Der Pflanzen-Shop in Sejin ist ein wahrer Publikumsmagnet. Ständig ist Yu-Hee um ihre Pflanzen bemüht, der Laden wechselt sein Gesicht mit den Jahreszeiten. Mit viel Liebe und Umsicht umsorgt die unscheinbare, schüchtern wirkende Frau ihre Pflanzen, doch mit Menschen kann sie nicht so gut, was an traumatischen Erlebnissen in ihrer Jugend liegt. Zu Yu-Hees Kunden gehören einige Frauen, die bei ihr und ihrem wunderschönen Geschäft Ruhe, Schutz und Hilfe suchen. Und sie auch erhalten. Dafür verschwinden einige Männer…
Plant Lady ist ein wunderbarer Roman, der mich von Anfang an in seinen Bann gezogen hat. Da ist auf der einen Seite die Welt der Pflanzen, voller Schönheit, Heilung, aber auch Gefahren. Und auf der anderen die oft sehr düstere Welt der Frauen, die von Männern unterdrückt, missbraucht, gedemütigt werden. Und dann ist da Yu-Hee, diese ungewöhnliche Heldin, die so sanft und verständnisvoll ist und doch so kalt und willensstark sein kann, wenn die Umstände es fordern. Die Atmosphäre dieses Buches ist einzigartig, genau wie die Geschichte, die Sprache fast schon poetisch.
Mein Fazit: ein faszinierender feministischer Roman über Frauen, Pflanzen und Rache. Sehr lesenswert!
Als Jana mit ihrem Mann Clemens und ihren beiden Kleinkindern in ihr eigenes Häuschen auf dem Land ziehen, hadert sie mit ihrem Leben. Sie ist wieder schwanger, hat aus einem Impuls heraus ihren Job gekündigt und in der Ehe beginnt es zu kriseln. Das Leben auf dem Land erscheint ihr langweilig, bis sie die faszinierende Karolin kennenlernt. Sie ist mit Hingabe Mutter und Influencerin, eine sogenannte „Tradwife“, die sich im traditionellen Frauen- und Familienbild wohl fühlt. Kinder werden nicht in die Kita gegeben, die Ernährung ist natürlich und die Kinder spielen im Wald. Und natürlich unterstützen Karolin und ihre Freundinnen die AfD.
In vielen kleinen alltäglichen Episoden erzählt Hannah Lühmann von der Wesens- und Verhaltensveränderung, die Jana um Lauf der Zeit durchmacht. Unter all diesen gutsituierten Bildungsbürgern, denen die politische und gesellschaftliche Situation zu schaffen macht und die ihre Hoffnungen in die blaue Parte setzen, wird Jana schleichend immer mehr und immer tiefer in die Ideologie hereingezogen. Dabei sind alle Personen sehr authentisch beschrieben, die Atmosphäre stimmig, die Gedanken- und Gefühlswelt von Jana gut nachvollziehbar. Der Schluss lässt Raum für Interpretationen, zeigt aber auch, dass auch in Karolins „heiler Welt“ nicht alles gut ist. Ich habe diesen Roman fast als Warnung empfunden vor dem, was auf uns zukommen kann.
Mein Fazit: gut geschriebener Roman über ein brandaktuelles und gefährliches Thema. Sehr lesenswert.
Frank Meier war zu seiner Zeit der wohl berühmteste Barkeeper der Welt. Geboren in Österreich, erlernte in New York die hohe Kunst der Cocktailzubereitung und erlangte durch seine Eigenkreationen einen einzigartigen Ruf. Große Namen wie Hemingway oder Fitzgerald zählte Meier nicht nur zu seinen Kunden, sondern auch zu seinen Freunden. 1921 kehrte er nach Europa zurück und wurde Barmann des Hotel Ritz in Paris. Und so kam es, dass er während der Besetzung Frankreichs durch die Deutsche Wehrmacht auch deutsche Offiziere und Generäle bediente. Doch Frank Meier hatte ein Geheimnis: er war Jude.
In ruhiger Sprache erzählt Philippe Collin die Geschichte eines Überlebenden, eines Mannes, der mitten in den Reihen der Feinde steht, der als Barmann manchmal fast unsichtbar wirkt und daher alles mitbekommt, was um ihn gesprochen wird. Ein Kriegsgewinnler, der während Paris in Stille, Hunger und Verzweiflung versinkt, im steten Überfluss des Hotel Ritz lebt. Und ein Mensch, der ohne es zu ahnen eine Rolle in der berüchtigten Operation Walküre spielte. Dieser Roman hat mich von Anfang an gefesselt und berührt, immer wieder zum Nachdenken gebracht.
Mein Fazit: fesselnder Roman über eine düstere Zeit, heute wichtiger denn je.
Im Jahr 1720 werden 90 Frauen, alle Insassinnen bzw. Patientinnen der Salpêtrière in Paris, in die französische Kolonie La Louisiane in Amerika verschifft. Mehr oder weniger freiwillig treten die Frauen, allesamt Ausgestoßene, in der Pariser Gesellschaft nicht erwünschte Wesen, ihren Weg in eine ungewisse Zukunft an. Ihre Bestimmung: französische Siedler heiraten und Kinder zur Welt bringen, um die neue Kolonie zu sichern. Einige überleben die beschwerliche Reise nicht, andere erreichen ihr Ziel und werden zum Spielball der Mächtigen und ihrer eigenen Ehemänner.
Sehr einfühlsam und poetisch beschreibt Julia Malye ein dunkles Kapitel französischer Kolonialgeschichte. Auch wenn nicht alles historisch verbürgt ist, bekommen wir einen guten Eindruck vom beschwerlichen Leben der ersten Siedler, besonders der Frauen, die oft der Willkür ihrer Ehemänner ausgeliefert waren. Dazu wird auch die Unterdrückung der indigenen Bevölkerung und die Sklaverei thematisiert. Das ist berührend und bedrückend zugleich, die Atmosphäre ist immer stimmig, die Personen sind authentisch beschrieben.
Mein Fazit: interessanter, berührender und zugleich bedrückender historischer Roman. Sehr lesenswert.
Jenny Rausch, Tierärztin und Wolfbeauftragte, macht eine schwere Zeit durch. Zuerst verschwindet ihr Vater Jo bei einem nächtlichen Jagdausflug, dafür wird ein Toter unter seinem Hochsitz gefunden. Dann reißt ein blutrünstiger Wolf 55 Schafe und bedroht Menschen. Und dann fängt die Kamera eines KI-gesteuerten Schutzzaunes der Firma Fenceattack einen Wolfmenschen ein. Als immer Menschen, die mit Fenceattack und Jenys Vater in Beziehung stehen, ermordet werden, ist klar, dass hier nicht nur ein wild gewordener Wolf sein Unwesen treibt.
Was wie ein Thriller beginnt entwickelt sich zu einem vielschichtigen Roman, der einige dunkle Geheimnisse der deutschen Geschichte behandelt. So führt uns Tibor Rode u.a. auf die Insel Riems und das dort ansässige Forschungsinstitut, in dem schon während dem Dritten Reich und der DDR-Zeit geforscht wurde. Ein stetig steigender Spannungsbogen und immer wieder eingeschoben Rückblenden sorgen dafür, dass man diesen rasanten Thriller kaum aus der Hand legen kann. Die Personen, allen voran Jenny und der Staatsanwalt Bach, sind authentisch und sympathisch, die Stimmung und Atmosphäre absolut stimmig. Und die Wölfe, diese wunderbaren, faszinierenden Tiere, würde ich am liebsten kennen lernen.
Mein Fazit: Spannender Thriller, in dem man auch viel Informationen über die deutsche Geschichte erhält und der gleichzeitig brandaktuell ist.
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