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karo_liest

Bewertungen

Insgesamt 82 Bewertungen
Bewertung vom 15.08.2025
Dröscher, Daniela

Junge Frau mit Katze


gut

Ein Buch, das mich über weite Strecken eher erschöpft als berührt hat. Die Protagonistin Ela steht kurz vor der Verteidigung ihrer Doktorarbeit, als ihr Körper zunehmend streikt. Was folgt, ist eine intensive Auseinandersetzung mit Krankheit, Therapien, Selbstzweifeln und der Frage, wie man weitermacht, wenn der Körper nicht mehr mitzieht. Immer wieder kreist die Erzählung um medizinische Details, körperliche Symptome und psychische Belastung.

Das Ende ist versöhnlich, fast etwas zu glatt – tröstlich, ja, aber für mich nicht ganz im Einklang mit der Tiefe und Schwere des Weges dorthin. Vieles wirkt autobiografisch geprägt, was der Geschichte Authentizität verleiht, aber auch eine gewisse Eindringlichkeit, die nicht leicht zu lesen ist.

Die Autorin schreibt präzise und reflektiert, ihre Sprache hat Kraft. Wer sich für autofiktionale Literatur interessiert, in der es um Krankheit, Identität und den Druck des Funktionierens geht, wird hier sicher einiges entdecken können. Für mich persönlich war es keine einfache Lektüre – vielleicht einfach nicht der richtige Moment oder Zugang. Aber das ist ja das Spannende am Lesen: Was die einen überfordert, kann andere genau ansprechen.

Bewertung vom 28.07.2025
Hughes, Siân

Perlen


sehr gut

„Perlen“ von Siân Hughes ist ein stilles und doch kraftvolles Buch, das mich tief berührt hat.
In zarten, poetischen Bildern erzählt die Autorin die Geschichte von Marianne, deren Mutter eines Tages spurlos verschwindet. Der Roman begleitet Marianne auf ihrem Weg durchs Leben – durch Verlust, Trauer und die Suche nach einem Platz in der Welt. Dabei geht es weniger um das Finden eindeutiger Antworten als um das Verstehen der eigenen Gefühle und Erinnerungen.
Die Autorin schafft es meisterhaft, schwere Themen mit Leichtigkeit und Wärme zu erzählen. „Perlen“ ist ein bewegender Roman über Kindheit, Verlust und Hoffnung – und ein stiller Schatz für alle, die Geschichten lieben, die lange nachklingen.

Die Lektüre wurde 2023 auf die Longlist des Booker Prize gesetzt und 2024 für den Authors’ Club Best First Novel Award nominiert.

Sehr empfehlenswert!

Bewertung vom 28.07.2025
Sonnberg, Elena

Das Versprechen eines Sommertags


sehr gut

Die Sonne auf der Haut, das Zirpen der Zikaden in den Bäumen und der Duft reifer Orangen, Zitronen und Mandarinen in der Luft.

Elena Sonnberg schafft es, uns das in ihrem neuen Roman so zu vermitteln, dass wir uns direkt vor Ort fühlen: in einem kleinen, idyllischen Dorf auf Mallorca.
Auf dieser Insel nämlich spielt „Das Versprechen eines Sommertags“.

Worum geht’s?
Isabelle reist mit ihrer Familie auf die Insel, um dort die Goldene Hochzeit ihrer Eltern zu feiern. Es soll eine Auszeit werden, aber unter der sommerlichen Oberfläche zeigen sich Risse: Isabelles Ehe ist angespannt, der Alltag hat Spuren hinterlassen, und sie merkt, wie sehr sie sich selbst aus dem Blick verloren hat. Als ein Jugendfreund plötzlich wieder auftaucht, wird Isabelle mit Fragen konfrontiert, die sie lange zur Seite geschoben hat.

Ohne große Dramen erzählt der Roman sehr berührend von Veränderungen, alten Gefühlen, Verantwortung und der leisen Hoffnung, dass es nie zu spät ist, ehrlich zu sich selbst zu sein.

„Das Versprechen eines Sommertags“ ist eine wunderschöne Sommerlektüre, die ich innerhalb kürzester Zeit verschlungen habe - die 448 Seiten lassen sich nämlich richtig leicht und flüssig lesen.
Ich wollte einfach mal wieder eine Geschichte für zwischendurch, die mich in den Urlaub entführt, aber nicht flach ist. Und da kam dieses Buch gerade richtig. Es hat mich perfekt unterhalten.
Daher gibt’s von mir eine klare Leseempfehlung!

Bewertung vom 28.07.2025
Engelmann, Julia

Himmel ohne Ende


ausgezeichnet

Julia Engelmann kann nicht nur Poetry Slam – jetzt erzählt sie zum ersten Mal eine Geschichte. Und die geht ganz leise, aber tief unter die Haut.

Charlie ist zwischen Kindsein und Erwachsenwerden gefangen. Ihr Vater ist weg, ihre Mutter hat einen neuen Partner, und in der Schule läuft längst nicht alles rund. Selbst ihre beste Freundin distanziert sich, und dann verliebt sich ausgerechnet diese in den Jungen, den Charlie mag.

Der Sommer fühlt sich schwer an, bis Kornelius – genannt Pommes – in ihre Klasse kommt. Mit ihm kann Charlie wieder offen reden und spürt, dass sie nicht allein ist.

Der Roman ist schmerzlich schön – ehrlich und mit viel Herz erzählt, ohne zu dramatisch zu werden. Zwischen traurigen Momenten gibt es immer wieder auch humorvolle und lebensnahe Szenen, die das Ganze mit einer angenehmen Leichtigkeit tragen. Man möchte Charlie einfach in den Arm nehmen und ihr zeigen, dass alles gut wird. Es ist eine Geschichte über Selbstzweifel, Freundschaft und den Mut, sich auf Neues einzulassen. Ein stiller Roman voller Wärme und ehrlicher Gefühle, der lange nachklingt.

Bewertung vom 21.07.2025
Hauff, Kristina

Schattengrünes Tal


sehr gut

Wie gut kennst du die Menschen um dich herum wirklich?
Kristina Hauff nimmt uns in „Schattengrünes Tal“ mit in ein abgelegenes Dorf im Schwarzwald – ein Ort, an dem jeder jeden kennt. Oder zu kennen glaubt.

Worum geht’s konkret?
Lisa lebt mit ihrer Familie im Schwarzwald und arbeitet im Hotel ihres Vaters. Als eine fremde Frau zu Gast dort ist, verändert sich die Stimmung – im Dorf und in Lisas Umfeld. Was als Neuanfang wirkt, bringt alte Spannungen ans Licht und stellt vieles infrage.

„Schattengrünes Tal“ ist spannend und mitreißend erzählt – von der ersten Seite an gelingt es Kristina Hauff, eine dichte Atmosphäre aufzubauen, die einen regelrecht in die Geschichte hineinzieht. Die Figuren sind sehr plastisch gezeichnet, sodass man sie sich mühelos vorstellen kann – mit all ihren Ecken und Kanten. Besonders bleibt mir Daniela im Gedächtnis, wenn auch im negativen Sinn: Ihre Art ist extrem unangenehm, fast beängstigend.

Der Roman lebt stark von der Dynamik zwischen den Charakteren und der unterschwelligen Bedrohung, die sich nach und nach entfaltet.

Insgesamt ist die Lektüre ein intensives Leseerlebnis mit psychologischem Feingefühl und fesselnder Stimmung.
Lediglich das Ende wirkt auf mich etwas abrupt und lässt mich leicht unbefriedigt zurück – hier hätte ich mir mehr Tiefe oder einen runderen Abschluss gewünscht.

Bewertung vom 12.07.2025
Kloeble, Christopher

Durch das Raue zu den Sternen


ausgezeichnet

Durch das Raue zu den Sternen“ von Christopher Kloeble erzählt die Geschichte von Moll, einem 13-jährigen Mädchen, das mit dem plötzlichen Verschwinden ihrer Mutter ringt. Sie weigert sich, die Wahrheit ganz zuzulassen, und hält an der Hoffnung fest, ihre Mutter könnte auf irgendeine Weise zurückkommen – vielleicht durch die Kraft der Musik.

Moll bewirbt sich bei einem Knabenchor, obwohl sie dort als Mädchen eigentlich nichts verloren hat. Was zunächst wie ein kindlicher Trotz wirkt, wird schnell zu einer Suche nach Zugehörigkeit, Halt und Sinn. Der Chor wird für sie ein Ort der Herausforderung, aber auch des Wachstums.

Der Roman begleitet Moll auf einem stillen, oft wütenden, manchmal zärtlichen Weg durch Verlust, Erinnerung, Verdrängung und Selbstbehauptung.

Kein einfaches Buch – weder vom Thema noch von der Sprache her. Es verlangt Aufmerksamkeit und Mitdenken, weil vieles nicht direkt gesagt wird. Aber genau das macht es besonders. Wer sich darauf einlässt, wird mit einer intensiven und sehr feinfühligen Geschichte belohnt, die lange nachhallt.

Bewertung vom 11.07.2025
Suter, Martin

Wut und Liebe


ausgezeichnet

Noah ist ein junger Künstler, der sich gerade so über Wasser hält. Seine Freundin Camilla – ehrgeizig und voller Zukunftspläne – trennt sich von ihm, nicht aus Mangel an Gefühlen, sondern weil sie sich nach einem verlässlichen, finanziell stabilen Leben sehnt. Für Noah gerät alles aus dem Gleichgewicht. Um sie zurückzugewinnen, ist er zu allem bereit.
Als ihm eine wohlhabende ältere Dame ein zweifelhaftes Angebot macht, nimmt er es an – nicht ahnend, dass er sich damit in ein gefährliches Spiel aus Abhängigkeit, Moral und Selbstverlust verstrickt.

Wie immer schreibt Martin Suter mit Eleganz und feinem Gespür für Zwischentöne. Seine Figuren sind lebendig, glaubwürdig und mit psychologischer Tiefe gezeichnet. Ein fein gesponnener Roman über emotionale Abgründe, stille Manipulation und die Frage, wie weit man für die Liebe – oder die Angst, sie zu verlieren – zu gehen bereit ist.
Auch wenn „Wut und Liebe“ nicht die Wucht und Extravaganz früherer Romane besitzt, ist es doch ein unverkennbarer Suter – fein, durchdacht und präzise komponiert.
Ein Lesegenuss – klug, atmosphärisch und voller leiser Dramatik.

Bewertung vom 10.07.2025
Gerstberger, Beatrix

Die Hummerfrauen


sehr gut

Ann, Anfang 70, schweigsam, kantig, lebt allein mit einem Hummer als Haustier.
Julie, Mitte 50, laut, direkt, körperlich gezeichnet, innerlich nicht weniger verletzt.
Mina, Ende 20, still, wach, auf der Suche nach einem Platz, der sich wie ihrer anfühlt.

Drei Frauen, drei Leben, ein Ort an der rauen Küste von Maine in den USA. Sie treffen aufeinander in einem Moment der Umbrüche. Was entsteht, ist keine große Freundschaft, kein Lebenswandel mit Knalleffekt. Aber etwas Echtes. Etwas, das bleibt.

Beatrix Gerstberger erzählt zurückhaltend, mit großer Nähe zu ihren Figuren und einem tiefen Gespür für das, was Menschen mit sich herumtragen, ohne es auszusprechen. Die Sätze sind klar, ohne Schnörkel. Vieles bleibt zwischen den Zeilen – genau dort wirkt es nach.

Ich mochte die drei Protagonistinnen, aber es hat ein wenig gedauert, bis ich mit ihnen warm wurde. Ich mochte die Sprache, das Tempo, die Landschaft in dem Roman.
Aber ich habe auch gemerkt: Manches zieht sich. Einige Passagen verlieren sich, werden beinahe zu langsam. Aber vielleicht ist das genau so gewollt.

Am Ende kann ich sagen, dass ich das Buch gerne gelesen habe, auch wenn ich dafür relativ lange gebraucht habe und mir das Ende ein wenig zu offen erscheint.

Bewertung vom 10.07.2025
Sauer, Anne

Im Leben nebenan


sehr gut

„Im Leben nebenan” von Anne Sauer ist ein stiller, feinfühliger Roman über Entscheidungen, Verzicht und die Frage, wie viele mögliche Leben in einem Menschen stecken.
Erzählt wird von Antonia, deren Leben sich in zwei Richtungen entfaltet: als Mutter auf dem Land und als kinderlose Frau in der Stadt. Beide Varianten stehen nebeneinander, gleichwertig, ohne Bewertung – ein literarisches Gedankenspiel über die Vielschichtigkeit von Identität.

Der Schreibstil ist einfach und klar. Das Buch lässt sich schnell und leicht lesen. Anne Sauer findet genau die richtigen Worte, um die Stimmung und Gefühle der Figuren zu beschreiben, ohne zu viele Schnörkel. Dadurch ist die Geschichte ruhig, aber trotzdem spannend genug, um dran zu bleiben.

Was mich besonders beschäftigt hat, war die Frage: Was wäre gewesen, wenn? Obwohl ich Antonias Gedanken gut verstehen konnte, fiel es mir schwer, wirklich mit ihr mitzufühlen. Vielleicht soll das so sein. Der Roman zeigt eher, wie schwer es ist, sich selbst zu finden, wenn man zwischen verschiedenen Lebenswegen steht. Beide Leben sind nicht perfekt, sondern voller Zweifel und kleiner Verluste.

Wer eine klare Antwort oder ein eindeutiges Ende erwartet, wird hier nicht fündig. Der Roman lässt viel offen und regt zum Nachdenken an. Genau das macht ihn besonders und lässt ihn lange im Kopf bleiben.

“Im Leben nebenan” ist kein leichtes Wohlfühlbuch. Es stellt Fragen, die nicht einfach zu beantworten sind – und genau deshalb bleibt es im Gedächtnis.

Bewertung vom 30.03.2025
Haas, Wolf

Wackelkontakt


ausgezeichnet

Was für ein irritierendes Cover!
Wie gut, dass man den Schutzumschlag einfach entfernen und weit weg legen kann.

Aber was für eine großartige Geschichte!
Ich bin nur so durch die Seiten gerauscht.
Habe verfolgt, wie Franz Escher auf den Elektriker wertet, weil seine Steckdose einen Wackelkontakt hat. Habe erfahren, dass er währenddessen ein Buch über den Mafia-Kronzeugen Elio Russo liest.
Ich habe verfolgt, wie Elio im Gefängnis auf seine Entlassung wartet und um sein Leben fürchtet. Wie er aus Angst nachts wach bleibt und ein Buch liest – über Franz Escher der auf den Elektriker wartet.

Wolf Haas hat mich mit „Wackelkontakt“ richtig begeistert. Die Geschichte ist so crazy und so gut!
Das Buch habe ich spontan ausgeliehen bekommen. Und es war die perfekte Lektüre für mich. Kurzweilig, spannend, verrückt. Richtig gut!
Bisher kannte ich von Wolf Haas nur „Junger Mann“. Aber nun will ich unbedingt noch mehr von ihm lesen.

Wer „Wackelkontakt“ noch nicht kennt - unbedingt lesen! Und nicht Cover verrückt machen lassen.