Barbara Imgrunds Roman *Der Wurm* hat mich tief berührt – auf eine Weise, die ich beim Lesen nicht sofort in Worte fassen konnte. Erst mit etwas Abstand begriff ich, wie sehr mich die Geschichte gefesselt hat.
Im Mittelpunkt steht Martha, 87 Jahre alt, die ein letztes Mal in ihre Vergangenheit eintaucht. Sie kehrt in ihr Heimatdorf in den Bergen zurück, und mit ihr steigen Erinnerungen auf, die sie lange verdrängt hat. Dabei offenbart sich nicht nur ihre persönliche Geschichte, sondern auch ein beklemmender Blick auf eine Zeit, in der Mitläufertum und Schweigen zur gefährlichen Normalität gehörten.
Besonders beeindruckt hat mich die Atmosphäre des Romans. Das Leben im Bergdorf wird so detailreich und liebevoll geschildert, dass ich beim Lesen fast selbst dort war: Ich roch die kühle, klare Luft, spürte das unebene Gras unter den Füßen. Die Landschaft ist mehr als Kulisse – sie spiegelt die Figuren wider, ihre Sehnsucht, ihre Angst, ihr Schweigen.
Und dann ist da der „Wurm“. Zunächst wirkt er wie ein seltsames, fast märchenhaftes Bild. Doch bald wird klar, dass er für etwas Größeres steht: den Faschismus, der sich langsam, fast unbemerkt, in das Leben der Menschen schleicht – bis es zu spät ist. Dieses Bild hat mich nicht mehr losgelassen. Es wirkt heute wieder beunruhigend aktuell. So wie sich der Wurm damals aus der Stadt auf den Berg vorarbeitete, scheint sich heute etwas Dunkles, Spaltendes in unsere Gesellschaft zu schleichen – in die demokratischen Räume, die wir lange für sicher hielten.
*Der Wurm* ist ein leises Buch. Es verzichtet auf große Gesten, doch es hallt nach – lange und tief. Es geht um Erinnerung, Schuld, Schweigen und die Frage, wie wir mit dem umgehen, was war. Und es fragt, ohne zu belehren, wie wach wir heute sind – gegenüber alten Mustern in neuem Gewand.
Ein Buch, das mich nicht loslässt. Und eines, das ich von Herzen empfehle – weil es erinnert, aufrüttelt und das auf so kluge, unaufdringliche Weise tut.
Ich lese sehr gerne und mittlerweile habe ich ein gutes Gespür dafür entwickelt, welche Literatur mir Lesevergnügen verschaffen wird. Doch so richtige Knaller – die gibt es selten.
„Räuberleiter“ von Barbara Imgrund ist endlich mal wieder ein solcher Knaller!
Es ist unglaublich spannend, intelligent und humorvoll geschrieben.
Und das Beste daran ist, wie die Autorin es schafft, dem spannenden Thriller, der ohne viel Gewalt auskommt, auch noch Niveau und Anspruch mit zu geben.
Zwischen den Zeilen lese ich ihren klugen Appell an die Leserschaft: Kümmert euch um eure Mitmenschen, seid warmherzig und bereit, Hilfe zu leisten, wenn sie nötig ist.
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