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Sina
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Bremen

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Insgesamt 86 Bewertungen
Bewertung vom 21.10.2025
Knecht, Doris

Ja, nein, vielleicht


sehr gut

Zwischen Alltag und Selbstbestimmung

Für mich war »Ja, nein, vielleicht« das erste Buch der Autorin. Im Nachhinein habe ich erfahren, dass es quasi der dritte Roman einer Art Reihe ist, jedoch muss man diese nicht unbedingt vorher gelesen haben.

Die namenlose Ich-Erzählerin befindet sich in einer Phase zwischen Umbruch und Selbstfindung. Sie ist in ihren 50ern, ihre Kinder sind ausgezogen und mit ihrem Job als Autorin schafft sie es, sowohl eine Stadtwohnung in Wien als auch ein kleines Haus auf dem Land zu unterhalten.
Trotz ihres eigentlich erfüllten Lebens nagen Zweifel an ihr und als sie eines Tages einen alten Bekannten im Supermarkt trifft, löst diese Begegnung einiges in ihr aus. Soll sie sich noch einmal auf einen Mann einlassen oder ist alles so gut, wie es ist?

Die Autorin hat mit »Ja, nein, vielleicht« eines dieser Bücher geschaffen, welches von seinen eindringlichen Zwischentönen lebt. Es ist eine Geschichte über Freundschaft, Familie, Zusammenhalt und Selbstfindung, die sich mit den kleinen und größeren Sorgen des alltäglichen Lebens beschäftigt.
Die Handlung kommt ohne große Dramen daher, ist zum größten Teil unaufgeregt und leise und dennoch voller Tiefe und Bedeutung.
Knechts Schreibstil ist klar und präzise, einzig die vielen Anglizismen (gerade im ersten Drittel des Buches) fand ich unpassend und etwas irritierend.
Die Figuren wirken mit ihren Stärken und kleinen Marotten absolut authentisch und zutiefst menschlich.

Es ist eines dieser Bücher, das sich anfühlt wie ein Gespräch mit einer guten Freundin. Eine berührende Geschichte, die sicher noch lange nachhallen wird. Große Empfehlung von mir!

Bewertung vom 09.10.2025
Sußebach, Henning

Anna oder: Was von einem Leben bleibt


sehr gut

Rekonstruktion eines Lebens

In seinem Buch „Anna oder: Was von einem Leben bleibt“ rekonstruiert der Journalist Henning Sussebach das vergessene Leben seiner Urgroßmutter Anna Kalthoff.

Mit Hilfe weniger verbliebener Gegenstände aus Annas Besitz begibt sich der Autor auf Spurensuche und setzt nach und nach ein stimmiges Gesamtbild zusammen. Die Lesenden werden mitgenommen auf eine Reise von 1887 und 1932 zwischen Horn und Cobbenrode, im
Sauerland.

Anna wird als viertes Mädchen in die Familie Kalthoff geboren. Ihr Vater verstarb als Anna gerade einmal 12 Jahre alt war. Als unverheiratete Frau mit nur wenigen Alternativen geht Anna im Alter von gerade einmal 21 Jahren mach Cobbenrode und wird Lehrerin. Trotz der Steine, die ihr in dieser frauenfeindlichen Zeit in den Weg gelegt werden, führt sie ein scheinbar selbstbestimmtes und außergewöhnliches Leben.

Untermalt wird die persönliche Biografie der Urgroßmutter immer wieder mit zeitgeschichtlichen Fakten, die es den Lesenden einfacher machen, sich die Geschehnisse im geschichtlichen Kontext vorzustellen.

Henning Sussebach hat mit seiner gründlichen und fundierten Recherche ganze Arbeit geleistet und seiner Urgroßmutter ein Denkmal gesetzt.

Bewertung vom 09.10.2025
Sauer, Anne

Im Leben nebenan


weniger gut

Das andere Leben

Anne Sauers Roman „Im Leben nebenan“ spielt mit der Idee einer Parallelwelt und befasst sich im zuge dessen mit Themen wie Mutterschaft, Kinderwunsch, Frausein und Lebensplanung.

Wir erhalten Einblick in zwei verschiedene Versionen des Lebens von Hauptfigur Toni beziehungsweise Antonia.
Eines Tages findet sich Toni im Leben von Antonia wieder. Ein Leben, in dem sie sich nie von ihrer Jugendliebe Adam getrennt hat und die beiden kürzlich ein Baby bekommen haben.
Sie führt ihr Leben fortan mit den Erinnerungen an ihr „echtes Leben“ als Toni: kinderlos und in einer Beziehung mit Jakob.

Leider konnte mich der Roman absolut nicht überzeugen. Vielleicht bin ich aber auch einfach nicht die richtige Zielgruppe. Grundsätzlich fand ich die Idee von zwei völlig unterschiedlichen parallelen Leben durchaus interessant aber letztendlich hatte ich den Eindruck, das keines der Leben ein für die Protagonistin erfüllendes oder glückliches Leben ist.

Es gibt auch leider nichts, was ich aus dem Gelesenen für mich mitnehme oder woran ich nochmal zurückdenken werde. Ich glaube, vor allem junge Frauen, die sich erst noch darüber klar werden müssen, ob sie ihr Leben mit oder ohne Kinder gestalten möchten, könnten eher gefallen an dem Buch finden.

Bewertung vom 06.10.2025
Suzuki, Larissa

Das Internet


ausgezeichnet

Großartiges Kinder-Sachbuch

Mit “Das Internet” ist dem Duo bestehend aus der Autorin Prof. Dr. Larissa Suzuki und der Illustratorin Harriet Russel ein wirklich tolles Kinderbuch gelungen.
Das Buch ist empfohlen für Kinder ab 8 Jahren, erschienen im E. A. Seemann Verlag und Teil der Bilderbande, einer Sachbuchreihe für Kinder von 4 bis 12 Jahren.

Unterteilt in insgesamt 63 Kapitel nimmt das Buch die Leser:innen mit auf eine Reise durch das World Wide Web.
Vermittelt wird hier wirklich alles Wissenswerte rund um das Thema. Von Sicherheit im Netz über technisches Know-How bis zur KI werden hier alle möglichen Themen umfassend und gleichzeitig kindgerecht erklärt.
Dem Buch gelingt es auf spielerische, leicht verständliche und unterhaltsame Art und Weise Grundlagen und Fachwissen zur digitalen Welt zu vermitteln. Auch Erwachsene können hierbei noch das ein oder andere lernen.

Besonders positiv hervorzuheben sind außerdem die vielen interaktiven Inhalte am Ende eines jeden Kapitels. Hier lernt man beispielsweise wie man am besten ein besonders sicheres Passwort erstellt und es sich aufschreibt, ohne, dass andere dies einfach entschlüsseln können.
Auch das Glossar am Ende finde ich gut gelungen. Hier werden nochmal einige wichtige Schlagworte kurz und knapp erläutert.

Die farbenfrohen und liebevoll gestalteten Illustrationen machen Freude beim Lesen und laden die Betrachter:innen dazu ein, immer mal wieder einen Blick ins Buch zu werfen und sein Wissen aufzufrischen oder zu erweitern.
Von mir gibt es dafür 5 Sterne und eine klare Empfehlung!

Bewertung vom 04.10.2025
Kuhn, Yuko

Onigiri


gut

Zwischen zwei Welten

3.5 | In »Onigiri« erzählt Yuko Kuhn die Geschichte einer Mutter-Tochter-Beziehung zwischen Deutschland und Japan.

Akis Mutter Keiko beschließt als junge Frau Japan den Rücken zu kehren und nach Deutschland auszuwandern. In ihrer neuen Wahlheimat heiratet sie, bekommt zwei Kinder und lässt sich schließlich wieder scheiden.
Im Alter erkrankt sie an Demenz und aus der einst so selbstbestimmten und lebensfrohen Frau bleibt nicht mehr viel übrig.
Als Akis Großmutter stirbt, nimmt sie dies zum Anlass ein letztes Mal zusammen mit Keiko nach Japan zu reisen.

Erzählt wird die Geschichte zwischen zwei Kulturen aus der Perspektive von Aki in einem ruhigen, beinahe sachlichen Ton auf zwei Zeitebenen. Trotz der Schwere der Themen kommen keine großen Emotionen auf und die Erzählerin bleibt stets auf einer gewissen Distanz zum Geschehen.

Die schwierige Mutter-Tochter-Beziehung legt einen Schatten auf die sonst so friedlich erscheinende Familiengeschichte.
Während die Lektüre anfangs noch von Leichtigkeit geprägt ist, entfaltet sich nach und nach ein Gefühl der Melancholie und Wehmut.
Die Themen Demenz und Depression sind allgegenwärtig und lassen die Lesenden trotz der distanzierten, teilweise verzweifelten und von Unverständnis geprägten Haltung zu Keiko ein tiefes Mitgefühl für sie entwickeln.
Während Aki zu ergründen versucht, was ihre Mutter zu der gebrochenen Frau gemacht hat, die sie heute ist, setzt sich für die Lesenden nach und nach ein Bild zusammen, welches zeigt, wie schwer die Japanerin es in Deutschland hatte und wie einsam sie sich gefühlt haben muss.

Gerade zu Beginn des Romans wirkt der Text eher wie eine Ansammlung von zusammenhanglosen aneinandergereihten Anekdoten, was den Lesefluss leicht beeinträchtigen kann.
Bei einigen Themen hätte ich mir zudem etwas mehr Reflexion und Tiefgang gewünscht. Der Groll Akis der Mutter gegenüber war für die Leser:innen oft nicht greifbar und hier hätte ich mir ein paar emotionalere Einblicke in die Beziehung der beiden erhofft.

Grundsätzlich kann ich das Buch allen empfehlen, die sich für die japanische Kultur interessieren. Hier bekommt man wirklich spannende Einblicke geboten. Insbesondere im Vergleich zur deutschen Kultur werden ganz deutlich Unterschiede in Mentalität und Lebensweise dargestellt.

Bewertung vom 20.09.2025
Lühmann, Hannah

Heimat


weniger gut

Unkritisch und ohne Tiefgang

Der Klappentext von Hannah Lühmanns zweiten Roman »Heimat« hat mich sofort neugierig gemacht. Ein Buch, welches verspricht, sich mit gegenwärtigen Themen unserer Gesellschaft wie Rechtspopulismus, Social Media, Mutterschaft, Geschlechterrollen und die Sehnsucht nach Zugehörigkeit auseinanderzusetzen.

Jana - die gerade mit ihrem dritten Kind schwanger ist - und ihr Mann Noah kehren dem Stadtleben den Rücken und ziehen mit ihren Kindern aufs Land. Hier findet Jana schnell Anschluss bei Karolin und ihren Freundinnen. Jana ist fasziniert von der Frau, die ihr Leben als Hausfrau und Mutter von fünf Kindern zur Berufung gemacht hat und als Influencerin ihr Leben als Tradwife auf Instagram zur Schau stellt.

Die Figuren wirken leider viel zu blass und konturlos, eher wie Statisten. Insbesondere Jana als Hauptfigur ist so für die Leser:innen eine schwer greifbare Protagonistin. Anfangs noch ansatzweise skeptisch übernimmt Jana viel zu schnell die erzkonservativen Ansichten und rechtspolitischen Ideale von Karolin, ohne diese kritisch zu hinterfragen.
Im Klappentext angekündigt wurde Jana als eine Protagonistin mit gefestigten (feministischen) Idealen und Prinzipien. Unter dieser Voraussetzung hätte es eine interessante Geschichte werden können, jedoch entpuppte Jana sich als eine Art weiße Leinwand: hochgradig beeinflussbar und ohne Rückgrat.

Auf nur knapp 170 Seiten habe ich keine hochkomplexe Auseinandersetzung mit solch prekären Thematiken erwartet aber etwas mehr Tiefgang und einen kritischeren Blick auf diese hatte ich mir dennoch erhofft.
Die Lebensweise von Karolin wird stark glorifiziert und zu keiner Zeit kritisch eingeordnet. Themen wie Impfskepsis oder häusliche Gewalt werden angerissen aber nicht tiefergehend behandelt.

Die Idee des Romans hatte viel Potential, was jedoch daraus gemacht wurde, kann ich guten Gewissens nicht mit mehr als 2 Sternen bewerten. Anstelle einer differenzierten Auseinandersetzung mit den Themen wurden hier einfach eine Art Checkliste mit einigen Schlagwörtern abgehakt und dann nicht weiter verfolgt. Am Ende fragt man sich, was der Roman eigentlich aussagen soll und lässt mehr Fragen offen, als er beantwortet.

Bewertung vom 13.09.2025
Dröscher, Daniela

Junge Frau mit Katze


sehr gut

Körper, Katze und Kontrollverlust

Daniela Dröscher konnte mich bereits mit ihrem ersten autofiktionalem Werk »Lügen über meine Mutter«, in welchem sie einfühlsam und dennoch auf gewisse Weise befangen die stille Leidensgeschichte ihrer Mutter niederschrieb, vollends überzeugen. Auch »Junge Frau mit Katze«, welches eine Art Fortsetzung darstellt, wollte ich daher unbedingt lesen.

Ela ist angehende Wissenschaftlerin und steht kurz vor ihrer Promotion. Die Verteidigung ihrer Dissertation steht zwar unmittelbar bevor, doch sie beschäftigt sich lieber mit einer Vielzahl an Symptomen, die ihr Körper scheinbar zusammenhanglos hervorbringt.

Während Ela ihren körperlichen Symptomen nach und nach auf den Grund zu gehen scheint, setzt sie sich auch immer mehr mit ihrer familiären Vergangenheit, insbesondere der Beziehung zu ihrer Mutter auseinander.

Mit einem feinen Gespür für psychologischen Tiefgang gelingt es der Autorin auch in diesem Roman wieder die Aufarbeitung familiärer Konflikte und dessen folgenschweren Resultate in den Vordergrund zu stellen.

Es ist eines dieser Bücher, bei dem die Handlung die meiste Zeit gemächlich und leise vor sich hin plätschert. Die Autorin schafft es zugleich sanft und einfühlsam, als auch direkt und schonungslos über schwierige Themen zu schreiben.

Viel zu oft habe ich mich selbst in Ela wiedererkannt. Soll ich mit meinen Symptomen zum Arzt gehen oder reagiere ich über? Oft wird man (vor allem als Frau) ohnehin nicht ernst genommen und auch das Leid von typisch „weiblichen“ Krankheiten wird hier zum Ausdruck gebracht. Ebenso der Einfluss von psychischen Belastungen, wie Stress, Überforderung oder dem Druck der Gesellschaft etwas leisten zu müssen.

Die einzelnen Kapitel sind nach Titel bekannter Romane benannt, die auf die ein oder andere Weise immer sehr gut zum entsprechenden Inhalt gewählt sind. Dieses Detail, sowie die altdeutschen Begriffe aus den Märchenbüchern der Gebrüder Grimm, welche hier und da gekonnt und stets passend in den Text mit einbezogen wurden machen das Buch zu einer wahren Hommage an die Literatur.

Uneingeschränkt empfehlen kann ich das Buch trotz meiner positiven Bewertung jedoch nicht. Ich kann mir vorstellen, dass sowohl die Auseinandersetzung, als auch der Umgang mit (chronischen) Krankheiten für den ein oder anderen einfach zu viel ist.

Bewertung vom 13.09.2025
Engler, Leon

Botanik des Wahnsinns


gut

Skurrile Familienanamnese

Mit „Botanik des Wahnsinns“ hat Leon Engler, der zuvor schon Theaterstücke, Hörspiele und Kurzgeschichten verfasst hat, sein Romandebüt geschaffen.
Aber ist es wirklich ein Roman oder doch eine Biografie? Autofiktion? So ganz schlau bin ich daraus nicht geworden.

Die Hauptfigur Leon erzählt die Geschichte seiner Familie, in der psychische Erkrankungen über viele Generationen allgegenwärtig sind. Dabei nimmt er seine Eltern und Großeltern genauestens unter die Lupe und porträtiert deren Krankheitsverläufe. Vor lauter Angst, selbst psychisch zu erkranken, weist er sich zunächst selbst als Patient in der Psychiatrie ein. Kurz darauf beschließt er jedoch Psychologie zu studieren und anschließend als Psychologe in der Psychiatrie zu arbeiten.

Was mir gut gefallen hat, ist das psychiatrische Fachwissen, welches Engler in seinen Roman mit eingebunden hat.
Der Schreibstil hingegen konnte mich leider gar nicht überzeugen. Kurze, stakkatoartige Sätze machen den Lesefluss zu einer Herausforderung. Die Figuren bleiben trotz detaillierter Darstellung eher schemenhaft. Zum Teil wirkt es einfach zu überladen und der Wechsel zwischen den einzelnen Figuren, Generationen und Krankheitsbildern ist zu sprunghaft, sodass es als Leser:in schwer fällt, den Überblick zu behalten.

Wer jedoch einen gut recherchierten Roman zum Thema psychische Erkrankungen sucht und sich nicht an einem eher sachlich, distanzierten Schreibstil stört, für den ist „Botanik des Wahnsinns“ vielleicht genau das richtige.

Bewertung vom 09.08.2025
Rubik, Kat Eryn

Furye


sehr gut

Düstere Erinnerungen

Kat Eryn Rubik hat mit ihrem Debüt „Furye“ einen eindringlichen Roman geschaffen, der tief unter die Haut geht.

In zwei Zeitebenen begleiten wir die namenlose Erzählerin, ehemals von ihren Freundinnen ‚Alec‘ genannt. In der Gegenwart führt sie nach außen hin das Leben einer erfolgreichen Musikmanagerin. Doch in ihr drin sieht es ganz anders aus. Trauer, Verlust, Einsamkeit und ein unerfüllter Kinderwunsch nehmen den größten Raum in ihrem Leben ein.
Auch die Dämonen der Vergangenheit haben sie nie ganz losgelassen und so beschließt sie, in ihre Heimat zurückzukehren, um Klarheit zu schaffen.

Rubiks Schreibstil ist mal kantig, rau und präzise und wirkt dabei geradezu distanziert, im nächsten Abschnitt melancholisch, poetisch und eindringlich. Die Autorin versteht es in einer schnörkellosen Erzählweise, die nichts beschönigt die Leser*innen zu fesseln. Die sich langsam aufbauende Spannung wikt dabei so bedrückend, wie ein heißer Sommertag.

Ein wirklich gelungenes Buch über Themen wie Freundschaft, Schuld und Herkunft. Ideal für alle, die eine nicht ganz so leichte Sommerlektüre suchen.

Bewertung vom 09.08.2025
Vuong, Ocean

Der Kaiser der Freude


gut

Am Rande der Gesellschaft

Der neue Roman von Ocean Vuong erzählt leise und poetisch von Verlust, Einsamkeit und der stillen Hoffnung des American Dream.

Der 19-jährige Hai ist queer und hat vietnamesische Wurzeln. Um durch den Tag zu kommen schluckt er Pillen. Als er eines Tages auf einer Brücke steht und darüber nachdenkt, seinem Leben ein Ende zu setzen, begegnet er Grazina, einer alten Dame mit Demenz, die den Holocaust überlebt hat.
Grazina bittet Hai bei ihr einzuziehen und sie zu pflegen. Aus der scheinbar zufälligen Begegnung entwickelt sich eine tiefe Verbundenheit zwischen dem ungleichen Paar.
Um finanziell über die Runden zu kommen, nimmt Hai wieder Kontakt zu Sony, seinem autistischen Cousin auf und fängt mit dessen Hilfe einen Job in einem Fast-Food-Restaurant an.
Zusammen mit Grazina bilden seine neuen Kolleg:innen ein soziales Netz, welches Hai endlich wieder etwas mehr Halt im Leben gibt.

Auf über 500 Seiten erzählt Vuong in klarer, fast schon zärtlich anmutender Sprache von Einsamkeit, Armut, Hoffnung, Freundschaft und der Suche nach Zugehörigkeit die Geschichte einer Gruppe von Underdogs im tristen, grauen Amerika. Hierbei schreckt er auch vor bedrückenden Themen wie Depression, suizidales Verhalten, Drogenabhängigkeit, PTBS oder Demenz nicht zurück.

Das Buch glänzt ganz klar durch seine feinfühlige und poetische Sprache. Leider hat mir persönlich trotz der Länge etwas an Tiefgang gefehlt. Mitunter zog sich die Handlung sehr und ich hatte Schwierigkeiten aufmerksam zu bleiben. Die Nebenfiguren sind durchweg authentisch und bleiben dennoch auf eine gewisse Weise schemenhaft.

Im Großen und Ganzen hat mir vor allem der Umgang mit schweren Themen gut gefallen. Ich denke, dass es eine dieser Geschichten ist, die in schweren Zeiten Hoffnung schenken kann und zeigt, dass das Weiterleben immer etwas positives zu bieten hat. Dennoch wurde meiner Meinung nach das Potential nicht voll ausgeschöpft, daher vergebe ich schweren Herzens nur 3 Sterne.