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Webervogel

Bewertungen

Insgesamt 93 Bewertungen
Bewertung vom 27.06.2025
Bendix, Caspar

Born to perform - Sei das Rad, nicht der Hamster


sehr gut

Karriere ist Dating im Anzug

Dieser Romantitel hat mir gleich ein Grinsen ins Gesicht gezaubert – nicht die schlechteste Ausganssituation für den Lektürestart. Im Folgenden hat mich dieses Debüt ziemlich gut unterhalten. Die Mischung aus Bürowahnsinn und sich zart anbahnender Liebesgeschichte, Managersprech und Kalendersprüchen ist amüsant und kurzweilig geschrieben. Hauptfigur ist Bo Martens, ein BWLer, der gerade seinen ersten Job in einer Firma angetreten hat, deren Geschäftsbereich mir nach wie vor völlig unklar, aber auch unwesentlich für das Buch ist. Denn Bo trifft bei der STEIN Holding Topmanager Dr. Thomas Meermann, einen Phrasendrescher, der beeindruckend viel reden kann, ohne wirklich etwas zu sagen. Bald findet sich Bo im Rennen um Meermanns vakante Referentenstelle wieder. Zeitgleich bahnt sich sein erstes Date mit Zahnärztin Laura an. Und dann sind da noch Meermanns Assistentin Melli, die Bo offensichtlich nicht leiden kann, und Bos bester Freund Jan, der versucht, Barney Stinson von „How I met your mother“ nachzueifern und gleichzeitig einen Narren an Worthülsen-Liebhaber Meermann gefressen hat. Bis sich dieses Personenquartett halbwegs sortiert hat, vergehen gute 350 Seiten, die sich locker-flockig weglesen. Kleine Überraschungen hält Autor Bendix für seine Leserinnen und Leser dabei immer wieder bereit. Längen gibt’s eigentlich nur in den Kapiteln, in denen Bo und Jan über das Leben sinnieren – diese Bromance bzw. vor allem die Figur Jan fand ich eher nervig als unterhaltsam.
Alles in allem ist „Born to perform“ ein gelungener Erstling, der Spaß macht und von dem man durchaus die ein oder andere augenzwinkernde Lebensweisheit mitnehmen kann. Schließlich ist Karriere Dating im Anzug – schon einmal darüber nachgedacht?

Bewertung vom 22.06.2025
Kessel, Carola von

Wieso? Weshalb? Warum? junior, Band 78 - Die Roboter


sehr gut

(Noch) kein Alltagsthema

„Wieso Weshalb Warum“ ist eine großartige Sachbuchreihe für die Kleinsten, die Alltagssituationen aufgreift und weiterführend erklärt. Auch im neuen Band „Die Roboter“ wird das versucht und so werden hier erst einmal Roboter vorgestellt, die Kinder kennen können, wie Mäh-, Staubsauger- und Fensterputzroboter. Es geht weiter mit Dino-Robotern im Museum, Bedienungsrobotern im Café und Unterhaltungsrobotern im Pflegeheim, bevor es um richtig große Maschinen geht, die Autos zusammensetzen oder Waldbrände bekämpfen. Die Beispiele finde ich eigentlich gut gewählt, allerdings frage ich mich, wie viele Kinder aus der zwei- bis vierjährigen Zielgruppe die genannten Roboter wirklich schon in Aktion gesehen haben. In Cafés, Büchereien und Pflegeheimen sind selbst mir bislang keine begegnet und nach wie vor besitzt nicht jeder die genannten Haushaltshelfer. Meine Kinder finden das Buch nicht uninteressant, aber man merkt, dass ihnen der Bezug fehlt – auf andere Titel der Reihe reagieren sie viel lebhafter. Vielleicht doch erst etwas für Vierjährige oder Kinder, die zumindest ein oder zwei der genannten Geräte aus ihrem Alltag kennen. Ansonsten sind die Texte gut verständlich und die Illustrationen wie immer sehr klar und ansprechend. Nur die Klappen kamen uns mitunter etwas schwierig zu öffnen vor – bei einigen war leichte Gewalt nötig, was man ihnen jetzt leider auch ansieht.

Bewertung vom 16.06.2025
Eui-kyung, Kim

Hello Baby


sehr gut

Unerfüllter Kinderwunsch

Das farbenfrohe Cover und der fröhliche Titel „Hello Baby“ täuschen: Dieser Roman handelt von Sehnsucht, Trauer und Verzweiflung. Sechs der Protagonistinnen besuchen dieselbe Kinderwunschklinik und sind dadurch zu einer Art Schicksalsgemeinschaft geworden. Es gibt eine Rahmenhandlung, die alle Frauen zusammenbringt, im Fokus stehen jedoch Lebensweg und Kinderwunsch(behandlung) jeder Einzelnen.

Autorin Kim Eui-kyung eröffnet im Nachwort, dass sie selbst Patientin in einer Kinderwunschklinik war. Sonst hätte sie dieses Buch, das nicht nur die damit einhergehende Gefühlsachterbahn, sondern auch das medizinische Vorgehen an sich detailliert schildert, sicher nicht so schreiben können. Noch trostloser als die Termine im Kinderwunschzentrum mutet allerdings das Privatleben der Frauen an, obwohl sich die meisten in liebevollen Beziehungen befinden. Doch sie stehen unter enormen Druck: Die Sehnsucht nach einem Baby und die kostspielige Behandlung sind das eine, doch in den meisten Fällen warten auch die Schwiegereltern dringlichst auf ein Enkelkind und haben keine Scheu, wöchentlich nachzufragen. Auf der Arbeit ist der Druck dagegen ganz anders geartet: Hier werden hundertprozentige Leistung erwartet. Sowohl Mutterschutz als Elternzeit scheint es zwar auch in Südkorea zu geben, doch der Roman schildert es als verpönt, von diesen Rechten Gebrauch zu machen und erwähnt Mobbing durch kinderlose Arbeitskolleg*innen. Schon die Zeit für die vielen Arzttermine, die eine Kinderwunschbehandlung mit sich bringt, ist kaum freizuschaufeln, und natürlich spricht man nicht offen über den Grund für die Untersuchungen. Mich hat das sehr deprimiert, da es offensichtlich bittere Realität ist.

Und dann ist da noch die siebte Protagonistin, Seolju Choi: Sie hat drei Kinder; offenbar eine Anzahl, über die hinter ihrem Rücken bereits getuschelt wird. Ausgerechnet ihre Mutter und Schwiegermutter sind nicht besonders erpicht auf ihre Enkel, ihren Beruf hat sie aufgegeben, da sie nicht beides für sich zufriedenstellend vereinbaren konnte. Ihr Mann bietet zwar finanzielle Absicherung, jedoch keine emotionale Unterstützung. Und so ist auch diese Frau unglücklich. Die nebenbei eingestreute Information, dass Südkorea eine der niedrigsten Geburtenraten weltweit hat, erstaunt kaum noch.

„Hello Baby“ ist kein fröhliches Buch, aber ein wichtiges. Die Autorin berichtet, wie unsichtbar Kinderwunschbehandlungen für das Umfeld betroffener Paare oft bleiben – als wären sie ein Makel, den man besser für sich behält. Und so kann diese ohnehin schwierige Zeit auch noch ziemlich einsam werden. Hier haben die sechs Protagonistinnen mit Kinderwunsch ein Gegenmittel gefunden: Im „Hello Baby“-Chat geben sie sich Ratschläge, aber auch Halt. Und so sind dieser Chat und die Gemeinschaft der Frauen ein kleiner Hoffnungsschimmer.

Während der Lektüre war ich sehr froh, in einem Land zu leben, in dem Frauen freier in ihrer Lebensgestaltung sind, die gesellschaftlichen Erwartungen nicht dermaßen hoch und das familiäre Leben nicht so traditionell geprägt. Doch eine Kinderwunschbehandlung ist auch hier kein Spaziergang. Darüber zu reden und das Ganze zu normalisieren, kann Betroffenen nur helfen. Kim Eui-kyung leistet einen Beitrag dazu, indem sie dem Thema mehr Sichtbarkeit gibt.

Bewertung vom 14.06.2025
Moriarty, Liane

Vorsehung


sehr gut

Starker Anfang, starkes Ende und ein dahinplätschernder Mittelteil

Eine ältere Dame steht während eines Fluges auf, um ihren Mitreisenden Todesalter und Todesursache zu prophezeien – knapp, präzise und immer schön der Reihe nach. Klingt nach einem erstaunlichen Bucheinstieg? Ist es auch. Autorin Liane Moriarty hebt in knackig-kurzen Kapiteln sechs Menschen und ihre Reaktion auf die Prophezeiung der „Death Lady“ hervor – vom gestressten Familienvater bis hin zum Brautpaar, das noch im Hochzeits-Outfit in die Flitterwochen startet. Die ersten hundert Seiten vergehen dann auch wie im Flug. Doch als dieser vorbei ist und sich die Passagiere in alle Richtungen zerstreuen, lässt auch die Dichte und Spannung der Geschichte merklich nach.

Moriarty springt das ganze Buch hindurch zwischen sieben Protagonist*innen hin und her. Sechs von ihnen haben während des Fluges eine Prophezeiung erhalten, die siebte ist die vermeintliche Hellseherin Cherry. Sie kommt in jedem zweiten Kapitel zu Wort und erzählt rückblickend ihr Leben, was zunächst etwas zusammenhanglos wirkt. Lange fühlte ich mich ihren Mitreisenden viel näher, doch kommen diese nach dem Flug nur noch selten ausführlich zu Wort. Gleichzeitig schwebt ein Damoklesschwert über ihnen: Werden Cherrys Prophezeiungen eintreten? Oder lässt sich das vielleicht sogar aktiv verhindern? Es dauert lange, bis der Roman in die Nähe einer Antwort kommt. Bis dahin plätschert er meist langsam vor sich hin und zerfasert dabei auch sehr, da es zwischen den einzelnen Figuren kaum Schnittstellen gibt. Meinen Lesefluss wurde dadurch etwas gebremst; zudem nervte es mich etwas, dass ich ständig in Sorge um die Figuren war. Am Ende allerdings zeigt die Autorin wieder, was sie eigentlich kann, führt lose Enden zusammen, schließt Kreise, enthüllt verblüffende Verbindungen und hält auch einiges elegant in der Schwebe. Zwischenzeitlich habe ich es für unmöglich gehalten, dass „Vorsehung“ ein mich zufriedenstellendes Finale haben könnte, aber voilà: Es hat mich sogar begeistert. Und so ist der Roman eigentlich ein Fünf-Sterne-Buch mit einem dreieinhalb bis vier Sterne Mittelteil. Doch selbst, wenn letzterer Längen hat – Moriarty schafft es, alle sehr unterschiedlichen Charaktere authentisch, verletzlich und nahbar darzustellen. Niemand bleibt blass, alle sind richtig gut ausgearbeitet, auch wenn ich mir oft gewünscht hätte, mehr über Einzelne zu erfahren. Insgesamt bin ich froh, am Ball geblieben zu sein – und das Buch trotz Cover und Titel gelesen zu haben, beides hat mich nämlich eigentlich nicht angesprochen. Denkt man allerdings an den Schmetterlingseffekt, ist das Bild auf dem Buchumschlag gar nicht so beliebig wie gedacht. Wieder mal ein schöner Fall von „Don’t judge a book by its cover.“

Bewertung vom 15.05.2025
Löwe, Kerstin

Das einzig wahre Benimmbuch für Kindergartenmonster


sehr gut

Ganz schön frech

Kindergartenmonster Alfred kommt super-selbstbewusst daher – kein Wunder, geht es doch nach eigenen Angaben schon mindestens hundertzehnig Jahre in den Kindergarten! Seine Leserinnen und Leser spricht Alfred mit „kleines Pupsi“ an. Und zählt dann Doppelseite für Doppelseite insgesamt zehn Regeln auf, wie man sich als echter Kindergarten-Profi zu benehmen hat. Meine Kinder waren zunächst irritiert, aber auch sofort fasziniert. Vor allem, weil Besserwisser Alfred trotz seiner langjährigen Erfahrung da ziemlich viel falsch verstanden hat …

Die Kindergartenregeln kommen kurz und prägnant daher und sind allesamt das genaue Gegenteil von dem im Kindergarten erwünschten Verhalten. Da sie so selbstbewusst aufgestellt werden, staunten meine Kinder erstmal schweigend. Auf meine Nachfragen: „Ist das bei Euch auch so?“ kam aber ein immer lauteres, lang gezogeneres, fröhlicheres „Neeeeeeeein!“ Auf der letzten Seite steht dann die Aufforderung, Alfred die eigenen/eigentlichen Regeln zu erklären. So lange halten wir es bisher nicht aus und widersprechen Alfred schon vorher Seite für Seite. Das macht Spaß, genau wie die knallbunten Illustrationen mit den vielen unterschiedlich gearteten Monstern (die im Gegensatz zu Alfred alle nett und artig wirken). Ein witziges und ungewöhnliches Buch für Kindergartenkinder, das einen noch einmal anders über den Kindergartenalltag ins Gespräch kommen lässt.

Bewertung vom 15.05.2025
Martin, Nicola

The Island - Auf der Flucht


ausgezeichnet

Alle sind verdächtig

Hotelmanagerin Lola hat fluchtartig ihr altes Leben verlassen, um 32 Reisestunden später ein gänzlich neues zu beginnen. Was sich nicht ändert, ist ihr Job: dafür zu sorgen, dass alles glatt läuft und gut betuchte Gäste glücklich sind. Und auch ihr Arbeitgeber ist im weitesten Sinne der gleiche geblieben: Milliardär Kip Clement ist Eigentümer der Hotelkette, bei der Lola bisher in Hongkong gearbeitet hat und zu deren karibischem Luxusresort Keeper Island sie jetzt wechselt. Das Gefühl eines Neuanfangs verblasst allerdings schon nach wenigen Stunden, als Resortchef Mike Moxham, den Lola noch aus Hongkong kennt, leblos aufgefunden wird. Dass sein Tod sofort als Unfall eingestuft wird, macht sie stutzig, denn sie weiß: Moxham lebte gefährlich. Doch ihre Nachforschungen bringen auch sie in Gefahr …

Das Cover von „The Island“ ist plakativ und in seiner Farbgebung ungewöhnlich – viel rot, weiß und blau machen es zum Eyecatcher. Und auch der Inhalt hat mich überzeugt; ich konnte diesen Thriller kaum aus der Hand legen. Keepers Island ist ein spannender Schauplatz: Abgehobene Gäste, bunt zusammengewürfelte Angestellte und ein patriarchalischer Hotelmogul garantieren viel Abwechslung – und hüten eine Menge Geheimnisse, denen Lola mal mehr, mal weniger gezielt auf die Spur kommt. Der trockene Humor der Ich-Erzählerin lockert das Ganze auf: „Ich brauchte eine Dusche, eine Mahlzeit, ein Bett, eine Gehirntransplantation.“ Und dann verwandelt sich das tropische Urlaubsparadies bei bestimmten Wetterbedingungen auch noch in ein Locked-Room-Szenario. Die Auflösung fand ich verblüffend, ungewöhnlich und überzeugend. Einfach ein richtig guter Thriller, der mich bestens unterhalten hat.

Bewertung vom 03.05.2025
Clarke, Lucy

The Surf House


ausgezeichnet

Atmosphärischer Pageturner

Das ist schon das dritte Buch, das ich von Lucy Clarke lese. „One of the Girls“ hatte mich begeistert und „The Hike“ war ebenfalls spannend, wenn auch nicht ganz so unvorhersehbar in seinen Plot Twists. „The Surf House“ steht in meinem persönlichen Ranking auf einer Stufe mit „One of the girls“ – ich habe mitgelitten, -gerätselt und war ziemlich gefesselt von den unerwarteten Wendungen. Zudem macht das Buch große Lust auf einen Surfurlaub in Marokko, auch wenn man noch nie ein Surfbrett in der Hand hatte. Lucy Clarkes Beschreibung von Wind und Wellen sind sehr atmosphärisch.

Nun aber zum Plot: Die 23-jährige Bea ist für einen Modeljob nach Marrakesch gekommen und sitzt kurz darauf ohne Pass, Geld und Plan, dafür aber mit einem ziemlichen Schock in Marokko fest. Glücklicherweise nimmt sich Marnie ihrer an, eine Auswanderin, die gemeinsam mit ihrem Mann eine kleine Strandpension betreibt – „The Surf House“ in einem Ort namens Mallah, das Bea schnell wie ein kleines Paradies vorkommt. Sie hat das Gefühl, langsam zu sich selbst zu finden, allerdings auch drängende Geldsorgen. Und dann kommt ein Amerikaner an, der seine verschwundene Schwester sucht, deren letzte gesicherte Station das Surf House war …

Ich habe gerade noch einmal nachgeschaut, ob der Verlag das Buch wirklich als Thriller und nicht als Roman bezeichnet. Wer atemlosen Nervenkitzel sucht, wird eventuell enttäuscht sein. „The Surf House“ ist spannend und stellenweise auch temporeich, hat aber auch viele ruhigere Passagen. Wie immer bei Lucy Clarke stehen zwischenmenschliche Beziehungen im Fokus. Diese schildert sie mit viel Empathie und Fingerspitzengefühl, was die Geschichte bis hin zur Auflösung sehr plausibel wirken lässt. Und am Ende beweist die Autorin mal wieder, dass hochdramatische Showdowns ebenfalls zu ihrem Repertoire gehören. Ein rundum gelungener Pageturner.

Bewertung vom 03.05.2025
Gertenbach, Pina

Schokotorte für alle!


ausgezeichnet

Über Hilfsbereitschaft & Tortenglück

Wer kennt ihn nicht: Schokohunger! In diesem Fall sogar Schokotortenhunger. Hund Toni, die Hauptfigur dieses überaus niedlichen Bilderbuchs, will dem Abhilfe schaffen und backen. Doch eine elementare Zutat fehlt: Schokolade! Gut, wenn man sich was von den Nachbarn leihen kann. Doch leider herrscht bei denen ebenfalls Schoko-Flaute. Allerdings haben sie, von Giraffe Matilde im ersten bis hin zu den Krokodilen Sophie, Karl und Lars im sechsten Stock, jede Menge gute Ideen, was Toni zusätzlich noch in seiner Torte verarbeiten könnte. Und so ist schließlich eine Heidelbeergelee-Mandel-Wackelpudding-Haselnusskeks-Bananen-Schokoladen-Torte mit bunten Zuckerstreuseln in Planung, von der Toni auch noch jeder Nachbarin und jedem Nachbarn ein Stück versprochen hat. Gut, dass dann alle nicht nur zum Essen, sondern auch zum Helfen vor der Tür stehen!

„Schokotorte für alle“ ist ein ganz entzückendes Buch, bei dem einfach alles stimmt: Die fröhlichen Illustrationen machen genauso viel Spaß wie der Text. Es kommen ganz unterschiedliche Hausbewohner und Lebensweisen vor, Hund Toni durchlebt beim Backen eine große Emotions-Bandbreite und die letzten Seiten haben schon fast Wimmelbildcharakter, weil alle Nachbarn versammelt sind und es so viele lustige Details zu entdecken gibt. Ganz am Schluss überrascht dann noch ein Rezept für Hundekekse – hier wäre eins für die (Original-)Schokotorte naheliegender gewesen, aber egal: ein tolles Buch, das auch schon Dreijährige begeistert.

Bewertung vom 16.04.2025
Goodwin, Sarah

Die Yacht


gut

Erst Luxusparty, dann Seenot

Aller guten Dinge sind drei! Tatsächlich ist das schon der dritte Thriller, den ich von Sarah Goodwin gelesen habe. Was die Autorin richtig gut kann: Verzweifelte Überlebenskämpfe schildern. Woran es ab und zu hapert: an der Plausibilität.

Hauptfigur Hannah freut sich auf die luxuriöse Silvesterparty ihrer Kindheitsfreundin Libby, die dieses Jahr auf einer an der Ligurischen Küste liegenden Yacht stattfindet. Die Anreise, die sie mit dem eigenen Auto möglichst kostengünstig gestaltet, ist zwar mühsam, doch sie will sich das Ganze auch nicht entgehen lassen. Schließlich ist Libbys Silvesterspektakel ihr jährlicher Ausflug in die Welt der Reichen und Schönen, zu der sie sonst keinen Zugang hat. Erst bei ihrer Ankunft wird Hannah klar, wie exklusiv die diesjährige Party ist: Sie sind gerade mal zu sechst auf der gar nicht so großen, aber extrem aufgemotzten Yacht, die gut vertaut im Hafen liegen bleiben soll. Doch am Neujahrsmorgen finden sich Hannah und die anderen plötzlich auf hoher See wieder und erkennen bald, dass sie aus eigener Kraft nicht zurück an Land kommen werden. Als von den sechs Anwesenden nur noch fünf auffindbar sind, spitzt sich die Lage immer weiter zu …

Goodwins neuester Thriller hat das Zeug zu einem fesselnden Pageturner: Locked-Room-Szenario, undurchschaubare Gruppendynamik und jede Menge Geheimnisse inklusive. Geschmälert wird das Lesevergnügen durch die zum Teil ziemlich eindimensional dargestellten Charaktere. Ich-Erzählerin Hannah mit ihren Nöten und Ängsten ist man dagegen ganz nah – das ist spannend und ließ mich am Ball bleiben. Vorteilhaft war auch, dass ich keine Ahnung von Yachten und Seewegen habe – denkt man jedoch etwas länger auf der ganzen Situation herum, stellt sich schnell die Frage, wie realistisch das Setting eigentlich ist. Insbesondere im letzten Drittel wurde die Geschichte wieder sehr abenteuerlich. In ihren Bann gezogen hat sie mich trotzdem – mit Schreibstil und Spannungsaufbau kann Goodwin größtenteils überzeugen.

Bewertung vom 13.04.2025
Collins, Suzanne

Der Tag bricht an / Die Tribute von Panem Bd.5 (Deutsche Ausgabe)


sehr gut

Panem, die fünfte

Suzanne Collins entführt ihre Leserinnen und Leser ein fünftes Mal nach Panem – 24 Jahre vor Beginn der Trilogie um Katniss Everdeen und 40 Jahre, nachdem Coriolanus Snow selbst Mentor eines Tributs aus Distrikt 12 bei den Hungerspielen war. Inzwischen ist er längst der grausame Präsident geworden, den man aus den ersten Bänden kennt. Und hat sich mit seinen Spielemachern etwas besonders Brutales für die 50. Hungerspiele einfallen lassen: Aus jedem Distrikt werden nicht nur zwei, sondern gleich vier Tribute ins Kapitol gebracht.

Zu den Unglücklichen gehört Haymitch Abernathy, der spätere Mentor von Katniss und Peeta. Aus der Trilogie kennt man ihn als meist betrunkenen, einzelgängerischen Zyniker – „L“ zeigt, was ihn dazu gemacht hat. Hier ist Haymitch erst 16 Jahre alt; er lebt mit seiner Mutter und seinem jüngeren Bruder im Saum, verdient für die Familie dazu, was ihm möglich ist und versucht, seine knappe Freizeit mit seiner Freundin Leonore Dove zu verbringen. All das endet jäh, als er – auch noch an seinem Geburtstag, an dem die sogenannte „Ernte“ traditionell stattfindet – zum Tribut wird.

Was Haymitch erlebt, erinnert unweigerlich an die 74. Spiele, an denen Katniss und Peeta teilnehmen mussten. Jetzt sind es allerdings vier vermeintlich chancenlose Kandidatinnen und Kandidaten aus dem verarmten Distrikt 12, die zunächst zur Schau gestellt, eingekleidet, vorbereitet und trainiert werden. Es gibt Wiedersehen mit alten Bekannten: Neben Snow treten z.B. Plutarch, Beetee, Wiress, Mags und Effie in Erscheinung. Und schließlich beginnt der Überlebenskampf in der Arena.

Über dem kompletten Roman scheint von Anfang an ein Damoklesschwert zu schweben: Zwar ist klar, dass Haymitch überlebt – wer die Trilogie kennt, weiß aber auch, was aus ihm geworden ist. Ein Happy End ist bei „L“ also nicht zu erwarten. Stattdessen sterben natürlich auch hier wieder liebgewonnene Charaktere, bei 48 Tributen sogar noch mehr als sonst. Es wirkt so, als hätte Suzanne Collins sich diesmal nicht ganz so viel Zeit dafür genommen, Nebenfiguren auszugestalten, aber es sind in diesem Buch natürlich auch besonders viele. Dennoch war ich überrascht, wie sang- und klanglos einige verschwanden und hatte teilweise mehr Interaktion oder auch nur Erwähnungen erwartet. So habe ich weniger intensiv mitgefühlt, als ich es aus den bisherigen Bänden gewohnt war.

Insgesamt bin ich hin- und hergerissen: Die Geschichte von Haymitch hat mich durchaus interessiert, ist aber in noch höherem Maße tragisch, traurig und grausam als die anderen Panem-Bücher. Vieles habe ich unweigerlich mit den 74. Hungerspielen verglichen, die ich als ausgewogener geschildert in Erinnerung hatte. Und so landet die Geschichte des zweiten Siegers aus Distrikt 12 auf meinem persönlichen fünften Platz. Sie macht allerdings tatsächlich Lust darauf, die Trilogie noch einmal zu lesen. Haymitch sieht man nach dieser Geschichte mit anderen Augen.

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