Jean-Baptiste Andrea gelingt mit seinem Roman "Was ich von ihr weiß" ein Kunststück, das von der ersten Seite an fesselt – und das, obwohl wir den Protagonisten Mimo bereits zu Beginn seines Lebensendes kennenlernen. Dieser ungewöhnliche Schachzug erweist sich jedoch keineswegs als spoilernd, sondern vielmehr als Einladung, Mimos Lebensgeschichte aus einer einzigartigen Perspektive zu entdecken.
Und eintauchen, ja, das tut man wahrlich. Andrea besitzt eine bemerkenswerte Gabe, den Leser mitten in Mimos Welt zu versetzen. Durch seine lebendige und detailreiche Erzählweise vergisst man schnell die äußere Realität und folgt Mimos Erinnerungen wie einem intimen Gespräch mit einem alten Freund.
Besonders beeindruckend ist, wie der Autor mit Mimos Kleinwüchsigkeit umgeht.
Obwohl es ein prägender Teil seiner Identität ist, schafft Andrea es, dass der Leser – ähnlich wie Mimo selbst in vielen Momenten – diese körperliche Besonderheit in den Hintergrund treten lässt. Mimos Erlebnisse, seine Gedanken und Gefühle stehen im Vordergrund, und man begegnet ihm als einem komplexen und vielschichtigen Menschen, dessen Andersartigkeit zwar präsent ist, aber nicht seine gesamte Existenz definiert.
Eine faszinierende Entdeckung war für mich die zentrale Rolle der Bildhauerei. Andrea vermittelt auf wunderbare Weise die Leidenschaft und die intricacies dieses Handwerks, ohne dabei belehrend zu wirken. Man spürt Mimos Hingabe zur Formgebung und beginnt, diese Kunstform mit neuen Augen zu sehen.
Natürlich dürfen in einer Lebensgeschichte die zwischenmenschlichen Beziehungen nicht fehlen, und auch hier überzeugt Andrea auf ganzer Linie. Insbesondere die Figur der Viola verleiht der Erzählung eine zusätzliche Tiefe und eröffnet neue Blickwinkel. Ihre Interaktionen mit Mimo sind von einer besonderen Intensität geprägt und tragen maßgeblich dazu bei, die Komplexität menschlicher Verbindungen zu beleuchten.
Jean-Baptiste Andrea hat einen Roman geschaffen, der noch lange nachhallt und den Leser mit einer reichen Fülle an Gedanken und Emotionen zurücklässt. Eine absolute Leseempfehlung für alle, die sich auf eine ungewöhnliche, aber zutiefst lohnende literarische Reise begeben möchten.
Das Buch hat mich insgesamt wirklich positiv überrascht. Als ich die Leseprobe gelesen habe, war mein größter Kritikpunkt, dass mir die Erzählung nicht detailliert genug war. Dass das Buch aber weitaus mehr als einen Erzählstrang haben würde, war mir nicht bewusst. Noch weniger, dass genau darin die Stärke der Geschichte liegen könnte.
Man erfährt aus ganz unterschiedlichen Perspektiven, wie die Menschen den Bau des Panamakanals wahrgenommen haben. Dabei schafft es die Autorin auf exzellente Art und Weise von einer Geschichte in eine andere überzuleiten, ohne dass für den Leser dabei ein Bruch entsteht.
Die Geschichte war damit sehr abwechslungsreich und der Stil hat mir das Lesen des Buches einfach gemacht.
Ich fand es nur ein wenig schade, dass die historischen Ereignisse irgendwie zu kurz gekommen sind. Ich hätte gerne noch mehr über den Panamakanal oder den Wiederstand in Gatun erfahren, aber vieles wurde leider nur angerissen. Aufgrund der Vielzahl an Geschichten war das aber vielleicht einfach nicht anders realisierbar.
Nachdem ich das Buch im Januar 2021 gewonnen hatte, habe ich die ersten Kapitel innerhalb weniger Tage gelesen. Aber je tiefer ich die Geschichte des jungen Alem kennenlernen durfte, desto weniger wollte ich mich damit auseinandersetzen. Selbst wenn der Autor und der Verlag betonen, dass das Werk ohne Wertung geschrieben sei, war es alles andere als neutral für mich. Müsste ich ein Wort für Alems Kindheit finden, würde ich "gewalttätig" wählen und das nicht nur im physischen Sinne.
Wieso vergebe ich nur vier Sterne? Ich finde, dass es dem Autor an einigen Stellen nicht gelungen ist, das kindliche Erleben und Empfinden wiederzugeben. Als Menschen sind wir es gewohnt, Geschehenes mit einem Ziel zu erzählen, das dem kleinen Alem meiner Meinung nach noch nicht bewusst gewesen sein konnte.
Der zweite Kritikpunkt ist die sprachliche Ausgestaltung des Romans. Der Autor schreibt verständlich und leicht leserlich. Mir persönlich war der Stil allerdings an einigen Stellen zu einfach. Ich hätte mir detailliertere Beschreibungen gewünscht oder einfach hin und wieder Momente, in denen man zum Durchatmen kommt. An einigen Stellen wirkt die Geschichte "runtererzählt", damit sie gesagt ist, um endlich ein Ende zu finden. Das ist natürlich eine sehr subjektive Einschätzung und womöglich zu viel von mir interpretiert.
Auch wenn ich mich an einigen Stellen überwinden musste, den Roman weiterzulesen, bin ich sehr froh darüber. Anders hätte ich wahrscheinlich niemals so viel über Jugoslawien, Arbeiterfamilien und eine besondere Art der Integration erfahren.
"Die Kannenbäckerin" von Annette Spratte hat es geschafft, mich in ein komplett anderes Zeitalter zu entführen. Die Geschichte handelt von dem 13-jährigen Mädchen Johanna, die immer wieder mit harten Schicksalsschlägen zu kämpfen hat. Als sie ihre Familie durch die Pest verliert, ist sie auf sich alleine gestellt und muss Zuflucht bei ihrem Onkel suchen. Ihr Überlebensinstinkt sagt ihr, dass sie als Junge besserer Chancen hat - dass das allerdings nicht allezu lange gut geht, ist wahrscheinlich abzusehen.
Das Buch beginnt relativ düster, aber bereits nach wenigen Seiten war ich sehr neugierig, wie die Geschichte von Johanna wohl weitergeht. Die Autorin hat einen unkomplizierten Schreibstil, der mich gefangen genommen hat. Ich hatte bislang kein Interesse an der Töpferei und wollte mich auch nicht unbedingt mit der Zeit des 30-jährigen Krieges auseinandersetzen. Nachdem ich das Buch beendet hatte, habe ich mich allerdings direkt beim Keramikmuseum Westerwald nach den Öffnungszeiten erkundigt 😄
Obwohl die Geschichte von zahlreichen traurigen Ereignissen geprägt wird, schafft es die Autorin immer wieder, die positiven Seiten hervorzuheben. Zunächst war ich der Meinung, dass ich mich nicht mit der Protagonistin identifizieren könnte, aber trotz unterschiedlicher Eigenschaften und Interessen, habe ich stets mit Johanna mitgefühlt.
Fazit: Mir hat das Buch sehr gut gefallen. Ich könnte mir vorstellen, dass sich gerade Freunde historischer Romane von der Geschichte angesprochen fühlen. Wer Unterhaltung mit Tiefgang sucht, wird mit dem Buch bestimmt glücklich werden.
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