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Juli91

Bewertungen

Bewertung vom 22.10.2018
Piccola Sicilia
Speck, Daniel

Piccola Sicilia


gut

(Geschichtlicher) Roman mit Ecken und Kanten

„Piccola Sicilia“ erzählt die (Lebens-)Geschichten dreier Frauen, die alle eng verbunden sind mit Moritz - einem Propaganda-Filmemacher der Deutschen während des 2. Weltkriegs. Oder ist er eigentlich doch jemand ganz anderes?
Wie diese kurze Beschreibung vielleicht schon erahnen lässt, dreht es sich in diesem Roman um mehr als nur um Liebesgeschichten. Es geht um Selbstfindung - immer wieder auch um das Abschließen mit Verganenem - vor dem Hintergrund des Tunesiens während des 2. Weltkriegs. Die tunesische Perspektive auf den Krieg nimmt hier eine besondere Rolle ein. Für diejenigen, die sich zuvor nicht mit dieser Perspektive befasst haben, wirft der Roman zeitgleich erschreckende als auch interessante Seiten auf.
Doch wie liest er sich nun eigentlich, dieser tiefgründige Roman? Meine Empfindung: sehr gemischt. Der Roman beginnt interessant. Schnell wird man neugierig auf Nina und ihre Suche nach ihrem Großvater. Es folgen früh die ersten Rückblicke in Moritz' Vergangenheit - also in das Jahr 1942. Macht es zunächst noch den Eindruck, dass Ninas Geschichte hier den dominierenden Rahmen darstellt, zeigt sich bald, dass sie lediglich dazu dient, um die Geschichte von Tunis 1942 in die Gegenwart zu bringen. Denn mehr als eine Rahmengeschichte stellt Ninas Geschichte den gesamten Roman über nicht da. Die tunesische Geschichte steht hier klar im Fokus, man sollte also durchaus Lust auf das Thema haben.
Was den Spannungsaufbau angeht, macht es einem der Autor zudem nicht immer ganz leicht. Insbesondere zum Anfang des Romans wirft er Vorausdeutungen ein, die schon erahnen lassen, wie die Geschichte für bestimmte Figuren verlaufen wird. Das hat mir ab und an leider die Freude am Lesen genommen.
Auch die Hauptfiguren machten es mir nicht immer ganz so leicht, Empathie zu entwickeln. Das wurde zum Ende des Romans leider nur noch schwerer, sodass der Roman und ich nun etwas unzufrieden auseinander gehen...

Ein paar Worte muss ich abschließend noch zum Klappentext verlieren, denn dieser scheint mir nicht ganz treffend. "Gemeinsam enthüllen sie ein faszinierendes Familiengeheimnis" scheint mir hier etwas zu hoch gegriffen. Hier wird nichts enthüllt, lediglich aus der Vergangenheit berichtet. Der Teilsatz "Drei Frauen aus drei Ländern (...) verbunden durch eine Liebe" führte mich leider auch etwas in die Irre. Denn hier geht es nicht etwa um drei Liebesgeschichten, ohne hier zu viel spoilern zu wollen. ;-) Auf die dritte Frau wartete ich am Ende vergebens. (Auch wenn es im Nachhinein Sinn ergibt wer als dritte Frau gemeint ist.)

Mein Fazit: Der Roman enthält viele schöne Zitate, berührende Weisheiten und auch neue interessante Seiten des 2. Weltkriegs, die mir vorher unbekannt waren. Das große Ganze hat jedoch seine Ecken und Kanten, da Hauptfiguren nicht immer nachvollziehbar handeln - sogar soweit, dass ich mir einen anderen Ausgang für die Geschichte gewünscht hätte.