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Quincyliest

Bewertungen

Insgesamt 115 Bewertungen
Bewertung vom 25.06.2025
Kornmüller, Jacqueline

6 aus 49


sehr gut

Nach der großartigen Novelle von J. Kornmüller "Das Haus verlassen" war ich sehr gespannt auf ihren ersten Roman, in dem sie die Lebensgeschichte ihrer Großmutter erzählt.
Lina war eine besondere Frau, emanzipiert und lebenslustig bis ins hohe Alter. Dabei meinte das Leben es nicht immer gut mit ihr. Sie erlebte bittere Armut, doch durch harte Arbeit und Fleiß gelingt ihr der soziale Aufstieg. Sie wird Inhaberin eines Hotels in Garmisch - Patenkirchen. Im Privaten hatte sie weniger Glück. Die Ehe scheitert, das Verhältnis zur Tochter ist angespannt. Doch die Beziehung zu ihrer Enkelin ist eng und liebevoll. Die Enkeltochter ist ihr großes Lebensglück.
Die Lebensgeschichte fügt sich Stück für Stück zu einem Bild zusammen, bleibt aber unvollständig. Episodenhaft sind die Kapitel. J. Kornmüller hat eine ganz eigene Sprache, sie erfindet mitunter charmante Wörter, erzählt originell und phantasiereich, darin liegt ihre große Stärke.
Einige Dinge bleiben offen, das Verhältnis zur Tochter etwa, so ergibt sich am Ende ein unvollständiges Porträt.
Im empfehle das Buch gern weiter, auch wenn meine (hohen) Erwartungen nicht ganz erfüllt wurden.

Bewertung vom 16.06.2025
Mommsen, Janne

Das Licht in den Wellen


sehr gut

Janne Mommsen hat einen unterhaltsamen und berührenden Roman geschrieben. Im Mittelpunkt der Handlung steht Inge Martensen. Im hohen Alter von fast 100 Jahren reist sie zusammen mit ihrer Urenkelin Swantje per Schiff nach New York. Es ist zugleich eine Reise in die Vergangenheit. Inge blickt auf ein erfülltes und ereignisreiches Leben zurück.
Als junge Frau verließ sie ihre Heimat, die Insel Föhr und wanderte nach Amerika aus. Noch während der Überfahrt freundet sie sich mit Karolina an, die Freundschaft hält ein Leben lang. Fast ohne Englischkenntnisse kämpft sie sich durch, wird später sogar ein angesagtes Lokal führen. Die tatkräftige Inge geht ihren Weg und lässt uns an ihren Gedanken und Gefühlen teilhaben.
Geschickt verbindet Mommsen Gegenwart und Vergangenheit. Erst zum Schluss erfährt man etwas über die Hintergründe der Auswanderung.
Die Familiengeschichte wird authentisch und greifbar geschildert. Mommsen erzählt warmherzig und authentisch. Der leicht zu lesende Roman ist das ideale Buch für den Sommer.

Bewertung vom 08.06.2025
Hughes, Siân

Perlen


sehr gut

Perlen ist ein berührender und eindringlicher Roman über Verlust, Trauer und Identitätssuche. Im Mittelpunkt der Handlung steht Marianne, sie ist acht Jahre alt als ihre Mutter eines Tages aus dem Haus geht und nie wieder zurückkommt. Sie verschwindet spurlos. Marianne bleibt mit ihrem Vater Edward und ihrem jüngeren Bruder Joe zurück. Tief sitzt der Schmerz, folgenreich ist der Verlust. Die Frage, warum die Mutter fortgegangen ist, wird Marianne ein Leben lang begleiten.
Erzählt wird in Fragmenten, bruchstückhaft sind die Erinnerungen, verzerrt und umhüllt von einem Schleier des Vergessens. Die Gedanken springen, Ängste und Zweifel werden zu ständigen Begleitern.
Perlen ist ein unaufgeregtes und stilles Buch, das Emotionen und eine melancholische Atmosphäre transportiert. Hughes verzichtet auf einen roten Faden, springt zwischen Gegenwart und Vergangenheit. Der lesenswerte Roman verlangt Aufmerksamkeit und belohnt den Leser mit tiefgreifenden Gedanken und einer wunderbaren Sprache.

Bewertung vom 03.06.2025
Labba, Elin Anna

Das Echo der Sommer


ausgezeichnet

Elin Anna Labi thematisiert in ihrem viel beachteten Romandebüt die Vetreibung der Sami. Wie fast überall auf der Welt wurde auch in Skandinavien die indigene Bevölkerung unterdrückt.
Im Mittelpunkt der Handlung stehen die drei samischen Frauen Rávdná, ihre Schwester Anne und ihre Tochter Ingá. Die Sommermonate verbringen sie an einem See und Leben vom Fischfang. Im Herbst ziehen sie mit ihren Rentieren in ein Winterquartier.
Als sie im Frühjahr ihr Sommerlager beziehen wollen, ist alles unter Wasser: ihr Zuhause mit allem Besitz und auch das Grab des Vaters - zugunsten der Stromgewinnung. Das Sommerland verschwindet. Vom Staat erhalten Sie eine viel zu geringe Entschädigung.
Die Autorin schreibt atmosphärisch, die Grundstimmung ist düster und harmoniert mit den angesprochenen Themen Heimatverlust, Diskriminierung und Trauer. Dennoch ist ihr Ton nicht anklagend, sondern der einer Beobachterin.
Eindrucksvoll wird das einfache Leben der Sami im Einklang mit der Natur geschildert. Ich empfehle den Roman gern weiter.

Bewertung vom 05.05.2025
Behm, Martina

Hier draußen


ausgezeichnet

Martina Behm hat einen eindrucksvollen Debütroman geschrieben, der das Landleben realistisch und ungeschönt abbildet.
Ihr Roman spielt in einem fiktiven Dorf in Schleswig-Holstein, Fehrdorf. Hier wohnen Ingo und Lara mit ihren beiden Kindern. Sie sind von Hamburg aufs Land gezogen, von ländlicher Idylle, mehr Wohnraum und einem Garten träumend. Ingo pendelt weiterhin nach Hamburg zur Arbeit. Als er eine weiße Hirschkuh anfährt, die getötet werden muss, kommt eine alte Legende zum Vorschein, die nichts Gutes prophezeit. Dieser Mythos ist auch der Rahmen der Handlung.
Im Verlauf der Geschichte werden weitere Dorfbewohner vorgestellt, man erfährt von ihren Sorgen und Ängsten.
Martina Behm zeichnet ein vielfältiges und facettenreiches Bild der Landbevölkerung. Sie ist eine ausgezeichnete Beobachterin und beschreibt das Landleben realistisch. Nicht nur das dörfliche Zusammenleben unterliegt einem Wandel, auch die Landwirtschaft verändert sich ständig.
Mir hat der Roman sehr gefallen und ich empfehle ihn gern weiter.

Bewertung vom 15.04.2025
Strohmeyer, Anette

Die Frau und der Fjord


ausgezeichnet

Annette Strohmeyer hat einen unterhaltsamen und bewegenden Roman geschrieben, in dem es vor allem um die Verarbeitung von Verlust und Trauer geht. Im Mittelpunkt der Handlung steht die Geschichte von Gro. Sie hat als Geologin auf einer norwegischen Ölplattform gearbeitet, war glücklich verheiratet, bis das Schicksal erbarmungslos zuschlägt. Ihr Mann Nicklas verunglückt tödlich. Gro lässt alles hinter sich, gibt ihre Karriere auf und zieht sich komplett aus ihrem bisherigen Leben zurück. Sie zieht in ein kleines Holzhaus, das an einem Fjord gelegen ist. Die Natur und die Einsamkeit helfen ihr über den schweren Verlust ihres Mannes hinweg. Schritt für Schritt kämpft sie sich zurück ins Leben und wagt einen Neuanfang.
Die Autorin findet eine gute Balance zwischen melancholischen Gedanken und einem nach vorne gerichteten Blick. Die Naturbeschreibungen sind eindrucksvoll und sehr bildhaft. Ein fesselnder Roman voller Emotionen und Spannung. Empfehlenswert!

Bewertung vom 09.04.2025
Bilkau, Kristine

Halbinsel


ausgezeichnet

Kristine Bilkau hat einen berührenden Roman über die sich verändernde Beziehung einer Mutter zu ihrer Tochter geschrieben. Annett ist Ende 40, sie arbeitet als Bibliothekarin in Husum. Ihre Tochter Linn lebt nach erfolgreichem Studium in Berlin. Während einer Umwelttagung erleidet Linn einen Kreislaufzusammenbruch. Ihre Mutter holt sie zu sich nach Hause ans Meer. Dort angekommen, brechen alte Konflikte auf, Fragen hinsichtlich der zukünftigen Lebensgestaltung werden aufgeworfen. Es geht ums Loslassen und auch um einen Neustart.
Kristine Bilkau ist eine genaue Beobachterin mit einem feinen Gespür gegenwärtiger Probleme. Ohne überflüssige Worte beschreibt sie Alltägliches und spannt den Bogen zu den wichtigen Themen unserer Zeit. Sie erzählt eine einfache, unspektakuläre Geschichte in einem ganz eigenen Stil. Großartig. Klare Leseempfehlung.

Bewertung vom 01.04.2025
Darwin, Sarah;Vogel , Johannes;Herrmann, Boris

Das Parlament der Natur


ausgezeichnet

Die Botanikerin Sarah Darwin, Ururenkelin von Charles Darwin und ihr Lebensgefährte Johannes Vogel, Generaldirektor des Berliner Naturkundemuseums, führen zusammen mit dem Journalisten Boris Herrmann ein äußerst interessantes Gespräch über den Zustand der Natur und darüber, wie uns nichts Geringeres als die Rettung der Welt gelingen könnte.
Das Gespräch findet in einem lockeren Ton mit persönlicher Note statt. Es liefert zahlreiche Impulse zum Nach- und Umdenken. Jeder einzelne Mensch kann etwas tun, vor allem aber ist das Buch ein Appell an die politisch Verantwortlichen, nachhaltige Konzepte für die Zukunft zu entwickeln. Wir brauchen dringend einen Paradigmenwechsel. Naturschutz ist ein Thema politischer und sozialer Verantwortung. Die Notwendigkeit einer wegweisenden Politik wird deutlich.
Das Buch selbst besitzt eine äußerst hochwertige Aufmachung und enthält wunderbare Fotos, es macht einfach Spaß, darin zu blättern.
Große Leseempfehlung!

Bewertung vom 31.03.2025
Gmuer, Sara

Achtzehnter Stock


gut

Sara Gmuer hat einen schonungslosen und gesellschaftskritischen Roman geschrieben, der das gegenwärtige Leben einer alleinerziehenden Mutter in einem sozialen Brennpunkt beleuchtet. Wanda lebt mit ihrer fünfjährigen Tochter Karlie in einem Berliner Pflanzenbau, im achtzehnten Stock. Sehr weit oben, doch von einem Aufstieg ist sie weit entfernt. Der Plattenbau ist kein Ort zum Wohlfühlen, ist kein Zuhause. Doch Wanda hat Träume, sie möchte Schauspielerin werden. Tatsächlich bietet sich ihr die Möglichkeit, eine kleine Rolle in einem Film zu ergattern. Als ihre Tochter krank wird, muss sie sich entscheiden, Kind oder Kariere.
Mit der Protagonistin Wanda bin ich nicht wirklich warm geworden. Sie erscheint unnahbar und teilweise unsympathisch.
Der Roman ist in einer ungeschönten, prägnanten und klaren Sprache geschrieben. Das soziale Milieu wird zwar recht authentisch geschildert, es werden aber auch einige Klischees bedient. Auch inhaltlich hat es mich nicht ganz überzeugt, deswegen gibt es von mir nur eine eingeschränkte Leseempfehlung.

Bewertung vom 19.03.2025
Andrea, Jean-Baptiste

Was ich von ihr weiß


ausgezeichnet

Jean - Baptiste Andreas bewegender Roman erzählt eindrucksvoll die Geschichte des Bildhauers Michelangelo Vitaliani - genannt Mimo - und Viola Orsini vor dem historischen Hintergrund zweier Weltkriege in Italien. Die Beziehung der beiden Protagonisten ist die Geschichte einer Freundschaft über alle Höhen, Tiefen und Standesunterschiede hinweg. Sie lernen sich bei seinen Auftragsarbeiten kennen. Viola reicht ihm die Hand, sie ist klug, gebildet, mutig und unkonventionell. Mimo dagegen stammt aus ärmlichen und einfachsten Verhältnissen. In Frankreich geboren, wird er von der Mutter nach Italien geschickt, er soll Bildhauer werden. Er kämpft sich durch sein Leben, sein unglaubliches Talent verhelfen ihm später zu Ansehen und Erfolg.
Der Roman ist in einer wunderbaren Sprache geschrieben, atmosphärisch dicht und absolut authentisch. Er wurde mit dem Prix Gouncourt ausgezeichnet. Große Leseempfehlung.