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Benutzername: 
Freimann
Wohnort: 
Rhein-Main

Bewertungen

Bewertung vom 06.11.2016
Auf Klick ins Glück
Eisenbarth, Christien Maria

Auf Klick ins Glück


ausgezeichnet

Viele mögen keine Debütromane, ich zähle kategorisch nicht dazu. Wer nur einmal in seinem Leben mehr als eine persönliche Zeile zu Papier gebracht hat, kann sich vorstellen, wie viel Zeit, wie viele Gedanken und letztlich wie viel "Herzblut" in einem solchen Erstwerk stecken. Daher nehme ich mir gerne solche Debütanten vor. Nicht selten war ich praktisch so bei der Geburt eines bemerkenswerten Schreibers von Anfang an dabei.
Meine Neugier hat mich auch zu der Lektüre dieses Debütwerkes geführt. Mein Fazit: Ich habe es nicht bereut, im Gegenteil, es hat mich beeindruckt! - Die Autorin Christien Maria Eisenbarth ist mir bisher nicht unbekannt gewesen, sie gehört jetzt für mich zu einem echten Geheimtipp im Debütbereich dieses Literaturherbstes.
Obwohl sich diese Liebesgeschichte ganz einfach und doch mit viel Gefühl im zumeist seichten Internet entwickelt, gelingt es Eisenbarth, sich dem unkontrollierten Freizügigkeitswahn der sozialen Medien (wie zB Facebook) zu entziehen und eine Erzählatmosphäre aufzubauen, die mich anspricht, die mich Seite um Seite als Leser an die Hand nimmt und durch die Kapitel und den insgesamten 300 Seiten dieses Buches behutsam führt. Spätestens als mir klar wurde, welches Thema sich bei der weiblichen Hauptfigur in das Grundgerüst ihrer Gefühlswelt eingenistet hat, ein echter Missbrauch, spürte ich zunehmend fast körperlich die Spannung nach, in der sich die Protagonistin Carin von Anfang an befunden haben muss - Zuneigung und Verliebtsein zuzulassen, trotz eines sicherlich furchtbaren Schmerzes wegen des einstigen Missbrauchs. Die gesamte Tragödie wird Seite um Seite immer deutlicher und die damit verbundene Dramatik nahezu mit Händen zu greifen. Ein Thema, welches für Betroffene und Angehörige sicherlich für immer eine dauerhaft präsente Aktualität erhalten hat.
Während des Lesens musste ich mir mehrmals die Frage stellen, welche Vorstellungskraft vorhanden sein muss, sich einem Thema hinzugeben, welches von den Betroffenen zumeist aus Schamgefühlen totgeschwiegen wird. Christien Maria Eisenbarth hat sich diesem schwierigen Thema gleich im Debütroman gestellt und aus meiner Sicht auch mit Bravour gemeistert. Hinter der tollen Fassade der beiden Hauptdarsteller in dieser Geschichte lauert, offensichtlich kaum bis gar nicht verarbeitet, das Böse, das Schreckliche, das Unaussprechbare, der kaum in Worten zu fassende Missbrauch einer jungen Frau. Dieses Thema zieht sich als roter Faden durch den gesamten Roman hindurch. Es ist spürbar, wie sich die Autorin selbst diesem heiklen Thema nähert, um der Romanfigur Carin durch die Nacherzählung dieser modernen Liebesgeschichte eine Chance und eine Plattform zu geben, um das erlebte, nicht aufgearbeitete persönliche Schreckensthema mittels dieser Erzählung quasi doch noch ein Stück weit zu verarbeiten. Jedes Mal, wenn sich dieser dunkle Geist bei Carin zu melden schien, wollte ich ihr eigentlich zurufen, sich doch nicht durch die Liebesgeschichte unter Druck setzen zu lassen, sondern sich Zeit für die Aufarbeitung zu nehmen. Doch mir sind als Leser die Hände gebunden, so wie es wohl für die Hauptfigur die gesamten Jahre hindurch gewesen sein muss. Diese Erzählung und diese Figur hat mich gepackt und bis zum Ende nicht mehr losgelassen. Wie Liebe trotz eines unbeschreiblichen Schicksals doch gelingen möchte und kann - eine echte, wirklich menschliche Geschichte.
Eisenbarth ist es mit diesem Erstlingswerk wirklich zu wünschen, dass sie viele Leser anspricht und erreicht und vielleicht darüber hinaus auch Menschen mit einem Missbrauchshintergrund Mut macht, sich diesem Schicksal zu stellen, zu verarbeiten, zu überwinden und dann mit der Zeit behutsam und vorsichtig einen Neuanfang gerade beim Thema "Liebe" zu wagen. Mein Kompliment für die Verarbeitung dieses schweren Themas. Dieses Buch sollte viele Leser, gerade von Betroffenen, finden und erreichen!

Ich bin schon auf das nächste Buch von Christien Maria Eisenbarth gespannt.

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