Der Einstieg in HUSTLE ist fulminant: eine grandiose Racheaktion am letzten Arbeitstag, die sofort zeigt, mit was für einer Figur wir es hier zu tun haben. Leonie ist unkonventionell, clever, moralisch fragwürdig und genau deshalb wahnsinnig spannend.
Nachdem sie nach München zieht, merkt sie schnell, dass ihr Gehalt dort nicht reicht. Ihre besondere Fähigkeit: Rachepläne schmieden. Daraus macht sie kurzerhand einen lukrativen Zweitjob. Was folgt, sind kreative, teils skurrile Aktionen, die einfach Spaß machen beim Lesen. Julia Bähr schreibt modern, direkt und eindringlich, sodass man förmlich durch die Seiten fliegt.
Nur das Ende kam für mich sehr abrupt. Einige offene Handlungsstränge wurden nicht aufgelöst. Vor allem eine Entscheidung, die Leonie trifft, hat mich etwas unbefriedigt zurückgelassen. Ich hätte locker noch hundert Seiten mit ihr verbringen können. Und vielleicht ist genau das das größte Kompliment: dass man eine Protagonistin so schnell ins Herz schließt, obwohl sie alles andere als makellos ist. HUSTLE ist frisch, witzig, moralisch herausfordernd und einfach ein Vergnügen zu lesen.
Das Thema des Kinderbuchs ist herrlich originell: Hobby Horsing, ein Trend aus Finnland, der jetzt auch bei uns ankommt. Für meine 9-jährige Schwester war es ein Volltreffer, sie liebt Pferde über alles und hat gleich vier Steckenpferde. Dieses Buch war wie für sie gemacht. Selten habe ich erlebt, dass sie eine Geschichte so eigenständig und begeistert verschlungen hat.
Im Mittelpunkt stehen Lotta und ihre beiden Freundinnen, die sich für ein Hobby-Horsing-Turnier anmelden. Wir begleiten die Mädchen durch den ganzen Tag und bekommen eine sehr authentische, detailreiche Schilderung, die echtes Turnierfeeling aufkommen lässt. Man merkt sofort, dass die Autorin Pferdeerfahrung hat. Für Kinder ist das eine süße, nahbare Geschichte über das Hobby, über Mädchenfreundschaften und den Umgang mit Enttäuschungen.
Besonders hilfreich finde ich das Glossar, in dem unbekannte Begriffe aus dem Reitsport erklärt werden. Das ist perfekt für junge Leserinnen und Leser, die gerade erst tiefer ins Thema einsteigen. Die Illustrationen sind liebevoll gestaltet, ich hätte mir aber noch ein paar mehr gewünscht. Insgesamt aber ein tolles, kurzweiliges Kinderbuch, das Pferdefans bestimmt begeistert.
Es sind die frühen 2000er Jahre, als die Studentin Percy in einer Bar auf den Musiker Joe trifft. Sie wirft einen Blick auf seine Lyrics, schlägt eine kleine Veränderung vor, und dieser Moment setzt den Anfang einer Geschichte in Gang, die mich sofort gepackt hat.
Deep Cuts ist ein Buch, das man nicht schnell wegliest, sondern genießt. Ich habe die Songs, die darin erwähnt werden, parallel auf der Spotify-Playlist gehört und konnte so noch tiefer eintauchen. Jedes Mal, wenn Percy (und Joe) einen Song analysierten, habe ich innerlich mitdiskutiert, zugestimmt oder widersprochen. Manche Songs haben mich so beschäftigt, dass ich sie danach noch einmal in Ruhe gehört habe. Ich glaube, die Autorin hat genau das beabsichtigt. Ein, zwei der Songs waren sogar schon vorher in meiner persönlichen Top-Liste, was das Ganze noch besonderer gemacht hat.
Holly Brickley schafft Figuren, die authentisch wirken, eigen, manchmal widersprüchlich, aber immer echt. Vor allem die Gespräche zwischen Percy und Joe stechen heraus: so realistisch und nah, dass man fast meint, im selben Raum zu sitzen. Dazu kommt dieses wunderbar nostalgische 2000er-Setting, in dem ich mich sofort wohlgefühlt habe. Besonders schön fand ich, dass die Geschichte die Protagonisten über mehrere Jahre hinweg begleitet. Es ist selten, dass ich einer Liebesgeschichte so mitgefiebert habe wie hier.
Deep Cuts ist ein besonderes Buch über die Liebe zur Musik, das mich durch seine Authentizität, die Songs und die Figuren noch lange begleiten wird.
Ich habe alle Bücher von Marie Luise Ritter gelesen und war auch diesmal sofort wieder eingenommen von ihrem ganz besonderen poetischen, nahen und fließenden Schreibstil. Sie schafft es wie kaum jemand sonst, Gedanken in Worte zu fassen, die man selbst oft nicht richtig greifen kann. Für mich ist sie die Stimme meiner Generation.
In Die Suche nach Zuhause begibt sie sich auf eine sehr persönliche Reise. Es ist kein Roman, kein Ratgeber, eher ein Gedankenspaziergang. Autobiografisch, reflektierend, leicht erzählerisch.
Das Buch stellt Fragen, ohne fertige Antworten geben zu wollen. Es regt an, selbst nachzudenken, zu fühlen, zu suchen. Was bedeutet Zuhause? Wo ist es? In einer Stadt, bei Menschen, in Erinnerungen?
Besonders schön fand ich die Zitate und Stimmen anderer, die einfließen. Für mich war das Lesen eine gute Gelegenheit, über mein eigenes Zuhause nachzudenken.
Charlie ist fünfzehn und in ihrem Leben fühlt sich gerade alles schwer an. Die beste Freundin wendet sich plötzlich dem beliebtesten Mädchen der Klasse zu. In der Schule spürt sie nur Ablehnung. Und zu Hause sitzt ein neuer Freund ihrer Mutter, mit dem Charlie so gar nichts anfangen kann. Bis ein neuer Junge in ihre Klasse kommt, der sie anders behandelt als alle anderen. Bei ihm wird es ein kleines bisschen heller.
Julia Engelmann gelingt es, diesen inneren Ausnahmezustand des Jugendalters mit unfassbarer Nähe und Genauigkeit zu erzählen. Man spürt diesen typischen Fünfzehnjährigen-Kopf, der immer gleichzeitig überall und nirgends ist. Ich habe mich an vielen Stellen ertappt gefühlt, habe geschmunzelt, weil ich gemerkt habe, dass ich längst zu der Erwachsenen geworden bin, wie Charlie sie beobachtet. Und ich habe mich erinnert an das eigene Gefühl von damals.
Besonders berührend waren für mich die kleinen, schönen Begegnungen. Die Gespräche mit der Oma. Die Szenen mit Pommes. Es ist ein ruhiges Buch, aber mit großer emotionaler Kraft. Es geht um neue Freundschaften, um alte, die sich verändern, um den Schmerz, sich selbst finden zu müssen, ohne zu wissen, wo man suchen soll. Auch Themen wie das Sterben und das Älterwerden tauchen auf, fein eingewoben in Charlies Gedankenwelt. Es war das erste Mal seit Langem, dass ich beim Lesen Tränen in den Augen hatte. Nicht, weil es dramatisch war, sondern weil ich mich Charlie so nah gefühlt habe. Ein Buch, das mich stolz, berührt und etwas traurig (im positiven Sinne) zurücklässt.
Toni lebt mit ihrem Freund in einer Stadtwohnung, ist eigentlich zufrieden, irgendwie angekommen. Doch als sie eines Tages aufwacht, ist alles anders. Sie ist Antonia, ist Mutter, lebt mit ihrer Jugendliebe verheiratet im Heimatdorf. Zwei Lebensrealitäten, die kaum gegensätzlicher sein könnten und doch beide irgendwie möglich.
Anne Sauer erzählt diese stille, emotionale Geschichte mit einer angenehmen Ruhe und großer Nähe zur Protagonistin. Ihr Schreibstil ist clever, die wechselnden Perspektiven zwischen Toni/Antonia und ihrer Ich-Stimme geben der Geschichte Tiefe. Besonders berührt haben mich die schwierigen Themen, die ganz selbstverständlich ihren Platz finden: unerfüllter Kinderwunsch, Fehlgeburt, das Ringen um Entscheidungen, die man nie wirklich leicht treffen kann.
Gerade wenn man selbst zwischen Stadt und Heimat, Familie und Selbstverwirklichung hin- und hergerissen ist, fühlt sich dieses Buch fast persönlich an. Ich habe mich in der Protagonistin oft wiedergefunden mit ihren Alltagszweifeln, Sehnsüchten und großen Fragen. Ein feinfühlig erzählter Roman, der unaufgeregt, aber nachhaltig bewegt.
Wer Evelyn Weigert aus den Medien kennt, weiß, was einen erwartet: eine ordentliche Portion Schnauze, Humor, Denglisch und keine Angst vor Tabus. Genau das liefert auch ihr Buch Peace, Moms. In locker erzählten, kurzweiligen Kapiteln spricht sie über ihr Leben als Mutter von zwei kleinen Kindern. Ehrlich, ungefiltert und mit jeder Menge Alltagschaos.
Es fühlt sich an, als würde sie direkt mit uns Lesenden sprechen. Zwischen lustigen Anekdoten, peinlichen Situationen und ekligen Kinder-Momenten (Stichwort: angekaute Apfelspalten unter den Socken) bleibt sie immer authentisch. Manchmal fragt man sich zwar, wie viel Selbstironie noch cool ist (leere Kondomverpackung zwischen den Unterlagen beim Steuerberater?), aber genau das macht auch ihren Stil aus: Sie macht sich verletzlich, zeigt Fehler, reflektiert offen und schafft dadurch Nähe.
Auch wenn ich selbst keine Mom bin, fand ich den Einblick in dieses moderne Familienleben ohne permanente Großeltern-Unterstützung spannend, unterhaltsam und stellenweise berührend. Peace, Moms ist kein Ratgeber, kein Hochglanz-Mutterbild, sondern eine laute, ehrliche Einladung, sich selbst und andere Eltern etwas weniger zu verurteilen. Ein Buch, das sagt: Es ist okay, wenn’s chaotisch ist. Hauptsache, man hält zusammen.
Ein stilles, schweres Buch über ein lautes, oft verschwiegenes Thema: den unerfüllten Kinderwunsch. In Hello Baby lässt Kim Eui-kyung mehrere Frauen zu Wort kommen, die sich alle in der gleichen Kinderwunschklinik in Seoul behandeln lassen. Verbunden sind sie über eine gemeinsame WhatsApp-Gruppe, die dem Roman seinen Titel gibt. Jede der Frauen bringt ihre eigene Geschichte, ihre eigene Hoffnung, ihr eigenes Scheitern mit, und gemeinsam fügen sie sich zu einem vielschichtigen, berührenden Bild weiblicher Verletzlichkeit und Stärke.
Die Autorin erzählt zurückhaltend, mit wenig wörtlicher Rede, aber umso mehr Schmerz zwischen den Zeilen. Der Großteil des Romans spielt in der Klinik selbst, mit vielen Einblicken in die körperlichen und seelischen Abläufe rund um die IVF-Behandlung. Was zunächst wie eine stille literarischere Erzählung wirkt, gewinnt gegen Ende überraschend an Tempo, mit einem Hauch Thriller, der das zuvor so introspektive Geschehen in ein neues Licht rückt.
Hello Baby ist ein Chor aus Stimmen, die selten gehört werden. Die Frauen darin sind unterschiedlich, ihre Erfahrungen individuell, und doch verbindet sie etwas sehr Grundsätzliches. Ein ruhiger, fein beobachteter Roman, der bleibt.
Das Buch hat mich mit seinen präzise gezeichneten Figuren und der emotionalen Tiefe sehr beeindruckt. Es begleitet die Familie um Regina und ihre beiden Töchter Wanda und Antonia über drei Jahrzehnte hinweg und zeigt, wie Erwartungen, Konflikte und persönliche Entscheidungen das Leben aller Beteiligten prägen.
Besonders gelungen ist die Darstellung der Charaktere: Jede Figur wirkt lebendig und glaubwürdig. Ihre Entscheidungen und Entwicklungen sind oft schmerzlich, aber immer nachvollziehbar. Der ruhige, klare Schreibstil lässt Raum, die feinen Nuancen der Beziehungen und die Familiendynamik über die Jahre zu erfassen.
Ein eindringliches und klug erzähltes Buch von Schauspielerin und Drehbuchautorin Anna Brüggemann, das ich für alle empfehlen kann, die psychologisch tiefgründige und charakterstarke Geschichten schätzen.
Mars, der genderfluid ist, verliert die Zwillingsschwester Caroline unter mysteriösen Umständen. Um Antworten zu finden, reist Mars ins Sommercamp Aspen, wo Caroline ihre letzten Sommer verbracht hat. Dort trifft Mars auf Carolines Freundinnen, die „Honeys“, und stößt auf verwirrende und erschreckende Geheimnisse, die Carolines Tod in einem völlig neuen Licht erscheinen lassen.
Obwohl die Prämisse spannend klingt, konnte mich das Buch leider nicht überzeugen. Der größte Minuspunkt ist die holprige Übersetzung – ungewohnte Wörter, seltsame Wortkombinationen und eine schwerfällige Satzstruktur erschweren den Lesefluss erheblich. Auch nach 80 Seiten war ich nicht in der Story angekommen, und die Charaktere blieben für mich farblos und wenig greifbar.
Das Genre ist schwer einzuordnen, da das Buch Elemente aus Romance, Horror und Mystery mischt, ohne klaren Fokus. Lediglich das farbenfrohe Cover und der Buchschnitt sind schön gestaltet und hatten mich neugierig gemacht. Inhaltlich jedoch ein durchwachsenes Leseerlebnis.
Benutzer