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Tawananna

Bewertungen

Insgesamt 8 Bewertungen
Bewertung vom 20.04.2017
Der böhmische Samurai
Setzwein, Bernhard

Der böhmische Samurai


gut

Der Autor Bernhard Setzwein hat eine Biographie über die außergewöhnliche Adelsfamilie Coudenhove-Kalergi geschrieben, die ein hervorragendes Beispiel für Multi-Kulti darstellt.
Die Familie der Coudenhoves ist uralter Adel (seit 1099 aufgrund der Kreuzzüge) und ursprünglich aus Brabant kommend. Heinrich Graf Coudenhove-Kalergi ist als sprachbegabter (18 Sprachen) Diplomat in der KuK-Monarchie zuletzt in Japan tätig. Dort lernt er seine Ehefrau Mitsuko – die Tochter eines Samurai, also selbst adlig – kennen und lieben. Trotz aller Widerstände heiratet er sie, was eine weitere Arbeit im Diplomatischen Dienst eigentlich schier unmöglich macht. Er hat mit ihr 7 Kinder, vor allem deren Leben, bis Ende des Zweiten Weltkriegs, sind in diesem Roman beschrieben.
Das Buch liest sich gut und flüssig, obwohl es zwei Erzählebenen besitzt. Denn die Hauptperson Johann erzählt die Familiengeschichte, während er aufgrund der Benes-Dekrete inhaftiert wird. Begriffe, die nicht jedem bekannt sein dürften – handele es sich um historische Personen oder Begriffe aus Dialekten – werden sehr schön in einem Glossar zusammengefasst. Leider hat mich das Buch trotzdem sehr enttäuscht, viele spannende Möglichkeiten und Aspekte wurden verschenkt. Warum der Autor sich ausgerechnet die langweiligste Person von allen Familienmitgliedern als Protagonist erkoren hat bleibt mir unklar. Johann/Hansi ist nur ein ichbezogener Langweiler, der sich wohl vorgenommen hat Ludwig dem II. von Bayern nachzueifern. Und mit Akteuren des III. Reiches flirtet. Zumindest schließt er sich nicht völlig dem Regime an.
Die anderen Figuren bleiben da völlig im Hintertreffen und werden nur dürftig gezeichnet. Eine Ausnahme ist Richard/Dicky, doch selbst dieser wird vernachlässigt. Richard/Dicky ist meines Erachtens die interessanteste Person dieser Geschwister, ein früher Europäer, der den ersten Karlspreis überhaupt 1950 verliehen bekam. Auch die Idee zu unserer Europahymne stammt von ihm. Bei einer derart bekannten Person muss man natürlich seine literarische Phantasie ein wenig zügeln.Mit Details wird vom Autor allerdings manchmal ein wenig lässig umgegangen. z. B. soll Richard im Roman ein wichtiges Buch des Vaters zum Antisemitismus beenden, dabei hatte sein Vater dieses Buch sehr wohl beendet und wie geplant als Dissertation vorgelegt.
Gut, Johann/Hansi ist der Haupterbe, wie es damals dem Erstgeborenen zukam, dies mag wohl ein Grund gewesen sein ihn in den Vordergrund zu stellen. Seine anderen Geschwister sind jedoch viel interessanter, auch menschlich gesehen. Sie bleiben jedoch sehr im Hintergrund, sodass manche Entwicklung unklar bleibt.
Warum wird die Mutter auf einmal derart despotisch, aufbrausend und cholerisch? Wie mag sie sich wohl gefühlt haben, allein, in der Pampa, der Sprache nicht mächtig mit dem Wissen, dass sie Japan und ihre Familie nicht wiedersehen wird?Warum wendet sich seine Schwester Ida urplötzlich dem Katholizismus in einem sehr strengen Sinne zu? Anfangs hatte man den Eindruck Kirchenbesuche seinen eher ein gesellschaftliches Muss statt Ausdruck tiefen Glaubens. Und Ida wird vorher als Wildfang beschrieben.
Von Elisabeth hört man quasi gar nichts, dabei war sie Sekretärin bei Dollfuß und hätte sehr gut in den historischen Kontext gepasst, der den Hauptteil des Buches umfasst.Auch Karl/Eri wird eigentlich nur mit einem Jugendstreich erwähnt,Olga als Opfer der Mutter gekennzeichnet.Was ist mit Gerolf? Seine Entwicklung vom kriegsbegeisterten Jungen zu jemanden, der aus der erzwungene Zusammenarbeit mit Heydrich, seine Konsequenzen zieht ist viel zu ungenau.
Wie war es für die Kinder, dass sie immer auf ihr exotisches Aussehen reduziert wurden? Der Aspekt des erlebten Fremdenhasses wird im Buch nur kurz gestreift.
Warum erfahren wir über die Geschwister nach Ende des Zweiten Weltkrieges nichts mehr? Schließlich war Ida so bedeutend, dass Ratzinger anlässlich ihres Todes die Gedenkrede hielt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.04.2017
Erinnerungen eines vergessenen Mädchens
Rilli, Riccardo;Baumann, Paula

Erinnerungen eines vergessenen Mädchens


ausgezeichnet

Paula Baumann beschreibt in ihrer Biographie über in der Kindheit erlittene Vernachlässigung und Missbrauch.

Während Missbrauch ja schon – auch literarisch – seit Mitte der 80er Jahre immer wieder in den Fokus der Medien gerät ist Vernachlässigung eher ein kleines Thema. Grundsätzlich verbindet man damit ja eher schlechte Pflege, zu geringe Nahrung etc. oft in Verbindung mit Krankheit (z.B. Drogenmissbrauch) der Eltern. Hunger oder schlechte Bekleidung hat sie jedoch nicht gekannt – sie räumt mit dem idyllischen Ammenmärchen auf, dass Eltern ihre Kinder lieben.

In einer verstörenden Collage aus Tagebucheinträgen und Erinnerungen (nicht chronologisch, da ja Gedanken nie zeitlich geordnet sondern chaotisch drängend erscheinen) beschreibt sie wie zerstörerisch „normale“ Eltern, die nicht lieben sind. Ja es gibt sie sogar sehr häufig, immer noch,

Die ewig zu kurz gekommenen, die meinen, dass ihre Kinder ihnen die Emotionen schuldig sind, die sie von den eigenen Eltern nicht bekommen konnten, zerstören – bewusst oder unbewusst – die Persönlichkeit ihrer Kinder und machen sie zu unsichtbaren Geschöpfen. Sehr anschaulich schildert sie unter welch dramatischen Folgeschäden sie auch als Erwachsene noch leidet. Die Wunden werden nie heilen obwohl sie noch mit einem blauen Auge davon gekommen ist.

Ich wünsche diesem Buch eine starke öffentliche Diskussion – auch wie der Staat hier in die Pflicht genommen werden kann. Denn bei Paula Baumann sind zwar Dinge auch „offiziell“ zur Kenntnis gekommen, sie sind jedoch in Interaktion ins Leere gelaufen.

Allein für ihren Mut – und die gute Darstellung eines zerstörten Kinderlebens – erhält sie von mir die Maximalbewertung von 5 Punkten.

Bewertung vom 20.04.2017
Fürchtet euch und folgt uns
Laczynski, Michael

Fürchtet euch und folgt uns


ausgezeichnet

Das Buch „Fürchtet euch und folgt uns: Die Politik der Populisten“ von österreichischen Publizisten Michael Laczynski ist 2017 im Verlag Kremayr & Scheriau erschienen und versucht zu erklären, warum nicht nur in Europa sondern weltweit derzeit die Populisten ob von rechts oder von links überall scheinbar leichtes Spiel haben.

Er beginnt mit der Situation in Österreich nach der Wahl im Februar 2000 und die europäische Reaktionen darauf. Wiewohl ich damals das Ganze für eine leicht peinliche Überreaktion seitens der EU hielt frage ich mich aber seit Orban schon „wo ist sie denn, die unmissverständliche Reaktion der EU“? Wann zeigen wir endlich demokratische Flagge?

Das Buch kommt für ein Sachbuch sehr leichtfüßig, ja humorvoll, daher. Ich habe sehr viel über die Situation in den anderen europäischen Ländern gelernt. Laczynski kritisiert "Alle Vorteile der europäischen Integration - Frieden, Wohlstand, Reisefreiheit - werden als selbstverständlich hingenommen bzw. zu nationalen Errungenschaften hochstilisiert. Alle unbequemen Aspekte und Misserfolge hingegen werden ausschließlich der arroganten EU angekreidet." Dies nehme ich auch so wahr und erinnert mich sehr unangenehm an die Sprüche, die ich von so einigen (nicht allen!!!!) ehemaligen Bürgern der DDR kenne. Da wird das Leben in der DDR nostalgisch hochgehalten aber völlig ignoriert, um wie viel besser das Leben im heutigen vereinten Deutschland ist – die deutlich gestiegene Lebenserwartung soll hier nur ein Beispiel sein.

Der Autor outet den typischen Wähler (rechts-)populistischer Parteien sehr klassisch als weiß, schlechter Bildungsgrad, unterdurchschnittliches Einkommen, relativiert aber glücklicherweise im Laufe der Kapitel diesen Eindruck. So ist es eben auch die Mittelklasse, die noch etwas zu verlieren hat, die dem Populismus sehr zugeneigt ist. Und er weist darauf hin, dass die Politik der sozialen Kälte, die freie Bahn den Konzernen geschaffen hat durchaus mitschuldig an der aktuellen Situation ist.

Da die Rechtspopulisten in Europa in der Überzahl sind und deren Lieblingsthema Immigration und Angst vor Überfremdung ist, geht Herr Laczynski nachdrücklich auf dieses Thema ein und zeigt am Beispiel von Dänemark wie schwierig Integration fremder Kulturen ist. Leider fehlt mir hier eine klare Unterscheidung zwischen Immigration und – vorübergehendem Fluchtstatus aufgrund von Kriegssituationen.

Das Beispiel Dänemark zeigt, dass wir als Gesellschaft uns eben nicht nur auf „Vater Staat“ verlassen können. Nein, es braucht die gesamte Gesellschaft um Integration gelingen zu lassen. Wir fordern zu Recht, dass Immigranten sich hier anpassen sollen. Aber wie soll das gelingen wenn sie im stillen Kämmerlein sitzen, sich nicht auf die Straße trauen (z. B. Aufgrund schlechter Sprachkenntnisse oder rassistischer Pöbeleien) und niemand ihnen sagt wie es hier so läuft? Zumal wir uns in Europa mit der Organisation der aktuellen Flüchtlingssituation ganz bestimmt nicht mit Ruhm bekleckern.

Dieses Buch ist ein erster Abriss zur aktuell gefährdeten Demokratie in Europa. Das breite Spektrum das Herr Laczynski aufgefächert hat mir viel gegeben. Gleichwohl ist er unzufrieden und bemängelt, dass in diesem Buch z. B. Die Rolle der Medien und sozialen Netzwerke im Internet nicht ausreichend berücksichtigt werden. Nach meinem Dafürhalten ist dies zum jetzigen Zeitpunkt – zumal von nur einer Person – gar nicht möglich. Hier hat die Wissenschaft ein fruchtbares Arbeitsfeld.

Die Hoffnung des Autors in Bezug auf Deutschland teile ich nicht aber auch ich sehe nur ein „Keep Calm and Carry On“ um ihn ein letztes Mal zu zitieren.

Bewertung vom 20.04.2017
Abfahrt in den Tod
Grünig, Michaela;Girardelli, Marc

Abfahrt in den Tod


ausgezeichnet

Marc Gassmann, Schweizer Ski-Ass möchte es trotz einer Verletzungspause noch einmal wissen und sich den 5. Weltcup holen. Weiß er doch, dass ihn die Jungspunde entthronen möchten und die Jahre seine Profikarriere sich langsam dem Ende nähern.
Doch bei der Lauberhorn-Abfahrt wird er Opfer eines Drohnen-Attentats…
Als Personenschutz, da er schon seit längerem Drohbriefe erhält, wird ihm die Kantonspolizistin Andrea zugeteilt. Das pikante an der Sache ist: sie ist seine erste große Liebe. Die Beziehung ging leider in die Brüche…
Kann sie weitere Anschläge verhindern und wer steckt dahinter?
Dem Team Marc Girardelli (ein bekannter alpiner Skirennläufer) und Michaela Grüning ist ein rasanter Krimi mit überraschendem Ende gelungen.
Die Atmosphäre des Ski-Zirkus wird überzeugend eingefangen und wir erfahren interessante Details (wie die Auswahlverfahren bei der Nummernvergabe) des Skisports. Die Schilderungen der Abfahrtsläufe bringen uns das Geschehen deutlich näher als so manche Fernsehübertragung. Als (Fernseh-)Zuschauer machen wir uns nicht bewusst, welch hohes persönliches Risiko jeder Rennfahrer eingeht, wenn er mit 160 km/h durch die Gegend brettert. Da gibt es – im Gegensatz zu Formel-1-Fahrern eben keinen Blechschutz drumherum.
Geschickt werden brisante Themen wie Doping und illegale Sportwetten aufgegriffen und in falsche Spuren verwandelt. Ich habe jedenfalls bis zum Schluss nicht gewusst wer der Täter ist.
Das Cover ist sehr gelungen und das eisige Blau vermittelt und ein Gefühl der arktischen Temperaturen die die Skirennläufer ertragen müssen.
Mich hat das Skifieber gepackt und ich kann es kaum erwarten bis ich eine neue Episode mit Marc und Andrea miterleben darf. In der Hoffnung auf eine Serie verteile ich hier gerne 5 Sternchen.

Bewertung vom 20.04.2017
Gedichte, Gedanken, ein Plädoyer für die Freiheit
Zwilling, Jürgen

Gedichte, Gedanken, ein Plädoyer für die Freiheit


sehr gut

Freiheit die ich meine

Die Anthologie ist „Freiheit“, erschienen im RediromaVerlag ist ein sehr persönlicher Versuch von Jürgen Zwilling diesen Begriff zu klären.

Angesichts der Gefahren durch den Populismus weltweit hat der Autor für sich zu klären versucht was Freiheit eigentlich ausmacht und stellt diese dem Begriff der Ideologie gegenüber. Aber schließen diese Begriffe einander aus?

Zwilling versucht sich den beiden Begriffen durch die Definition verschiedener Philosophen zu nähern und auch durch Reflexion aktueller Tagesereignisse. Denn Freiheit müssen wir auch dem zugestehen, der diese Freiheit nicht würdigt.

Die Broschüre macht nicht den Versuch einer großen runden Abhandlung der Thematik. Im Gegenteil, Gedichte, Definitionen, Berichte sind zersplitterte Fragmente und fordern den Leser dazu auf sich intensiv mit den Texten zu befassen.

Es wird deutlich, dass es sich auch um eine biographische Aufarbeitung einer von Unfreiheit geprägten Kindheit der 60er Jahre handelt. Die Erinnerung an die Zeiten vor dem Mauerfall sind für Herrn Zwilling augenscheinlich sehr wichtig. Dies wird auch in den Abbildungen der Anthologie deutlich.

Ich bin mit dem Autor längst nicht immer einer Meinung, trotzdem halte ich das Buch für einen gelungenen Denkanstoß zur Klärung des eigenen Standpunkts.