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Phoebe Caulfield

Bewertungen

Insgesamt 70 Bewertungen
Bewertung vom 13.11.2025
Pflüger, Andreas

Kälter


weniger gut

Kein würdiger Nachfolger

Als Provinzpolizistin führt Luzy Morgenroth führt einen eher gemütlichen Arbeitsalltag auf der Insel Amrum, spektakuläre Polizeiarbeit sucht man hier vergebens. Das ändert sich schlagartig als Lucy auf der Insel tief aus ihrer Vergangenheit eingeholt wird, ihre Freunde in Gefahr geraten, ihr bester Kollege sogar sein Leben lassen muss. Und so kehrt Lucy zurück in ihr altes Leben, um sich dem zu stellen, von dem sie damals vor acht Jahren dachte, es wäre vorbei.

Der Thriller "Kälter" ist komplex gestrickt. Wer Andreas Pflüger bereits kennt, weiß wie meisterhaft er plots und verschiedene Erzählebenen konstruieren kann. Zugleich verarbeitet er historischen Detailwissen aus dem Umkreis von Geheimdienst und Spionage, sodass man als Leser_in tief in diese spannende Welt eingesogen wird. Genau diese Meisterhaftigkeit hat seine beiden Vorgänger-Bücher so einzigartig und erfolgreich gemacht.
In "Kälter" habe ich allerdings das Gefühl, dass einige Schrauben einfach überdreht wurden. Das erste Drittel des Buches (Lucy auf Amrum) wirkte unglaublich überladen und konstruiert. Es wirkte wir ein Wettbewerb maritimer Vokabeln und schien mir sehr konfus geschrieben, lässt mich an KI denken, sorry.

Ab dem zweiten Drittel findet man die bewährte Schreibe von Pflüger und auch die sympathischen Figuren aus "Wie Sterben geht" tauchen wieder auf, das war ein wunderbares Wiedersehen. Die Plotstruktur und der Schreibstil ähneln sehr dem Vorgänger, was erstmal nichts Schlechtes sein muss. Ich fand es allerdings leider ermüdend und langweilig. Mir fehlt sogar das Interesse zu wissen, ob/wie Lucy erfolgreich sein und das Buch enden wird - abgebrochen auf Seite 340.

Ich hatte mich sehr auf ein neues Buch von Andreas Pflüger gefreut, bin allerdings recht enttäuscht. "Kälter" kann seinem Vorgänger nicht das Wasser reichen und wirkt etwas wie ein zweiter Aufguss, schade.

Bewertung vom 02.09.2025
Flitner, Bettina

Meine Mutter


sehr gut

Nachwirkendes Familienschicksal und Sprachlosigkeit

Als Bettina Flitner nach Jahrzehnten das Grab ihrer Mutter besucht, wird sie von lange verdrängten Fragen über deren Leben und tragisches Ende (Suizid) eingeholt. Sie begibt sich auf eine persönliche Spurensuche, die sie tief in die Vergangenheit führt – nach Wölfelsgrund in Niederschlesien, wo ihre Vorfahren ein Sanatorium betrieben. Mithilfe von Tagebüchern, Briefen, Fotos und eigenen Erinnerungen rekonstruiert sie das Leben mehrerer Familiengenerationen sowie das ihrer Mutter. Beides ist tief geprägt von Verlust, Sprachlosigkeit und familiären Brüchen.

Bereits in dem Vorgängerbuch "Meine Schwester" klingt die komplexe und zutiefst tragische Familienhistorie an. In "Meine Mutter" geht die Autorin nun noch einmal weiter in der Familiengeschichte zurück. Auf Basis der o.g. Quellen und Dokumente entsteht ein sehr lebhaftes Portrait der damaligen Zeit und Umstände. Allerdings war es genau dieser literarische Ansatz, der mich zeitweise recht verwirrt hat: Was ist nun "echt"? Was ist künstlerische Freiheit und Fiktion?" Da musste ich mich erst einmal etwas orientieren.
Zudem finde ich, dass man als Leser_in im Vergleich ziemlich viel zu Großeltern und Eltern erfährt, weniger im Detail allerdings zur Mutter selbst. Hier hatte ich ursprünglich den Schwerpunkt des Buches erwartet und finde daher, dass das Titelversprechen nicht ganz einlöst wird.

Als Fazit bleibt das Buch aber ein beeindruckendes Panorama eines Familienschicksals, das einem teils intensiv unter die Haut geht. Es lässt sich sehr gut nachvollziehen, wie stark und einschneidend die jüngere Generation (die Mutter sowie die Schwester) geprägt wurde.

Bewertung vom 06.03.2025
Köller, Katharina

Wild wuchern


ausgezeichnet

Und wieder hat eine schreibende Österreicherin mein Leserinnenherz erobert

Eine einsame Hütte auf der Alm und eine Frau auf der Flucht. So beginnt die Geschichte und man ist direkt mitten drin. Marie, beschrieben als Typ “Luxusweibchen”, flieht mit nicht näher erklärten Verletzungen vor ihrem Ehemann, noch bleibt im Dunkeln, was genau passiert ist. Ihr Ziel ist die Almhütte auf der ihre Cousine Johanna seit Jahren zurückgezogen allein mit verschiedenen Tieren lebt. Die beiden Frauen könnten gegensätzlicher nicht sein und so mag die schroffe Johanna Marie auch nicht länger als nötig bei sich aufnehmen. Im Verlauf des Romanes wird die Beziehung der beiden Frauen, welche sich von Kindesbeinen an kennen, langsam offengelegt: die verschiedenen problematischen Rollen, welche die Mütter ihren jeweiligen Töchtern zugedacht hatten, die Rolle der Väter bzw Ehemänner und die einschneidenden Kindheitserlebnisse. Über all das wurde nie wirklich gesprochen, bricht sich nach einem dramatischen Höhepunkt aber Bahn.

Mir gefiel an dem Buch von Anfang an die klare präzise aber nie gedrechselte Sprache und der (in meinen Augen) wunderbare österreichische Humor. Dazu die Naturbeschreibungen der Berglandschaft – habe mich gefühlt als wäre es selbst mit auf der Hütte.

Katharina Köller ist damit meine neueste österreichische Entdeckung🥰. Und auch wenn ihr jetziges Buch “Wild wuchern” für einen Roman eher kurz ist – man merkt beim Lesen wie viel Potenzial hier drinsteckt. Freue mich schon jetzt auf ein nächstes, dann vielleicht längeres Buch von ihr.

Bewertung vom 26.02.2025
Kapitelman, Dmitrij

Russische Spezialitäten


gut

Mutter und Sohn – Russland und Ukraine

Das tolle Cover hat mich neugierig gemacht. Und Klein-Russland in Form eines russischen Spezialitäten- und Lebensmittelgeschäfts in Leipzig klang nach interessanter Unterhaltung. Der Kern des Buches ist jedoch der Konflikt bzw die Entfremdung von Mutter und Sohn über den Angriff Russlands auf die Ukraine und den Krieg seitdem. Die Mutter mutiert zur treuen Kreml-Anhängerin, die begierig auch die noch so absurdesten Nachrichten von Seiten der russischen Propaganda aufsaugt. Während ihr Sohn sich eindeutig der ukrainischen Seite zugehörig fühlt. Und irgendwo dazwischen wollen doch alle nur mit dem Magazin über die Runden zu kommen.

Die Einblicke in den Alltag der Familie und deren weiteren Verwandten- und Bekanntenkreis sowie die Kundschaft fand ich wirklich spannend und unterhaltsam. Insgesamt erscheint mir das Buch aber weniger ein durchgängig erzählter Roman als eine Aneinanderreihung von Szenen und Begebenheiten. Für mich bleibt daher die Geschichte an sich sehr an der Oberfläche. Gern hätte ich mehr über die Motive der Mutter erfahren, sie bleibt allerdings recht eindimensional. Auch die Gefühlswelt des Protagonisten wird immer wieder angerissen – aber dann war es schon wieder vorbei.

Kurz gesagt konnte mich das Buch leider nicht packen, hatte mir mehr davon erwartet. Und auch die zahlreichen Wortspielereien fand ich eher irritierend und den Lesefluss störend, schade.

Bewertung vom 27.12.2024
Johnson, Arielle

Flavorama


sehr gut

beeindruckend und überwältigend

Mein Interesse an diesem Buch wurde durch meine Tochter geweckt. Sie berücksichtigt beim Kochen oft bestimmte Prozesse und deren Geschmacksergebnisse von vornherein – etwas, das mir in dieser Wissenschaftlichkeit eher fremd ist. Ich habe mir daher einiges aus diesem Buch erhofft – und wurde nicht enttäuscht, aber ziemlich überwältigt.
"Flavorama" ist kein klassisches Kochbuch, und die Rezepte sind thematisch in die einzelnen Kapitel eingebaut. Es handelt sich, wie angekündigt, um Rezepte und nicht um ganze Gerichte.
Das Buch ist insgesamt vollgepackt mit Wissen und Erklärungen, sodass man das Gefühl hat, darin alles finden zu können. Mir persönlich war das schon etwas zu viel des Guten, zumal die enge grafische Gestaltung wenig Luft zum Verschnaufen lässt. Trotzdem finde ich es spannend, darin zu blättern und künftig das eine oder andere auszuprobieren – oder ausprobieren zu lassen.

Bewertung vom 30.08.2024
Grjasnowa, Olga

Juli, August, September


gut

Zwei Romane in einem?

Die Hauptfigur Lou (Ludmilla) und ihr Mann, der Pianist Sergej leben zusammen mit ihrer Tochter in Berlin. Als weitere Figuren treten die Mutter von Sergej und Lous eigene Mutter auf – Beziehungsstatus: schwierig. Zudem erfahren die Leser Stück für Stück, dass Lou in den vergangenen Monaten ein Kind verloren hat. Und beide Eltern sind mit ihrer Trauer und ihrem Schmerz jeweils so allein, dass es einem das Herz zerreißt.

Auch die Beziehung zu ihrer entfernten jüdischen Verwandtschaft, die in Israel lebt, ist nicht ganz einfach. Eine gemeinsame Geburtstagsfeier auf Gran Canaria bringt alle zusammen, incl. Familiengeheimnissen und der immerwährenden Frage nach der eigenen jüdischen Identität.

Nachdem mich das erste Drittel des Buches rund um das Familientreffen auf Gran Canaria sehr begeistert hat, ließ mich das Buch insgesamt recht ratlos zurück. Es wirkt auf mich irgendwie unentschieden und zusammengestückelt und leider oberflächlich. Das mag auch an der Gefühlswelt Lous liegen, die nach der Fehlgeburt orientierungslos und verloren scheint. Und gleichzeitig kommt es mir vor, als wenn in „Juli, August, September“ eigentlich zwei Romane stecken, die beide ausreichend eigenes Potenzial gehabt hätten, schade.

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Bewertung vom 15.08.2024
Krien, Daniela

Mein drittes Leben


sehr gut

Auf dem Weg durch ein Tal

Linda, im Job erfolgreich, gut situiert und mit dem Maler Richard verheiratet. Zu ihrer Familie gehören die zwei größeren Kinder Richards sowie ihr gemeinsame Tochter, Sonja. Diese kommt 17jährig bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Der Roman beschreibt das Leben von hauptsächlich Linda durch das schwere Jahr, das diesem völlig unerwartetem Tod folgt. Es ist ein harter Bruch im Leben von Linda, vieles stellt sie in Frage und sieht ebenfalls vieles mit ganz anderen Augen. Es erscheint wie ein Start in ein anderes Leben, ihr drittes Leben.

Ich lese Daniela Krien einfach unglaublich gerne. Sie hat in meinen Augen ein sehr feines Gespür für menschliche Zwischentöne und bringt diese in schnörkellosen, aber unglaublich treffenden Beschreibungen zu Papier. Mein Drittes Leben hat nach meinem Empfinden einen etwas anderen, spröderen Tonfall als die Vorgänger, in den ich mich etwas hineinlesen musste. Allein schon durch die Thematik, aber auch die nicht immer vorhersehbare Entwicklung von Linda ist es kein einfach weg zu lesendes Buch, und es wirkt nach. Für diese Rezi musste ich es nochmal eine Weile liegen und mir noch ein paar Mal durch den Kopf lassen. Aber so ist das wohl mit guten Büchern.
Eine definitive Empfehlung für alle, die sich gern auf neue und unerwartete Leseerfahrungen einlassen.

Bewertung vom 22.07.2024
Bleisch, Barbara

Mitte des Lebens


ausgezeichnet

Das richtige Buch zur richtigen Zeit

In ihrem Buch widmet sich Barbara Bleisch aus philosophischer Sichtweise dem Thema älter werden und dabei genauer der Lebensmitte, den Jahren zwischen 35-40 bis 60. Im Rahmen von sieben Kapiteln beleuchtet die Autorin ausführlich die jeweiligen Fragestellungen, ordnet eigene und fremde Beobachtungen ein und schaut zudem wie frühere Schriftsteller_innen und Philosph_innen das Älterwerden beschrieben und für sich bewertet haben.

Und auch wenn ich es vorher nicht unbedingt für möglich gehalten hätte, ich hatte wirklich Spaß beim Lesen – stellenweise erschien es mir wie ein wirklich geistreiches und anregendes Gespräch. Die Erläuterungen haben mich wirklich berührt, vor allem aber in vielem bestätigt, was ich bislang mehr aus dem Bauch entschieden haben und ganz so falsch lag ich damit wohl offenbar nicht (was man natürlich immer gerne liest😊).

Das Buch kann ich allen Leser_innen wärmsten empfehlen, die vielleicht gerade mit den ersten Zimperlein oder früheren Lebensentscheidungen hadern und dringend positive Impulse und Ausblicke für die bessere der beiden Lebenshälften benötigen.

Bewertung vom 17.06.2024
Gebhardt, Miriam

Die kurze Stunde der Frauen


gut

Anders als gedacht

In ihrem Buch beschäftigt sich Miriam Gebhardt in 9 Kapiteln mit verschieden Facetten von (Rollen-)Erfahrungen, wie sie Frauen in den Kriegs- und Nachkriegsjahren gemacht haben. Anhand von Quellen, Tagebüchern und Briefen rekonstruiert sie diverse individuelle Lebenswege von Frauen in der Nachkriegszeit und lässt dadurch Geschichte lebendig werden.

Es waren genau diese Schilderungen, die für mich einen ganz anderen als einen bisher bekannten eher historisch-abstrakten Einblick in das Leben von Frauen in dieser Zeit gegeben haben. Zahlreiche Themen wurden für mich neu beleuchtet und dargestellt, z.B. der Mythos der Trümmerfrauen, die Rolle der passiven Frau, die mit ihrer Passivität den Nationalsozialismus möglich bzw. gestützt hat. Oder wie die Alliierten die Rolle der Frauen für die Re-Eduction Deutschlands definiert haben.

Irgendwie finde ich den Titel nun nach dem Lesen allerdings etwas irreführend: Weder sind es „die“ Frauen, noch gibt es eine „kurze Stunde“ für sie alle. Was in meinen Augen wirklich deutlich wird – die Lebenswege, Schicksale und Rollen von Frauen sind so unterschiedlich und individuell, dass sie sich schwerlich auf einen Punkt bringen lassen.

Bewertung vom 01.04.2024
Meindl, Dominika

Selbe Stadt, anderer Planet


ausgezeichnet

Wunderbar klug und unterhaltsam – eine Beschreibung von Tourismus heute

Johanna kehrt in ihren Heimatort Hallstatt zurück, ihre Schwester Doris hat diesen nie wirklich verlassen. Der Vater der beiden ist verstorben und das Haus mit viel Krempel vollgestopft. Johanna macht sich daran es auszuräumen und die Arztpraxis weiterzuführen. Sie entdeckt die Bergwelt wieder neu für sich und beobachtet wie sich der Tourismus mit den Jahren verändert hat, was dies für Natur und Mensch bedeutet.
Parallel berichtet der Chinese Ren darüber, wie er in China, ebenfalls als Touristenattraktion, eine Kopie Hallstatts projektiert. Und irgendwann überschneiden sich die Wege dieser drei Figuren.

Der o.g. beschriebene Plot mag gewöhnungsbedürftig klingen. Aber ich war schnell gefangen in den feinen Beobachtungen und Beschreibungen und vor allem dem wunderbaren Humor der Autorin – es hat mir unglaublichen Spaß gemacht, den Figuren zu folgen.

Von mir eine klare Leseempfehlung. Für mich hätten es sogar gerne 100 Seiten mehr sein können. Freue mich jedenfalls jetzt schon auf das nächste Buch von Dominika Meindl.