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Erfurt

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Insgesamt 53 Bewertungen
Bewertung vom 03.10.2025
Keweritsch, Katja

Das Flüstern der Marsch


ausgezeichnet

Starkes Ende

Mona besucht ihre Großeltern in der Marsch. Aber nur ihr Opa Karl ist da, von der Oma Annemie gibt es keine Spur. Das Haus wirkt seltsam leer und Karl scheint etwas zu wissen, was er nicht herausrücken will. Auch Monas Onkel Sven und Stefan werden informiert und helfen bei der Such nach ihrer Mutter. Dabei steckt jeder einzelne selber gerade in einer schwierigen Lage und die Frage, wo steckt Annemie eigentlich, gerät manchmal fast ins Hintertreffen.

"Das Flüstern der Marsch" ist ein Roman, der angenehm viel Kontakt zur Natur herstellt. Das Marschland wird in seiner Beschreibung genutzt, um Stimmung und Atmosphäre aufzubauen. Mona als Hauptfigur ist besonders nahbar und emotional detailliert und vor allem nachvollziehbar porträtiert. Es werden in abwechselnden Kapiteln im Grunde drei Geschichten erzählt, die zum Schluss ineinander fließen. Gerade das Ende hat mich mit seinem Ereignis- und Temporeichtum im positiven Sinne überwältigt. Und trotzdem hatte ich nicht das Gefühl, dass es Schlag auf Schlag geht, konnte das Buch aber kaum noch aus der Hand legen.

Bewertung vom 03.10.2025
Huth, Peter

Aufsteiger (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Viele Themen

Felix Licht ist Redakteur beim "Magazin", einem der wichtigsten Printmedien des Landes. Als der Chefredakteur gehen muss, sieht Felix seine Zeit gekommen und ist sich sicher den Posten zu erhalten.
Doch letztendlich geht der Zuschlag an Zoe Rauch, sie ist jung, alternativ und unabhängig - und Felix' ehemalige Volontärin. Das führt nicht nur zu seiner beruflichen Krise, sondern auch seine Ehe ist nicht mehr wie sie einmal war.

"Der Aufsteiger" vereint viele Themen und Sorgen der modernen Gesellschaft. Es geht um die Schwierigkeit Beruf und Familie zu vereinen und dabei die eigene Selbstverwirklichung zu schaffen ohne in einen reinen Egoismus zu rutschen. Zusätzlich wird die Abhängigkeit von Vorgesetzten thematisiert, sowohl aus ranghöherer wie auch aus rangniedrigerer Sicht. Die Person der Zoe Rauch bringt mit schwarzer Hautfarbe und der geschlechtlichen Orientierung zusätzlich noch zwei weitere kritische Themen mit. Insgesamt ist in diesem Buch sehr viel los und doch ist die Spannung nicht durchgehend on point, etwas weniger wäre hier vielleicht mehr gewesen. Aber nichtsdestotrotz ist Peter Huth einmal mehr ein absolut lesenswerter Roman gelungen.

Bewertung vom 03.10.2025
Specht, Heike

Die Frau der Stunde


sehr gut

Außenministerin

Ein Skandal um Ehebruch und Vetternwirtschaft wirft Anfang der 70er Jahre die liberale Partei aus der Bahn. Das ist die Chance für Catharina Cornelius - sie wird die erste Außenministerin Deutschlands. Gemeinsam mit einigen resoluten Mitstreiterinnen steht sie für  Anerkennung und Gleichberechtigung weiblicher Politikerinnen ein und kämpft gegen allerlei Vorurteile und gesellschaftliche Konventionen.

"Die Frau der Stunde" steigt ziemlich schnell mit Catharinas Ernennung zur Außenministerin ein. Ich musste mir immer wieder vor Augen führen, dass das Buch nicht heutes, sondern vor rund 50 Jahren spielt. Viele der Geschehnisse wären aktuell keine Besonderheit mehr. Andererseits lehrt die Realität uns eines Besseren, denn immer noch sind Frauen in Führungspositionen deutlich mehr Anfeindungen ausgeliefert als ihre männlichen Kollegen.
Zusätzlich zu Catharina Cornelius werden ihre beiden Freundinnen Suzanne und Azadeh porträtiert. Erstere versucht dem Spagat zwischen Familie und Karriere gerecht zu werden, während Azadeh in ihre Heimat Teheran zurückkehrt, um sich der Revolution gegen den Shah anzuschließen. Bei dieser Fülle an kritischen und wichtigen Themen geht naturgemäß vieles ein bisschen unter und bleibt hinter seinen Möglichkeiten zurück. Trotzdem hat sich das Buch für mich leicht lesen lassen und sich mutig einer schwierigen Zeit für Frauen gestellt.

Bewertung vom 10.09.2025
Rosa, Maya

Moscow Mule


sehr gut

Rasanter Auftakt

Karina und Tonya studieren in Moskau. Ihr Ziel ist es raus zu kommen, raus aus ihrem aktuellen Leben, vor allem aber raus aus Russland. Stipendien für Universitäten im europäischen Ausland sind rar und der Traum vieler junger russischer Studenten. Während Tonya neben der vielen Partys versucht Geld zu verdienen, leidet Karina unter dem schlechten Verhältnis zu ihrer Mutter und klammert sich an ihre Idee vom Auswandern mit allen Mitteln.

"Moscow Mule" startet mit einem rasanten und schonungslosen Auftakt, bei dem man das Leben der beiden Freundinnen kennen lernt. Schnell wird aber klar, die anscheinende zeitweilige Leichtigkeit weicht schnell einer Verzweiflung. Dabei kommen persönliche Hintergründe genauso zum Tragen wie auch die allgemeine politische Situation Russlands, die allerdings eher nur angerissen wird. Autorin Maya Rosa nutzt eine Mischung aus derber und gehobener Sprache, was die Zerrissenheit der jungen Frauen zwischen ihrer Herkunft und ihren beruflichen Ambitionen weiter unterstreicht. In der Mitte des Buches hängt die Spannung etwas durch, fängt sich aber glücklicherweise zum Ende hin wieder. Mir waren die Figuren stellenweise etwas zu überzeichnet, da wäre etwas weniger mehr gewesen. Nichtsdestotrotz kann ich mich an kein Buch mit ähnlicher Thematik erinnern und spreche daher eine dringende Leseempfehlung aus!

Bewertung vom 10.09.2025
Maschik, Anna

Wenn du es heimlich machen willst, musst du die Schafe töten


ausgezeichnet

Außergewöhnlicher Stil

Henrike ist während des Kriegs weitestgehend auf sich alleine gestellt, ihr Mann Georg an der Front. Damit zählt auch das Schlachten zu ihren Aufgaben. Als ihr Sohn Benedikt geboren wird, hat die Hebamme ihn schon aufgegeben. Doch er lebt, wenn auch nicht so, wie es die Eltern sich vorgestellt hatten. Irgendwann kommt dann auch noch Hilde zur Welt, denn sonst könnte Alma - ihre Enkelin - nicht Erzählerin dieses Buches sein und von dieser besonderen Familiengeschichte berichten.

Wie auch schon der Titel, ist "Wenn du es heimlich machen willst, musst du die Schafe töten" ein außergewöhnliches Buch.
Aus Sicht der Urenkelin Alma werden in kurzen Abschnitten Episoden, Anekdoten und Begebenheiten der Vorfahren weitergegeben - manches aus der Erzählung heraus, manches aus eigener Erinnerung der damals noch kleinen Alma. Daher wirkt vieles wie Fantasiegebilde, fast Fieberträume, weil ein Kind von Dingen berichtet, die es noch nicht überblicken konnte. Dieses Buch liest sich leicht und flüssig und zeichnet die Charaktere der Personen aus verschiedenen Blickwinkeln, die am Ende ein Gesamtbild ergeben. Man wird mitgenommen durch die Jahrzehnte einer Familie. Was nach einem Epos klingt, ist komprimiert auf verhältnismäßig wenige Seiten, ohne dabei beengt zu wirken. Eine rundum neue Leseerfahrung!

Bewertung vom 10.09.2025
Laabs, Laura

Adlergestell


sehr gut

Wendezeit

Es ist Wendezeit am Adlergestell, einer großen Straße und damit wichtigem Verkehrsknotenpunkt, in Berlin. Die Erzählerin und ihre beiden Freundinnen Lenka und Chaline kommen gerade in die Schule, als der Systemwechsel in Deutschland stattfindet. Alle drei mit schwierigen familiären Verhältnissen belastet, müssen ihren Weg in der neuen Welt erst finden.

Laura Laabs erzählt die teilweise erschütternde Geschichte dreier Wendekinder und ihrer Familien aus kindlicher Perspektive. Die Sprache ist dadurch recht einfach gehalten und umgangssprachlich geprägt. Jede der drei Hauptfiguren bringt ihre ganz eigenen und meist schwerwiegenden Probleme mit, die sie durchs Leben treiben.
Das Buch plätschert weitestgehend vor sich hin, große Spannungsmomente fehlen leider. Aber besonders positiv aufgefallen ist mir, dass man am Ende erfährt was aus den drei Mädchen geworden ist und dabei letztlich unerwartete Wendungen eingetreten sind. Mein Fazit: ein etwas eintöniger Roman, der damit aber auch die eintönige Realität am Adlergestell intensiv widerspiegelt.

Bewertung vom 10.09.2025
Lühmann, Hannah

Heimat


ausgezeichnet

Viel Denkarbeit

In ihrer neuen Heimat außerhalb der Stadt sind Jana und Noah noch nicht richtig angekommen. Während Noah als engagierter Lehrer für seine Arbeit täglich pendelt, hat Jana ihre Arbeit in einer Agentur gekündigt und kümmert sich um das Haus und die beiden Kinder. Außerdem ist sie wieder schwanger. Am Spielplatz lernt sie Karolin kennen, die anscheinend spielend leicht die Betreuung ihrer fünf Kinder, ihre Beziehung zu ihrem Mann und politisches Engagement für die AfD unter einen Hut bekommt. Jana gerät schnell in einen Sog und wird von Karolin wie magisch angezogen, setzt dabei aber ihr gesamtes bisheriges Leben aufs Spiel.

Autorin Hannah Lühmann vermittelt ein detailreiches Bild Janas junger Familie, die vor alltäglichen Aufgaben und Problemen steht. Im Gegensatz dazu gelingt es Karo ihre Großfamilie stets Insta-tauglich zu präsentieren und ihre Geheimnisse zu verbergen. Es geht um unterschwellige Manipulationen, Gerechtigkeit und das Ansprechen der Probleme und Sorgen vor denen viele kinderreiche Familien heutzutage stehen. Als besonders positiv habe ich empfunden, dass keine Partei ergriffen wurde, man muss seine Schlüsse für das Pro und Contra beider Seiten selber ziehen. "Heimat" ist ein atmosphärischer Roman, der dem Leser viel Denkarbeit überlässt und damit nachhaltig im Kopf bleibt.

Bewertung vom 10.09.2025
Hennig, Markus

Die Sekundenochs


ausgezeichnet

Geschichte mit Wimmelbuchcharakter

Immer nur trödeln ist doch auch langweilig. So denkt zumindest Tjörge, ein waschechter Sekundenoch. Und obwohl er immer mehr als nur ein paar Sekunden noch Zeit hat, landet er mit einem Rumms in Smillas Leben. Doch bei Smilla muss es meistens Zack-zack gehen, egal ob auf dem Weg zur Schule, zum Trompetenunterricht oder beim Bettgehen. Wie die beiden diese Gegensätze wohl vereinen können?

"Die Sekundenochs" sind eine bunte Mischung aus kindgerechter Unterhaltung mit ein bisschen Unfug machen und trotzdem daraus lernen können. Beschrieben werden dabei ganz alltäglichen Situationen, die mit Sicherheit jedes Kind schon oft erlebt hat. Spielerisch wird verdeutlicht, dass sowohl zu viel Stress als auch zu viel Trödeln nicht das Wahre sind und es gilt einen Kompromiss dazwischen zu finden. Gleichzeitig bieten die doppelseitigen Illustrationen genügend zum Entdecken an, dass die Vorlesezeit fast schon einen Wimmelbuchcharakter bekommt.

Bewertung vom 07.08.2025
Schoeters, Gaea

Das Geschenk


ausgezeichnet

Politische Idiotie

Die Berliner trauen ihren Augen kaum: am Ufer der Spree badet ein echter Elefant - und er ist nicht der einzige, der freilaufend entdeckt wird. Dabei sind die Tiere keineswegs aus einem Zoo ausgebrochen, sondern direkt von der botswanischen Regierung nach Deutschland gebracht worden, nachdem der Bundestag ein neues Gesetz zur Reglementierung des Elfenbeinhandels erlassen hat. Die Dickhäuter bringen weniger Faszination, dagegen eher ungeahnte Herausforderungen für Politik und Gesellschaft mitsich.

Die niederländische Autorin Gaea Schoeters widmet sich mit "Das Geschenk" keineswegs einem Fabelmärchen. Der Präsident Botswanas machte im Jahr 2024 tatsächlich das Abgebot, Deutschland 20.000 Elefanten zu überlassen.
Schoeters führt diesen Gedankengang bildlich weiter. Die Leser bekommen nicht nur Einblicke in Ökosysteme mit sogenannter Megafauna, sondern auch in die Funktionsweise und Idiotie der Politik. Zwar erscheint das dargestellte Verhalten allseits menschlich, aber kann man hier noch von human sprechen? "Das Geschenk" ist keine Anklage, vielmehr eine Satire, basierend auf der Wahrheit - die Schlüsse daraus muss jeder selber ziehen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.08.2025
Hauff, Kristina

Schattengrünes Tal


ausgezeichnet

Toxische Beziehung

Lisa ist eigentlich zufrieden. Es ist Simons Geburtstag. Ihr Mann ist vor kurzem erst von einer beruflichen Reise zurück gekommen. Doch er ist verändert. Auch für Lisa wird in den folgenden Tagen einiges anders. Für ihren Vater ist sie im familieneigenen Hotel nicht nur die Buchhalterin, sondern ein Mädchen für alles. Aber seit die mysteriöse Daniela ein Zimmer im Hotel bewohnt, zählt Lisa noch weniger als vorher. Daniela nistet sich nicht nur beim Chorsingen ein, auch Lisas Freunde gewinnt sie in Windeseile für sich. Schon bald durchschaut Lisa, dass der neue Gast ein Netz aus Lügen und Intrigen um sich herum spinnt, aber welche Absicht steckt dahinter?

"Schattengrünes Tal" fängt leicht und beschwichtigend an. Autorin Kristina Hauff lässt den Leser die verschiedenen Charaktere kennen lernen und baut dabei zunächst wenig Spannung auf. Nach etwa einem Drittel der Geschichte entsteht jedoch plötzlich eine Dynamik, sodass man das Buch nur schwer aus den Händen legen kann. Im Mittelpunkt stehen zweifelsohne die Beziehungen untereinander im Allgemeinen und eine toxische im Besonderen. Dabei sticht heraus, dass nicht nur die sympathischen Figuren sehr authentisch getroffen sind, sondern auch unsympathische Personen detailreich und realistisch gespiegelt werden.
Von mir gibt es gedanklich nur einen minimalen Abzug für die anfängliche Durststrecke, umso herausragender, dass die Spannungskurve zunimmt und nicht nachlässt.