, die Zeit auf Erden sinnvoll genutzt zu haben, wie Familiengründung. Oder doch nicht? Spannend ist, wie beinahe beiläufig Thomae weibliche Topoi verhandelt. Wir folgen einer Moderatorin, die nicht auf Kriegsfuß mit ihrem Körper steht, die eine Politikerin als Gast erwartet, deren innerer Dialog ständig Szenen im Voraus durchspielt, die sich ereignen könnten - oder auch nicht. Aber man will ja vorbereitet sein, Fast zwanghaft. Und doch so vertraut. Macht man halt. Brillant ist auch, wie erzählte Figuren, die Schwester der Senatorin, die Geschwister der Journalistin plötzlich selbst zu handelnden Figuren werden. Die Kamera springt einfach über, zack, geht's im nächsten Kapitel nicht mehr um Marie-Claire, sondern um Anahitas Perspektive, obwohl beide noch im Raum sind. Man gleitet durch diesen Roman wie ein Beobachter, dessen Aufmerksamkeit mal hier, mal dort hängenbleibt. Und bekommt immer neuen Input. Mal geht's um Selbst- und Fremdwahrnehmung, mal um Männer vs. Frauen. Das bekannte Rollending inkl. Selbstzweifeln, aber auch inkl. Selbstbewusstsein. Es sind spannende Frauen, vielschichtig, reflektiert, es wird nie langweilig. Wenn man etwas bekritteln mag, dann vielleicht den idealisierende Epilog, der eine Welt ohne Vorurteile beschreibt, wie man sie sich wünschen würde. Mit Weichzeichner, alles sind lieb, verständnisvoll, Harmonie pur. Sollte es jemals so kommen, über was könnte man sich dann noch aufregen..?
#netGalleyDE
Ein Mädchen folgt den Hinweisen in einem Brief ihrer Mutter und stolpert in ein Land jenseits der uns bekannten Welt, befreundet sich mit einem Flaschengeist, den sie versehentlich befreit hat, und geht bei einer mürrischen Magierin in die Lehre, wobei es ihr geht wie Goethes Zauberlehrling, dem bei den ersten Gehversuchen so manches Missgeschick passiert... Zohra Nabis Debüt entführt in eine Geschichte, die so auch in "1001 Nacht" hätte stehen können, sie berichtet von märchenhaften Ereignissen wie dem Erscheinen eines Fährmanns, den man mit einem Gedicht herbeirufen kann, es gibt Sultane, Wesire, Seherinnen. Dass Nabi fasziniert und inspiriert ist von der Blütezeit des islamischen Reichs spürt man an den Namen, den prachtvollen Gewändern wie Abaya oder Salwar Kamiz, am vergoldeten Prunk des Magierviertels in Zehaira, den üppigen Farben und Düften auf dem Markt, am Rezept für Masoor Dal, welches Yara von ihrer Mutter gelernt hat, das wohltuende Schwaden von Kurkuma und Kreuzkümmel verströmt, an der Erwähnung des Zuckerfestes. Es ist eine sinnliche Welt, die auch von Rafik Schami ersonnen hätte sein könnte, dem großen Erzähler aus Damaskus, der für seine Leser unter anderem "Eine Hand voller Sterne" vom Himmel geholt hat. Um Sterne wird es auch im 2. Band der "Kingdom over the Sea"-Dilogie gehen, die Ende August erscheint. Doch zunächst müssen Yara Sulimayah und ihre Lehrmeisterin Leyla Khatoun die bösen Absichten der Alchemisten unterbinden, die das friedliche Zusammenleben im magischen Reich bedrohen. Fast wünscht man sich, es würde nie gelingen, so schön ist es, sich in der Welt von Zehaira aufzuhalten und von Dingen zu erfahren, die man eben noch für unmöglich gehalten hätte. Ein Buch, das seine Leser beschenkt mit märchenhafter Magie, liebenswerten Figuren, einem tapferen Mädchen und das einen glücklich und dankbar zurücklässt.
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