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Ryria

Bewertungen

Insgesamt 127 Bewertungen
Bewertung vom 20.08.2025
Kelly, Julia R.

Das Geschenk des Meeres


ausgezeichnet

In einer stürmischen Nacht verschwindet Dorothys Sohn in einem kleinen Fischerdorf im 19. Jahrhundert. Circa 20 Jahre später wird ein Junge am Strand angespült, der ihrem Sohn sehr ähnlich sieht.
Dies klingt zunächst doch sehr mysteriös und man wird direkt in den Bann der Geschichte gezogen: Wer ist dieser Junge und was geschah damals mit dem Sohn?
Kurze Kapitel und die Neugier lassen den Leser nur so durch die Seiten fliegen, man möchte Antworten auf die Fragen und gleichzeitig das Dorf und seine Bewohner besser kennenlernen.

Dies geschieht auf zwei Zeitebenen, Stück für Stück verfolgt man die damaligen Geschehnisse mit, während man durch die Gegenwartsebene eigentlich schon weiß, was passieren wird - halt nur noch nicht wie.
So ist zwar einiges schon klar, aber die Spannung lässt trotzdem nicht nach.
Verschiedene Erzählperspektiven runden das Ganze dann noch zusätzlich ab.
Besonders gut hat mir auch der Schreibstil gefallen, immer wieder habe ich mich an eine Art Märchen erinnert gefühlt.

Die Charaktere haben mich ziemlich oft aufgeregt, sind mir aber gleichzeitig auch ans Herz gewachsen. Man will nur das Beste für sie, aber sie treffen dumme Entscheidungen und als Leser verzweifelt man fast - was gleichzeitig auch wieder sehr realistisch ist und für die Authentizität der Charaktere spricht.
Menschen machen Fehler, aber es ist nie zu spät für zweite Chancen, diese Botschaft wird hier einfühlsam vermittelt.
Ich konnte insgesamt super miträtseln und wilde Theorien aufstellen, mit den Charakteren mitfiebern und mitfühlen und ebenfalls einen schönen Einblick in das damalige Dorfleben erhalten.

Bewertung vom 19.08.2025
Kempton, Beth

Kokoro


gut

Die Japanologin Beth steckt mitten in ihrer Midlife Krise und muss dabei zusätzlich noch den Verlust ihrer Mutter und einer Freundin verarbeiten.
Im Rahmen der Trauerbewältigung und der Suche nach einer Art Sinn des Lebens begibt sie sich auf mehrere Reisen ins ländliche Japan und dortige Bergwanderungen.

Der Aufbau der Kapitel ist interessant und durchaus gelungen: Nach diversen Erzählungen über ihre Erlebnisse und ihr Leben werden dem Leser im Rahmen einer Übung einige Fragen gestellt, die zum Nachdenken anregen und dies teilweise auch gut schaffen, manchmal jedoch auch kaum Wirkung zeigen.
Im Anschluss folgt noch eine Weisheit, die uns die Autorin mit auf den Weg gibt.

Nach einer doch etwas zu lang geratenen Einleitung hat mich besonders der erste Teil des Buches überzeugen können.
Die japanische Kultur und Religionen wurden gut erklärt, erwecken Interesse und selbst mit viel Vorwissen kann man noch viel Neues lernen.
Immer wieder werden auch Kanji (japanische Schriftzeichen) und ihre Bedeutung erklärt, was für Lernende der Sprache echt toll war, jedoch kann ich mir auch gut vorstellen, dass es für den Rest der Leserschaft doch überwiegend uninteressant sein könnte.
Schilderungen wie Begegnungen mit weisen und freundlichen Einheimischen oder Erlebnisse in der Natur und auf Pilgerreisen wecken hingegen schnell die Aufmerksamkeit und öfters wurde ich an eigene ähnliche Erlebnisse in Japan erinnert.

Der spätere Teil des Buches geht sehr in Richtung Trauerbewältigung der Autorin und hat mich zwiegespalten zurückgelassen. Während ich zu Beginn noch die persönlichen Schilderungen als positiv empfand, wurde es mir hier etwas zu persönlich und hat mich teilweise an eine Art Tagebuch erinnert.
Auch wenn man selbst jemanden verloren hat, ist manches nicht einfach zu lesen.
Ebenso wirkte die Struktur manchmal etwas wirr und ich konnte den Zeitsprüngen nicht immer direkt folgen.
Die Grundidee hat mir besonders als Japan-Fan gut gefallen, meinen Geschmack haben die sehr persönlichen Abschnitte über die Trauer dann jedoch nicht getroffen.

Bewertung vom 17.08.2025
Lagerlöf, Ulrika

Wo die Moltebeeren leuchten (Die Norrland-Saga, Bd. 1)


sehr gut

Auf zwei Zeitebenen in den Jahren um 1938 und 2022 taucht man als Leser in die Leben von der jungen Siv und ihrer späteren Enkeltochter ein.
Beide Geschichten erscheinen zunächst grundverschieden, jedoch entdeckt man im Verlauf des Romans immer mehr Gemeinsamkeiten und Grundthemen wie die Waldarbeit oder die Rolle der Sámi.

Sivs Geschichte fand ich hierbei um einiges interessanter und konnte auch besser mitfühlen. Die Atmosphäre in der Forsthütte wurde gut eingefangen und ich konnte von Anfang an mit ihr mitfiebern: Der Wunsch nach Bildung, die Verzweiflung in der ungewollten neuen Umgebung, die stetige Entwicklung, erste romantische Gefühle und die Suche nach ihrem Platz im Leben.
Dazu war es echt spannend, mehr über das damalige Leben der Waldarbeiter zu erfahren und einen Einblick in die schwedische Kultur zu bekommen.
Evas Zeitebene hat mir nicht so ganz zugesagt, es gab zwar spannende Momente, aber oft hat sich alles doch etwas gezogen.
Manches erschien mir auch leicht klischeehaft, wie der ganze Teil mit Influencern und veganen Jugendlichen.

Positiv war der Schreibstil für mich, selbst wenn die Geschichte stellenweise langsam war, konnte man doch recht flüssig immer weiterlesen.
Etwas gestört haben mich einige Fehler im Text, die sich in die Übersetzung reingeschlichen haben.
Auch gab es so viele Nebencharaktere, dass ich mir einfach nicht alle merken konnte, vor allem, da manche nur mit einem Satz mal vorgestellt wurden.
Insgesamt ist der Roman eine durchaus schöne Familiengeschichte mit interessantem Hintergrundwissen, hat jedoch auch seine Längen.

Bewertung vom 11.08.2025
Konishi, Masateru

Die Bibliothek meines Großvaters


ausgezeichnet

Lehrerin Kaede teilt mit ihrem demenzkranken Großvater die Liebe zu Krimis, weshalb es nicht verwundert, dass ihre Freunde oft die seltsamsten Geschichten an sie herantragen.
Der Aufbau der Fälle ist dabei immer recht ähnlich: Zunächst erfährt man mehr über Kaede selbst, ihr Leben und ihre Familie und Freunde. Im Rahmen dessen wird der Fall vorgestellt, bei dem man als Leser auch fleißig miträtseln kann. Die Auflösung erfolgt schließlich im Gespräch mit ihrem Großvater.
Die kurzen Kapitel und einzelnen Fälle eignen sich dabei hervorragend für kürzere Lesesessions.

Der Stil ist dabei recht gemütlich und aufgeregt und wirkt typisch japanisch. Mit ein bisschen Vorwissen über die Kultur und Sprache wird man manches hier auch noch sicherlich besser verstehen. Zwar hat der Übersetzer gute Arbeit geleistet, manches ist jedoch einfach schwierig zu übertragen, wie zum Beispiel Wortspiele der japanischen Sprache.
Da der Roman in Tokio und der Umgebung spielt, werden auch viele Schauplätze dort verwendet, wobei es ebenfalls nochmal ein anderes Erlebnis so ist, wenn man diese selbst schon besucht hat bzw. die Eigenheiten der Stadtviertel kennt.
Zwar versteht man alles auch ohne Vorwissen gut, für mich wären es dann vermutlich jedoch nur 4 Sterne.

Toll fand ich weiterhin, dass die Fälle durch kleine Skizzen der Tatorte unterstützt wurden, so konnte man noch besser miträtseln.
Auch kurze Erklärungen zum Thema Demenz oder Gesellschaftstheorien wurden zwischendurch eingebaut und waren durchaus interessant.
Generell mochte ich besonders den Großvater als Charakter sehr und fand die Mischung aus Roman über Kaede und den Kriminalfällen sehr angenehm zu lesen.

Bewertung vom 10.08.2025
Espach, Alison

Wedding People


sehr gut

Phoebe und Lila könnten vermutlich auf den ersten Blick nicht unterschiedlicher sein: Die Eine hat genug vom Leben und will einfach nur in Ruhe und entspannt sterben, die andere steht mitten im Leben als Braut in einer großen und chaotischen Hochzeitsgesellschaft.
Und doch merkt man mit jeder Seite mehr, dass die beiden Frauen weit mehr verbindet als zunächst gedacht und dass sich hier sogar eine ungewöhnliche Freundschaft entwickeln kann.
Für mich zählten diese Entwicklungen der Charakterbeziehungen zu den Highlights des Buches: Sie unterstützen sich auf ihre eigene Art gegenseitig, lernen sich besser kennen und finden dadurch auch gleichzeitig mehr zu sich selbst und ihren eigenen Wünschen.

Lila ist ein wahrer Wirbelsturm, der mir zwischendurch auch mal auf die Nerven ging, aber irgendwie konnte ich sie trotzdem ins Herz schließen. Phoebes Entscheidungen konnte ich nicht immer nachvollziehen, jedoch mochte ich sie trotzdem als zentrale Figur der Geschichte, besonders ihre Gespräche mit Gary. Auch von ihm war ich nicht komplett überzeugt, aber anscheinend ist das Buch auch darauf ausgelegt: Als Leser kann man sich vermutlich nicht komplett mit den Charakteren anfreunden, mag sie aber vielleicht trotzdem irgendwie doch auf ihre eigene Art.
Für die Größe der Hochzeit ist die Anzahl der Nebencharaktere zum Glück überschaulich, sodass man nicht den Überblick verliert und auch bei ihnen noch ein bisschen mitfiebern kann.

Im Grunde passiert nicht viel in diesem Buch, vielmehr lebt die Geschichte von den Charakteren und deren Gesprächen. Diese bieten eine bunte Mischung aus (schwarzem) Humor, Sarkasmus, offenen/ehrlichen Momenten und emotionalen Einblicken.
Gerade der Humor ist allgegenwärtig, Phoebe gerät von einer skurrilen Situation in die nächste - manche davon sind jedoch vielleicht auch etwas sehr übertrieben. Überwiegend hatte ich jedoch meine Freude daran, auch wenn ich gut verstehen kann, dass hier Geschmäcker auseinandergehen.
Zuletzt sollte noch erwähnt werden, dass die Autorin es schafft, abseits der übertriebenen Szenen auch berührende und authentische Momente zu schaffen, in denen man sich manchmal sogar selbst wiedererkennen kann.

Bewertung vom 27.07.2025
Lewis, Caryl

Wilder Honig


sehr gut

Nach Johns Tod verschlägt es drei Frauen in den Obstgarten seines Zuhauses und zu seinen Bienenstöcken, jede mit ihren eigenen Sorgen und Erinnerungen an die Vergangenheit.
Die Erzählung wechselt zwischen den Ereignissen in der Gegenwart und den Briefen, die John vor seinem Tod für seine Frau Hannah verfasst hat.
Da John ein Schriftsteller war, muten seine Briefe sprachlich auch besonders poetisch an. Seine Leidenschaft für seine Bienen kommt permanent zum Ausdruck, so erfährt man sehr viel über deren Leben, fast schon als würde man ein Sachbuch lesen, jedoch werden die Bienen auch gleichzeitig als Metaphern für das gemeinsame Eheleben benutzt. Dies fand ich einerseits schön und geschickt geschrieben, andererseits hätte ich mir nach einer Weile vielleicht auch weniger Bienen-Abschnitte gewünscht, jedoch ist das nur persönliches Empfinden.

Weiterhin gab es auch viele interessante Infos über Obstgärten und deren Pflege, vieles davon war mir neu. Generell ist die ganze Geschichte sehr unaufgeregt und überzeugt mit seiner ruhigen Stimmung. Der Fokus liegt nicht auf Spannung, sondern auf menschlichen Emotionen und Beziehungen.
Die Trauerverarbeitung vermischt sich mit den Erinnerungen an die Vergangenheit, aufgedeckte Geheimnisse stellen die Frage, wie gut wir die Menschen wirklich kennen, die uns am nächsten sind.
Hierbei mochte ich, wie sich die Beziehungen und Charaktere weiterentwickeln und ihren inneren Frieden (wieder)finden.
Insgesamt ein sprachlich schönes Buch, das durch seine ruhige Stimmung überzeugt.

Bewertung vom 26.07.2025
Fonthes, Christina

Wohin du auch gehst


ausgezeichnet

Ich bin ohne Vorwissen in die Geschichte gestartet und wurde schnell von der Themenvielfalt überrascht. Dabei hatte ich auch nie das Gefühl, dass ein Thema nur als "Lückenfüller" dient, vielmehr hat alles super in die Geschichte gepasst, authentisch gewirkt und eine intensive Betrachtung erfahren.

Zunächst erwähnen sollte man hierbei wohl die zahlreichen Einblicke in das Leben und die Kultur der Menschen im Kongo. Am Ende des Buches gibt es ebenfalls ein tolles Glossar, das viele der verwendeten Wörter und Dinge kurz erklärt. So wird z.B. durchgehend die afrikanische Sprache Lingala in die Dialoge eingebaut. Während mich dies generell manchmal stört, habe ich mich hier erstaunlich schnell daran gewöhnt und konnte mir die Gespräche noch besser vorstellen.

Auch fand ich es super, dass die Geschichte an vielen verschiedenen Orten und über mehr als 20 Jahre hinweg spielt. Als Leser lernt man das Leben in Kinshasa oder Paris in den 80ern kennen, nur um gleich darauf wieder nach London in den 2000ern zurückzukehren.
Die Beschreibungen der Orte und Personen waren dabei großartig, ich fühlte mich immer wieder mitten drin, auch wenn ich noch nie selbst dort war. Hierbei spielte die Sprache auch eine große Rolle, die Beschreibungen wirkten nie überladen und ich bin nur so durch die Seiten geflogen, ohne das Gefühl zu haben, es handele sich um eine "leichte" Lektüre.

Im Gegenteil, viele Geschehnisse waren doch recht schwere Kost. Man erhält Einblicke in die LGBTQ+ Community, ihren Kampf um Gleichberechtigung und ihre Probleme in der Gesellschaft und verschiedenen Kulturen.
Ein großes Hindernis ist so auch die Religion bzw. diverse Glaubensgemeinschaften, die ebenfalls beleuchtet werden. Statt sie jedoch nur einseitig als die Bösen hinzustellen, wird zwischendurch auch auf positive Aspekte eingegangen.

Zuletzt zu den Charakteren: Im Fokus stehen die lesbische Bijoux, die als Kind nach London geschickt wurde, und Tante Mira, deren Vergangenheit nach und nach offengelegt wird. Immer wieder fragt man sich, wie die Mira der Vergangenheit zu der Mira der Gegenwart wurde, was gleichzeitig spannend, berührend und tragisch zu lesen war. Auch wenn man nicht immer mit den Entscheidungen oder Gedanken der Frauen übereinstimmt, kann man doch mit ihnen mitfühlen und mitfiebern. Die (Familien)Beziehungen wurden durchweg authentisch dargestellt, für mich auch eine Stärke des Romans.
Insgesamt ein schöner Appell an die Menschlichkeit und unser Mitgefühl, ohne dabei jedoch irgendwie belehrend zu wirken.

Bewertung vom 23.07.2025
Bradley, Kaliane

Das Ministerium der Zeit


sehr gut

Das Konzept der Geschichte hat mich direkt überzeugt: Eine geheime neue Technik ermöglicht es, Personen aus der Vergangenheit in unsere Gegenwart zu holen. Dort bekommen sie eine Art Betreuer an die Seite gestellt, der sie an das neue Leben gewöhnen soll.
Hier im Fokus steht Polarforscher Graham Gore, den es fast 200 Jahre in die Zukunft verschlägt.
Interessant und durchaus auch mal lustig zu lesen fand ich seine Erkundung der heutigen Welt. Wir begleiten ihn auf dieser Reise im altbekannten und doch sehr fremden England und entdecken dabei unsere eigene Welt auch wieder ganz neu, das was für uns selbstverständlich ist, war damals noch eine Sensation oder unvorstellbar.
Parallel zu diesen Kapiteln gehen wir aber auch mit auf die Expedition von Gore, bei der er eigentlich damals ums Leben kam. Diese Kapitel fand ich nochmal besonders interessant, da Gore ja eine historische Persönlichkeit ist und die Erzählungen auf wahren Begebenheiten beruhen.

Gleichzeitig hätte ich mir aber auch gewünscht, dass man noch mehr zu den anderen Zeitreisenden/Expats erfährt, hier hätte man das Potenzial ruhig noch mehr ausschöpfen können.
Auch die Liebesgeschichte hat mich nicht ganz abgeholt, es gab zwar immer wieder mal passende Momente, allerdings hab ich die Chemie nicht wirklich gespürt.
Beim Stil und der Sprache bin ich zwiegespalten. Einerseits mochte ich die zahlreichen Abschweifungen von der Haupthandlung teilweise sehr gerne, andererseits habe ich sie zwischendurch auch mal als zäh empfunden.
Themen wie die Macht der Sprache haben mich zum Nachdenken angeregt, während ich gleichzeitig den Schreibstil mit seinen eher ungewöhnlichen Formulierungen manchmal verflucht habe.
Insgesamt war es nicht so ganz das, was ich zuerst erwartet habe, jedoch hat mich die Geschichte doch zum Großteil überzeugen können.

Bewertung vom 21.07.2025
Wagner, Jan Costin

Eden


sehr gut

2017 erschütterte die Nachricht über den Anschlag beim Ariana Grande Konzert die Welt. In "Eden" greift der Autor dies auf und verfolgt das Leben der Familie eines der fiktiven Opfer. Der Tatort ist hier Stuttgart statt Manchester, die Sängerin hat einen anderen Nachnamen, aber ansonsten ist alles fast gleich zum realen Vorbild - und dadurch keine leichte Kost und umso bedrückender.

Über mehrere Monate hinweg erfährt man das Geschehen kurz vor dem Anschlag und danach aus den Perspektiven der Eltern des Opfers, Sofie selbst, einem Klassenkameraden und auch dem Täter selbst. Die Gliederung fand ich schön übersichtlich und während beispielsweise die Perspektive des Mitschülers zunächst eher überraschend war, hat es doch gut gepasst.
Ob der Täter tatsächlich ähnliche Gedanken hatte ist wohl schwer zu sagen, die Interpretation des Autors kam mir persönlich teilweise schlüssig, teilweise aber auch ein wenig klischeehaft vor.

Gelungen empfand ich hingegen die Abschnitte, die sich Sofie und Freund Tobias widmen. Bei beiden hat man schön rauslesen können, dass sie noch Kinder sind, aber sich gleichzeitig auch langsam auf den Weg zum Erwachsensein machen und dabei manchmal weiser sind als die richtigen Erwachsenen. Umso heftiger war es dann auch zu verfolgen, wie Sofie ihre letzten Momente erlebt.
Generell sehe ich die Stärke des Buches in den Familienbeziehungen und der Trauerbewältigung, hier konnte man die Gefühle durch bewegende Beschreibungen und Metaphern sehr spüren. Von unsinnigen Handlungen über Verdrängung und Schuldzuweisungen, vieles lässt die Familie authentisch erscheinen.

Nicht so ganz überzeugt haben mich hingegen die Nebenthemen: Hier wurde versucht, die Auswirkungen auf die politische Lage darzustellen, jedoch wurde sich auch nicht wirklich darauf fokussiert, sodass es eher immer wieder mal kurz erwähnt wurde, ohne jedoch wirklich Eindruck zu hinterlassen. Von der AfD über Coronaleugner, Rassismus und Verschwörungstheorien wurde hier einiges angesprochen, ohne irgendwo mal mehr in die Tiefe zu gehen.

Bewertung vom 07.07.2025
Habeck, Emily

Shark Heart


ausgezeichnet

Die Idee des Romans klingt erstmal hauptsächlich ziemlich skurril: Menschen können sich durch seltene Mutationen nach und nach in verschiedene Tiere wie einen Weißen Hai verwandeln.
Umgesetzt wird dieses Konzept in sprachlich künstlerischer Art mit überraschend emotional berührenden Passagen.

Zunächst sollte gesagt werden, dass der Erzählstil recht ungewöhnlich, dafür jedoch auch sehr interessant ist. Während die Haupthandlung fortschreitet, gibt es zwischendurch immer wieder kleine Abschnitte mit Rückblenden und Zeitsprüngen. Manche Szenen werden wie ein Drehbuch formuliert, später gibt es auch einige Perspektivenwechsel. Auch wird viel mit Metaphern gearbeitet.
Mir persönlich hat der Stil sehr gut gefallen, jedoch kann ich mir auch vorstellen, dass dieses künstlerisch experimentelle nicht jeden Geschmack trifft.

Inhaltlich fand ich die Geschichte doch sehr ergreifend - es fehlt zwar an der klassischen Spannung, jedoch kann man eine sehr emotionale Geschichte entdecken, wenn man hinter die "Tarnung" blickt. In unserer Welt verwandeln sich Menschen nicht in Tiere, aber die Problematik dahinter betrifft auch uns: Plötzliche Krankheiten oder andere Veränderungen, die alles auf den Kopf stellen können.
Wir sind bei guten und schlechten Momenten dabei, beim Prozess des Begreifens und Akzeptierens, beim Festhalten und Loslassen.
Es entstehen ungewöhnliche Freundschaften, zwischenmenschliche Beziehungen aller Art werden erkundet und hierbei auch gut dargestellt, wie Menschen sich nicht nur äußerlich verändern können.
Dazu gibt es noch allerlei interessante Infos über Weiße Haie, hierbei fand ich die einzelnen Abschnitte der Verwandlung auch gut beschrieben.
Insgesamt ein eher ungewöhnliches und künstlerisches Buch, das hinter seiner Fassade jedoch überraschend emotional ist.