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SeekingZamonia
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Bewertungen

Insgesamt 7 Bewertungen
Bewertung vom 07.05.2018
Ein halbes Jahr zum Glück
Timmer, Julie Lawson

Ein halbes Jahr zum Glück


gut

Nachdem Markie jahrelang weggesehen und den Schein einer intakten Ehe aufrecht gehalten hat wird sie irgendwann unausweichlich konfrontiert mit der Untreue und den Geldproblemen ihres Ehemannes.
Sie zieht die Reißleine und verlässt fluchtartig mit ihrem Teenagersohn Haus und Heimatstadt; sie möchte nicht miterleben, wie das Umfeld reagiert, sie möchte neu starten und alles hinter sich lassen.
Der Neuanfang kommt in Form eines heruntergekommenen Bungalows, eines 0815-Jobs - und einer Nachbarschaft, die sie nicht erwartet hat.
Während sie ihr Leben erst einmal in Isolation bestreiten möchte rumpelt Angeline St. Denis, auch bekannt als Mr. Saint, unverhofft und mit viel TammTamm in ihren Alltag.
Mischt sich ein, bestimmt, hilft, fordert und bringt eine ganze Handvoll „Mängelexemplare“ mit in Markies Dasein, Menschen, denen sie unter die Arme greift und die für sie arbeiten.
Markie ist absolut nicht bereit und in der Lage, sich mit dieser neuen Situation und Mrs. Saint zu arrangieren und weigert sich, den Kontakt und die unerwünschte Nähe dieser Leute zuzulassen … oder wird sie sich ändern?
Ein schwieriges Buch. Muss ich ehrlich sagen.
Es tut sich so viel - und eigentlich nichts. Wir lernen Menschen kennen - und können sie doch gar nicht verstehen. Wir erfahren Vieles - und haben noch mehr Fragen.
Wie rezensiert man ein Buch, das einem so viele Fragezeichen beschert hat?

Ich habe gebraucht, um reinzurutschen in Markies Geschichte wobei mir der Schreibstil des Buches wirklich gut gefällt.
Ich habe lange gebraucht, um mit Markie, ihrem Charakter und ihrem Verhalten warm zu werden und hatte bis zum Schluss Probleme, sie als Person zu greifen.
Zu viel kann ich nicht nachvollziehen, wie sie schweigt statt zu reden, wie sie ablehnt anstatt zuzulassen - sie hat so viel Potenzial, wie man auch grade am Ende des Buches merkt, aber sie vergeudet es. Man möchte sie schütteln, wachrütteln … Mrs Saint versucht es ja quasi.
Ja, Mrs. Saint. So laut und poltrig wie sie in Markies Leben stürmt, so wirft sie einen als Leser um. Man wird konfrontiert mit einer Naturgewalt in Miniaturausgabe, einer kleinen alten Dame, die so unschuldig aussieht aber mit einem Fingerzeig ein Heer kommandieren würde.
Man hat direkt ein Bild im Kopf, wie sie da im Garten steht, weiss, wie sie aussieht und wie sie einen anguckt.
Verstanden habe ich sie bis zum Schluss nicht. Ich möchte nicht zu sehr in den Inhalt des Buches gehen, aber während sie bissig-liebevoll die Welt um sich herum rettet, die in Form von „Mängelexemplaren“ ihren Weg kreuzen, so distanziert und egoistisch tritt sie die Liebe ihrer eigenen Familie mit Füßen.
Diese Diskrepanz in ihrem Verhalten ist mir persönlich bis zum Schluss des Buches ein Rätsel geblieben.
Die meisten der „Mängelexemplare“ des Buches sind herrlich „andere“ Charaktere, Menschen, die nicht in ein Schema passen, Menschen, die anecken, ihre Probleme aber vor Allem ihre liebenswerten Seiten haben. Man versteht, warum Mrs. Saint sie „retten“ wollte - auch ohne von ihrer eigenen Geschichte erfahren zu haben.
Ihre Geschichte: das ist es auch. Plötzlich wird man nach Zwei Dritteln des Buches mit Mrs Saints Vergangenheit konfrontiert, die Geschichte schlägt Haken, die man so nicht erwartet hat. Spannend, absolut keine Frage - es entwickelt sich so anders, als man dachte.
Während ich im ersten Teil des Buches manchmal so meine Not hatte, am Ball zu bleiben habe ich ab der Hälfte in einem Rutsch gelesen, weil es mich doch gefesselt hat. Ich wollte wissen, wie es weitergeht und war so einige Male echt überrascht.
In der Tat aber nicht immer positiv überrascht, und das ganz besonders bezogen auf das Ende. Ich stehe mit Fragen da - nach dem Warum, dem Weshalb. Ich verstehe die Charaktere nicht, ihr Verhalten und ich weiss vor Allem nicht, was das Buch mir genau sagen wollte.
Das ist etwas unbefriedigend, insbesondere, da das Buch absolut das Potenzial hatte, diese Fragen auszuarbeiten und sie zu beantworten.

Bewertung vom 06.05.2018
Barbarentage
Finnegan, William

Barbarentage


ausgezeichnet

William Finnegan lebt in den 60ern nach einem Umzug aus Kalifornien in Hawaii.
Seine große Leidenschaft ist das Surfen, für ihn nicht nur ein Sport, sondern seine Identität. Das Surfen bietet ihm die Möglichkeit, sich selbst und seinen Platz in der Welt zu finden.

Immer auf der Suche nach der „perfekten Welle“ zieht es ihn als jungen Erwachsenen durch die Welt. Er sieht Afrika, Asien und Australien, lebt ein unstetes Abenteuerleben. Finnegan lernt Menschen und Kulturen kennen, lebt Liebe und Freundschaft - existiert in erster Linie aber für seine große Leidenschaft, das Surfen.

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„Barbarentage“ ist die mit dem Pulitzerpreis ausgezeichnete Autobiografie des amerikanischen Journalisten William Finnegan.

Unglaublich sachlich und nüchtern nimmt er uns mit auf die Reise durch sein Leben.
Für mich faszinierend zu erleben, wie pragmatisch er schreibt - und wie emotional es trotzdem oder grade deswegen wirkt.
Seine Leidenschaft für das Surfen ist Dreh- und Angelpunkt seiner Erzählung - und es gibt für den Leser gar kein Vertun: die Liebe zum Surfbrett spürt man in jeder Zeile, sei sie auch noch so nüchtern.
Ich selber habe noch nie auf einem Surfbrett gestanden, aber nach diesem Buch würde ich es fast gerne tun.

Klar, die Fachtermini, die immer wieder auftauchen, die sind etwas anstrengend, das will ich nicht in Abrede stellen. Wer weiss, wovon er da schreibt, für den ist es perfekt, für mich sind es eben böhmische Dörfer. Aber ich möchte mich auch nicht festhalten an diesen Details - die Gesamtstimmung, das Gesamtbild des Themas Surfen als Lebensinhalt, das wirkt.

Finnegan hatte es nicht immer leicht, der Umzug und auch die Gewalt an der Schule haben ihn charakterlich geprägt. Er beschreibt das Aufwachsen und Leben in den 60ern und 70ern, es ist spannend, persönliche Einblicke in diese Zeit zu kriegen. Und ganz nebenbei erfährt man auch noch mehr über Vietnamkrieg und die Hippiezeit. Nie beschönigt, immer real.

Stringent erzählt er seine Geschichte, Schritt für Schritt folgen wir ihm auf seiner Reise durch die Welt und durch sein Bestreben, sich Abenteuer und Freiheit in seinem Leben zu bewahren.

Er hat viel erlebt, dadurch ist das Buch lang, keine Frage. Natürlich kommen einem bei der Länge auch manche Elemente etwas zu lang vor, aber Alles in Allem ist es wunderbar zu lesen.

Bewertung vom 03.05.2018
Nachtlichter
Liptrot, Amy

Nachtlichter


ausgezeichnet

Amy und ihr Bruder Tom wachsen auf den Orkney Inseln in Schottland auf. Einsame Weiten, unberührte Natur, viel Wildnis und eine bäuerliche Abgeschiedenheit.
Nach einer Kindheit geprägt durch einen streng religiösen Mutter und einem psychisch labilen Vater verlässt Amy ihr Zuhause, um in London ein neues Leben zu beginnen.

Sie holt auf, was sie an Leben auf den einsamen Inseln bisher meint, versäumt zu haben.
Männer, Parties, Lichter, Krach, Menschen und viel viel Alkohol.

Sie wird abhängig, trinkt bis zum Exzess und driftet immer weiter ab. Amy verliert ihren Freund, schließlich ihren Job und entschließt sich, ihrer Sucht mithilfe eines Alkoholprogramms entgegenzutreten.

Schlussendlich kehrt sie nach zwölf Jahren Großstadt zurück auf die Orkney Inseln, sieht ihre Eltern wieder, arbeitet und hilft vor Ort. Eigentlich geplant als Zwischenstopp auf dem Weg zur Heilung werden die Inseln aufgrund mangelnder Alternativen erneut zur ihrer Heimat.

Sie lässt sich mitreissen von der Natur, der Wildnis, der rauen Umwelt und ihre Sehnsucht nach dem Alkohol nimmt langsam ab.



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So rau und natürlich wie die Gegend der Orkney Inseln, so schreibt auch Amy. Schonungslos und direkt, ohne Umschweife auf den Punkt.
Sie nimmt den Leser mit auf die Reise durch ihr Leben und manchmal kann man fast vergessen, dass es sich um einen autobiografischen Roman handelt, den man hier vor sich hat.

Die Beschreibungen der Natur, unfassbar plastisch, machen greifbar, was in Amy nach ihrer Rückkehr vorgeht und lassen ahnen, wie sie es schafft, langsam von der Sucht abzulassen.

Besonders faszinierend geschrieben auch die Erzählungen ihrer Zeit in London - man feiert mit, trinkt mit, leidet mit, lebt mit ihr die Sucht.
Sie beschönigt nichts, sie nimmt sich selbst nicht in Schutz. Sie erzählt. Dokumentiert quasi.

Manchmal meint sie es vielleicht etwas zu gut, wenn sie sich ausführlich auslässt über ihre Emotionen, wiederholend und detailliert - aber vielleicht gehört das einfach dazu, zur Aufarbeitung des Ganzen.
Sie springt hin und her, ihre Gedanken, grade zu Londoner Zeiten, sind flüchtig und schwankend. Manchmal ist es etwas schwer zu folgen, aber das macht es gleichzeitig auch greifbarer, das Ambivalente ihrer Situation in der Stadt.

Zurück auf den Inseln werden das Leben und die Sprache ruhiger, fliessender.
Die Natur rettet sie - jedoch nur bis zu einem gewissen Grad.

Das Suchtverhalten, der Wunsch nach dem Erleben von Grenzerfahrungen bleibt. Wird teilweise ersetzt. So gibt ihr das Schwimmen im eiskalten Meer einen ähnlichen Kick wie damals der Alkohol.

Man folgt Amy gebannt und gespannt durch ihr Leben, leidet mit ihr und hofft, dass sie den Absprung schafft. Man steht mit ihr in der wilden Natur Schottlands und versteht. Was sie erlebt und wie sie lebt.

Ein unglaublich greifbares, trotz rauem Schreibstil emotionales Buch, das einen begeistert und nicht so schnell wieder loslässt.

Bewertung vom 03.05.2018
#EGOLAND
Nast, Michael

#EGOLAND


sehr gut

Der bekannte Autor Andreas Landwehr nimmt sich das Leben. In einem Abschiedsbrief verfügt er, dass sein noch nicht beendetes Manuskript an seinen guten Freund Michael Nast gehen soll, mit dem Auftrag, die Aufzeichnungen durchzusehen.
Die Seiten enthalten das Rohmaterial für seinen neuen Roman und rekonstruieren die Monate, in denen Landwehr daran gearbeitet hat, Material zusammenzustellen.

Vom Ehrgeiz getrieben, einen weiteren Bestseller zu entwickeln bezog Landwehr seine Ideen aus dem „echten Leben“.
Manipulierte Menschen, Beziehungen, verstrickte sich in Intrigen und baute sich selbst mit echten Protagonisten eine zynische Abhandlung über die Beziehungsunfähigkeit der Gesellschaft.

Fasziniert vom perfiden Hintergrund des Manuskripts beginnt Nast damit, die Geschichten und Geschehnisse selbst zu recherchieren, sucht das Gespräch mit den „Charakteren“ des Buches und kreiert schliesslich #Egoland.

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Zynisch, bösartig, kalt … und vermutlich leider auch teilweise verdammt real, das #Egoland von Michael Nast.
Nichts für einen lauen Sommerabend, denn man legt es nicht entspannt und mit guter Laune aus der Hand. Sondern mit einem flauen Gefühl im Magen und neu erworbenen Zweifeln an den lieben Mitmenschen.

Das Ego ist alles im Egoland, der Narzisst Andreas Landwehr verschiebt seine selbst ausgesuchten Protagonisten emotionslos wie Schachfiguren umher, manipuliert gnadenlos, um sie auf ein Ziel auszurichten, das er im Vorfeld selbst gesetzt hat.

Eigentlich kann man als Leser fast verstehen, wie er das schafft - denn die Charaktere sind ebenso eindimensional wie distanziert. Ob das bewusst so gewählt wurde vom Autor bleibt natürlich offen, aber man kann nachvollziehen, warum es für Landwehr ein Leichtes ist, sein Spiel umzusetzen.

Und genauso wenig Tiefgang, wie die leicht zu manipulierenden Beziehungslosen sind, so wenig Inhalt hat auch die Gesellschaft, die hier gezeichnet wird. Leider Gottes sehr oft sehr real, die selbstverliebte Eigeninszenierung, das abgeflachte Kommunikationsverhalten, die Technik, die sich zwischen Menschen geschoben hat, um als virtuelle Mauer jegliche wahre Emotionen abzufangen.
Daraus entstanden eine Gesellschaft, die sich alles offen halten möchte, zu viele Möglichkeiten und zu wenig Tiefgang hat - Menschen, die sich mangels Empathie und echter Emotionen eben so leicht verschieben lassen wie Landwehr es hier zynisch einfach mal in die Tat umsetzt.

Der Sprachstil ist dem Inhalt perfekt angepasst, sarkastisch, bitter, emotionslos. 
Extrem gut konstruiert, treffsicher beschrieben und manchmal spiegelnd.

Ein Roman, der wirklich nicht einfach mal eben so als GuteLauneBuch zu lesen ist, sondern dissonant nachhallt.
Natürlich ist #Egoland damit nicht einfach und natürlich schlägt es einem auf die Stimmung, klar.
Aber manchmal eben ein Abbild der Gesellschaft, wie sie ist - oder hoffnungsvoll gesagt: ein Abbild von Teilen der Gesellschaft.

Bewertung vom 02.05.2018
Sommernachtstod
Motte, Anders de la

Sommernachtstod


sehr gut

Sommer 1983.
Auf der Jagd nach einem Kaninchen verschwindet der kleine Billy Nilsson im Garten seiner Eltern kurz vor seinem fünften Geburtstag spurlos.
Eine ausführliche Suchaktion endet im Leeren und muss eingestellt werden, auch weitere Untersuchungen bleiben ergebnislos. Ein einziger Verdächtiger muss aus Mangeln an Beweisen freigelassen werden, Billy bleibt verschwunden, der Fall wird zu den Akten gelegt.
Billys Familie zerbricht am Verlust des kleinsten Sohnes, die Mutter begeht Selbstmord, die verbliebenden zwei Geschwister entfremden sich und der Vater bleibt alleine im Haus zurück.

Zwanzig Jahre später.
Vera, Billys Schwester, arbeitet zwischenzeitlich als Trauertherapeutin - auch, um ein Ventil für ihre eigene, nicht bewältige Vergangenheit zu haben.
Ein neuer Patient berichtet verstörende Details über ein vor zwei Dekaden verschwundenes kleines Kind - Veras alte Wunden reissen auf und sie versucht herauszufinden, ob dieser Patient etwas mit dem Verschwinden ihres Bruders zu tun haben könnte.
Kann es sogar sein, dass Billy noch lebt?

Vera kehrt zurück in ihren Heimatort und versucht auf eigene Faust herauszufinden, was damals mit ihrem kleinen Bruder geschah.

-

Der Kriminalroman „Sommernachtstod“ spielt auf zwei Ebenen in zwei Zeiten. Er springt zwischen den Ereignissen zum Zeitpunkt des Verschwindens des kleinen Billys und Veras aktueller Situation knapp zwanzig Jahre später.
Klug ineinander geflochten entwickelt sich so eine Handlung, die im Verlauf immer mehr an Spannung zunimmt.
Ein bisschen dauert es zu Beginn, bis die Geschichte wirklich „startet“, aber dann wird es auf keiner Seite mehr langweilig.
Absolut nicht vorhersehbar entwickelt sich die Handlung in Richtungen, die einen immer wieder überraschen.

Die Charaktere sind glaubhaft und niemand ist plakativ gut oder böse. Jeder hat seine Facetten, seine Vergangenheit und seine Gründe für das jeweilige Handeln.
Durch die Erzählung in der dritten Person bleibt man als Leser immer etwas distanziert, kann sich aber relativ gut hineinfinden in die emotionale Lage der einzelnen Protagonisten, insbesondere Vera.

Besonders interessant im Fall von „Sommernachtstod“ - hier gibt es keinen klassischen Detektiv, keinen Ermittler, sondern wir haben eine Schwester, die ihre Familiengeschichte aufarbeitet und mit ihrer Vergangenheit abschliessen möchte. Dadurch gibt es keine „Ermittlungsarbeit“, sondern emotional bedingtes Vorgehen, was den Fall um den verschwundenen Billy besonders berührend macht.
Effektiv macht es das Buch fast mehr zu einer Familientragödie denn zu einem Kriminalroman, ist aber vom Erzählstil her ein fast klassischer Schwedenkrimi, sehr abgeklärt, pragmatisch, teils düster.

Eine spannende Geschichte mit einem unvorhersehbaren Ende.

Bewertung vom 02.05.2018
Das Eis
Paull, Laline

Das Eis


gut

Sean Dawson hat zusammen mit seinem Studienfreund Tom Harding eine alte Walfangstation auf Spitzbergen erworben und sie zu einem Refugium für die zahlende Upperclass gemacht.
Midgard Lodge hat sich zum Ziel gesetzt, ein Ort zu sein, an dem Wirtschaft und Umwelt verschmelzen, anders gesagt ein Ort „an dem die Versöhnung von Unternehmertum und ökologischer Verantwortung gefördert“ werden, ist doch der Klimawandel ein aktuelles und ernstes Problem, das oft von den Ansprüchen der Wirtschaft überlagert wird. Die beiden Freunde stehen auf jeweils einer der beiden Seiten, Sean ein wirtschaftlich extrem erfolgreicher Aufsteiger, Tom ein Umweltschützer und ehemaliger Aktivist von Greenpeace.
Bei einer Expedition geschieht ein Unglück und nur einer der beiden kehrt nach Hause zurück.
Vier Jahre später - und das ist der eigentliche Beginn des Buches - wird die Leiche des Vermissten entdeckt.
In der darauf folgenden gerichtlichen Untersuchung sollen die genauen Todesumstände geklärt werden und mit ihnen die Frage, ob und wenn ja wie Sean in Toms Tod involviert war.

Ein Roman über Natur, Umwelt, den Klimawandel, Wirtschaft, Politik und Freundschaft. Vieles deckt er ab und bleibt im Verlauf der Handlung wandelbar und vielschichtig. Begonnen wird die Geschichte mit dem Auftauchen der Leiche Tom Hardings, um dann in Rückblenden parallel zur aktuell fortlaufenden gerichtlichen Verhandlung die Hintergründe des Geschehens zu erläutern. Ich habe ein wenig gebraucht, um in die Geschichte zu kommen, mit ihr warm zu werden. Der Schreibstil ist erzählhaft, oft etwas verschachtelt und lang.
Die Charaktere werden ausführlich und gut beschrieben, so dass man problemlos ein Bild im Kopf hat von Sean, Tom, ihren Frauen und Freundinnen, den Geschäftspartnern und Bekannten. Bemerkenswert ist auch, wie gut die Autorin es schafft, emotionale Aspekte hinter den Fassaden der Charaktere herauszuarbeiten. Seans Belastungsstörung nach dem Unfall, die Emotionen hinter den Trennungen und Scheidungen, es gelingt wirklich sehr gut, mitfühlen zu können mit den einzelnen Charakteren.
Diese Ausführlichkeit jedoch war im Verlauf der Geschichte bei anderen Aspekten ein großer Stolperstein für mich. Ich habe lange für dieses Buch gebraucht, da die einzelnen Episoden oft langwierig und mühsam zu lesen waren. Die Handlung an sich ist sehr spannend, vor Allem um den Prozess herum möchte man wissen, wie es weitergeht, verstehen, wie alles zu dem Punkt gelangen konnte, an dem man nun steht.
Aber viele der Rückblenden sind extrem ausführlich, oft - meiner Meinung nach - nicht zwingend notwendig für die Handlung oder das Verständnis der Charaktere und führen dazu, dass das Lesen etwas ermüdend ist.
Zwischen den einzelnen Kapiteln stehen Anekdoten von Arktisexpeditionen, die generell nichts (oder meistens nicht viel) mit den darauffolgenden Abschnitten zu tun haben. Für mich persönlich oft etwas störend, da sie den Fluss der Geschichte mehr unterbrochen denn zusammengehalten haben. Ich bin gegen Hälfte des Buches dazu übergangen, diese Anekdoten nur noch zu überfliegen um festzustellen, ob sie etwas Relevantes für die Handlung bieten - und habe sie erst nach Beenden des Buches noch einmal wirklich gelesen.
Die Handlung selber springt vielschichtig. Von dem Entdecken der Leiche zurück zum Geschehen vor vier Jahren, kurz vor dem Tod Toms. Retour in die Gegenwart, zurück zum Kennenlernen der beiden Männer lange Jahre zuvor, wieder in die Gegenwart und zurück. Meistens ist es durch Monats- und Jahresangaben ersichtlich, manchmal geschieht ein Sprung so abrupt, dass ich etwas verwirrt war beim Lesen der ersten Sätze und mich einfinden musste in das „was wann wie wo“. Diese Vielschichtigkeit des Buches findet sich ebenfalls wieder in den zentralen Themen Umwelt, Wirtschaft und Freundschaft. Speziell zum Ende des Buches ist es spannend zu sehen, wie die Autorin die verschiedenen Fäden zusammenführt und sich die offenen Fragen klären.