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Benutzername: 
H. Seewald
Wohnort: 
Berlin

Bewertungen

Insgesamt 5 Bewertungen
Bewertung vom 10.08.2011
Ostgezeter
Rosenlöcher, Thomas

Ostgezeter


ausgezeichnet

Pointiert, witzig, einfühlsam und jenseits aller Vergangenheits- und Wiedervereinigungsklischees

Wenn man diverse Meinungsbekundungen einiger Meinungsmacher liest oder viel mehr noch hört, so habe es in der DDR nur Menschen gegeben, die entweder im Widerstand oder total angepasst waren. Tatsächlich ist die Gruppe der Dissidenten, die kompromisslos gegen das bestehende System Widerstand leisteten, von der Anzahl her sehr gering. Groß hingegen, ja Legion, ist die Zahl derer, die sich nach dem Herbst 89 (oder gar noch während desselben) eine Widerstandsbiografie zu konstruieren suchten, nicht selten mit Erfolg.
Im Text „Nickmechanismus“ nimmt Thomas Rosenlöcher eine andere Bevölkerungsgruppe unter die Lupe, nämlich die, welche sich zum Teil anpassten, zum Teil aufmüpfig waren, Zivilcourage zeigten. Er tut dies exemplarisch, seine eigene Vergangenheit beleuchtend, durch Selbstbefragung. Diese Selbstbefragung kommt authentisch rüber, wohl vor allem auch deshalb, weil der Autor eigene Fehler und Feigheiten eingesteht, mit viel Selbstironie.

Das Buch enthält zudem eine ganze Reihe von witzigen und scharfsichtigen Texten, die unverkrampft die deutsche Wiedervereinigung und ostdeutsche Vergangenheit thematisieren. Als ein Beispiel hierfür sei die im feuilletonistischen Stil verfasste Reisebeschreibung „Die Spreewaldloreley – Ein Bierdeckelrekonstruktionsversuch“ genannt, welche von der Anpassung des Spreewald-Tourismus an die neue Zeit handelt, und dies überaus witzig, manchmal bissig, doch immer auch einfühlsam.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 15.05.2011
Der eingebildete Kranke
Molière

Der eingebildete Kranke


ausgezeichnet

Ein hochaktuelles Buch, eine wundervolle Komödie

Obschon die Medizin seit dem Zeitalter des Sonnenkönigs gewaltige Fortschritte gemacht hat, so ist dieses Buch doch nach wie vor aktuell hinsichtlich der Patienten-Beschaffung, wie sie durch einen Großteil der Ärzteschaft in Kumpanei mit der Pharmaindustrie betrieben wird. Da werden zum Beispiel völlig normale Werte für Blutdruck und Cholesterin als krank eingestuft, die Grenze zwischen "gesund" und "nicht gesund" vorsätzlich verschoben, mit dem einzigen Ziel, Krankenkassen und Patienten zu schröpfen. Nicht das Wohl der Patienten ist die Motivation dieser Leute, sondern die nackte Gier nach Profit. Das Buch "Die Krankheitserfinder" von Jörg Blech sei in diesem Zusammenhang wärmstens empfohlen.
Es lassen sich leider, wie zu Molieres Zeiten, leicht- und autoritätsgläubige Menschen einreden, ihnen würde was fehlen, sie wären krank. Für diese Pseudo-Patienten ist "Der eingebildete Kranke" die richtige Medizin. Molieres Meisterwerk ist aber weitaus facettenreicher, doch dieses herauszufinden sei der geneigten Leserin und dem geneigten Leser überlassen, wobei ich viel Vergnügen wünsche.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 15.05.2011
Gedichte 1902 - 1943
Lasker-Schüler, Else

Gedichte 1902 - 1943


ausgezeichnet

Wunder in deutscher Sprache

Was macht eine/einen Lyriker/in zu einer/einem solchen? Ist es die Beherrschung des dichterischen Handwerks? Das wohl auch, zweifellos eine notwendige Voraussetzung. Darüber hinaus bedarf es einer eigenen, unverwechselbaren Sprache des dichtenden Subjekts, erst hierdurch entsteht Literatur, wie etwa die Gedichte von Else Lasker-Schüler, von denen nicht wenige zu den Wundern in deutscher Sprache gehören. Sie dichtete sowohl in freien Rhythmen als auch in gebundener Verssprache. Ihre Lyrik unterscheidet sich wohltuend und grundsätzlich von den Produkten des Großteils der LyrikerInnen unserer Tage, die weder Vers, Metrum, Takt noch Rhythmus aufweisen und oftmals auf eine erschreckende Weise inhaltsleer und beliebig sind. Es ist meiner Meinung nach in Gänze zutreffend, was Robert Gernhardt über diese AutorInnen in seinem Buch "Gedanken zum Gedicht" sagt, zum Beispiel, dass sie dichten "wie der erste Mensch".

5 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.12.2009
Das Beste von Allen
Allen, Woody

Das Beste von Allen


ausgezeichnet

Wo man ein anständiges Steak bekommt

Ich kannte von Woody Allen bislang seine Filme und einige Sprüche aus einer Aphorismen-Sammlung. „Das Beste von Allen“ war eine großartige Entdeckung für mich, ein Feuerwerk an Witz und Geist! Wenn ich dieses mit den Werken vergleiche, die in diversen Buchhandlungen im „Humor“-Regal platziert sind, so erscheinen letztere größtenteils als armselige Possen, was sie wohl tatsächlich auch sind, es sei denn, man/frau mag keine Pointen oder ist der Meinung, eine Pointe sei ein ostasiatisches Geflügel.

An einige Storys angefügt oder in diesen enthalten fand ich nicht wenige meiner liebsten Woody-Allen-Sprüche wieder, unter anderem diesen: „Clouquet hasste die Wirklichkeit, war sich aber klar darüber, dass sie noch immer der einzige Ort war, wo man ein anständiges Steak bekam.“

6 von 6 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.