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Ventus

Bewertungen

Insgesamt 4 Bewertungen
Bewertung vom 07.04.2022
Unsere Überlebensformel
Eberl, Ulrich

Unsere Überlebensformel


sehr gut

Innovative Lösungen gibt es eine Menge, aber das reicht noch nicht.

Die Welt steht heute vor einer ganzen Reihe nie dagewesener Herausforderungen. Sachlich fundierte Bücher, die aufklären, mit welchen existenziellen Problemen wir es hier zu tun haben und wie wissenschaftlich basierte Lösungen dazu aussehen könnten, sind daher unverzichtbar. Meist behandeln solche Sachbücher ausgewählte Themen wie den Klimawandel, die Umweltverschmutzung oder andere. Nicht so bei U. Eberl: Er geht in seinem Buch neun zentrale Menschheitskrisen auf einmal an. Ein solches Buch, das für jedes einzelne der komplexen Sachgebiete nur 50 Seiten Raum für Analyse und die Lösungsformel lässt, ist ein äußerst mutiges Unterfangen. Ob es angesichts des Umfangs der Themen ein gangbarer Weg ist, soll hier kritisch hinterfragt werden.

Vorweg: Eine wissenschaftliche Lösungsformel für die von Eberl behandelten Themen gibt es nicht, weder eine Strategie für alle noch für einzelne Themen wie Umwelt oder die Klimakrise. Dazu ist die moderne Welt zu komplex. Das weiß auch der Autor. Was kann uns das Buch also lehren?

Ich schicke voraus, dass ich das vorliegende Buch von Eberl sehr zur Lektüre empfehle. Ich attestiere Buch und Autor, dass der Leser in die Problemfelder auf sachlich hohem Niveau eingeführt wird und ihm moderne Forschungsfelder gut verständlich nahegebracht werden. Eberl ist promovierter Biophysiker. In Technologie- und Forschungsfragen aus der Welt der Physik und Biotechnik. allgemein ist er ein unbestreitbarer Fachmann, der das notwendige Wissen mitbringt, das der Leser hier erwarten darf.

Eberl erweist sich als ein optimistisch in die Zukunft blickender Denker, der seine Leser überzeugen will, dass die Aufgaben der Menschheit lösbar sind, wenn wir das nur wirklich wollen. Zahlreiche Technologien seien bereits heute entwickelt und verfügbar und müssten nur breit angewendet werden. So schreibt er: „Wir haben unsere Überlebensformel selbst in der Hand – machen wir uns an die Arbeit!“ (S.375). Aber warum macht der Mensch das oft nicht? Was hindert uns daran? Haben wir auch darauf eine Antwort?

Wissenschaftsautoren, zu denen auch ich gehöre, gehen die Frage einer möglichen Bewältigung unserer Zukunft von einer weiteren Seite an, etwa, indem gesellschaftliche, politische, wirtschaftliche, psychologische, soziopsychologische und evolutionäre Hürden der Menschheit in den Mittelpunkt gestellt werden, und zwar einschließlich der notwendigen gesellschaftlichen Transformationen, vor denen wir stehen. Diesen Wissenschaftsfeldern widmet Eberl sein abschließendes Kapitel (S. 353-367).
Ich möchte den Leser darauf hinweisen, dass beide großen Wissenschaftsperspektiven, die naturwissenschaftlich-technologische, wie die sozio-kulturelle in gleichem Maß erforderlich sind, um zu fundierten Aussagen über die Gestaltbarkeit unserer Zukunft zu gelangen. Wissenschaft ist nicht nur Naturwissenschaft. Wissenschaft muss sich auch intensiv damit auseinandersetzen, warum wir seit mehr als 50 Jahren wissen, dass Emissionen das Klima erwärmen, und dass der CO2-Ausstoß dennoch bis heute ungehindert nach oben zeigt. Oder warum ist es nach wie vor so, dass Wälder im großen Stil abgeholzt werden, wissend, dass das unser Überleben auf dem Planeten gefährdet? Und wie könnten wir das überhaupt ändern? Die Lösungsformel kann hier nicht allein heißen: „Stopp von Rodungen, insbesondere in den Tropen“, verbunden mit einem „globalen Fonds für Regenwälder, Moore und Korallenriffe“, wie ihn Eberl fordert (S. 370-371). Eine solche Aufforderung gibt es seit Jahrzehnten. Sie ist notwendig aber keineswegs hinreichend. Ähnliches gilt für andere Krisen im Buch. Tatsächlich nehmen wir die meisten Krisen ja noch immer nicht gebührend wahr. Sie sind zu abstrakt, sowie örtlich und zeitlich zu weit weg. Der Fachmann spricht hier von psychologischer Distanz und mentaler Abstraktion. Wie geht man aber mit solchen und anderen Wissenschaftserkenntnissen um? Was tragen sie bei?

Das B

Bewertung vom 01.01.2021
Zum Glück gibt's Oma und Opa. Wie Großeltern Familien stärken und fördern können
Zwenger-Balink, Brigitte

Zum Glück gibt's Oma und Opa. Wie Großeltern Familien stärken und fördern können


ausgezeichnet

Dieses Buch ist ein Glücksfall: eine beratende Hilfe, die sich liest, dass man Freude daran hat. Eine Familie mit Großeltern, erwachsenen Kindern und Enkeln, mit fünf oder noch mehr Menschen, jeder mit seinen eigenen Vorlieben und Erziehungsvorstellungen, ist nicht immer eine leichte Sache. Brigitte Zwenger-Balink hat viele Jahre Erfahrungen in der praktischen Beratung solcher Familien. Sie packt das Thema bei den schönen Seiten an, veranschaulicht dem Leser, wie sehr Enkel das Leben bereichern, wie wundervoll es ist, dass neues Lebensglück hinzukommt, das nicht einmal zu ahnen war. Sie lässt Großeltern erzählen, wie es ist, wenn die Oma ihre Enkelin ins Bett bringen darf, wie belastend es für den Bub ist, wenn er in der Schule durchgefallen ist und sich nicht getraut, es seinen Eltern zu sagen. Also gesteht er es zuerst dem Opa, dann findet sich eine gemeinsame Lösung. Es geht in diesem Buch immer um Lösungen, die gemeinsam gefunden werden, auch mit größeren Enkeln, auch mit getrennten Familien. Lösungen finden sich im Gespräch, mit Fragen, mit Zuhören und Offenheit.

Das Buch ist geschmeidig geschrieben in der Art, wie es die versteckten Herausforderungen der Beteiligten anpackt und in der Art, wie es etwa Großeltern im O-Ton erzählen lässt. (Manchmal mag man alle O-Ton-Abschnitte nacheinander lesen.) Hinzu kommen Kästchen mit Tipps zum Merken; auch sie sind Stützen für ein leichtes, harmonisches Miteinander. Aussagestarke Zeichnungen der Enkel der Autorin bereichern das Gesagte. Weiterführende Literatur- und Internettipps sowie Ansprechstellen helfen Eltern und Großeltern in kniffligen Situationen weiter, auch in Österreich und der Schweiz.

Alles in allem ein ganz ausgezeichnetes Buch! In einem auszeichnungsverdächtig verständlich flüssigen Schreibstil und mit sehr klarer Struktur ist es mitten aus dem Leben verfasst. Ich hätte mir noch ein Sachregister gewünscht zum schnellen Auffinden, etwa von „erster Schultag“ oder „ins Bett bringen“, aber man findet, was man sucht, wenn man es will.

Dr. Axel Lange, München

Bewertung vom 13.06.2020
Künstliche Intelligenz / 33 Fragen - 33 Antworten Bd.3
Eberl, Ulrich

Künstliche Intelligenz / 33 Fragen - 33 Antworten Bd.3


ausgezeichnet

Dieses Buch wird Ihr Interesse an KI so richtig wecken!

Umfangreiche Bücher mit hunderten Seiten mögen spannend und manchmal nobelpreiswürdig sein. Eine andere, nicht weniger bewundernswerte Kunst ist jedoch, umfassendes Wissen in komprimierter Form zu präsentieren. Tatsächlich existiert heute über das Potential von KI und Robotern ein breites Spektrum von Buchtiteln. Doch der moderne Leser möchte vor allem schnelle, aber fachlich korrekte Antworten auf ganz grundlegende Fragen wie: Können Maschinen kreativ sein und können sie ein Bewusstsein haben? Wird KI unseren Alltag revolutionieren? Wird der Krieg der Zukunft von Robotern entschieden? Eberl liefert das gewünschte Wissen. Knapper und gleichzeitig informativer geht das nicht.

Das Büchlein ist leicht zu lesen und liegt von der Idee und Aufmachung, schwierige Fragen klar und kurz zu beantworten, stark im Trend. Der Autor ist ein anerkannter Fachmann auf seinem Gebiet und verfügt über ein internationales Netzwerk im Kreis der Top-Player der KI- und Roboterwelt, vom Silicon Valley über Europa bis Japan. Als Leser riskieren Sie, dass Ihr Interesse an KI bei der Lektüre des kleinen Büchleins erst wirklich geweckt wird. Sie können dann Ihren gesteigerten Wissenshunger auch noch mit dem umfangreicheren Buch Smarte Maschinen von Eberl stillen.

Ich gebe ohne Zögern und gerne 5 Sterne in allen Aspekten für das neue, brillante Büchlein von Eberl.

Bewertung vom 07.09.2017
Darwins Erbe im Umbau (eBook, PDF)
Lange, Axel

Darwins Erbe im Umbau (eBook, PDF)


sehr gut

Verbreitet ist die Meinung, dass im Rahmen der Synthetischen Evolutionstheorie alles zum Thema Evolution gesagt sei. Mit "Darwins Erbe im Umbau", jetzt als eBook-Auflage, liegt ein Buch vor, das die Lücken der Evolutionstheorie offenlegt, das im deutschen Sprachraum überfällig war, und das ich jedem Interessierten ans Herz legen möchte. Der Neodarwinismus hat die Bedeutung der Embryologie und der Umwelt für das Verständnis der Evolution vollständig negiert, weil man bis jüngst ein zu starres Bild von der Wirkung von Genen hatte. Die Embryonalentwicklung rückt unter dem Acronym EvoDevo (Evolutionary Developmental Biology) in den Mittelpunkt heutiger Evolutionsforschung.

Beim Überfliegen vermittelt das Buch fast etwas Patchworkartiges, ein wohl vom Autor beabsichtigter Präsentationstrick, der einen immer wieder zum Weiterschmökern anregt. Der Text ist in lockerer, lebendiger Sprache gehalten, bedient sich vieler Originalzitate, die in Kursivschrift eingeschoben sind, und belebt mit vielen sachlichen oder biografischen Details. Die Abbildungen sind übersichtlich, gelegentlich sogar spektakulär.

Teil A befasst sich mit der gültigen Lehrbuch-Evolutionslehre, also mit Darwin und wie daraus der sogenannte Neodarwinismus entstanden ist. Bei dieser Theorie wird neben der Mutation einzig die positive Selektion von Individuen mit den fittesten Eigenschaften (survival of the fittest) als evolutionäre Triebfeder verstanden, zwei Prozessen, die sich statistisch auf der Populationsebene mit der Herausbildung neuer Arten manifestiert. Der Autor ist immer redlich bemüht, verschiedene Positionen fair einander gegenüber zu stellen. So legt ein neuer statistisch-mathematischer Ansatz nahe, dass Evolution wohl auch ohne Selektion fortschreiten könnte (M. Lynch). Ebenso wird die dem Neodarwinismus zugrundeliegende Annahme eines gleichmäßigen Fortschritts (Gradualismus) durch die Punktualismus-Debatte (insb. S. Gould) hinterfragt.

Der Teil B stellt das Kernstück des Buches dar. Hier wird eine wesentliche Lücke der "Synthese" aufgedeckt, auf die namhafte Embryologen über das ganze letzte Jahrhundert hinweg hingewiesen hatten, jedoch nicht gehört wurden, die aber von Molekulargenetikern nun zu einem nicht mehr negierbaren Feld der Evolutionsforschung gemacht haben: Diese Lücke war, dass sich die Synthesis keine Gedanken gemacht hatte, wie neue variante Formen in diese Welt kommen, und somit neue Arten entstehen können. Bei EvoDevo geht es um das Thema "Arrival of the fittest", nicht mehr um "Survival of the fittest". Dass sich die Synthesis so erfolgreich über die Embryologie hinwegsetzen konnte, hatte mit einem völlig verfehlten Genverständnis zu tun.

In Teil B werden Vertreter von EvoDevo vorgestellt. Einige Forscher haben 2008 Lücken der Synthese erörtert. Lange macht deutlich, dass Strukturformen im Phänotyp, etwa die Zehen von Wirbeltieren, rein genetisch nicht erklärt werden können. Vielmehr werden hierfür Turing-Modelle auf Zellebene herangezogen.

Teil C beleuchtet den "Unterbau", die Evolutionstheorie aus Sicht moderner Wissenschaftstheorie. Beschränkungen durch reduktionistische Forschung sowie durch eine immense Komplexität des Themas Evolution werden diskutiert.

Lange legt somit ein wichtiges Buch vor. Die Bedeutung der molekularen Entwicklungsbiologie für die Entstehung von EvoDevo-Denken bleibt mir ein wenig unterbelichtet. Diesbezüglich hätte ich auch die Abfolge der Themen etwas anders vollzogen. Das Buch orientiert sich sehr stark am Altenberg-16-Bericht; einige wichtige Vorläufer von EvoDevo-Denken bleiben unberücksichtigt, wie z.B. Goldschmidt oder die Gutmann-Schule. Hin und wieder werden Fachbegriffe als bekannt vorausgesetzt, was für Nichtbiologen schwierig werden kann.

Insgesamt bewerte ich diese kleinen Mängel als unerheblich im Vergleich zur Bedeutung dieses Werkes. Ich wünsche daher diesem Buch eine weitere gute Verbreitung.

Paul G. Layer, Professor (i.R.) für Entwicklungsbiologie und Neurogenetik.

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