Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Patno
Wohnort: 
Bad Belzig

Bewertungen

Insgesamt 31 Bewertungen
Bewertung vom 22.09.2022
Nachmittage
Schirach, Ferdinand von

Nachmittage


ausgezeichnet

„Liebst du nicht einfach diese langen regnerischen Nachmittage in New Orleans, wenn eine Stunde nicht nur eine Stunde ist - sondern ein kleines Stück Ewigkeit, dass in deine Hände gefallen ist - und wer weiß, was man damit anfangen soll?“ — Tennessee Williams US-amerikanischer Schriftsteller 1911 - 1983


Ist mir mit „Nachmittage“ ein kleines Stück Ewigkeit in die Hände gefallen? Draußen regnet es gerade in Strömen. Ich lese und vergesse dabei die Zeit.
Sechsundzwanzig kurze Geschichten, bei denen man oft nicht weiß, wo sie hinführen. Am Ende steht immer ein Aha- Erlebnis.

Ferdinand von Schirach ist ein begnadeter Erzähler. Ich mag seine Gedankenspiele und fiebere jedem neuen Buch entgegen.
Aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit als Strafverteidiger sind die früheren Werk vor allem auf juristische Themen bezogen.
Seit „Kaffee und Zigaretten“ bekommen die Erzählungen autobiographische Züge. Mehr und mehr vermischt der Autor persönliches Erleben mit Alltagsgeschehen und lässt den Leser dichter an sich heran. Das gefällt mir.
In seinem neuen Buch berichtet er vom Reisen und von Begegnungen in Berlin, Tokio, New York, Marrakech, Taipeh, Oslo, Pampola, Wien und Zürich. Es sind Texte, die an den Stil von Doris Dörrie erinnern. Jede einzelne Geschichte hat es in sich und regt zum Nachdenken an. Schirach schreibt über die Einsamkeit der Menschen, von der Flüchtigkeit des Glücks, von Zufällen, falschen Entscheidungen, von Kunst und von der Liebe.
Es sind kurze Essays, die auf das Wesentliche beschränkt sind. Jede Pointe sitzt.
Ich finde es faszinierend, wie man so viel Aussagekraft in so wenigen Zeilen integrieren kann.
Schirach wird aus meiner Sicht literarisch immer ausgefeilter. Purer Lesegenuss!
Das gebundene Buch ist elegant gestaltet und passt zu den vorangegangenen Werken. Wer noch ein Geschenk für liebe Freunde sucht…
Um abschließend meine Leseempfehlung zu untermauern, möchte ich allen Interessierten ein Schmankerl aus dem Buch mit auf den Weg geben.

„…Jetzt, dieser Moment, dieser Nachmittag, der nächste Morgen, der Blütenschimmer im Frühling, der Wind, der durch die Felder geht, die lautlose Schwüle im Hochsommer und dass nasse Laub auf den Straßen im Herbst - das alles bedeutet nichts ohne den anderen Menschen. Wir stehen nackt in dieser Welt, die Erde ist ein kaum sichtbarer blassblauer Punkt im All, die Natur ist kalt und feindlich. Aber wir sind Menschen, wir teilen diese Einsamkeit, sie ist es, die uns verbindet…“ (Auszug aus dem Buch)

Bewertung vom 26.06.2022
Freunde. Für immer. (eBook, ePUB)
Mccreight, Kimberly

Freunde. Für immer. (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Kimberly McCreight wählt bewusst Buchtitel, die einen Idealzustand suggerieren. Jedem Thrillerleser dürfte allerdings schnell klar sein, dass hier offenbar nichts ist, wie es scheint. Das erzeugt vorab Neugier.
„Eine perfekte Ehe“ fand ich genial inszeniert. Daher habe ich „Freunde. Für immer.“ mit Spannung erwartet.
Wieder wählt die Autorin ein ungewöhnliches und großes Darsteller-Ensemble, welches lesetechnisch eine Herausforderung ist. Konzentriertes Lesen zahlt sich aus.

Jonathan, Derrick, Keith, Stephanie und Maeve waren schon im College unzertrennlich. Doch dann wird ihr Verhältnis von einem tragischen Ereignis überschattet.
Zehn Jahre später treffen sie sich für ein gemeinsames Wochenende in den Catskills Mountains. Plötzlich sind Keith und Derrick verschwunden. Die beiden waren mit einem Auto unterwegs, welches die Polizei kurze Zeit später sicherstellt. Darin befindet sich eine Leiche mit entstelltem Gesicht. Wer ist der Tote? Kommen die Schatten der Vergangenheit zurück?
Detective Julia Scutt ermittelt. Je mehr Details sie über den Fall herausfindet, umso stärker erhärtet sich ihr Verdacht, dass es hier eine Verbindung zu einem anderen Fall geben könnte, der Julia persönlich betrifft.
Ein Verwirrspiel sondergleichen beginnt.

Der Thriller ist so aufgebaut, dass die Charaktere ihre Erlebnisse und Gedanken wechselseitig schildern. Zunächst fühle ich mich gefangen in einem Irrgarten oder besser gesagt in einer differenzierten psychologischen Persönlichkeitsstudie.
Darin liegt auch die große Stärke dieser Geschichte. Die Charaktere sind keine Sympathieträger. Schonungslos offen konfrontiert Kimberly McCreigth ihre Leser mit den Defiziten ihrer Figuren. Geschickt führt sie mich auf falsche Fährten und überrascht mit interessanten Wendungen. Meine grauen Zellen laufen auf Hochtouren und wollen des Rätsels Lösung entschlüsseln.
Es ist interessant, Detective Julia Scutt bei Ihrem Ermittlungen über die Schulter zu schauen und dabei tragische Ereignisse ihrer eigenen Vergangenheit aufzuarbeiten.
Hinsichtlich des Täters habe ich zwar eine Vermutung, aber die Fragen nach dem Warum und Weshalb werden erst ganz am Ende beantwortet. Das hält die Spannung auf einem hohen Level. Die Puzzleteile fügen sich schlüssig ineinander und offenbaren Einblicke in eine gestörte Persönlichkeit.
Ich muss gestehen, dass mir dieser Thriller nicht ganz so gut gefallen hat, wie „Eine perfekte Ehe“. Das liegt vermutlich daran, dass die Geschichte im ersten Drittel etwas unübersichtlich und unstrukturiert wirkte und damit meinen Lesefluss gelegentlich abbremste.

Insgesamt ist „Freunde. Für immer.“ ein andersartiger Thriller -abseits des Mainstreams- der den anspruchsvollen Leser sucht.
Sozialkritisch, fesselnd und unvorhersehbar!

Bewertung vom 06.01.2022
Die Wege der Söhne
Carsta, Ellin

Die Wege der Söhne


ausgezeichnet

Die Falkenbach-Saga geht weiter. Viele Fragen sind in Band 3 offen geblieben, auf die ich mir in Band 4 Antworten erhoffe. Diesmal stehen die Söhne im Vordergrund des Geschehens.
Inzwischen schreiben wir das Jahr 1938 und in Bernried am Sternberger See wird es langsam ungemütlicher. Die Nazis drängen immer mehr an die Macht.
Elisabeths Mann Ferdinand darf die Wehrmacht verlassen . Doch die Freude über die Heimkehr ihres Sohnes ist für die Lehmanns von kurzer Dauer, denn Ferdinand wurde nur vom Dienst freigestellt, weil er versprochen hat, die Waffenproduktion im Familienbetrieb zu erhöhen. Seine Mutter ist entsetzt und kann es nicht fassen, dass ihr Sohn zu einem aktiven Förderer der Nazis mutiert.
Wilhelmine von Falkenbach ist verliebt in den Kommunisten Martin. Gemeinsam mit ihrem Bruder Gustav verstecken sie ihn vor der SS, doch eines Tages macht ein anderes Familienmitglied eine Beobachtung.
Inzwischen steht auch die Freundschaft zwischen Paul-Friedrich von Falkenbach und Heinrich Lehnmann auf dem Spiel.
Als Paul-Friedrich von der Sabotage in der Waffenproduktion erfährt, spürt er, dass dies den beiden Familien zum Verhängnis werden kann.

Ellin Carsta schreibt einprägsam und mitreißend, so dass mir die Charaktere und die bisherigen Ereignisse gut im Gedächtnis geblieben sind. Von Anfang an bin ich mitten im Geschehen, obwohl einige Monate vergangen sind, seit ich Band 3 gelesen habe.
Dramatisch geht es weiter. Es wird für Falkenbach & Co. immer schwieriger, sich gegen die Nationalsozialisten zu stellen. Der Druck auf die Unternehmer wächst. Aber auch innerhalb der Familien wird intrigiert, gelogen und betrogen. Jeder versucht sein Schäfchen ins Trockene zu bringen und übersieht dabei die drohende Gefahr.
Wo eine offene Frage beantwortet wird, kommt bereits die nächste auf. Knisternde Spannung breitet sich aus. Die Geschichte ist geschickt ausgetüftelt und überrascht mit interessanten Wendungen.
Wie schon in den vorangegangenen Romanen verknüpft die Autorin reales Zeitgeschehen mit ihrer fiktiven Story.
Es gelingt mir nicht, das Buch zwischendurch aus der Hand zu legen. An einem Abend sind die 300 Seiten weggeschmökert.
Die handelnden Personen werden mit all ihren Eigenheiten ausgeleuchtet und überzeugen in ihren Rollen. Es gefällt mir, sowohl ihre Vorzüge als auch ihre Unzulänglichkeiten kennenzulernen. Somit ist es nicht leicht, sie generell in die Schublade sympathisch oder unsympathisch zu schieben. Außerdem entwickeln sich die Figuren im Laufe der Reihe weiter.
Am Ende gibt es fiese Cliffhanger, die Neugier auf den Folgeband hervorrufen.

Kurzweiliges Lesevergnügen mit Suchtgefahr!
Wer historische Familiengeschichten mag, sollte hier zugreifen.

Bewertung vom 06.01.2022
Die Patisserie am Münsterplatz - Schicksalsjahre / Die Kuchenkönigin von Straßburg Bd.2
Jacobi, Charlotte

Die Patisserie am Münsterplatz - Schicksalsjahre / Die Kuchenkönigin von Straßburg Bd.2


ausgezeichnet

Endlich geht die literarische Reise ins historische Straßburg weiter.
Wir schreiben das Jahr 1918.
25 Jahre sind vergangen, seit Ida Tritschler und Lucien Picard ihre verfeindeten Patissierfamilien mit dem Band der Liebe vereinten. Es ist eine deutsch-französische Verbindung, die schon im Band 1 zu dramatischen Szenen führte.
Damals litten die Franzosen unter der deutschen Besatzung.
Nun ist erste Weltkrieg vorbei und viele Männer kehren traumatisiert zurück. Doch Deutschland gehört jetzt zu den Verlierern, was die Franzosen veranlasst, die Deutschen aus dem Elsass zu verdrängen. Der Hass zwischen den beiden Völkern entflammt erneut und bedroht damit auch die Existenz der Familie Tritschler.
Im Kern ist dieser Roman eine herzerwärmende Liebesgeschichte um Ruth und Marcel. Durch Krieg, Intrigen und Mutmaßungen finden die beiden nicht zueinander. Das Schicksal nimmt seinen Lauf…

Obwohl einige Zeit seit dem ersten Roman der Buch-Reihe vergangen ist, finde ich schnell ins Geschehen zurück.
Die Akteure sind mir vertraut, auch wenn jetzt eine neue Generation im Mittelpunkt steht.
Ich freue mich besonders, auf alte Bekannte, wie den Bibliothekar Max Fouché , zu treffen, der als weiser Ratgeber für Ida und Lucien wieder mit an Bord ist.
Alle Charaktere sind toll ausgearbeitet und kommen lebensnah rüber. Ich fühle und leide mit ihnen, kann sowohl für die Handlungen der Symphatieträger, als auch die der „Fieslinge“ nachvollziehen.
Charlotte Jacobi gelingt es, mich gedanklich in die damalige Zeit zurückzuversetzen. Der erste Band konnte mich bereits begeistern, doch im zweiten sehe ich eine Steigerung, besonders hinsichtlich der Spannung. Wieder sind die historischen Fakten stimmig in die Geschichte eingebaut. Mir wird klar, wie schwierig das Verhältnis zwischen den Franzosen und den Deutschen nach Ausgang des Krieges war. Aus Gewinnern wurden Verlierer, aus Freunden wurden Feinde. Das stimmt nachdenklich.
Zwischen all der Tragik bleibt dennoch Zeit, ein Blick in die elsässische Backstube zu werfen. Schließlich erstrahlt „Die Patisserie am Münsterplatz“ gerade in neuem Glanz. Neugierig blicke ich auf den „Neuanfang“ in Band 3.

Lasst Euch literarisch nach Straßburg entführen. Wandelt auf den Spuren der Picards und der Tritschlers, fangt die Stimmung der Stadt und das Zeitgeschehen ein und genießt dabei diverse kulinarische Köstlichkeiten der Region!
Ein historischer Romane zum Verlieben - Zeit zum Träumen bei bester Unterhaltung!

Bewertung vom 06.01.2022
Die Patisserie am Münsterplatz - Zeitenwandel / Die Kuchenkönigin von Straßburg Bd.1
Jacobi, Charlotte

Die Patisserie am Münsterplatz - Zeitenwandel / Die Kuchenkönigin von Straßburg Bd.1


ausgezeichnet

Durch den Roman „Die Douglas-Schwestern“ bin ich auf das Autorenduo Eva-Maria Bast und Jørn Precht aufmerksam geworden, die hier unter dem Pseudonym Charlotte Jacobi schreiben.
Da mich die Geschichte begeistern konnte, wartete ich gespannt auf den Start der Buchreihe „Die Patisserie am Münsterplatz“ - „Zeitenwandel“.
Während alle Jacobi-Romane bisher in Hamburg spielten, geht es jetzt in den Nordosten Frankreichs, ins Elsass.
Auf meiner literarischen Zeitreise lande ich im Jahr 1893 und lerne die neunzehnjährige Ida Tritschler und ihren Bruder Oskar kennen, die mit ihrer Familie von Stuttgart nach Straßburg umsiedeln.
Am Münsterplatz eröffnen Idas Eltern eine neue Feinbäckerei. Doch bei der Familie Picard, die ebenfalls eine Patisserie in der Stadt betreibt, stoßen die Neuankömmlinge auf Ablehnung.
Das Chaos ist perfekt, als sich Ida in Lucien Picard verliebt. Die beiden müssen erkennen, dass die Feindseligkeit der Picards auf Ereignisse während des Krieges zurückzuführen ist.

Schon nach wenigen Seiten wandere ich gedanklich durch Straßburgs Gässchen und lasse mich von den kulinarischen Köstlichkeiten inspirieren. Einerseits möchte ich erfahren, ob es für Ida und Lucien ein Happy End gibt, andererseits könnte ich mich in die Küche begeben, Rosinen in Rum einlegen und daraus einen Straßburger Gugelhupf backen.
Die Ereignisse spitzen sich zu und lenken mich vom Kuchenduft ab.
Charlotte Jacobi punktet mit interessanten Hintergrundfakten über die Nachwehen des deutsch-französischen Krieges.
Außerdem fängt sie das Straßburger Flair bildreich ein.
Ida und Lucien sind sympathische Charaktere, die mein Herz im Sturm erobern. Meine Lieblingsfigur allerdings ist der einstige Hochschulprofessor Maximilian Fouché, auch „Le Prof“ genannt, der inzwischen als Obdachloser sein Dasein fristet.

Insgesamt hat mich der erste Band der Romanreihe um die Kuchenkönigin von Straßburg bestens unterhalten. Nun bin ich gespannt, wie die Geschichte in Band 2 weitergeht.
Ein literarischer Gaumenschmaus mit Sogwirkung!

Bewertung vom 06.01.2022
Die Patisserie am Münsterplatz - Neuanfang / Die Kuchenkönigin von Straßburg Bd.3
Jacobi, Charlotte

Die Patisserie am Münsterplatz - Neuanfang / Die Kuchenkönigin von Straßburg Bd.3


ausgezeichnet

Wie wäre es mit einer Spezialität aus dem Elsass?
„Die Patisserie am Münsterplatz“ in Straßburg bietet viele regionale Leckereien, wie z.B. den Kougelhopf. Das passende Rezept dazu befindet sich auf der Umschlagseite des dritten Bandes der Familiensaga.
Es handelt sich um eine fortlaufende Geschichte. Daher empfiehlt es sich, zuvor Band 1 und 2 der Buchreihe zu lesen.

Viele Jahre sind vergangen, seit Ida Tritschler und Lucien Picard mit ihrer Liebe die beiden zerstrittenen Familienkonditoreien wieder vereinten.
Inzwischen schreiben wir das Jahr 1940. Straßburg ist verwaist. Die meisten Einwohner wurden evakuiert. Nur Louise Picard und ihre Großmutter Ida sind in der Patisserie geblieben. Sie erleben hautnah den Einzug der Wehrmacht.
Louise verliebt sich Hals über Kopf in einen deutschen Soldaten und bringt damit den Teil ihrer jüdischen Verwandtschaft in Gefahr.
Für den jungen Konditor Clément Bouvier ist die Enttäuschung groß, als er nach Straßburg zurückkehrt und seine große Liebe Louise mit einem andern Mann liiert ist. Zu allem Übel ist Onkel Paul mit seiner Familie aus Stuttgart zurückgekehrt und hat den Wohnsitz der Familie besetzt. Paul ist inzwischen ein hohes Tier in der NSDAP und verbietet den Familienangehörigen alles Französische. Doch Clément rebelliert, schließt sich sogar einer Widerstandsgruppe an und riskiert dabei sein Leben.

Auf den ersten Seiten des Romans werden die handelnden Personen vorgestellt. Das erleichtert den Wiedereinstieg in die Geschichte. Schnell bin ich mittendrin und kann mich der Sogwirkung der dramatischen Ereignisse kaum entziehen.
Charlotte Jacobi schreibt stimmungsvoll und fängt den Impuls der damaligen Zeit in imposanten Bildern ein. Sie bindet tatsächliches Zeitgeschehen in ihre fiktive Story ein. Das wirkt echt und gibt mir das Gefühl, hautnah dabei zu sein.
Mit Ausnahme von Onkel Paul und seine Gattin mag ich die Familienmitglieder sehr, bange und leide mit ihnen. Ich bin schockiert, mit welcher Gewalt die Nazis gegen ihre Widersacher vorgehen. Doch auch der linientreue Paul ist verwundbar. Das lässt mich innerlich schmunzeln.
Auch in schweren Zeiten bahnt sich die Liebe ihren Weg, in einer Patisserie natürlich durch den Magen.
Es überrascht mich, wie sich trotz Lebensmittelknappheit köstliche Leckereien zaubern lassen. Louises Idee vom Kartoffelmarzipan werde ich demnächst ausprobieren.
Der finale dritte Band der Familiensage hat mich geflasht und bestens unterhalten.
Es fällt mir schwer, mich nun von den Tritschlers und Picards zu verabschieden. Sollte ich einmal eine Reise nach Straßburg unternehmen, bin ich sicher auf ihren Spuren zu wandeln. „Die Patisserie am Münsterplatz“ wird mir als Lese-Highlight in Erinnerung bleiben.

Übrigens, hinter Charlotte Jacobi verbirgt sich das Autoren-Duo Eva-Maria Bast und Jørn Precht. Die beiden sind ein tolles Gespann. Ich mag ihre Romane.

Bewertung vom 01.07.2021
Das letzte grüne Tal
Sullivan, Mark

Das letzte grüne Tal


ausgezeichnet

Nachdem mich Mark Sullivan mit seinem Roman „Unter blutrotem Himmel“ begeistern konnte, habe ich seinem neuen Werk bereits entgegengefiebert. Es ist die Geschichte der Familie Martel, die sich auf die Suche nach dem letzten grünen Tal begibt.
Ihre Reise beginnt im März 1944 in der Ukraine. Adeline und Emil müssen mit den beiden kleinen Söhnen vor der Roten Armee flüchten, denn sie sind Deutsche und damit in ihrer Heimat nicht mehr sicher. Es ist tiefster Winter, als sie sich einem Treck in Richtung Westen anschließen. Ihr beschwerlicher Weg wird von den Nazis kontrolliert. Ständig muss Emil um die Sicherheit seiner Familie bangen, besonders, als Adeline einer Jüdin zur Flucht verhilft. Doch allen Gefahren zum Trotz geht die Familie weiter gen Westen immer mit dem Gedanken an das grüne Tal und der Hoffnung auf ein Leben in Freiheit.

Den historischen Hintergrund dieses Romans liefert eine der größten humanitären Katastrophen des 20. Jahrhundert, bekannt unter dem Begriff „Holodomor“. Durch Josef Stalins Politik der Zwangskollektivierung in der Landwirtschaft und der Beschlagnahme sämtlicher Getreidevorräte verhungerten in der Ukraine mehr als 4 Millionen Menschen In den Jahren 1932/33.

Als Mark Sullivan von der Geschichte der Familie Martel erfuhr, war sein Jagdinstinkt geweckt. Er begibt sich auf Spurensuche, schreitet die Schauplätze ab, wertet akribisch alle verfügbaren Quellen aus und schließt die Lücken mit seinen fiktionalen Gedanken. Man spürt beim Lesen, dass der Autor für seine Sorry brennt. Er erschafft eine lebendige und eindrucksvolle Buchatmosphäre.
Im ersten Teil des Buches geht es eher gemächlich zu, was an den detaillierten Beschreibungen der Flucht liegen mag. Doch langsam steigert sich das Tempo Ich bin mittendrin, sehe die Bilder vor meinem geistigen Auge und fühle mich in die damalige Zeit hineinversetzt. Die historischen Fakten sind perfekt eingearbeitet und ich habe das Gefühl, dass sich die Geschichte genauso zugetragen haben könnte.
Die Charaktere sind brilliant dargestellt und wirken glaubhaft in ihren Rollen. Es scheint, als hätten sich Adeline und Emil gesucht und gefunden. Sie gehen für ihren Traum ein hohes Risiko ein und kämpfen tapfer gegen alle Widerstände. Ich mag sie, leide und fühle mit ihnen.
„Das letzte grüne Tal“ ist ruhiger als der Bestseller „Unter blutrotem Himmel“. Die Spannungskurve steigt langsam an und mündet in einem temporeichen Finale. Man sollte meiner Meinung nach unvoreingenommen an diesen Roman herangehen. Dann erkennt man den besonderen Charme dieser Familiengeschichte. Leseempfehlung!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 22.01.2021
Wie schwer ein Menschenleben wiegt
Gottschalk, Maren

Wie schwer ein Menschenleben wiegt


ausgezeichnet

Öffentliche Gebäude tragen ihren Namen. Sie zählt zu den bekanntesten Persönlichkeiten der deutschen Geschichte - Sophie Scholl.
Ich weiß von ihr, dass sie mit ihrem Bruder Hans im Widerstand aktiv war und mit 21 Jahren von den Nazis durch das Fallbeil hingerichtet wurde.
Der Einstieg ins Buch fällt mir leicht.
„Die lachende Sophie Scholl, die sich auch in Zeiten großer Gefahr und zunehmender Erschöpfung über die Sonnenstrahlen auf ihrem Gesicht freut und im Schnauben des Kutschpferdes die gleiche Lebenslust erkennt, die sie selbst spürt, steht immer im Schatten der ernsten Widerstandskämpferin.“ (Auszug aus dem Buch)
Maren Gottschalk gewährt Einblicke in das Familienleben der Scholls. Sophies Mutter Lina ist streng gläubig, wollte ursprünglich als Diakonisse leben. Doch dann begegnet ihr der zehn Jahre jüngere Robert Scholl. Sie gründen eine Familie und bekommen sechs Kinder. Beim Lesen spürt man den Zusammenhalt in der Familie.
Es überrascht mich zu lesen, dass Sophie sich zunächst in der Hitlerjugend engagiert, sogar Jungmädelschaftführerin wird. Doch wirkt sie auf mich wie eine Getriebene auf der Suche nach sich selbst.
Wie Sophies Eltern den Krieg kategorisch ablehnen, ist auch sie von Anfang an eine Kriegsgegnerin, zumal ihr Freund Fritz schlimme Dinge von der Front berichtet.
Inzwischen wohnt die Familie in Ulm und Bruder Hans beginnt ein Medizinstudium in München. Nach dem Abitur geht auch Sophie zum Studieren nach München und wohnt dort bei ihrem Bruder. Hier beginnt auch ihre Tätigkeit im aktiven Widerstand.
Sie haben Ideale, für die sie mit großem Engagement kämpfen. Sie sind voller Tatendrang, träumen vom Ende des Krieges. Obwohl sie sich bewusst sind, in welche Gefahr sie sich mit ihren Aktivitäten bringen, wirken sie auf mich geradezu berauscht von einer jugendlichen Leichtigkeit. An dem Tag ihrer Verhaftung wirken sie auf mich beinahe ein wenig übermütig. Die Gefahr schien offensichtlich.
Ich bewundere die Stärke dieser jungen Menschen. Besonders Sophie strahlt eine enorme Kraft aus.
Im Gerichtssaal sprach die 21 Jährige unbeirrt aus, was sie dachte:

„Was wir schrieben und sagten, das denken Sie alle ja auch, nur haben Sie nicht den Mut, es auszusprechen.“ (Sophie Scholl)

Ihr Mut ist beispielhaft und macht sie unvergessen.
Was war das bloß für eine schreckliche Zeit, wo junge Menschen, die nur ihre Meinung kundtaten mit dem Tode bestraft wurden. Schrecklich. Ich leide mit ihnen.
Es gefällt mir, dass die Autorin nicht nur die Widerstandskämpferin in Szene setzt, sondern vor allem den Mensch Sophie Scholl. So lerne ich eine selbstbewusste, mutige, aber auch oft unsichere, introvertierte junge Frau voller Selbstzweifel kennen, die davon träumt, dass der Krieg endlich zu Ende geht. Für mich entsteht damit ein ganz neues Bild abseits der in Geschichtsbüchern verankerten Fakten. Es ist interessant zu erfahren, in welchem Umfeld Sophie aufgewachsen ist, wer ihre Eltern, Geschwister, Freunde und Bekannte waren.
Die Biografie liest sich fast wie ein Roman und fesselt mich von Anfang an. Maren Gottschalk hat sich intensiv mit dem Leben der Sophie Scholl beschäftigt und akribisch recherchiert. Das spürt man beim Lesen. Sie bindet teils unveröffentlichte, sehr persönliche Dokumente, wie Tagebuchaufzeichnungen und Briefe, aber auch Vernehmungsprotokolle und Berichte von Zeitzeugen ein. Außerdem befinden sich im Buch Fotos und Zeichnungen, die das Gesamtbild des kurzen Lebens der Sophie Scholl untermalen.
Ein Schriftstück ist mir besonders nahe gegangen, Sophies Todesurteil, auf dessen Rückseite sie das Wort „Freiheit“ geschrieben hat. Ich finde es erstaunlich, dass dieses Zeitdokument unbeachtet von den Nazis erhalten geblieben ist.

Mich hat dieses Buch bewegt und nachdenklich gestimmt. Eine junge Frau wird mitten aus dem Leben gerissen, weil sie für ihre Ideale eintrat. Möge diese tragische Geschichte lehren und uns immer wieder vor Augen halten, wie gut es uns geht in einer Demokrati

Bewertung vom 08.01.2021
Abseits
Fiedler, Thorsten

Abseits


ausgezeichnet

Offenbach kommt nicht zur Ruhe. Wie am 5. Dezember 2020 auf Initiative von MainBook bekannt wurde, haben sich zu Beginn des Jahren merkwürdige Dinge rund um das Kultstadion Bieberer Berg ereignet. Viel Arbeit für die Kriminalkommissare Sina Fröhlich und Adi Hessberger von der Soko Bieberer Berg, zusammengefasst unter dem Aktenzeichen „Abseits“.
Ein toter Lehrer wird an einem Baum hängend aufgefunden. In seiner Wohnung befindet sich anzügliches Bildmaterial einer Schülerin, die plötzlich verschwunden ist. Ein Mitarbeiter der Soko gerät unter Tatverdacht. Ein Pädophiler wird aus dem Gefängnis entlassen und kurze Zeit später brutal zusammengeschlagen. Nach mehreren Todesopfern liegt die Vermutung nahe, dass hier ein Serientäter sein Unwesen treibt. Wieder führt die Spur zu den Offenbacher Kickers. Die Fälle scheinen mit hasserfüllten Kommentaren in OFC-Foren zusammenzuhängen.

Letztendlich dreht sich alles um die Frage:

Befinden sich Ermittler und Täter auf gleicher Höhe, oder lässt Adi seinen Gegner ins „Abseits“ laufen?

Inzwischen bin ich ein Fan der Offenbach-Krimis. Ich mag den fussballverrückten Ermittler Adi und seine Kollegin Sina. Die beiden sind auch privat ein Paar, doch momentan zieht ein Sturmtief durch die Beziehung. Zum Glück haben sie nicht viel Zeit darüber nachzudenken.
Die Ermittlungen gestalten sich schwierig und fordern ihre volle Aufmerksamkeit. Die Kommissare legen ein enormes Tempo vor. Da empfiehlt es sich konzentriert zu lesen, um den Überblick zu behalten. Der Täter ist ausgebufft, scheint immer eine Nasenlänge vorn zu liegen.
Zunächst ist mir nicht klar, wohin die Geschichte führt. Gefesselt folge ich dem Geschehen und fiebere dem Finale entgegen. Die angenehme Buchlänge ermöglicht es, den Krimi in einem Rutsch durchzulesen. Am Ende gibt es ein spannendes Finale.
Wieder punktet der Buchautor mit einer stimmungsvollen Atmosphäre und viel Lokalkolorit. Dank seiner Beschreibungen kann ich mir die Gegend rund um den Bieberer Berg gut vorstellen. Gedanklich sitze ich neben Adi im Stadion (hoffentlich ist Sina nicht eifersüchtig), feuere die Offenbacher Kickers an und schaue mich um, wer als Täter in Betracht kommen könnte.
„Abseits“ ist kein tiefgreifender Krimi, eher eine unterhaltsame Leselektüre für Hobbyermittler. Ich persönlich hätte es mir besonders hinsichtlich der Opfer-Täter-Beziehung etwas ausführlicher gewünscht.
Pflichtlektüre für Fußballfans!
Wie geht es weiter beim OFC und der Soko Bieberer Berg? Ich hoffe auf neue Offenbach-Krimis, dann vielleicht unter dem Titel „Blutgrätsche“, „Bananenflanke“, „Einwurf“oder „Doppelpass“... ?

Bewertung vom 08.01.2021
Eine Liebe in Paris - Romy und Alain (eBook, ePUB)
Wydra, Thilo

Eine Liebe in Paris - Romy und Alain (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

In meiner Kindheit gehörten die Sissi-Filme zur weihnachtlichen Tradition. Von da an interessiere ich mich für Romy Schneider und ihr Leben.
Wenn man sich mit dieser bildhübschen Schauspielerin beschäftigt, kommt man ihrer großen Liebe - Alain Delon - nicht vorbei.
Thilo Wydra hat sich auf Spurensuche in begeben und lässt die Liebe zwischen Romy & Alain noch einmal aufflammen.
Schon das Buchcover zieht mich magisch an. Voller Spannung beginne ich zu lesen.
Im Vorspann blickt der Autor auf die internationalen Filmfestspiele von Cannes 2019, bei denen Alain Delon für sein Lebenswerk geehrt wurde.

„Er will schon die Bühne verlassen, ist bereits ein paar Schritte gegangen, da macht Delon plötzlich kehrt und kommt noch einmal kurz zurück. Dann nennt er schließlich, neben dem Namen seiner früheren Lebensgefährtin, der französischen Schauspielerin Mireille Darc auch ihren Namen: „Je pense à Mireille et à Romy“ (Auszug aus dem Buch)

Der erste Teil des Buches beschäftigt sich mit der Kindheit und Jugend der beiden Schauspieler. Während Alain als Draufgänger und Rüpel von sich reden macht, wird Romy als Tochter eines Schauspielerehepaares frühzeitig in die Filmszene gebracht. Ihre Mutter Magda und der Stiefvater erkennen schnell, dass man mit dem reizenden Mädchen Geld verdienen kann.
Es muss für Romy ein Befreiungsschlag gewesen sein, als sie ihren Eltern entfliehen konnte und in Paris Alain Delon begegnete.
Im zweiten Teil des Buches geht der Autor auf diese große Liebe näher ein. Nach wenigen Jahren trennt sich das Paar.
Als sie 1969 in „Der Schwimmingpool“ wieder gemeinsam vor der Kamera stehen, entwickelt sich eine Freundschaft, die bis an Romys Lebensende andauern wird. Hierauf geht Thilo Wydra im dritten Teil des Buches ein. Im Abspann wirft er noch einen kurzen Blick auf Alain Delons Leben in der Gegenwart.
Das Buch ist reich bebildert. Viele Zeitzeugen kommen zu Wort, u.a. Senta Berger, Jane Birkin, Mario Adorf und Michael Verhoeven und berichten, wie sie das deutsch-französische Liebespaar erlebten. Außerdem geht der Autor auf alle Filmprojekte von Romy & Alain ein.
Die Geschichte ist romanartig und mitreißend geschrieben. Besonders Romys Lebensweg geht mir sehr nah. Sie ist warmherzig, lieb und romantisch, eine beeindruckende Frau, wird aber von vielen ihrer Mitmenschen nur ausgenutzt. Alle bedienen sich an ihrem Geld, für das sie hart und besessen arbeitet. Ich leide mit ihr und bin furchtbar traurig, dass sie einen Schicksalsschlag nach dem nächsten verkraften muss. Viel zu früh wird Romy aus dem Leben gerissen.
Dass es Alain ist, der sich schließlich nach ihrem Tod um alles kümmert, berührt mich sehr.
Am Ende des Buches bin ich mir sicher - es war eine große Liebe, wahrscheinlich für beide die Liebe ihres Lebens.
Eine bewegende Geschichte voller Aufs und Abs, die lange nachklingt und unvergesslich bleibt! Lesenswert!