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rapunzel xxl

Bewertungen

Insgesamt 293 Bewertungen
Bewertung vom 07.08.2025
Laabs, Laura

Adlergestell


gut

Ein vielversprechendes Debüt



Laura Laabs' Debütroman „Adlergestell“ ist ein leises, brüchiges Buch, und es verlangt von seinen Leser*innen Geduld, Empathie und vor allem: Bereitschaft zum Mitdenken.

Die Handlung setzt Anfang der 90er Jahre ein, spielt aber gleichzeitig in der Gegenwart – über Rückblenden und Erinnerungsfetzen entfaltet sich ein Mosaik aus Kindheit, Freundschaft und dem Auseinanderdriften von Lebenswegen. Der Plot ist dabei weniger linear als assoziativ: kurze Kapitel, Perspektivwechsel, Einschübe in schwarzer Schrift. Anfangs gewöhnungsbedürftig, später aber ein stimmiges Stilmittel, das die Zerrissenheit der Figuren und ihrer Zeit reflektiert.

Was das Buch so besonders macht, ist nicht unbedingt seine Handlung, sondern die literarische Verarbeitung dieser „Schwellenzeit“. Laabs beschreibt keine Heldinnenreise, sondern das leise Scheitern am Erwachsenwerden in einer Welt, die sich über Nacht verändert hat. Ihre Figuren sind kantig, manchmal unzugänglich – aber nie unglaubwürdig. Nicht alle Leser*innen werden sich mit ihnen anfreunden. Müssen sie auch nicht. Denn das Leben ist selten glatt, gerade wenn es aus Brüchen besteht.

Ja, es gibt inhaltliche Schwächen: Einige Nebenfiguren bleiben blass, manche Erinnerungssequenz kratzt eher an der Oberfläche, als dass sie in die Tiefe geht. Und doch ist es gerade dieses Fragmentarische, das so gut zur Thematik passt. Die Wende war kein sauberer Schnitt – sondern ein Flimmern zwischen Alt und Neu, das Laabs mit bemerkenswerter sprachlicher Sensibilität einfängt.

Bewertung vom 05.08.2025
Erdmann, Kaleb

Die Ausweichschule


ausgezeichnet

Ein stiller Aufschrei gegen ein lautloses System



Es gibt Bücher, die sich nicht aufdrängen – sie schleichen sich leise ins Denken und lassen einen nicht mehr so schnell los. „Die Ausweichschule“ von Kaleb Erdmann ist genau so ein Werk: unbequem, eindringlich und ehrlich.

Die Geschichte dreht sich um ein alternatives Schulsystem, das als „Ausweichlösung“ für Jugendliche mit besonderem Unterstützungsbedarf geschaffen wurde. Was zunächst wie eine soziale Maßnahme wirkt, entpuppt sich im Verlauf als beklemmendes Spiegelbild eines Bildungssystems, das Kinder und Jugendliche zu oft nach Schema F sortieren möchte – und dabei individuelle Bedürfnisse, Talente und Geschichten übergeht. Erdmann schreibt dabei mit einer Klarheit, die weder beschönigt noch übertreibt. Genau diese Zurückhaltung macht seine Kritik umso wirkungsvoller.

Als Leserin Mitte dreißig, selbst Mutter eines Schulkindes, fühlte ich mich oft unangenehm ertappt. Nicht, weil ich persönlich Teil des Systems bin – sondern weil ich es kenne, miterlebe und vielleicht manchmal zu still bleibe. Der Roman hat mich dazu gebracht, über Verantwortung nachzudenken – meine eigene, die der Gesellschaft, die der Schulen.

Was mir besonders gefiel, war die Perspektivführung: Die Jugendlichen bekommen eine Stimme, und was sie sagen, ist manchmal roh, manchmal still, aber immer echt. Ihre Geschichten sind nicht nur tragisch, sondern auch voller Kraft und Hoffnung. Erdmann gelingt es, sie nicht als Opfer zu zeichnen, sondern als Menschen, die in einem schwierigen Umfeld ihren Platz suchen. Und manchmal auch finden.

Natürlich ist das Buch keine leichte Kost. Es lässt sich nicht einfach nebenbei lesen. Die Sprache ist präzise, aber nie distanziert – ein schmaler Grat, auf dem der Autor sicher balanciert. Einige Passagen hallten noch Tage später in mir nach. Nur selten habe ich in einem Jugendroman so viel emotionale und politische Tiefe erlebt.

Fazit:
„Die Ausweichschule“ ist kein Buch, das Antworten liefert. Es stellt Fragen – und zwar genau die richtigen. Für Leserinnen, die bereit sind, sich auf gesellschaftliche Widersprüche, stille Verzweiflung und leise Hoffnung einzulassen, ist es eine lohnende Lektüre. Für Eltern, Pädagoginnen und politisch Interessierte fast schon Pflicht. Kein Wohlfühlbuch – aber eines, das aufrüttelt. Und manchmal brauchen wir genau das.

Bewertung vom 05.08.2025
Bach, Tamara

Jakob und Jelena


sehr gut

Kein klassisches Kinderbuch im Mainstream-Sinne

Als Mutter und begeisterte Leserin feinfühliger Kinderbücher bin ich Tamara Bachs „Jakob und Jelena“ mit einer gewissen Erwartung begegnet – und wurde überrascht: nicht von großen Wendungen oder witzigen Kapriolen, sondern von der stillen Kraft, die zwischen den Zeilen liegt.

Die Geschichte ist ruhig, beinahe unspektakulär. Jakob und Jelena – zwei Kinder, die sich kaum kennen – werden für ein Schulreferat zusammengespannt. Denn das Leben der beiden Kinder ist alles andere als einfach: Jelena fühlt sich allein, seit ihre beste Freundin nicht mehr da ist. Jakob kämpft mit Selbstzweifeln und fühlt sich unverstanden. Und dann ist da noch Lotte – eine Nebenfigur mit Tiefe, deren Schicksal mich als Erwachsene besonders bewegt hat. Was daraus entsteht, ist keine klassische Freundschaftsgeschichte, sondern ein leises Herantasten, geprägt von Unsicherheit, kleinen Gesten und echtem Interesse. Und genau das ist es, was das Buch so besonders macht.

Tamara Bach schreibt klar, bewusst reduziert und mit viel Raum für Gedanken. Ihre Sprache wirkt manchmal fast poetisch, obwohl die Sätze kurz sind. Dieses langsame Erzähltempo passt wunderbar zur inneren Entwicklung der Figuren – verlangt aber auch Geduld und Aufmerksamkeit, besonders bei jüngeren Leser*innen.

„Jakob und Jelena“ ist kein Buch, das laut schreit – es flüstert. Und wer genau hinhört, wird belohnt mit einer klugen, feinfühligen Geschichte über Annäherung, Anderssein und das Wagnis, jemanden kennenzulernen. Kein klassisches Kinderbuch im Mainstream-Sinne – aber ein wunderbarer Text für ruhige Stunden und Gespräche danach. Ideal für Kinder ab ca. 9 Jahren, die sich auch auf Zwischentöne einlassen können.

Bewertung vom 02.08.2025
Slaughter, Karin

Dunkle Sühne / North Falls Bd.1


ausgezeichnet

Krass

Es gibt Autorinnen, die schaffen es, mich jedes Mal wieder von der ersten Seite an in ihren Bann zu ziehen – Karin Slaughter gehört definitiv dazu. „Dunkle Sühne“ ist ein weiterer Beweis dafür, wie meisterhaft sie Spannung, komplexe Figuren und emotionale Tiefe miteinander verwebt.

Die Handlung knüpft an bekannte Charaktere an, und wie so oft gelingt Slaughter der Balanceakt zwischen psychologischer Tiefe und knallharter Spannung. Gewalt, Schuld, Verrat und das mühsame Ringen um Gerechtigkeit stehen im Mittelpunkt – Themen, die hier nicht nur als Plot-Elemente dienen, sondern auf menschlicher Ebene durchleuchtet werden.

Besonders stark fand ich die Figurenzeichnung: Protagonist:innen, die nicht makellos sind, sondern kantig, verletzlich, widersprüchlich – und gerade deshalb so glaubwürdig. Jede ihrer Entscheidungen hat Gewicht, jede Begegnung einen emotionalen Nachhall. Slaughter zwingt uns, hinzusehen, auch wenn es unangenehm wird.

Sprachlich bleibt sie ihrem Stil treu: direkt, ohne Umschweife, aber immer mit einem Blick für die kleinen Details, die eine Szene lebendig machen. Die Spannung ist weniger ein Dauerfeuerwerk als ein stetig steigender Druck – bis zum unvermeidlich intensiven Finale.

Mich hat „Dunkle Sühne“ nicht nur als Thriller gepackt, sondern auch auf einer emotionalen Ebene bewegt: die Frage, wie weit Menschen gehen, um alte Wunden zu heilen – und welchen Preis sie dafür zahlen.

Fazit:
Ein fesselnder, vielschichtiger Thriller, der mehr ist als nur Nervenkitzel. Karin Slaughter liefert eine Geschichte, die unter die Haut geht – und dort bleibt.

Bewertung vom 30.07.2025
Hauff, Kristina

Schattengrünes Tal


ausgezeichnet

Ein melancholisches, aber lohnenswertes Leseerlebnis.

Als ich „Schattengrünes Tal“ von Kristina Hauff begann, fühlte ich mich sofort in die Atmosphäre des verfallenden Hotels „Zum alten Forsthaus“ hineinversetzt. Die Geschichte um Lisa, die erwachsene Tochter des Besitzers, und die rätselhafte Fremde Daniela, die sich im Hotel einquartiert, zieht einen von der ersten Seite an in ihren Bann. Hauff gelingt es meisterhaft, eine düstere, fast unheimliche Stimmung zu erschaffen, die sich wie ein Schleier über das gesamte Tal legt.

Besonders berührt hat mich die Beziehung zwischen Lisa und ihrem Vater Carl. Die unausgesprochenen Konflikte, die verletzten Gefühle und die Sehnsucht nach Anerkennung sind so realistisch dargestellt, dass ich mich oft fragte: Wie weit würde ich gehen, um die Liebe meiner Familie zu gewinnen? Lisas innere Zerrissenheit zwischen Pflichtgefühl und dem Wunsch nach einem eigenen Leben ist schmerzlich nachvollziehbar. Auch die Ehe mit Simon wirkt authentisch – eine Mischung aus Vertrautheit und Entfremdung, die viele von uns kennen dürften.

Daniela, die scheinbar harmlose Fremde, ist eine faszinierende Figur. Anfangs sympathisch und verletzlich, entwickelt sie sich zu einer undurchsichtigen, fast bedrohlichen Präsenz. Die Art, wie sie sich in Lisas Leben und das Hotel drängt, lässt einen unweigerlich misstrauisch werden. Ist sie wirklich nur eine Suchende, oder verfolgt sie ein geheimes Ziel? Die subtilen Andeutungen und die langsam eskalierende Spannung halten einen bis zur letzten Seite gefangen.

Der Schwarzwald als Schauplatz ist perfekt gewählt. Die Beschreibungen der Natur – die kahlen Äste, der frostige Herbstwind, die dunklen Schatten im Tal – verstärken das Gefühl der Isolation und des drohenden Unheils. Das Hotel selbst wirkt wie eine eigene Figur: ein Ort voller Erinnerungen, Geheimnisse und ungelöster Konflikte. Die düstere, fast gothic-artige Stimmung erinnert an Klassiker wie Daphne du Maurier, allerdings mit einem modernen, psychologischen Twist.

Einziger Wermutstropfen: Die Handlung verläuft stellenweise etwas langsam, besonders in der Mitte des Buches. Manche Wendungen wirken vorhersehbar, und ich hätte mir gewünscht, dass bestimmte Charaktere (wie Simon oder Margret) noch tiefer ausgeleuchtet worden wären. Dennoch bleibt die Geschichte packend, vor allem dank Hauffs einfühlsamer Sprache und ihrer Fähigkeit, zwischenmenschliche Abgründe auszuloten.

„Schattengrünes Tal“ ist ein fesselnder Roman über Familie, Identität und die dunklen Seiten der Vergangenheit. Kristina Hauff schafft es, eine beklemmende Atmosphäre mit emotionaler Tiefe zu verbinden – eine Lektüre, die noch lange nachhallt. Wer Geschichten mag, in denen sich psychologischer Realismus mit einem Hauch Unheimlichkeit mischt, wird dieses Buch lieben.

4,5 von 5 Sternen – Ein melancholisches, aber lohnenswertes Leseerlebnis.

Bewertung vom 30.07.2025
Feldmann, Regina

Einfach Weike - Nicht perfekt, aber genau richtig


ausgezeichnet

Ein leises, kluges Kinderbuch

„Einfach Weike“ ist ein leises, kluges Kinderbuch, das Mut macht, sich selbst treu zu bleiben, auch wenn man noch nicht so genau weiß, wer man eigentlich ist.

Weike zieht mit ihren Eltern von Berlin aufs Land – und der Neuanfang fällt ihr alles andere als leicht. Zwischen glitzernden „Angels“ mit Tanzleidenschaft und den eher ruhigen, bodenständigen Mitschüler:innen Hinnerk und Tuba muss sie ihren Platz finden – und am wichtigsten: sich selbst.

Regina Feldmann gelingt es, wichtige Themen wie Freundschaft, Gruppenzwang, Selbstzweifel und Selbstfindung kindgerecht und empathisch aufzugreifen, ohne zu belehren. Die Geschichte fühlt sich nie schwerfällig an, auch wenn ernste Dinge mitschwingen. Weikes Ich-Erzählerinnenstimme ist lebendig, direkt und oft herrlich humorvoll – genau das, was Kinder ab etwa 9 Jahren brauchen, um sich wiederzuerkennen und gleichzeitig neue Perspektiven einzunehmen.

Die Illustrationen von Laura Rosendorfer sind charmant, schlicht, aber wirkungsvoll – sie begleiten den Text auf unaufdringliche, liebevolle Weise.

Ein starkes Kinderbuch, das leise klingt, aber lange nachhallt. „Einfach Weike“ ermutigt junge Leser:innen, sich nicht verbiegen zu lassen, sondern die eigene Stimme zu finden. Und genau das wünsche ich jedem Kind auf dem Weg ins Ich.

Bewertung vom 28.07.2025
Maschik, Anna

Wenn du es heimlich machen willst, musst du die Schafe töten


sehr gut

Ungewöhnliche Zitrone

Anna Maschiks Debütroman ist keine große Familienepik im klassischen Sinne, sondern ein feinfühliger, ungewöhnlich erzählter Roman über vier Generationen von Frauen – verbunden durch Schweigen, Bitterkeit und die leise Sehnsucht, es anders zu machen. Maschik erzählt fragmentarisch und poetisch, mit einem ganz eigenen Ton. Vielmehr sind es Bruchstücke, Momentaufnahmen, Gefühlsfragmente, die zusammen ein komplexes Bild ergeben – das Bild einer weiblichen Familienlinie, die mehr durch Schweigen als durch Worte miteinander verbunden ist. Die Urenkelin Alma versucht zu verstehen, was zwischen ihrer Mutter, Großmutter und Urgroßmutter unausgesprochen blieb.

Die Zitrone – als Motiv immer wiederkehrend – ist dabei nicht nur hübsches Coverelement, sondern ein leiser Begleiter durch die generationsübergreifenden Konflikte: sauer, frisch, bitter, heilend. So wie das Leben selbst.

Es ist kein einfacher Familienroman, sondern eine stille Einladung, die eigene Geschichte zwischen den Zeilen zu entdecken.

Bewertung vom 27.07.2025
Schojer, Nadine

Downhill Dreams


sehr gut

Tolle Geschichte

Als Frau Anfang 30 hat man vielleicht nicht mehr den Nervenkitzel eines ersten Snowboard-Rennens im Blut – aber das Herz schlägt dennoch schneller, wenn man ein Buch wie Downhill Dreams in die Hand nimmt. Nadine Schojer verbindet sportliche Leidenschaft mit tief empfundenen Emotionen, familiären Herausforderungen und dem Kampf, seinen eigenen Weg zu gehen – auch wenn der Hang steil, eisig und manchmal einsam ist.

Inhaltlich begleitet man die junge Protagonistin – eine talentierte Snowboarderin –, die nicht nur auf der Piste Höchstleistungen bringen muss, sondern auch im Leben. Sie ringt mit Druck von außen, mit Selbstzweifeln, Verletzlichkeit und Hoffnung. Die Geschichte zeigt authentisch, wie schmal der Grat zwischen Ehrgeiz und Überforderung sein kann – besonders als Frau in einer männerdominierten Szene. Und doch ist sie mehr als nur ein „Sportroman“: Downhill Dreams erzählt von Träumen, von Angst, vom Mut weiterzumachen – und vom Loslassen, wenn es nötig ist.

Sprachlich ist das Buch direkt, mit jugendlicher Energie, aber auch mit Tiefgang. Es liest sich leicht, aber nicht belanglos. Wer mit Herz liest, wird zwischen den Zeilen viel mehr entdecken als nur eine Liebesgeschichte oder ein sportliches Drama.

Das Buch hat mich daran erinnert, wie es sich anfühlt, wenn man noch ganz nah an seinen Zielen lebt – und was es heißt, sich immer wieder neu zu definieren, auch wenn man mal stürzt. Ein Roman über Frauenpower, Freiheit und den Mut zur Verletzlichkeit.

Bewertung vom 27.07.2025
Doughty, Louise

Deckname: Bird


sehr gut

Stark

In „Deckname Bird“ entwirft Louise Doughty ein psychologisch dichtes Porträt einer Frau im britischen Geheimdienstmilieu. Es ist ein stiller, intelligenter Spionageroman, der weniger auf Action, sondern mehr auf psychologische Spannung setzt.

Im Mittelpunkt steht eine Frau im britischen Geheimdienst – kühl, brillant, kontrolliert. Doch als ein Fehler alles ins Wanken bringt, muss sie nicht nur fliehen, sondern sich auch ihrer eigenen Identität stellen. Wer ist man, wenn man jahrelang jemand anderes war?

Die Autorin seziert präzise Themen wie Loyalität, weibliche Stärke im System und die Einsamkeit des Doppellebens. Die Sprache ist klar, oft nüchtern – doch zwischen den Zeilen entfaltet sich eine intensive emotionale Tiefe.

Kein klassischer Thriller – aber ein atmosphärisch dichtes, kluges Porträt über das Menschsein im Schatten von Macht und Geheimhaltung. Bleibt im Kopf – und im Herzen.

Bewertung vom 21.07.2025
Konishi, Masateru

Die Bibliothek meines Großvaters


ausgezeichnet

Ein Buch wie eine Erinnerung

Ich liebe gute Geschichten – besonders die, die nachhallen. „Die Bibliothek meines Großvaters“ ist so ein Buch. Eines, das nicht schreit, sondern flüstert. Das sich nicht aufdrängt, sondern dich einlädt – mit leiser Stimme, einem Lächeln und einem alten Buch in der Hand.

Dieses leise Band zwischen dem Opa und der Enkelin, das oft nur durch kleine Gesten, geteilte Rituale und Erinnerungen spürbar wird – hier ist es greifbar. Kaedes Großvater, der trotz Demenz noch scharf kombinieren kann, ist keine tragische Figur, sondern ein fein gezeichneter Mensch mit Würde, Witz und Weisheit.

Und dann sind da die Kriminalrätsel. Keine brutalen Thriller, sondern feinsinnige, fast nostalgische Fälle, wie aus einer anderen Zeit. Man spürt in jeder Seite den Respekt vor klassischer Kriminalliteratur – Agatha Christie, Poe, Carr – aber auch die tiefe Liebe zu Büchern, zu Sprache, zu Bedeutung. Die Struktur erinnert an kleine Puzzlestücke, jedes Kapitel wie ein Blatt im Wind, das sich langsam zu einem Bild fügt.

Was mich am meisten berührt hat, war die Stimmung: diese Mischung aus Melancholie, Zärtlichkeit und kluger Beobachtung. Die Art, wie Erinnerungen verschwimmen, wie Sprache plötzlich trösten kann – und wie Literatur nicht nur Geschichten bewahrt, sondern auch Beziehungen.

Die Sprache ist zurückhaltend, fast meditativ. Und ja, man muss sich auf diesen Ton einlassen. Wer Tempo und Nervenkitzel sucht, wird hier nicht fündig. Aber wer bereit ist, leise zu lesen, zwischen den Zeilen zu fühlen – der wird reich belohnt.


Das ist ein stilles Meisterwerk über Familie, Gedächtnis, Geschichten und Bücher – und über das, was bleibt, wenn vieles schon zu verschwinden beginnt. Für mich ein Herzensbuch. Nicht laut, nicht spektakulär – aber wunderschön. Und genau das macht es so wertvoll.