Benutzer
Benutzername: 
karo_liest

Bewertungen

Insgesamt 85 Bewertungen
Bewertung vom 10.09.2025
Keweritsch, Katja

Das Flüstern der Marsch


ausgezeichnet

»Ein kraftvoller, generationenübergreifender Roman, der die Stärke und Verbundenheit von Frauen in den Mittelpunkt stellt und noch lange nachhallt.« Miriam Georg

Das hat mich sofort angesprochen. Noch dazu ein atmosphärisches Cover und das Marschland als Schauplatz.
Ich wollte den neuen Roman von Katja Keweritsch unbedingt lesen und wurde nicht enttäuscht.

Worum geht’s konkret?
Mona reist zum 80. Geburtstag ihres Opas in die Marsch, doch ihre Oma Annemie ist plötzlich verschwunden. Während Karl gelassen bleibt, beginnt Mona nach ihr zu suchen und stößt dabei auf lange verdrängte Geheimnisse der Familie. Im Verlauf des Sommers entdeckt sie, dass Annemie seit Jahrzehnten ein schmerzvolles Schweigen bewahrte, das das Leben aller bestimmt hat.

Der Roman beginnt mit dem mysteriösen Verschwinden von Oma Annemie und führt uns tief hinein in ein Netz aus Erinnerungen und Geheimnissen.
Dabei reisen wir immer wieder zurück in die Vergangenheit:
Annemie erzählt von den 1960er Jahren, Freya aus den 1990ern, und Mona und Janne bleiben mit uns in der Gegenwart. Diese verschiedenen Erzählebenen verweben sich zu einer Geschichte, die nie an Spannung verliert, sondern uns von Anfang an mitnimmt und uns bis zum Ende nicht mehr loslässt.

Die tollen Naturbeschreibungen, die die Marschlandschaft spürbar machen, runden diese tief berührende, tragische Geschichte perfekt ab.
Ich habe „Das Flüstern der Marsch“ richtig gerne gelesen und kann es euch wärmstens empfehlen.
Das Buch ist ideal für alle, die gerne emotionale, geheimnisvolle Familienromane mögen, verwoben mit wunderbar atmosphärischen Landschaftsbeschreibungen.

Bewertung vom 27.08.2025
Lühmann, Hannah

Heimat


sehr gut

Hannah Lühmanns „Heimat“ hat mich schnell gepackt. Die Geschichte beginnt relativ harmlos: Jana, Ende dreißig, zieht mit ihrem Mann und den beiden kleinen Kindern von der Stadt aufs Land. Dort lernt sie Karolin kennen, eine freundliche Nachbarin, überzeugte Tradwife und Mutter von fünf Kindern. Aus alltäglichen Gesprächen und gemeinsamen Nachmittagen entsteht langsam eine Verbindung, die Jana mehr verändert, als ihr selbst bewusst ist.

Erschreckend ist, wie still und unauffällig diese Veränderung geschieht. Niemand drängt sie mit Gewalt, es sind die kleinen Gesten, die ständige Wiederholung und das Gefühl von Gemeinschaft, die sie immer weiter in ein konservatives Rollenbild ziehen.

Der Autorin gelingt es, eine dichte Atmosphäre aufzubauen, in der das Alltägliche unmerklich in etwas Beunruhigendes kippt. Die Sprache ist reduziert, präzise und beobachtend, und gerade in dieser Zurückhaltung liegt die Stärke des Romans. Politische und gesellschaftliche Fragen werden nicht frontal gestellt, sondern zwischen den Zeilen verhandelt, was die Wirkung noch verstärkt.

Die klare, reduzierte Sprache macht die Geschichte glaubwürdig und beklemmend.
„Heimat“ ist ein ruhiges, atmosphärisches Buch, das zeigt, wie leicht man sich mitreißen lassen kann.
Einziger Kritikpunkt ist der Schluss. Ich bleibe nämlich etwas ratlos zurück, weil ich nicht genau weiß, was am Ende wirklich passiert ist.

Bewertung vom 20.08.2025
Georg, Miriam

Die Verlorene


ausgezeichnet

Änne, Ellen und Laura – Großmutter, Mutter und Tochter – stehen im Mittelpunkt von „Die Verlorene“ von Miriam Georg. Jede von ihnen trägt ihre eigenen Erinnerungen, Hoffnungen und unausgesprochenen Gefühle, die das Familienleben prägen. Laura spürt, dass es Dinge gibt, die ihre Familie verschweigt, und wird neugierig, die Geschichte ihrer Großmutter besser zu verstehen. Dabei stößt sie auf Briefe, alte Fotos und Erinnerungsstücke, die mehr über das Leben ihrer Familie verraten, als sie zunächst ahnt. Auf ihrer Spurensuche entdeckt sie nicht nur historische Zusammenhänge und Orte ihrer Familiengeschichte, sondern auch, wie eng Vergangenheit und Gegenwart miteinander verwoben sind.

Der Roman springt in einzelnen Kapiteln zwischen Gegenwart und Vergangenheit hin und her. Immer wieder reisen wir zurück in die 1940er Jahre.
Ab der ersten Seite war ich vollkommen in der Geschichte versunken. Miriam Georg gelingt es, historische Ereignisse mit einer sehr persönlichen Familiengeschichte zu verweben und dabei Figuren zu erschaffen, die einem richtig nahekommen. Und alles wirkt gerade deshalb so eindringlich, weil gezeigt wird, wie viel Macht das Ungesagte und Verschwiegenes in Familien haben kann. Diese leisen Zwischentöne berühren tief und lassen den Roman noch lange nachklingen.
„Die Verlorene“ ist ein sehr emotionales, bewegendes und beeindruckendes Buch, das ich sehr gerne weiterempfehle.

Bewertung vom 15.08.2025
Dröscher, Daniela

Junge Frau mit Katze


gut

Ein Buch, das mich über weite Strecken eher erschöpft als berührt hat. Die Protagonistin Ela steht kurz vor der Verteidigung ihrer Doktorarbeit, als ihr Körper zunehmend streikt. Was folgt, ist eine intensive Auseinandersetzung mit Krankheit, Therapien, Selbstzweifeln und der Frage, wie man weitermacht, wenn der Körper nicht mehr mitzieht. Immer wieder kreist die Erzählung um medizinische Details, körperliche Symptome und psychische Belastung.

Das Ende ist versöhnlich, fast etwas zu glatt – tröstlich, ja, aber für mich nicht ganz im Einklang mit der Tiefe und Schwere des Weges dorthin. Vieles wirkt autobiografisch geprägt, was der Geschichte Authentizität verleiht, aber auch eine gewisse Eindringlichkeit, die nicht leicht zu lesen ist.

Die Autorin schreibt präzise und reflektiert, ihre Sprache hat Kraft. Wer sich für autofiktionale Literatur interessiert, in der es um Krankheit, Identität und den Druck des Funktionierens geht, wird hier sicher einiges entdecken können. Für mich persönlich war es keine einfache Lektüre – vielleicht einfach nicht der richtige Moment oder Zugang. Aber das ist ja das Spannende am Lesen: Was die einen überfordert, kann andere genau ansprechen.

Bewertung vom 28.07.2025
Hughes, Siân

Perlen


sehr gut

„Perlen“ von Siân Hughes ist ein stilles und doch kraftvolles Buch, das mich tief berührt hat.
In zarten, poetischen Bildern erzählt die Autorin die Geschichte von Marianne, deren Mutter eines Tages spurlos verschwindet. Der Roman begleitet Marianne auf ihrem Weg durchs Leben – durch Verlust, Trauer und die Suche nach einem Platz in der Welt. Dabei geht es weniger um das Finden eindeutiger Antworten als um das Verstehen der eigenen Gefühle und Erinnerungen.
Die Autorin schafft es meisterhaft, schwere Themen mit Leichtigkeit und Wärme zu erzählen. „Perlen“ ist ein bewegender Roman über Kindheit, Verlust und Hoffnung – und ein stiller Schatz für alle, die Geschichten lieben, die lange nachklingen.

Die Lektüre wurde 2023 auf die Longlist des Booker Prize gesetzt und 2024 für den Authors’ Club Best First Novel Award nominiert.

Sehr empfehlenswert!

Bewertung vom 28.07.2025
Sonnberg, Elena

Das Versprechen eines Sommertags


sehr gut

Die Sonne auf der Haut, das Zirpen der Zikaden in den Bäumen und der Duft reifer Orangen, Zitronen und Mandarinen in der Luft.

Elena Sonnberg schafft es, uns das in ihrem neuen Roman so zu vermitteln, dass wir uns direkt vor Ort fühlen: in einem kleinen, idyllischen Dorf auf Mallorca.
Auf dieser Insel nämlich spielt „Das Versprechen eines Sommertags“.

Worum geht’s?
Isabelle reist mit ihrer Familie auf die Insel, um dort die Goldene Hochzeit ihrer Eltern zu feiern. Es soll eine Auszeit werden, aber unter der sommerlichen Oberfläche zeigen sich Risse: Isabelles Ehe ist angespannt, der Alltag hat Spuren hinterlassen, und sie merkt, wie sehr sie sich selbst aus dem Blick verloren hat. Als ein Jugendfreund plötzlich wieder auftaucht, wird Isabelle mit Fragen konfrontiert, die sie lange zur Seite geschoben hat.

Ohne große Dramen erzählt der Roman sehr berührend von Veränderungen, alten Gefühlen, Verantwortung und der leisen Hoffnung, dass es nie zu spät ist, ehrlich zu sich selbst zu sein.

„Das Versprechen eines Sommertags“ ist eine wunderschöne Sommerlektüre, die ich innerhalb kürzester Zeit verschlungen habe - die 448 Seiten lassen sich nämlich richtig leicht und flüssig lesen.
Ich wollte einfach mal wieder eine Geschichte für zwischendurch, die mich in den Urlaub entführt, aber nicht flach ist. Und da kam dieses Buch gerade richtig. Es hat mich perfekt unterhalten.
Daher gibt’s von mir eine klare Leseempfehlung!

Bewertung vom 28.07.2025
Engelmann, Julia

Himmel ohne Ende


ausgezeichnet

Julia Engelmann kann nicht nur Poetry Slam – jetzt erzählt sie zum ersten Mal eine Geschichte. Und die geht ganz leise, aber tief unter die Haut.

Charlie ist zwischen Kindsein und Erwachsenwerden gefangen. Ihr Vater ist weg, ihre Mutter hat einen neuen Partner, und in der Schule läuft längst nicht alles rund. Selbst ihre beste Freundin distanziert sich, und dann verliebt sich ausgerechnet diese in den Jungen, den Charlie mag.

Der Sommer fühlt sich schwer an, bis Kornelius – genannt Pommes – in ihre Klasse kommt. Mit ihm kann Charlie wieder offen reden und spürt, dass sie nicht allein ist.

Der Roman ist schmerzlich schön – ehrlich und mit viel Herz erzählt, ohne zu dramatisch zu werden. Zwischen traurigen Momenten gibt es immer wieder auch humorvolle und lebensnahe Szenen, die das Ganze mit einer angenehmen Leichtigkeit tragen. Man möchte Charlie einfach in den Arm nehmen und ihr zeigen, dass alles gut wird. Es ist eine Geschichte über Selbstzweifel, Freundschaft und den Mut, sich auf Neues einzulassen. Ein stiller Roman voller Wärme und ehrlicher Gefühle, der lange nachklingt.

Bewertung vom 21.07.2025
Hauff, Kristina

Schattengrünes Tal


sehr gut

Wie gut kennst du die Menschen um dich herum wirklich?
Kristina Hauff nimmt uns in „Schattengrünes Tal“ mit in ein abgelegenes Dorf im Schwarzwald – ein Ort, an dem jeder jeden kennt. Oder zu kennen glaubt.

Worum geht’s konkret?
Lisa lebt mit ihrer Familie im Schwarzwald und arbeitet im Hotel ihres Vaters. Als eine fremde Frau zu Gast dort ist, verändert sich die Stimmung – im Dorf und in Lisas Umfeld. Was als Neuanfang wirkt, bringt alte Spannungen ans Licht und stellt vieles infrage.

„Schattengrünes Tal“ ist spannend und mitreißend erzählt – von der ersten Seite an gelingt es Kristina Hauff, eine dichte Atmosphäre aufzubauen, die einen regelrecht in die Geschichte hineinzieht. Die Figuren sind sehr plastisch gezeichnet, sodass man sie sich mühelos vorstellen kann – mit all ihren Ecken und Kanten. Besonders bleibt mir Daniela im Gedächtnis, wenn auch im negativen Sinn: Ihre Art ist extrem unangenehm, fast beängstigend.

Der Roman lebt stark von der Dynamik zwischen den Charakteren und der unterschwelligen Bedrohung, die sich nach und nach entfaltet.

Insgesamt ist die Lektüre ein intensives Leseerlebnis mit psychologischem Feingefühl und fesselnder Stimmung.
Lediglich das Ende wirkt auf mich etwas abrupt und lässt mich leicht unbefriedigt zurück – hier hätte ich mir mehr Tiefe oder einen runderen Abschluss gewünscht.

Bewertung vom 12.07.2025
Kloeble, Christopher

Durch das Raue zu den Sternen


ausgezeichnet

Durch das Raue zu den Sternen“ von Christopher Kloeble erzählt die Geschichte von Moll, einem 13-jährigen Mädchen, das mit dem plötzlichen Verschwinden ihrer Mutter ringt. Sie weigert sich, die Wahrheit ganz zuzulassen, und hält an der Hoffnung fest, ihre Mutter könnte auf irgendeine Weise zurückkommen – vielleicht durch die Kraft der Musik.

Moll bewirbt sich bei einem Knabenchor, obwohl sie dort als Mädchen eigentlich nichts verloren hat. Was zunächst wie ein kindlicher Trotz wirkt, wird schnell zu einer Suche nach Zugehörigkeit, Halt und Sinn. Der Chor wird für sie ein Ort der Herausforderung, aber auch des Wachstums.

Der Roman begleitet Moll auf einem stillen, oft wütenden, manchmal zärtlichen Weg durch Verlust, Erinnerung, Verdrängung und Selbstbehauptung.

Kein einfaches Buch – weder vom Thema noch von der Sprache her. Es verlangt Aufmerksamkeit und Mitdenken, weil vieles nicht direkt gesagt wird. Aber genau das macht es besonders. Wer sich darauf einlässt, wird mit einer intensiven und sehr feinfühligen Geschichte belohnt, die lange nachhallt.

Bewertung vom 11.07.2025
Suter, Martin

Wut und Liebe


ausgezeichnet

Noah ist ein junger Künstler, der sich gerade so über Wasser hält. Seine Freundin Camilla – ehrgeizig und voller Zukunftspläne – trennt sich von ihm, nicht aus Mangel an Gefühlen, sondern weil sie sich nach einem verlässlichen, finanziell stabilen Leben sehnt. Für Noah gerät alles aus dem Gleichgewicht. Um sie zurückzugewinnen, ist er zu allem bereit.
Als ihm eine wohlhabende ältere Dame ein zweifelhaftes Angebot macht, nimmt er es an – nicht ahnend, dass er sich damit in ein gefährliches Spiel aus Abhängigkeit, Moral und Selbstverlust verstrickt.

Wie immer schreibt Martin Suter mit Eleganz und feinem Gespür für Zwischentöne. Seine Figuren sind lebendig, glaubwürdig und mit psychologischer Tiefe gezeichnet. Ein fein gesponnener Roman über emotionale Abgründe, stille Manipulation und die Frage, wie weit man für die Liebe – oder die Angst, sie zu verlieren – zu gehen bereit ist.
Auch wenn „Wut und Liebe“ nicht die Wucht und Extravaganz früherer Romane besitzt, ist es doch ein unverkennbarer Suter – fein, durchdacht und präzise komponiert.
Ein Lesegenuss – klug, atmosphärisch und voller leiser Dramatik.