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monacensis
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München

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Insgesamt 4 Bewertungen
Bewertung vom 26.05.2021
Gehölzflora
Fitschen, Jost

Gehölzflora


sehr gut

Die vor gut 100 Jahren von Jost Fitschen begründete "Gehölzflora" ist ein altbewährtes Bestimmungsbuch für Bäume und Sträucher. Lange Zeit war es so etwas wie ein "Platzhirsch", vor etwa 20 Jahren bekam es starke Konkurrenz durch die "Flora der Gehölze" aus einem anderen Verlag, und mit dieser "vollständig neu bearbeiteten und erweiterten" 13. Auflage (2017) hat es wieder aufgeholt.

Mit seinen Bestimmungsschlüsseln in Textform und mit "ca. 2500" Strichzeichnungen von Blattformen und anderen Details (keine Fotos!) ist dies ganz klar ein Buch "für Fortgeschrittene". Darin werden nicht nur die hierzulande wildwachsenden Gehölze beschrieben, sondern auch (nach Möglichkeit) alle von Gärtnern und Förstern angepflanzten Arten sowie ausgewählte Hybriden und Sorten. Diese biologische Vielfalt und diese Informationsfülle sind beeindruckend, im Bedarfsfall wirklich hilfreich, andernfalls aber ggf. auch verwirrend.

Wer "einfach nur" eine Tanne von einer Buche unterscheiden will, ist wohl meist mit einem Bilder-Bestimmungsbuch besser bedient. Wer aber beispielsweise wissen will, mit welcher von 15 Flieder-Arten er es zu tun hat, für den lohnt sich der Blick in diesen "neuen Fitschen". Und zwar auch, wenn man schon eine oder mehrere ältere Auflagen im Regal hat: Diese Neuauflage ist wirklich viel umfangreicher (fast 100 Seiten mehr und gleichzeitig größeres Format als in der 12. Auflage, dazu ca. 1000 Abbildungen mehr).

"Nur" 4 von 5 Sternen, weil ich in den letzten Jahren das erwähnte Konkurrenzprodukt schätzen gelernt habe. Aber wer auf diesem Niveau Gehölzbestimmung betreibt, braucht im Zweifelsfall ohnehin BEIDE Bücher. Über 1000 Seiten geballtes, aktuell aufgearbeitetes und handlich zusammengestelltes Wissen in dieser Neubearbeitung der "Gehölzflora" sollte man sich nicht entgehen lassen.

Bewertung vom 26.04.2021
Carmina Anacreontea

Carmina Anacreontea


sehr gut

Ein Bändchen von ca. 60 (alt)griechischen Gedichten mit einer neuen Übersetzung, das Reclam in zwei Ausgaben herausgebracht hat: 2014 als gebundenes Buch (mit Illustrationen) und 2020 in einer „aktualisierten Neuausgabe“ als Reclam-„Heftchen“. Die Gedichte (knapp 100 Seiten) werden durch Erläuterungen, Nachwort und Literaturhinweise (ca. 60 Seiten) ergänzt; wer’s genauer wissen will, ist damit gut bedient.

Das ist keine spektakuläre Neuerscheinung, aber es ist aus mehreren Gründen gut, dass wir dieses Buch nun haben:

(1) Die Themen sind zeitlos: die Liebe und der Wein, das Alter und die Freude an Dichtung und Musik – kurzum: die perfekten Zutaten für eine „Auszeit“ von Politik und Alltag.

Anakreon (um 500 v. Chr.) setzte den Maßstab. Die hier enthaltenen „anakreontischen Gedichte“ (bzw. lateinisch „Carmina Anacreontea“) stammen aus späteren Jahrhunderten und wurden in byzantinischer Zeit zu einer Sammlung zusammengefasst. Im 18. Jahrhundert wurde diese Art der Dichtung in Deutschland wieder Mode und speziell diese griechische Sammlung inspirierte die „Anakreontiker“. Eines der darin enthaltenen Gedichte (Nr. 34) hat auch Goethe zu einer Nachdichtung veranlasst: „An die Zikade“. – Wem die alten Griechen noch nicht genügend multikulturell sind, der findet ähnliche Themen auch in der alten persischen Dichtung (etwa Omar Chayyam) gestaltet. Es sind also wirklich universelle Themen.

(2) Die früheren Übersetzungen basieren auf einem anderen griechischen Text. Nach heutiger Überzeugung ist es besser, dem in der einzigen erhaltenen mittelalterlichen Handschrift dieser Gedichte überlieferten Text möglichst weitgehend zu folgen. Im 19. Jahrhundert waren die Gelehrten „korrekturfreudiger“, wodurch sich zahlreiche (auch inhaltliche) Abweichungen ergeben. Die meisten sind eher klein, aber es kommt auch vor, dass in älteren Übersetzungen von „Helden/Heroen“ die Rede ist, in der neuen dagegen von „Eroten“ (in Nr. 23). Daher ist es gut, nun eine Übersetzung auf aktuellem wissenschaftlichem Stand zu haben.

(3) Man sagt mit Recht, dass die Klassiker eigentlich in jeder Generation neu übersetzt werden müssen. Denn während die Originale oft „zeitlos“ sind, klingen viele Übersetzungen ziemlich schnell altbacken. Daher macht die bislang „jüngste“ vollständige Übersetzung von Hermann August Junghans (1873, gereimte Verse) heute nicht mehr viel Freude, und diese Neuübersetzung war seit langem überfällig.

Diese Regel von der Notwendigkeit einer neuen Übersetzung in jeder Generation kennt eine Ausnahme: Manchmal gelingt eine wirklich literarische Übertragung so gut, dass sie selbst Klassikerstatus erlangt und fast „zeitlos“ wird. Sieht man von den oben genannten Vorbehalten wegen des verwendeten griechischen Texts ab, würde ich dies für die Übersetzung von Eduard Mörike (1864) in Anspruch nehmen. Die neue Reclam-Version bietet eine gute, moderne Übersetzung in reimlosen Versen (mit Nachwort usw.), und Mörike bietet uns Dichtung. Es ist gut, beides zu haben – und zu lesen.

Ich bin dem Verlag und dem Herausgeber-/Übersetzer-Team dankbar für diese „Ausgrabung“ eines in Vergessenheit geratenen antiken Klassikers, der in der deutschen Literaturgeschichte Spuren hinterlassen hat ... und der hier für kleines Geld zum Wiederentdecken einlädt.

Bewertung vom 26.04.2021
Carmina Anacreontea

Carmina Anacreontea


sehr gut

Ein Bändchen von ca. 60 (alt)griechischen Gedichten mit einer neuen Übersetzung, das Reclam in zwei Ausgaben herausgebracht hat: 2014 als gebundenes Buch und 2020 in einer „aktualisierten Neuausgabe“ als Reclam-„Heftchen“. Die Gedichte (knapp 100 Seiten) werden durch Erläuterungen, Nachwort und Literaturhinweise (ca. 60 Seiten) ergänzt; wer’s genauer wissen will, ist damit gut bedient.

Das ist keine spektakuläre Neuerscheinung, aber es ist aus mehreren Gründen gut, dass wir dieses Buch nun haben:

(1) Die Themen sind zeitlos: die Liebe und der Wein, das Alter und die Freude an Dichtung und Musik – kurzum: die perfekten Zutaten für eine „Auszeit“ von Politik und Alltag.

Anakreon (um 500 v. Chr.) setzte den Maßstab. Die hier enthaltenen „anakreontischen Gedichte“ (bzw. lateinisch „Carmina Anacreontea“) stammen aus späteren Jahrhunderten und wurden in byzantinischer Zeit zu einer Sammlung zusammengefasst. Im 18. Jahrhundert wurde diese Art der Dichtung in Deutschland wieder Mode und speziell diese griechische Sammlung inspirierte die „Anakreontiker“. Eines der darin enthaltenen Gedichte (Nr. 34) hat auch Goethe zu einer Nachdichtung veranlasst: „An die Zikade“. – Wem die alten Griechen noch nicht genügend multikulturell sind, der findet ähnliche Themen auch in der alten persischen Dichtung (etwa Omar Chayyam) gestaltet. Es sind also wirklich universelle Themen.

(2) Die früheren Übersetzungen basieren auf einem anderen griechischen Text. Nach heutiger Überzeugung ist es besser, dem in der einzigen erhaltenen mittelalterlichen Handschrift dieser Gedichte überlieferten Text möglichst weitgehend zu folgen. Im 19. Jahrhundert waren die Gelehrten „korrekturfreudiger“, wodurch sich zahlreiche (auch inhaltliche) Abweichungen ergeben. Die meisten sind eher klein, aber es kommt auch vor, dass in älteren Übersetzungen von „Helden/Heroen“ die Rede ist, in der neuen dagegen von „Eroten“ (in Nr. 23). Daher ist es gut, nun eine Übersetzung auf aktuellem wissenschaftlichem Stand zu haben.

(3) Man sagt mit Recht, dass die Klassiker eigentlich in jeder Generation neu übersetzt werden müssen. Denn während die Originale oft „zeitlos“ sind, klingen viele Übersetzungen ziemlich schnell altbacken. Daher macht die bislang „jüngste“ vollständige Übersetzung von Hermann August Junghans (1873, gereimte Verse) heute nicht mehr viel Freude, und diese Neuübersetzung war seit langem überfällig.

Diese Regel von der Notwendigkeit einer neuen Übersetzung in jeder Generation kennt eine Ausnahme: Manchmal gelingt eine wirklich literarische Übertragung so gut, dass sie selbst Klassikerstatus erlangt und fast „zeitlos“ wird. Sieht man von den oben genannten Vorbehalten wegen des verwendeten griechischen Texts ab, würde ich dies für die Übersetzung von Eduard Mörike (1864) in Anspruch nehmen. Die neue Reclam-Version bietet eine gute, moderne Übersetzung in reimlosen Versen (mit Nachwort usw.), und Mörike bietet uns Dichtung. Es ist gut, beides zu haben – und zu lesen.

Ich bin dem Verlag und dem Herausgeber-/Übersetzer-Team dankbar für diese „Ausgrabung“ eines in Vergessenheit geratenen antiken Klassikers, der in der deutschen Literaturgeschichte Spuren hinterlassen hat ... und der hier für kleines Geld zum Wiederentdecken einlädt.