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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Hamaru
Wohnort: 
Nürtingen

Bewertungen

Insgesamt 55 Bewertungen
Bewertung vom 28.04.2025
Wackelkontakt
Haas, Wolf

Wackelkontakt


sehr gut

Wie weit trägt die Idee, ein Buch so zu scheiben, wie M.C. Escher zeichnete? Ziemlich weit, weil Haas in " Wackelkontakt" immer wieder den Plot mit witzigen Sprachreflektionen auflockert. "'Versteh mich nicht falsch', solche Sätze versteht man immer richtig, wenn man sie falsch versteht." Aber dass er am Ende den toten Elektriker auferstehen lässt und das als "Trick17" oder wienerisch als "Einserschmäh" bezeichnet, ist schon ein bisschen wackelig.

Bewertung vom 20.04.2025
Federball
Le Carré, John

Federball


ausgezeichnet

Federball verhält sich zu Badminton wie Fang den Hut zu Schach. Warum der Ullstein Verlag John Le Carrés Roman "Agent running in the field" auf Deutsch ausgerechnet unter dem Titel "Federball" herausbringt, bleibt sein Geheimnis. Denn der Roman hat alles, was Badminton nach Aussage des britischen Geheimdienstlers Nat, Ich-Erzähler und Badminton-Crack, auszeichnet: Geduld, List und Tempo. Der Roman spielt zur Trumps ersten Amtszeit und der damals 88-jährige Le Carré nimmt Trumps zweite hellsichtig vorweg: "Er ist Putins Latrinenputzer. Er tut alles für den kleinen Putin, was der kleine Putin nicht selbst tun kann und pisst dabei auf die europäische Einheit, pisst auf die Menschenrechte, pisst auf die NATO." Kein Wunder, dass Nat da in einen gehörigen Loyalitätskonflikt gerät, denn er aber mit einem gut vorbereiteten Rückhandlob mit Bravour löst.

Bewertung vom 16.04.2025
Montecristo
Suter, Martin

Montecristo


gut

Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit zwei Hunderter mit derselben Seriennummer zu besitzen? Und das auch noch zu bemerken? Und dann in demselben Zug zu sitzen, in dem der Verursacher eines gigantischen Geldbetruges ermordet wird? Und die Zeugen zufällig per Video festzuhalten? Dies alles passiert dem Helden in Martin Suters Roman " Montechristo". Irgendein Autor hat mal geschrieben, dass diejenigen, die immer die Wahrscheinlichkeit in der Literatur anführen, zu wenig Phantasie besäßen. Nun, dann fehlt mir die Phantasie für diesen Romanplot.Wer aber bereit ist, diese Voraussetzungen zu glauben, wird mit diesem Roman über die korrupte Schweizer Bankenwelt gut unterhalten.

Bewertung vom 09.04.2025
Jenseits aller Zeit
Barry, Sebastian

Jenseits aller Zeit


weniger gut

Ich kann die Begeisterung der Feuilletonisten für diesen Roman nicht ganz teilen. Dafür ist mir Barrys Roman "Jenseits aller Zeit" doch zu konstruiert und zu verkopft. Ein pensionierter irischer Polizist als alttestamentarischer Hiob, dem Frau und Kinder gestorben sind, dessen Frau als Kind von einem Priester missbraucht wurde, der dann unter mysteriösen Umständen ums Leben kommt. Am Ende erschießt der Pensionär aus 300m Entfernung einen Vater, der sein Kind entführt hat. Zum Glück hat der Nachbar, ein Cellist, der ihm Bruchs Kol Nidrei vorgespielt hat, ein Präzionsgewehr auf dem Balkon plaziert, mit dem er in seiner Freizeit auf Kormorane schießt.

Bewertung vom 09.04.2025
Stadt der Hunde
de Winter, Leon

Stadt der Hunde


sehr gut

Tel Aviv ist die "Stadt der Hunde". Ausgerechnet der Tritt in einen Hundehaufen ist bei dem renommierten Neurochirurgen Jaap Hollander der Auslöser, der seine rationale Welt erschüttert. Gleich Max Frischs Homo faber muss er erkennen, dass es für die Suche seiner vor zehn Jahren spurlos verschwundenen Tochter nach Spiritualität doch einen Grund gibt. Wie immer bei Leon de Winter ist der Plot spannend und gut recherchiert. Der Roman endet einen Tag vor dem Überfall der Hamas auf Israel und dem Ende aller Friedensträume, die mit Hollanders erfolgreichen Operation einer saudischen Prinzessin in Israel doch neue Nahrung erhalten sollten.

Bewertung vom 27.03.2025
Angstblüte
Walser, Martin

Angstblüte


gut

Noch nie hat jemand so schön die kapitalistische Geldvermehrung gefeiert, wie die Hauptperson in Martin Walsers Roman "Angstblüte". Karl von Kahn, 70+, Finanzdienstleister, ist ein Bewunderer. Ob er über die Schönheit des Zinseszins spricht oder über die der 40 Jahre jüngeren Schauspielerin, in die er sich unsterblich verliebt, es wird ihm alles zum religiösen Bekenntnis. Dass Walser keine Angst hat, sich und seinen Helden dem Vorwurf von Altmännerphantasien auszusetzen, ist fast schon wieder bewundernswert.

Bewertung vom 16.03.2025
Reise nach Laredo
Geiger, Arno

Reise nach Laredo


weniger gut

Es ist mir nicht leicht gefallen, mich auf die "Reise nach Laredo" einzulassen. Arno Geiger schildert diese letzte Reise über weite Teile als ein Traum. Ein sterbender Kaiser macht sich mit seinem unehelichen Sohn und zwei Outlaws auf den Weg nach Laredo am Antlantik. Er verbringt Wochen in einer zwielichtigen Spelunke bei Kartenspiel und Weinbranntgelagen. Erst auf den letzten Kilometern wird deutlich, dass diese Reise ein Versuch ist, Rechenschaft abzulegen. Warum Geiger jedoch einen Protagonisten wählt, der seit fast 500 Jahren tot ist, erschließt sich dem Leser nicht. Denn auch über den historischen Karl V, in dessen Reich die Sonne nie unterging, erfährt man nur wenig.

Bewertung vom 10.03.2025
Intermezzo
Rooney, Sally

Intermezzo


ausgezeichnet

Ich gebe zu, ich war mehr als skeptisch: Sally Rooney, die Autorin, die Israel boykottiert und dann noch das blau eingefärbte Buch in der young-adult-Ecke. Aber "Intermezzo" ist ein richtig guter Roman über zwei ungleiche Brüder und ihrer Suche nach Liebe. Von Kapitel zu Kapitel wechselt die Perspektive und das chaotische Liebesleben des älteren Bruders Peter wird weitgehend in einem stakkoartigen Bewusstseinseinsstrom geschrieben, unvollständige Sätze, die plötzlich abbrechen, Gedanken, von denen man oft nicht weiß, ob sie ausgesprochen sind oder nicht. Das ist nicht immer leicht verständlich, aber passt sehr gut zu dieser Figur. Erholen kann sich der Leser dann bei der zarten Liebesgeschichte zwischen dem jungen Ivan und der 13 Jahre älteren Margaret. Erstaunlich ist nur, dass eine solche Konstellation im heutigen Irland noch so skandalös ist.

Bewertung vom 03.03.2025
Wie der Soldat das Grammofon repariert
Stanisic, Sasa

Wie der Soldat das Grammofon repariert


gut

Erzählen abseits aller literarischer Regeln, Zeiten und Zeitenfolge, Realität und Phantasie wild durcheinander wirbelnd, so wirr muss dem kindlichen Erzähler der Kriegsausbruch auf dem Balkan vorgekommen sein. Erschagen gibt der Leser von Stanisics Erstlingswerk irgendwann auf, in all diesen Absurditäten einen Sinn zu finden.

Bewertung vom 23.02.2025
Hey guten Morgen, wie geht es dir?
Hefter, Martina

Hey guten Morgen, wie geht es dir?


sehr gut

Monika Hefter hat ein ehrliches Buch über eine Künstlerin am Rande des Existenzminimums und ihren an MS erkrankten Ehemann geschrieben, in dem Fiktion und Realität nahtlos ineinander übergehen. Nachts, wenn sie nicht schlafen kann, chattet sie mit sogenannten Scammern, die älteren weißen Frauen Liebe vorspielen, um sie abzuzocken. Dass der Verlag ihr einen Sensitivreader an die Seite stellt, damit alle woken Regeln eingehalten werden und sie den Scammerboys nicht auf die Füße tritt, hinterlässt einen Beigeschmack. Ist dss die Zukunft der Literatur?