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Mark

Bewertungen

Insgesamt 47 Bewertungen
Bewertung vom 11.08.2025
Collin, Philippe

Der Barmann des Ritz


sehr gut

Paris, die Stadt der Lichter, leidet unter der Besatzung durch die Nazis im Zweiten Weltkrieg. Wer in der Stadt geblieben ist, kämpft mit der Lebensmittelknappheit und den Repressionen durch die Besatzer. Die meisten polyglotten Flüchtlinge, die vor 1940 in Paris gelandet waren, haben die Stadt verlassen. Doch Frank, Chef der Bar im Ritz, hält die Bar am Laufen. Das Publikum wechselt, und der Mann an der Bar hat nicht nur ein gefährliches Geheimnis, sondern auch einen sehr individuellen Einblick in die Befindlichkeiten seiner alten und neuen Stammgäste. Dennoch setzen ihm die Ungewissheit über die Zukunft und das Hadern mit der eigenen Einstellung zum Unabänderlichen mehr und mehr zu. Ich fand das Buch sehr spannend, auch wegen der vielen historischen Persönlichkeiten und Begebenheiten, die geschickt eingeflochten wurden.

Bewertung vom 11.08.2025
Laabs, Laura

Adlergestell


sehr gut

Die Autorin erzählt von der Kindheit in der Nähe einer geschichtsträchtigen Straße am Rande Ost-Berlins in der Zeit des Umbruchs ab 1990. Der Eintritt in die Schule fällt für die drei Freundinnen mit dem gesellschaftlichen Wandel zusammen. Das Alte ist den Kindern weitgehend unbekannt, das Neue beginnt mit großen und kleinen Veränderungen, die vielleicht auch erst im Rückblick deutlich werden. Ebenso schildert die Autorin die Lebensstationen einzelner Figuren zum Teil zurück bis in die Nazizeit und legt eindrücklich dar, wie alles mit allem zusammenhängt, auch später, als die drei Freundinnen erwachsen sind und sich längst aus den Augen verloren haben. Ihre Lebenswege sind vielleicht nicht typisch, aber diese Unsicherheit in der Nachwendezeit, die sich von den Erwachsenen auf die Kinder überträgt und sowohl zu Rückzug wie auch Rebellion und Hilflosigkeit führt, ist authentisch. Der lakonische und teilweise bissige Erzählstil hat mir sehr gut gefallen, auch das naiv-zynische Auseinandernehmen der Werbespots aus der Zeit, die immer wieder als Zwischenspiel eingestreut sind

Bewertung vom 28.07.2025
Gestern, Hélène

Rückkehr nach St. Malo


sehr gut

Die Autorin nimmt uns mit an die Küste von Saint-Malo, wo das Meer zuweilen unbarmherzig an die Küste und die Festungsmauern schlägt und im Leben der Menschen eine zentrale Rolle spielt. So auch im Leben von Yann, der in seiner Lebensmitte nach dem Tod seines Vaters in die alte Villa der Familie am Strand von Sillon zurückkehrt und sich beim Stöbern in den alten Unterlagen seiner Vorfahren und der Firma, die sie alle reich gemacht hat, der Geschichte des Ortes, aber vor allem seiner Familie widmet, über die er ganz offensichtlich viel zu wenig weiß. Und immer wieder taucht die geheimnisumwitterte Insel Cézembre darin auf, die er von seinem Fenster aus sehen kann. Ein schöner Schmöker, vor allem für Freunde der Bretagne. An einigen Stellen verführt er auch zum Querlesen, aber die Autorin hat ganz offensichtlich selbst viel in der Geschichte des Ortes und der Bretagne geforscht.

Bewertung vom 03.07.2025
Furniss, Jo

Der Stau (eBook, ePUB)


gut

Kommissarin Belinda Kidd, Billy genannt, ist nach langer Reise im Leihwagen privat unterwegs nach Hause, als sie von einem großen Stau ausgebremst wird. Schnell wird ihr klar, dass in einem der mit ihr gestrandeten Wagen eine Leiche sitzt. Der Mörder kann sich nicht weit vom Tatort entfernt haben, da er wie alle anderen in der Falle sitzt. Und was ist mit den anderen Autofahrern, die ebenfalls festsitzen? Einer von ihnen könnte und muss es gewesen sein, etwas auffällig sind sie, bei näherer Betrachtung, eigentlich alle. Ich fand die Person der Billy Kidd, die kurz vor ihrer Pensionierung steht und sich trotz der privaten Reise professionell dem Problem stellt, sehr sympathisch. Gut dargestellt ist auch die bissige Einordnung der weiteren Figuren durch sie. Die Personen kommen dann kapitelweise selbst zu Wort, das macht die Sache aus meiner Sicht noch lesenswerter. Ganz rund ist die Geschichte freilich nicht, aber dennoch ein gelungener Krimi – mal was anderes!

Bewertung vom 30.04.2025
Mirasol, Eva

Staying Alive


sehr gut

Wer in einer Notaufnahme ist, braucht bekanntermaßen Geduld, Nerven wie Drahtseile und eine große Portion schwarzen Humor. Das gilt offenbar nicht nur für Patienten, sondern auch für alle, die dort arbeiten. Jedenfalls ist es vergnüglich, diese überzeichnete Version aus Sicht einer jungen Ärztin zu lesen, die nicht nur unter dem permanenten Stress zu leiden hat, sondern sich auch als Frau offenbar doppelt beweisen muss, vorzugsweise durch Sarkasmus. Auch die Erläuterungen zu medizinischen oder technischen Sachverhalten, die allerdings manchmal den Lesefluss stören, fand ich interessant. Die eigentliche Story plätschert so dahin und ist ziemlich erwartbar. Aber das Buch liest sich so weg und bringt einen stellenweise zum Schmunzeln - sofern man ausblendet, dass die ganze Problematik an sich äußerst ernst ist. Vielleicht schreibt mal jemand das Gegenstück zu diesem Buch aus Patientensicht.

Bewertung vom 20.04.2025
Suter, Martin

Wut und Liebe


sehr gut

Wie weit will man gehen: für das Leben, das man sich wünscht, für die Liebe seines Lebens, für die ultimative Rache? Das sind die zentralen Fragen dieses Buches, das verschiedene Antworten auf die Fragen liefert und am Ende ein Verwirrspiel. Denn natürlich ist nichts so, wie es scheint. Jedenfalls nicht so ganz. Dieses Buch erzählt von Vertrauen, von Verzweiflung und von Fehleinschätzungen, die uns allen unterlaufen bei der Einordnung unserer Mitmenschen, Kollegen, Freunden und Feinden. Und den Sachverhalten, wie sie uns geschildert werden und denen wir zu arglos vertrauen, denn täglich geschehen Dinge, die wir nie für möglich gehalten hätten. Dieses Buch ist spannend, verwirrend und ein Lesegenuss, auch wenn Martin Suter damit zwar vom Thema her, aber nicht stilistisch so wirklich an seine früheren Erfolge anknüpfen kann.

Bewertung vom 14.04.2025
Ruban, Paul

Der Duft des Wals


sehr gut

Man fliegt um die halbe Welt, um in einem Luxus-Ressort seine längst zerbrochene Ehe zu kitten, mit äußerst fragwürdigen Aussichten auf Erfolg. Oder man hat einfach eine freie Woche und will sich verwöhnen lassen. Oder man hat seinen Job in diesem Luxus-Ressort und schon alles gesehen. Aber das noch nicht: Ein gestrandeter Wal verpestet nachhaltig die Luft im Paradies, selbst dann noch, als der Kadaver auf rätselhafte Weise verschwindet. Und auf die verschiedenen Protagonisten, die sich abwechseln beim Erzählen der Kapitel, hat das gravierende Auswirkungen. Oder wäre sonst alles anders gekommen? Wie genau definiert man eigentlich ein Happy-End? Das Buch liest sich gut, ist skurril und überraschend, hat aber auch durchaus Tiefe. Aber vielleicht wäre auch mehr drin gewesen, denke ich jedenfalls. Vielleicht gibt es ja eine Fortsetzung?

Bewertung vom 03.04.2025
Bradley, Kaliane

Das Ministerium der Zeit


gut

Zeitreisen sind faszinierend, auch wenn sie aktuell nur in unserer Fantasie stattfinden - sofern das der Fall ist! Der Reiz des Buches besteht sicher darin, dass er das Thema in der nahen Zukunft platziert, dass man sich das Setting gut vorstellen kann und ein paar abweichende Besonderheiten der unbekannten Zukunft zuschreibt. Außerdem gefällt mir, dass sich die Autorin nicht lange bei technischen Erklärungen aufhält, dafür die einzelnen Personen anschaulich darstellt. Über die Konflikte, die man als Zeitreisender, hier Expat genannt, durchmacht, wenn man sich Jahrhunderte später in der Geschichte wiederfindet, kann man nur spekulieren, und das tut die Autorin auch ganz gut und auch mit Humor. Aber hier wäre vielleicht mehr drin gewesen. Dafür erscheint mir das Buch etwas überfrachtet mit weiteren Themen wie Migration und Klimawandel, und natürlich schleppt die Hauptakteurin ein ungelöstes Trauma mit sich herum. Das war mir alles entweder zu viel oder zu wenig. Vor allem die Liebesgeschichte mit einer immerhin realen historischen Figur fand ich dann doch etwas seltsam. Trotzdem liest sich das Buch über weite Strecken gut, die Autorin hat gute Ideen und hier vielleicht nur zu viel auf einmal gewollt. Jedenfalls freu ich mich auf weitere Bücher von ihr.

Bewertung vom 07.03.2025
Schroeder, Steffen

Der ewige Tanz


sehr gut

Die Lebensgeschichte der Tänzerin und Schauspielerin Anita Berber als Roman. Sie starb schon mit 29 Jahren an Tuberkulose. Sonst wäre ihr Name heute sicherlich noch präsenter. Anita Berber lebte ihr Leben in den wilden 1920ern entgegen aller Konventionen, liebte Männer und Frauen, war zum dritten Mal verheiratet, gab Geld aus, solange es da war, nahm Drogen und trank angeblich eine Flasche Cognac am Tag. Sie trug einen Hosenanzug noch vor Marlene Dietrich und benutzte ein Monokel, um ihre Kurzsichtigkeit zu kaschieren. Aber vor allem lebte sie für den Tanz, für den sie geboren zu sein schien. Dem Autor gelingt eine recht gute Annäherung an dieses kurze, intensive Leben, das er aus der Perspektive der sterbenden Anita in der Lungenklinik schreibt. In den Rückblenden auf das vergangene Leben werden die Begegnungen mit bekannten Persönlichkeiten, Erfolge und Abstürze beschrieben. Schön, dass dieser bemerkenswerten Frau dieses Buch als Denkmal gesetzt wird.

Bewertung vom 11.02.2025
Schünemann, Christian

Bis die Sonne scheint


gut

Das Buch beginnt im Jahr 1983, als der junge Erzähler kurz vor seiner Konfirmation eines Abends seine Eltern belauscht, deren finanzielle Situation desaströs ist. Ihm dämmert, dass sich die Dinge verändern werden, doch er schiebt den Gedanken beiseite und konzentriert sich auf das Nächstliegende, ebenso wie seine Eltern, die immer wieder auf neue Ideen verfallen, die Fassade der wohlhabenden sechsköpfigen Familie aufrechtzuerhalten. Mag am Ende auch der Ruin stehen, das ist kein Grund, das Leben nicht zu genießen. Der Autor vermischt die Erzählung immer wieder mit Schilderungen aus der Kindheit der Eltern, der Geschichte der verschiedenen Großeltern von Flucht und Vertreibung und Neuanfang. Das ist alles recht geschickt gemacht, auch mit den kleinen Französisch-Lektionen am Beginn jedes neuen Kapitels. Sehr gut zu lesen, auch wenn das Ende vielleicht etwas abrupt ist.