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Benutzername: 
D.Lubimov
Wohnort: 
Thüringen

Bewertungen

Insgesamt 35 Bewertungen
Bewertung vom 10.10.2022
Spaziergang zu dir selbst
Kattilathu, Biyon

Spaziergang zu dir selbst


ausgezeichnet

Das Buch von Biyon Kattilathu hat mich schon mit seinem Cover und seiner optischen Gestaltung angesprochen. Auch ein Blick ins Inhaltsverzeichnis machte mich neugierig. So konnte ich der Einladung, einen Spaziergang zu mir selbst zu machen, nicht widerstehen.
Das Erste, womit mich der Autor sofort für sich gewonnen hatte, war die Aussage: „… du (wirst) hier nichts Neues lernen. Ich möchte dich vielmehr auf Dinge erinnern, die schon längst in dir liegen.“ Wie oft liest man Einleitungen von Autoren, die versprechen, mit ihrem Buch etwas ganz Neues, Nie-da-Gewesenes erschaffen zu haben, ein Werk, das all unsere früheren Vorstellungen auf den Kopf stellt und unser Leben nachhaltig verändert. Solche prätentiösen Versprechen werden viel zu oft nicht eingehalten. Doch in diesem Buch sieht man etwas anderes, was auf mich sehr ehrlich gewirkt und für Sympathiepunkte für den Autor gesorgt hat. Ein toller Einstieg!
Die Idee, die der Autor in diesem Buch folgt – einen imaginären Spaziergang durch einen Wald zu machen und dabei unterschiedlichste Aspekte unseres Lebens anzusprechen – fand ich ebenfalls sehr gelungen. Der Autor belehrt den Leser nicht, er zeigt ihm nur das, was auf dem Weg liegt, verbindet damit Geschichten aus seinem Leben und Gedanken, die ihm dazu gekommen sind. Durch diesen Ton wird man als Leser nicht nur zum Nachdenken angeregt, sondern auch richtig unterhalten. Man ist durchgehend gespannt, was einen auf diesem Spaziergang noch erwartet. Zumindest ich wollte an keiner Stelle im Buch mit dem Lesen aufhören. Das ist für mich die beste Erklärung dafür, womit dieses Buch den Aufkleber „SPIEGEL Bestseller-Autor“ verdient hat.
Hier sind noch ein paar Lieblingszitate aus diesem Buch:
- „Manchmal gewinnt man und manchmal lernt man.“
- „Enttäuschung bedeutet, dass die Täuschung weg ist und du nun klar sehen kannst.“
- „Unser Nährboden sind andere Menschen. Sorge dafür, dass du von Menschen umgeben bist, die dir guttun.“
- „Investiere jede Sekunde in dich, in deine Träume, in die Menschen, die dir am Herzen liegen, in eine schönere Welt.“
Eine absolute Leseempfehlung von mir, auch sehr gut als Geschenk an liebe Mitmenschen vorstellbar.

Bewertung vom 07.07.2022
Autorenwegweiser
Cziehso, Gerrit P.

Autorenwegweiser


sehr gut

Seit einigen Jahren beschäftige ich mich mit dem Schreiben und noch intensiver mit den Ratgebern, die einen angehenden Autor auf seinem Weg unterstützen. Unter den rund 10 Ratgebern, die ich bis jetzt verschlungen habe, gab es recht gute, von denen ich viel gelernt habe, es gab aber auch solche, die mich weniger begeistert haben.

"Der Autorenwegweiser" hat sofort mein Interesse geweckt. Der Verfasser dieses Ratgebers erhebt gleich auf den ersten Seiten den Anspruch, etwas ganz Besonderes geschaffen zu haben, etwas, was es bisher nicht gegeben hat. Ein Nachschlagewerk, das die Autoren von der ersten Idee bis zur Veröffentlichung und darüber hinaus führt. Ehrlich gesagt fand ich diese Ankündigung ein wenig anmaßend. Zumal es bereits doch einige sehr gute Schreibratgeber gibt. Umso gespannter war ich, ob der Autor sein Versprechen hält.

Was ist mit beim Lesen dieses Werkes aufgefallen? Vor allem klare Struktur. Ein Blick ins Inhaltsverzeichnis zeigt, was einen erwartet. So kann man an der Stelle einsteigen, die einen gerade am meisten interessiert.

Der Hang zum Strukturieren fällt auch im Text extrem auf. Für jede Aussage gibt es immer ein "erstens", "zweitens" und "drittens". Für fast alles gibt es jeweils drei Beispiele. Darüber musste ich irgendwie schmunzeln. Das hat mich an eine wissenschaftliche Arbeit erinnert, wo man durchgehend alles strukturieren und mit Unterpunkten erläutern will. An manchen Stellen hätte ich mir einen lockereren Schreibstil gewünscht.

Zu den Inhalten selbst. Es wird versucht, jedes einzelne Thema zu beleuchten, das einem angehenden Autor auf seinem Weg begegnen kann. Dabei halten sich die Ausführungen knapp und zum Teil recht oberflächlich. Für die Autoren, die zum ersten Mal einen Schreibratgeber in den Händen halten und noch keine Vorstellung davon haben, wie sie arbeiten wollen (müssen), um ans Ziel zu kommen, ist dieser erste Einblick ausreichend. Für mich persönlich war das weniger befriedigend.

Hat der Verfasser dieses Autorenwegweisers am Ende sein Wort gehalten, etwas nie dagewesenes geschaffen zu haben? Je nach dem, wie genau man diese Worte nimmt. Für absolute Anfänger, die in einem Buch alles finden wollen, was sie beim Schreiben unterstützen kann, ist dieses Werk ganz in Ordnung. Für jemanden, der nach mehr Inspirationen sucht, gibt es passendere Nachschlagewerke.

Bewertung vom 26.05.2022
... und plötzlich Pilger
Zenker, Johannes

... und plötzlich Pilger


ausgezeichnet

Zum Thema „Pilgern auf dem Jakobsweg“ gibt es auf dem Buchmarkt eine Menge Bücher und dennoch macht mich jedes neue neugierig. Wie hat dieser Autor es erlebt? Was hat ein anderer zu berichten? Gibt es gleiche, „universelle“ Erfahrungen? Was sind die Beweggründe für so ein „Abenteuer“ und findet man am Ende das, wonach man am Anfang gesucht hat? Diese und viele weitere Fragen machen mich neugierig für die Geschichten, die sich auf dem Jakobsweg abspielen.

Das Buch von Johannes Zenker hat mich von Anfang an in seinen Bann gezogen. Es macht nicht den Eindruck, als würde ein erfahrener Schriftsteller oder Entertainer von seinen Erfahrungen berichten, sondern jemand, der im Nachbarhaus wohnt. Ein lockerer, entspannter Schreibstil mit witzigen und nachdenklichen Geschichten, den Einblicken in die Gefühls- und Gedankenwelt eines Pilgers haben mich sofort für sich gewonnen.

Das Buch liest sich sehr flüssig. Man folgt gespannt dem jungen Mann auf seinem Weg nach Santiago und zu sich selbst. Manche Gedanken, die ihn dabei besuchen, sind einfach und zugleich sehr spannend. "Wir haben die Welt entzaubert" war so ein Gedanke, der irgendwie melancholisch und traurig einstimmt und gewaltig nachklingt.

Schön fand ich auch solche Erkenntnisse wie: „Ich darf mich nicht hetzen lassen, ich muss häufiger innehalten und die schönen Momente genießen, anstatt sie auf der Jagd nach einem Schlafplatz bloß abzuhaken.“ Das In-sich-Gehen, seinen Blick für die Welt öffnen, den Weg und die Ruhe genießen, die Zeit mit sich selbst, aber auch die wertvollen Begegnungen – das macht für mich den größten Reiz einer Pilgerfahrt aus.

Oder auch die Gedanken eines anderen Pilgers, die Johannes Zenker widergibt: "... es kommt der Moment, da stößt du bei jedem Thema ans Ende, da hast du jeden Gedanken gedacht. Dann setzt der Camino deine Seele zurück in den Werkzustand, er schenkt dir unbekannte innere Leere, ein frisch gepflügtes Feld voll namenloser Saatkörner, die endlich, nachdem das Unkraut gejätet ist, den Raum haben, zu gedeihen." Großartige Worte, finde ich! Worte, die bewegen und dieses Buch lesenswert machen.

Zum Schluss eine Anmerkung zu den Fotos, die dieses Buch ergänzen. Ich habe mich sehr darüber gefreut. Das Einzige, was ich ziemlich ungeschickt fand: die Bilder sind nicht chronologisch sortiert. Ich persönlich fände es sinnvoller, wenn sie in der Reihenfolge erscheinen würden, wie sie im Text auftauchen.

Bewertung vom 08.05.2022
Du bist mehr als genug
Desai, Sarah

Du bist mehr als genug


ausgezeichnet

Das Erste, was mir bei diesem Buch aufgefallen war, ist das Cover. Eigentlich nichts Außergewöhnliches, aber die Farben haben mich sofort angesprochen. Auch die Haptik des Umschlags ist sehr angenehm, mit den geprägten Buchstaben, die man nicht nur erlesen sondern auch erspüren kann. So etwas Kleines veredelt das Buch und erinnert gleich an die Achtsamkeit, das aktive Nutzen von allen Sinnen, wovon in diesem Buch an einigen stellen die Rede ist.
Das Zitat zur Eröffnung stimmt von Anfang an auf das Buch ein, dass es etwas Wunderbares sein wird, macht neugierig auf den Text, genauso wie die Geschichte von den goldenen Fenstern, die den Lesern zeigt, worum es geht auf den nächsten 160 Seiten geht.
Das Buch besteht aus drei Teilen: "Selbstwert erkennen", "Selbstliebe leben" und "Selbstvertrauen entwickeln", wobei die Teile nicht unbedingt nacheinander gelesen und "abgearbeitet" werden müssen.
In jedem von diesen Teilen gibt es zahlreiche Übungen, Anleitungen zu Meditationen, Aufgaben zu Visualisierungen, Atemübungen, Affirmationen und Mantras, die alle einem übergeordneten Ziel dienen: Den LeserInnen helfen, eigenen Selbstwert zu erkennen und anzufangen, sich zu lieben, sich selbst zu vertrauen.
Beim ersten Blick ins Buch dachte ich: "Hier ist so wenig Text auf einer Seite. Das hätte man kompakter machen können." Doch inhaltlich hat das Buch gezeigt, dass es viel mehr bietet, als ich erwartet habe. Die Menge an Übungen spricht für dieses Buch. Und ich denke, wenn man sich auf die Übungen einlässt und sie systematisch in seinen Alltag integriert, haben sie sehr großes Potenzial. Ich habe in den letzten Tagen einige davon ausprobiert und recht schnell gemerkt, dass es mir allgemein deutlich besser geht, dass ich viel fröhlicher und entspannter bin. Oder liegt das am sonnigen Wetter? Ich denke beides. Auf jeden Fall finde ich Sarah Desais Werk sehr hilfreich und lasse mich in der nächsten Zeit davon weiter begleiten.
Von mir gibt es einen Lob an die Autorin und eine klare Kaufempfehlung für die LeserInnen.

Bewertung vom 02.03.2022
Being Britney
Otter Bickerdike, Jennifer

Being Britney


gut

Britney Spears ist zweifelsohne eine der bekanntesten Persönlichkeiten unserer Zeit. Ihren Namen kennt jeder, bei ihren Liedern können viele mitsingen, ob man sie mag oder nicht.

Ich bin auf den Liedern von Britney aufgewachsen. Selbst ohne mich als ihren Riesenfan zu bezeichnen, finde ich ihre Musik klasse und sie als Persönlichkeit fand ich schon immer interessant.

„Being Britney“ ist dennoch die erste Biografie, die ich von Miss Spears gelesen habe.

Das Buch ist in thematische Kapitel eingeteilt, die einigermaßen zeitlich sortiert sind. Jedes ist in sich schön aufgebaut und widmet sich einem bestimmten Aspekt. Was für einem – ist eine andere Frage. Ob es um Britneys Brüste oder ihren Körper allgemein geht, um ihr Jeans-Outfit bei AMA 2001. Die Autorin versucht, verschiedene Aspekte der Karriere des Popstars, ihres Einflusses auf die Generation und des Einflusses der Medien auf Britney selbst zu schildern.

Ich mag den Stil, wie Jennifer Otter Bickerdike schreibt. Ihre Sprache und wie sie ihre Gedanken aufbaut, wie sie die Aussagen miteinander verbindet und durch Zitate belegt. Das ist für mich ein großer Pluspunkt. Auf der Minusseite dagegen ist, was sie schreibt.

Als ich angefangen habe, diese Biografie zu lesen, wollte ich etwas Neues über die Person Britney Spears erfahren, nicht nur über die Free-Britney-Bewegung, der ein sehr großer Teil des Buches gewidmet ist. Was weiß ich von Britney Spears nach knapp 300 Seiten? Wenn ich darüber nachdenke, fällt mir nicht viel ein. Über Britneys Familie konnte ich dem Buch so gut wie nichts entnehmen, außer dass Britney ihre Eltern und Geschwister im Gefängnis sehen will. Ihre Kindheit und Jugend beschränken sich auf kurze Erwähnung von zwei Wettbewerben. Dafür erfährt man dann aber Unmengen Informationen über das Video zu „ … Baby one more time“, zum großen Teil Fakten die nichts mit Britney zu tun haben und nur die Seiten füllen. Wenn die Autorin ein Aspekt aus dem Leben oder der Karriere der Sängerin erläutern möchte, schweift sie gerne in die Geschichte aus, geht Jahrzehnte zurück, sucht Parallelen zum Teil in den Generationen lange vor Britneys Geburt. Einige Anekdoten und Informationen sind zwar interessant, aber ich fragte mich immer wieder: „Muss das in einer Biografie von Britney sein?“

Insgesamt war mein Eindruck nach der Lektüre nicht wirklich positiv. Das Buch hat mir nichts über Britney erzählt, was für mich neu oder wirklich spannend gewesen wäre. Nur die sprachliche Gestaltung und der Schreibstil im Allgemeinen haben für mich persönlich dieses Buch gerettet.

Bewertung vom 13.06.2021
Die Sprache des Lichts
Kramer, Katharina

Die Sprache des Lichts


ausgezeichnet

Von dem Roman „Die Sprache des Lichts“ habe ich aus einer regionalen Zeitung erfahren. In einer Buchbesprechung wurde er als sprachgewaltig und sehr spannend gepriesen, was mein Interesse geweckt hat.
Die hohen Erwartungen und die vielen zum Teil überschwänglichen Kommentare zu diesem Buch sind völlig berechtigt. Der Roman von Katharina Kramer ist nicht nur sprachlich ein Meisterwerk, sondern bietet viel Spannendes an.
Die Geschichten um den ehemaligen Pforta-Lehrer Jakob Greve und die Spionin der katholischen Liga Margarète Labé fesseln von den ersten Szenen. Zwei höchst interessante Figuren treiben die Handlung voran, sorgen für Spannung und Staunen durch ihr Wissen und Wissensdurst, aber auch durch die Leidenschaft, mit der sie ihre Ziele verfolgen.
Das geheimnisvolle Buch „Soyga“, das Jakob zu entschlüsseln versucht, wird für manchen Leser eine Entdeckung sein. Die Suche nach der Sprache der Schöpfung, die so gewaltig ist, dass sie Dinge entstehen lässt; die rätselhafte Pfeifsprache der Hirten, mit der geheime Botschaften übermittelt werden und zwei Figuren, die sich mit ganzem Herzen ihrer Mission widmen – was für eine Grundlage für einen historischen Roman!
„Die Sprache des Lichts“ ist ein anspruchsvoller, sehr informativer und ausgezeichnet recherchierter Roman. Der Leser erfährt viele spannende Details und Hintergründe, nicht nur durch die Handlung, sondern auch durch ausführliche Kommentare und Literaturtipps am Ende des Buchs. So wird die Geschichte noch erlebbarer, fundierter. Ein Roman von beeindruckender Qualität!

Bewertung vom 17.05.2021
My Traveling Piano
Löhrmann, Joe

My Traveling Piano


sehr gut

Was für eine tolle Idee ist es, mit einem eigenen Klavier um die Welt zu reisen und an atemberaubend schönen Orten Naturkonzerte zu spielen! Um diesen Traum und den Weg zu ihm geht es im Buch von Joe Löhrmann. Von den ersten Versuchen am Klavier als Kind über die qualvollen Ausbildungsjahre und scheinbar nicht schönere Studienjahre bewegte sich der freiheitliebende Pianist seinem Traum näher – den starren Alltagsstrukturen entkommen, reisen, Musik machen und frei sein.
In diesem Buch gewährt Joe Einblicke in sein Leben, wie der Frust von dem „normalen“ Leben ihn krank machte und wie er einen Weg für sich entdeckte – durch die Musik. Als Straßenmusiker mit einem rollenden Klavier auf den Marktplätzen in deutschen Städten hatte er angefangen und durch schicksalhafte Begegnungen ein Konzept für sein Traumleben entwickelt. Hier und da schildert er die Hindernisse, die ihm auf dem Weg standen, Herausforderungen, die er überwinden oder umgehen musste. Zum Beispiel beschreibt er, mit welchen Schwierigkeiten man als Straßenmusiker zu tun hat, wie die Vorschriften ihm die Grenzen setzten und wie er sich dagegen zu wehren versuchte.
Besonders interessant waren für mich persönlich allerdings die Passagen, in denen Joe Löhrmann über seine Musik schreibt, die Entstehungsgeschichten seiner eigenen Songs. Leider kommen diese Passagen etwas zu kurz. Wenn ich seine Musik heute höre, interessiert es mich schon sehr, wie diese Musikstücke entstanden sind, was die Inspirationen waren. Im Buch findet man nur wenige Geschichten dazu.
Dafür bietet es einige Anekdoten aus dem Leben des reisenden Musikers – Betrüger in China, Kriminelle in den USA, aber auch die Geschichten von zahlreichen Begegnungen mit Leuten, die das Leben des Pianisten nachhaltig beeinflusst zu haben scheinen, die seine Einstellungen zum Leben geändert haben.
Mit seinem Beispiel versucht Joe Löhrmann zu zeigen, dass man auf sein Herz hören sollte, seine Träume nicht auf später verschieben oder diese gar zu verdrängen, aus welchen Gründen auch immer. Es sei nie zu spät, mit dem Leben anzufangen, wie sehr es einem auch Angst machen kann, die Komfortzone zu verlassen und das große Abenteuer einzugehen. Es ist ein Aufruf, dem man folgen möchte. Doch man fragt sich, ob das wirklich funktionieren kann, wenn man einen Beruf hat, mit dem man doch nicht so einfach auf die große Reise gehen kann, weil man dann nicht weiß, wie man überlebt, wie man das ganze finanziert und was ist, wenn die Reise endet. Oder gibt es für jede Person ein Konzept, mit dem man seine Träume leben kann? Joe Löhrmann sagt „Ja!“. Ich habe noch immer meine Zweifel.

Bewertung vom 22.03.2021
Die große Lombarden-Box
Schier, Petra

Die große Lombarden-Box


ausgezeichnet

Die große Lombarden-Box hält, was sie verspricht – drei ungekürzte Romane mit insgesamt über 37 Stunden Laufzeit, gelesen von einer Meisterin ihres Handwerkes.

Der Leser begleitet eine junge Frau, die mit gerade mal 20 Jahren Witwe wird und die Geschäfte ihres Mannes übernimmt. In Köln des 15. Jahrhunderts muss sie sich behaupten lernen, wenn sie das Vermögen und die Geschäfte ihres Mannes behalten möchte. Denn sie muss nicht nur für sich selbst sorgen, sondern auch für die Familie des verstorbenen Geldwechslers.

Schon bald nach seinem Tod – der sich als Mord bestätigt – taucht Aleydis in die dunklen Geheimnisse der Wechselstube ein. Durch Kölner Bürger, Kunden der Wechselstube, aber auch durch Personen aus ihrer nächsten Umgebung erfährt sie nach und nach, dass ihr Mann nicht der war, den sie gekannt hatte, dass er gefürchtet und gehasst wurde. Diesem Hass fällt nun Aleydis selbst zum Opfer.

Doch sie bleibt stark und kämpft sich durch drei Bände durchs Leben voran. Es gelingt ihr nicht nur, den Mord an ihrem Mann aufzuklären und ihre Familie vor Armut zu retten, sondern auch ein neues Leben angefangen. Dieses ist zwar voller Herausforderungen, doch sie hat Leute an ihrer Seite, die sie unterstützen und sie letztendlich zum Erfolg führen. Nicht zuletzt (oder vor allem) hat sie das einem Mann zu verdanken, durch den sie viel lernt – für ihr Geschäft, für sicheres Leben aber auch für ihre Gefühlswelt.

Neben drei gelungenen Hauptgeschichten aus dem Leben von Aleydis gelingt es Petra Schier, noch eine Menge Wertvolles in die Bücher zu holen. Vor allem sind es historische Details, die das Leben in Köln des Spätmittelalters widerspiegeln. Details aus dem Alltagsleben wie Wohnsituation, Bräuche, Aberglauben, Kleidung, Essen, Umgangsformen, Vorgehen bei Streitigkeiten und Vergehen usw. Diese Details sind gekonnt in die Handlung eingebunden und sorgen für die Entdeckung dieser Zeit auf unterhaltsame Art und Weise.

Die Charaktere der Trilogie sind allesamt gut ausgearbeitet. Sie zeigen im Laufe der Geschichte(n) eine erkennbare Entwicklung. Jede Figur bekommt eine eigene unverkennbare Stimme, die durch die hohe Kunst der Sprecherin Brigitte Carlsen besonders stark zum Ausdruck kommt.

An manchen Stellen hätte ich die Geschichten für die Hörbuch-Ausgabe gekürzt. Manche Passagen waren dann doch zu ausholend und an den Stellen, wo es einen Cliffhanger gibt, hätte man die Szenen beenden können, statt weitere lange Gespräche dranzuhängen. Das hätte aus meiner Sicht dem Hörbuch mehr Spannung verliehen. Im gedruckten Buch könnten diese Passagen noch berechtigt sein, doch in einer Hörbuch-Fassung werden sie ein wenig zu ausführlich.

Nichtsdestotrotz bietet die Lombarden-Box eine spannende, unterhaltsame Reihe, Geschichten, denen man gerne lauscht und von denen man nicht genug bekommt.

Bewertung vom 27.02.2021
Eine Ahnung von Pan
Mahrenholz, Jobst

Eine Ahnung von Pan


ausgezeichnet

„Eine Ahnung von Pan“ besteht im Grunde genommen aus zwei Geschichten, wobei die beiden so miteinander verflochten sind, dass die eine ohne die andere nicht mehr vorzustellen ist. Zum einen die, die gelebt wird – vom Ich-Erzähler und Zino, zum anderen die, die der Erzähler schreibt – von Peer und Lasse. Zwei wundervolle Geschichten, voller leiser Gefühle, die eher angedeutet als beschrieben werden, aber beim Leser mit voller Kraft ankommen.
Es sind vor allem die Figuren, die diesen Roman ausmachen. Es sind Charaktere, die die Handlung vorantreiben, so wie es in einem guten Roman auch sein muss. Allesamt Figuren, die man im realen Leben kennen lernen möchte.
Zum einen ist es der Ich-Erzähler, Ingar Pirandello, ein Schriftsteller, der auf der Suche eines Teils seiner Identität ist, „nebenbei“ an einem Roman arbeitet und zum Schluss etwas viel Wertvolleres entdeckt. Der Erzähler, dem man unendlich lange lauschen möchte. Denn das, was er zu erzählen hat, und die Art, wie er das tut, sind fabelhaft!
Dann ist es Zino, der hinkende, verfilzte Ziegenhirte, der im Laufe des Romans nicht nur seine dramatische Geschichte offenbart, nach und nach, sondern auch seine innere Welt zum Vorschein bringt. In kurzen Sätzen, die voller Philosophie sind. Einfach und zugleich so weise! Seine rätselhafte Seite bezaubert gleich am Anfang der Geschichte, sein inneres Universum verblüfft und versetzt ins Staunen bis zur letzten Seite.
Maria Carissi, eine italienische Großmutter, eine Frau, die von der ersten Szene den Leser für sich gewinnt – mit ihrer Art zu sprechen – manchmal philosophisch-nachdenklich, manchmal mit Humor, auch Ironie ist ihr nicht fremd. Doch was auch immer sie sagt und tut, sie bleibt immer sympathisch. Erst recht, wenn man ihre Geschichte erfährt.
Erwähnenswert und bemerkenswert ist der Schreibstil des Autors. Wenn man einmal im Lesefluss ist, kommt man da nicht mehr raus. Der Text ist flüssig und schlicht. Knappe und prägnante Sätze, kurze aber einprägsame Szenen, ohne überflüssige Worte, ausschweifende Beschreibungen. Alles dient dem Zweck, alles dient der Geschichte. Es scheint keinen einzigen Satz zu geben, der die Seiten füllen soll. Keiner der Figuren fällt eine Phrase, die kein Gewicht im Ganzen hätte.
Ich habe mich in diese Geschichte verliebt. In diesen Pan und das Drama, das er stoisch in sich herumträgt. In Maria Carissi, keine Frau vieler Worte, manchmal ein wenig hart, aber bewundernswert für ihre Denkweise und die Kraft, die sie vorzeigt, trotz all der Schicksalsschläge. In Ingar Pirandello, der in Italien viel mehr findet, als das Vermächtnis seines Vaters. Und natürlich in die Kunst, die Jobst Mahrenholz schafft. Ein Werk, das einen auch nach dem Lesen beschäftigt, über das man nachdenkt, das man sicherlich nicht nur (ein-)mal durchlesen sollte.

Bewertung vom 15.02.2021
Die Frau vom Strand
Johann, Petra

Die Frau vom Strand


gut

Der Klappentext verspricht eine spannende Geschichte, voller Geheimnisse und überraschende Wendungen. Genau das, was einen guten Thriller ausmachen sollte. Dazu eine interessante Figurenauswahl, die zumindest auf mich frisch wirkt. Ein lesbisches Paar mit einem Kind und eine geheimnisvolle Frau, die etwas von den beiden will – das klingt nach Spannung.
Der Thriller beginnt aus der Ich-Perspektive und erzählt aus der Sicht von Rebecca die Geschichte, die bereits im Klappentext geschildert wird. Dann ändert sich die Perspektive und der Großteil des Romans wird aus den Perspektiven von mehreren Personen entwickelt. Hier kommt mein erster Kritikpunkt: Es gibt insgesamt zu viele Figuren, aus deren Perspektive die Handlung vorangetrieben wird. Da gibt es die Kommissarin Edda, die meiner Ansicht nach die wichtigste von den Nebenfiguren ist, aber es kommen noch mindestens 5 weitere Personen dazu, die zumindest in einzelnen Szenen in den Vordergrund rücken. Das hat mich an manchen Stellen irritiert, weil ich mich fragte, warum diese Figur auf einmal mehr Gewicht in der Szene hat als Edda. Oder ob ich mich konzentrieren und mir die Figur merken soll, weil sie eine besondere Rolle spielt – was bei mindestens 2 oder 3 Nebenfiguren nicht der Fall war. Sicherlich ging es der Autorin dabei darum, möglichst viele Indizien im Text zu streuen, die bei den Ermittlungen helfen oder irreführen sollten, aber für mich war es an diesen Stellen ein (handwerklicher) Bruch und unnötige Ablenkung.
Die Hauptstory an sich ist recht spannend, wobei die Spannung sich erst auf den letzten Seiten richtig entfaltet. Im mittleren Teil sind solche überraschende Wendungen zwar nicht unbedingt vorhersehbar, aber sie haben bei mir keine „kalte Schaue“ hinterlassen, wie es der Klappentext verspricht. Manche solche Momente werden detailliert vorbereitet, durch die Dialoge wird darauf hingearbeitet, sodass der Ach-Effekt ausbleibt. Cliffhanger klingen viel zu oft gleich: „In diesem Moment klingelte es“ oder „Sie griff nach ihrem Handy“. Auf einige Nebengeschichten wie z.B. die Affäre der Schwägerin eines Ermittlers mit ihrem Angestellten hätte ich gerne verzichtet – sie haben mit dem Hauptkonflikt nichts zu tun und blasen die Geschichte nur auf.
Der Schreibstil / Die Sprache insgesamt ist sehr flüssig, wodurch die Geschichte sich sehr schnell und leicht lesen lässt. Nur ab und zu rutschte das eine oder andere Wort, das nach meinem Geschmack eher zu einem Frauenroman / Liebesroman als zu einem Thriller passen würde. Dass sich jede zweite weibliche Figur schnäuzen musste, sobald es zu Vernehmungen kam, klang irgendwann belustigend. Wie viele Taschentücher im Laufe der Geschichte gereicht wurden, habe ich bald aufgehört zu zählen. Und immer wieder tauchten wertende Ausdrücke auf, die meines Erachtens nicht in den Roman hineingehören, so in etwa „Er machte eine interessante Entdeckung“. Dadurch wächst zwischen mir und den Figuren die Distanz. Denn das, was sie als interessant werten, muss für den Leser nicht unbedingt genauso spannend sein. Ich frage mich, ob das vom Lektorat anders gesehen wird. Der Leser sollte selbst eine Meinung bilden, sie nicht aufgetischt bekommen, besonders wenn es um einen Thriller geht.
Insgesamt fand ich das Buch unterhaltsam, fragte mich allerdings immer wieder (vor allem in der Mitte), ob das wirklich ein Thriller oder doch ein Krimi ist. Es ist ein gut geschriebenes Buch, aber keins, das bei mir Schauer hinterlässt und mich nach dem Lesen weiter beschäftigt.