Ich bin 32 Jahre alt, arbeite im Verlagswesen und bin zugezogen aus dem beschaulichen Sauerland. Ich lese alle Genres querbeet - nur mit Erotik und reiner Romantik kann ich nicht viel anfangen ... Für Empfehlungen bin ich jederzeit offen :)
Katarina Shaw und Heath Rocha lernen den Eiskunstlauf gemeinsam kennen und lieben. Mittellos und ohne nennenswerten Rückhalt in der Familie schaffen Sie es aber nur durch ihr Talent und pures Glück in die heiligen Hallen des Elitesports in L. A. Es beginnt eine wilde Fahrt durch mehrere Generationen von Elite-Eiskunstläufer*innen und Skandale, die den Profisport durchziehen.
Ich bin weder eine große Freundin des Eissports, noch ein Fan dramatischer Liebesgeschichten und deswegen nur durch blanken Zufall auf dieses Buch gestoßen – und Heidewitzka, hat es mich von den Füßen geholt. Innerhalb weniger Tage habe ich es durchgeschmökert und letzte Nacht bis 2:30 gelesen, weil ich es einfach nicht weglegen konnte ...
Der Aufbau ist brillant gemacht – wir lesen uns von den Kindern Katarina und Heath, die einfach nur diesen großen, glitzernden Traum haben, über ein verruchtes Teeniepärchen, das am laufenden Band Skandale produziert, bis hin zu einem älter gewordenen, gesetzteren Eistanz-Paar und werden mit den Protagonisten zusammen erwachsen. Das beeinflusst zwar die Handlung und die innere Stimme von Katarina, die die Geschichte erzählt, aber nicht das Erzähltempo, denn die Autorin hat es geschafft, konstant die Spannung zu halten. Sie gönnt einem keine Pause und ständig passiert etwas Neues – sei es in der Außenwelt der Protagonist*innen oder bei ihrer Charakterentwicklung. Letztere ist auch die große Stärke des Buches – man durchspringt unterschiedliche Szenen des Erwachsenwerdens. Die Wettkämpfe und der ewige Kampf auf dem Weg nach oben bleiben derselbe, aber alle Charaktere entwickeln sich so weiter, dass man nie weiß, was als nächstes kommt und wer als nächstes abdreht. Am Ende der Kapitel gibt es immer eine kleine Interviewsektion, die wirken soll, als schaue man sich einen Dokumentarfilm an. Damit konnte ich erst nichts anfangen, aber je besser man die sprechenden Figuren kennenlernt, desto spannender werden auch ihre Beiträge zur Geschichte.
Kurzum: Ein wahnsinnig spannender Ritt durch die Welt des Eiskunstlaufs. Brillante Figurenentwicklung und ein fantastischer Spannungsbogen haben mich mitgerissen bis zur letzten Seite. Seit langer Zeit mal wieder ein Buch, für das ich mir die Nacht um die Ohren geschlagen habe. Mega!
In diesem Buch wird die Liebesgeschichte von Joseph und Evelyn (und ein bisschen auch von deren Kindern) erzählt, die diverse Höhen und Tiefen überstanden haben. Dabei geht es allerdings nicht um klischeehafte Dreiecksgeschichten oder sonstige herbeikonstruierte Rahmenbedingungen - stattdessen begleiten wir die Protagonisten durch einen Weltkrieg hindurch, bei der Suche nach ihrem Platz in der Welt, beim Aufbau eines Inns am Meer und beim Großziehen ihrer Kinder.
Ich bin normalerweise wirklich nicht der Typ Liebesroman. Ich finde diese kitschige Teenie-Liebe mit wild erfundenen Konflikten, die eigentlich keine sind, superanstrengend, und hatte aufgrund des (eher jugendlichen) Covers ein bisschen die Angst, hier enttäuscht zu werden. Das war jedoch überhaupt nicht der Fall. Ich habe selten eine so erwachsene, undramatische Liebesgeschichte gelesen, die sich -wirklich- mit den Herausforderungen einer langjährigen Beziehung beschäftigt. Mit diesem Punkt, an dem man denkt, dass die Ziele des eigenen Partners plötzlich gar nicht mehr die eigenen sind - mit der Frage "Was mache ich, wenn mein Kind auf die falsche Bahn gerät?" - mit einer aufkommenden Idee davon, wie das eigene Leben verlaufen wäre, wenn man es eben doch nicht nur mit diesem einen Menschen verbracht hätte - und nicht zuletzt der Vorstellung davon, wie eigentlich ein guter Tod aussieht. Evelyns und Josephs Geschichte hat mich total berührt - bis zu dem Punkt, an dem ich weinend über dem Buch saß (und das ist mir ECHT lange nicht passiert).
Man merkt ein bisschen, dass die Autorin das Buch in jungen Jahren angefangen, und mit mehr Lebenserfahrung beendet hat, das passt allerdings auch hervorragend zum Verlauf der Geschichte und hilft fast dabei, den Bogen von "besessener Verknalltheit" zu "Miteinander Angekommen-Sein" nachzuvollziehen.
Mein Fazit: Ein wahnsinnig tiefgehender Roman, weit entfernt davon, als leichte Strandlektüre durchzugehen, und absolut empfehlenswert für alle, die einen erwachsenen Liebesroman lesen möchten.
Auf der Flucht aus dem Iran, wo er aufgrund seiner Teilnahme an Demonstrationen gegen das Regime politisch verfolgt wird, landet A. in der österreichischen Provinz, wo er Asyl beantragt. "Das Ende ist nah" beschreibt seine Geschichte und sein Suchen nach einem Platz in dieser Welt.
Ich habe -unendlich- lange gebraucht, dieses Buch durchzulesen. Jede Seite brachte ein neues, belastendes Detail mit sich, eine neue Geschichte von Verachtung, Vorurteil und Hass Neuem gegenüber, sodass ich wirklich immer wieder Pausen vom Text gebraucht habe.
Das Buch ist wahnsinnig toll aufgebaut - man liest ohne Worte zwischen den Zeilen erst die Hoffnung über den Neubeginn, dann die Irritation über die Feindseligkeit, die A. entgegenschlägt, dann die Hilflosigkeit und schließlich die Resignation. Im "Show, don't tell" ist dieser Autor einfach ein absolut glänzendes Musterbeispiel. Er braucht keine Emotionswörter, um zu beschreiben, welche Wirkung bestimmte Handlungen haben. Auch beeindruckt war ich von den Charakteren und ihrer Entwicklung. A. steht dabei natürlich im Mittelpunkt, aber auch Sarah, eine Wienerin, ist sehr überzeugend gezeichnet. Dabei hatte ich zuerst eine abgrundtiefe Abneigung gegen sie, weil sie ihre Privilegien nicht für 20 Pfennig reflektiert, ständig alles auf sich bezieht und andere pathologisiert. Später fand ich sie zwar immer noch pathetisch und unsympathisch, konnte allerdings auch Mitleid für ihre Figur aufbringen, die sich in einem Strudel aus Selbstmitleid verliert.
Mein Fazit: Ein sehr intelligent geschriebenes, wortgewaltiges und emotionales Buch, das seine Leser_innen mehr als einmal bescheiden darüber nachdenken lässt, wie einfach ein Leben eigentlich verlaufen kann. Klare Leseempfehlung, wenn der Raum für das schwere Thema da ist.
Willa, die Protagonistin von "So ist das nie passiert" ist eine junge Frau, die mit ihrem Partner in London lebt und ihren Freundeskreis regelmäßig bei gemütlichen Dinnerpartys trifft. Dabei hat sie es jedoch nie ganz geschafft, ihr Leben wirklich so zu leben, wie sie es sich gewünscht hätte, denn seit ihre Schwester Laika vor 20 Jahren spurlos verschwunden ist, jagt Willa einem Phantom nach und ist der festen Überzeugung, dass ihre Schwester noch lebt.
Das Debüt von Sarah Easter Collins erzählt von Liebe, vom Familienleben und wie wahnsinnig verschieden es gelebt wird, von Missbrauch und von der Unzuverlässigkeit unserer Erinnerungen. Und das tut es klug und gebunden an unterschiedliche Perspektiven - Willas beste Freundin Robyn, deren Partnerin und einige andere Personen spielen wichtige Rollen in der Betrachtung der Gesamtsituation um den Fall Laika. Ich war wirklich total gefangen in dieser dramatischen Familienhistorie - immer wieder, wenn ich dachte "Okay, DAS ist jetzt der große Skandal, jetzt weiß ich alles!", platzte die nächste Bombe. Ich habe das Erzähltempo sehr geliebt und konnte stellenweise nicht mit dem Lesen aufhören. Ein sehr durchdacht geschriebenes Buch, das die emotionalsten Szenen supernüchtern erzählt (weil das meist über Rückblenden geschieht und die Narrative da schon gesetzt sind) und genau dadurch einen leicht creepigen Charakter bekommt. Es entsteht ein Abstand zu dem, was passiert, wobei es doch eigentlich so berührend und hyper-emotionale Situationen sind. Trotzdem wird es aber zwischen den Figuren nicht unemotional oder stumpf, weil wir immer wieder auch in die Gegenwart springen und mitbekommen, wie die Protagonist_innen auf Enthüllungen oder Begegnungen reagieren. Dabei wird zwar immer wieder dasselbe Setting abgespielt (die Dinnerparty), allerdings nehmen unterschiedliche Figuren unterschiedliche Dinge war, und so wird es - auch immer mit genügend Abstand zur letzten Dinnerpartyszene - nie langweilig, dass wir jetzt wieder in der Küche stehen und nicht mehr in Erinnerungen unterwegs sind.
Mein Fazit: Ein superstarkes Debüt mit gesundem "Schauder-Faktor" und einer absolut packenden Atmosphäre. Ich bin schon gespannt, was wir von dieser Autorin als nächstes lesen dürfen!
Im hessischen Dörfchen Dingelbach bei Frankfurt begleiten wir in diesem Buch ein sehr buntes Potpourri an Figuren durch den Alltag. Die Handlung spielt kurz nach dem Ende des ersten Weltkrieges und jeder einzelne Charakter ist davon mehr oder weniger gezeichnet. Im Mittelpunkt der Handlung: Frieda Haller, ein eigensinniges Mädchen, das um jeden Preis Schauspielerin werden will - in einer Zeit, in der so manches junge Mädchen noch gegen ihren Willen mit dem Bauern drei Dörfer weiter verheiratet wird.
Ich habe mit diesem Buch wirklich sehr gekämpft. Der Einstieg in die Dorfgeschichte wird sehr schnell überladen mit Figurennamen, Berufen, Positionen im Dorf und Beziehungen untereinander. Grade am Anfang schwirrte mir regelrecht der Kopf, während auf der Handlungsebene noch gar nichts passiert war - ich musste mich fast zwingen, weiterzulesen. Dabei ist besonders das Charakterdesign völlig überladen von Klischees und Stereotypen, eine Entwicklung zeigt sich nur bei den Protagonist_innen, deren einzige Entwicklung auch nur darin besteht, sich vom Dorf zu emanzipieren. Frieda durch den Weg an die Schauspielschule, Ilse Küpper durch die Leitung ihrer Firma, Marthe Haller durch die Abgrenzung von einem der herrischen Männer im Dorf. Das Resultat der flachen Charaktere: Ich wollte von Kapitel zu Kapitel springen, die Erzählperspektive der einen Charaktere überspringen, gleichzeitig aber andere Charaktere nicht verlassen. Besonders die toughe Fabrikbesitzerin Ilse Küpper hatte es mir angetan - eigentlich hätte mir ihre Geschichte in dem Buch schon gereicht, um zumindest interessiert zu sein.
Gegen Ende nimmt das Buch dann doch noch etwas Fahrt auf und macht neugierig, wie es mit den vielseitigen Frauenfiguren weitergeht. Das konnte für mich aber die Stagnation und die Sackgassen in den Geschichten anderer Dorfladenbesucher_innen nicht wiedergutmachen und alles in allem konnten mich die Verstrickungen der Dingelbacher Dörfler_innen einfach nicht schwungvoll genug mitnehmen. Mein Fazit: Nichts Neues im Saga-Genre.
Ich habe ehrlich nicht erwartet, das Buch einer selbstbezeichneten "Kummerkastentante" unterhaltsam zu finden. In den Kolumnenauszügen geht es hauptsächlich um Fragen um Beziehungen, Freundschaften, Sex und Trennung. Ein bisschen liest sich das Ganze wie Dr. Sommer für Erwachsene.
Der Schreibstil ist witzig und ich musste oft schmunzeln (Lob an die Übersetzerin!). So richtig beiseitelegen konnte ich das Buch nicht, ich habe es super schnell runtergelesen.
Aber: Die ellenlange Einleitung ist meines Erachtens viel zu viel. Man hat schon vor lauter Worten gar keine Lust mehr auf die kurz-knackigen Kolumnen! Das Ganze liest sich auch irgendwie wie eine ... Entschuldigung? Für die Arbeit der Autorin, die selbst impliziert, dass die Tätigkeit als Kummerkastentante jetzt nicht unbedingt die Spitze der journalistischen Nahrungskette ist. Ist doch gar nicht nötig?
Einige der Fragen fand ich außerdem an der Frage vorbei beantwortet, teilweise binär und vorurteilsbehaftet. Da ist die Frau, die ein bestimmtes Verhalten an ihrem Partner unattraktiv findet, und fragt, ob das jetzt schon ein Trennungsgrund sein könnte. Und als Antwort kommt sinngemäß, wie sie denn darüber denken würde, wenn sie jetzt schwanger oder Mutter wäre. Joa, danke für die super unangemessene Bemerkung. Queere Fragensteller_innen gibt es in dem Buch übrigens nicht, obwohl ich sehr sicher bin, dass einige Fragen eingegangen sein dürften - es wird immer wieder betont, wie stark bei der Auswahl der Fragen ausgesiebt werden müsste. Da ist die Zielgruppe halt auch gleich klar. Mittelalte, weiße und gut situierte Frauen "im besten Alter". Uff.
Insgesamt: Kurzweilige, witzige Lektüre für den Strandkorb, aber insgesamt kein literarisches Meisterwerk, keine spannenden Beziehungsfragen, die mich mein Weltbild hätten infrage stellen lassen und eine nur semi-sympathische Kummerkastentante mit eigener Kolumne. Nett.
Persephone und Sam lernten sich schon als Teenies im neu erworbenen Ferienhaus von Percys Eltern kennen und waren seitdem nicht nur allsommerlich Nachbarn, sondern auch vom ersten Moment an füreinander bestimmt.
Was als Teenager-Sommer-Romanze beginnt, verschiebt sich für den/die Leser_in bald auch bis in die Gegenwart, wo sich die beiden als Erwachsene wiedertreffen – und so einiges aufzuarbeiten haben.
Die Protagonistin hat mich vom allerersten Moment an genervt. Über-selbstkritisch, ständig lamentierend und jammernd, unsicher ... Aber am schlimmsten war dieser klassische "Ich weiß, was am besten für dich ist und ich bin's nicht, deswegen ziehe ich mich jetzt wortlos aus dieser Beziehung zurück"-Move, den ich einfach schon in tausend und einem Liebesroman gelesen habe.
Sam dagegen ist natürlich der absolute Traumtyp ohne Makel, durchtrainiert und fehlerlos. Durch ein bescheuertes Missverständnis, tanzen die beiden Protagonist_innen mehr als 12 Jahre umeinander herum – sie permanent an sich zweifelnd, er still leidend-vermissend, aber mit Sixpack. Ich kanns nicht mehr lesen ...
Ich verstehe, was die Autorin hier versucht hat: Das Buch ist eine Hommage an einen Sommer am See und möchte einerseits diese unbeschwerte Freibad-Zeit zeigen, in der wir alle noch Probleme hatten, die uns im Nachhinein nichtig vorkommen, andererseits aber auch den erwachsenen Blick auf Beziehungen und die Planung des eigenen Lebens. Das funktioniert auch ganz gut, das Buch ist die ideale Sommerlektüre und der Vibe stimmt. Darunter leidet aber die Story total, die sich auf ein großes Finale hinzieht wie Kaugummi, dabei sehr vorhersehbar bleibt, und am Schluss verpufft der Konflikt, der über Hunderte von Seiten aufgebaut und dann groß verkündet wird, einfach im Nichts. Für mich wenig glaubwürdig, genau so wie die sehr gebügelten Charaktere. Richtig kennenlernen dürfen wir ohnehin nur Percy, alle anderen wenigen Personen, die sie umgeben, bleiben Stereotype.
Mein Fazit: Nette Unterhaltung für einen Tag am See, knuffige Szenen am Wasser – Tiefgang, gut ausgearbeitete Figuren oder eine komplexe Handlung darf man aber weiß Gott nicht erwarten.
Wir befinden uns in einer dystopischen (nicht allzu fernen) Zukunft. Durch einen Beschluss der Regierung beherrscht der Nationalismus den Alltag der Amerikaner_innen – "unamerikanisches" Handeln, Denken oder auch Aussehen werden nicht toleriert. In diese bedrückende Welt wurde Bird hineingeboren. Der Zwölfjährige lebt mit seinem ihn liebenden Vater zusammen, und doch fehlt etwas in seiner kleinen Welt. Nie hat er verstanden, warum seine Mutter ihn damals verließ und wo sie hinverschwunden ist. Als er einen rätselhaften Brief von ihr erhält, macht er sich auf die Suche. Nach seiner Mutter und nach all den verschwunden Herzen ...
Das Coole an der Handlung dieses Buches: Es ist keine klassische Dystopie im Sinne von "Die Rebellenkämpfer_innen gegen das Establishment, Dinge explodieren und Gebäude stehen in Flammen". Celeste Ng beschreibt eine stille Rebellion und eine stille Gewaltherrschaft durch die Regierung. Das Mittel des Machterhalts ist die Wegnahme der Kinder von mehr oder weniger großen Kritiker_innen des Systems. Sie werden in Pflegefamilien gegeben und sehen ihre ursprünglichen, vermeintlich schadhaften Familienmitglieder nie wieder. Dadurch geht die ganze Geschichte emotional eine Ebene tiefer – wir befinden uns nicht in einem gewaltvollen Kampf von Gut gegen Böse, sondern beobachten verlassene Eltern und Kinder bei der Suche nach ihren Familien und sich selbst. Und während die Handlung Birds Reise und Suche beschreibt, geht es doch eigentlich vielmehr darum, anzukommen und einen Platz in einer ungerechten Welt zu finden.
Die Sprache, die die Autorin verwendet, hat mich zunächst hingerissen. Sie malt mit Worten wunderschöne Bilder und hat das Prinzip "Show, don't tell" absolut perfektioniert, obwohl der Mittelteil des Buches zum größten Teil aus Erzählungen und Berichten der näheren Vergangenheit besteht. Obwohl gar nicht endlos viel passiert, hat sie es geschafft, mich in die Schicksale der Suchenden eintauchen zu lassen und mich mitzunehmen in diese rassistische Gesellschaft und ihre Entstehung. Am Ende fühlte sich das jedoch eher konstruiert und hölzern an, fast kitschig, als müsste das Buch jetzt möglichst schnell zu einem schlüssigen Ende gebracht werden. Superschade!
Die Gesellschaft, die Celeste Ng hier zeichnet, ist unserer (bedauerlicherweise) sehr ähnlich. Inspiriert wurde sie vom Rassismus gegen asiatisch-stämmige Menschen im Laufe der Corona-Pandemie. Die Erzählung schrammt gefährlich nah an dieser unserer Zeit vorbei, was auf mich eine dauerhaft beunruhigende Wirkung beim Lesen hatte. "Unsere verschwundenen Herzen" ist eine Dystopie, die nicht weit genug weg von meiner Lebenswelt war, um mich wirklich von der Handlung abgrenzen zu können und dieses Fallenlassen hervorzurufen, das ich sonst beim Lesen suche. Diese bedrückende Stimmung hatte mich immer ein bisschen "on edge" und ergänzte sich herrlich mit dem bildgewaltigen Schreibstil der Autorin. Dabei war ich aber nie gelangweilt oder habe eine actionreichere Handlung vermisst, ich wollte im Gegenteil noch mehr von diesen Sprach-Bildern aus dieser Welt, die meiner so nah war.
Insgesamt ist das Buch für mich keine leichte Lektüre gewesen, aber ein großartig erzähltes Gesamtkunstwerk mit einer bewegenden Bildsprache und Thematik. Ich hätte mir ein weniger "runtergeschriebenes" Ende gewünscht (mehr Seiten? Ein zweiter Band?), konnte aber bis dahin wunderbar in die Welt abtauchen, die Celeste Ng mit Worten gebaut hat. Sehr eindrücklich!
Mit diesem Buch möchte die Autorin eine "Transformation" an dem/der Leser_in einleiten. Es soll vermitteln, wie man seine Ziele erreicht und im Leben genau da landet, wo man gerne hinmöchte – seien das berufliche oder ganz persönliche Wegpunkte.
Die Autorin ist eine externe Redakteurin, die das Buch für Wladimir Klitschko verfasst hat. Sie stammt nicht aus dem vielgenannten Team von Klitschko selbst, sondern bemüht sich stattdessen verkrampft-beflissen, in jedem nur möglichen Satz Querverweise zum bekannten Boxer zu ziehen. Meine Vermutung: Dieses Buch ist nach einer Idee des Verlags entstanden, der gerne mit Klitschkos Gesicht werben möchte.
Wenn man sich von der Idee freimacht, dass a) irgendwelche wissenschaftlichen Erkenntnisse hinter den Worten in diesem Buch stehen und b) Wladimir Klitschko dafür persönlich irgendwas geschrieben hat, findet man ein paar ganz nette Anregungen und Vergleiche verschiedener Biografien und deren Verlauf im Buch. Ich persönlich halte aber 99 % davon für Augenwischerei und Marketing und kann nicht viel damit anfangen. Der Schreibstil wirkt verkrampft, als hätte man sich an einer Stichpunktliste abgearbeitet und transformiert hat sich bei mir gar nichts.
Die Protagonistin dieses Buches ist Emmy. Emmy ist wohl der Inbegriff einer rüstigen Rentnerin und hat mich beunruhigend stark an meine eigene Oma erinnert.
Emmys Leben war ein Auf und Ab - durch Kriege, unruhige Zeiten und den steten Kampf mit sich selbst und den Umständen des eigenen Lebens.
In "Sturmvögel" erwartet den/die Leser_in eigentlich eine klassische (Nach-)Kriegs-Biografie. Wir erfahren durch Flashbacks immer mehr über das Leben der Protagonistin und begleiten ihre mittlerweile erwachsenen Kinder dabei, dasselbe zu tun. Dabei werden aber keine abgedroschenen Klischees bedient, der Krieg und andere große geschichtliche Ereignisse geraten bei der Erzählung vielmehr in den Hintergrund und es wird nicht auf Teufel komm raus eine Moral von der Geschicht' provoziert. Der Roman bleibt zu jeder Zeit bei Emmy und ihrer Familie, legt den Fokus auf die Liebe, die sie erfahren und den Zusammenhalt, den sie sich gegenseitig schenken. Klingt jetzt kitschig, ist es vielleicht auch ein kleines Bisschen - aber auf die gute Art.
Ich mochte "Sturmvögel", das als sehr persönliche Nachkriegserzählung besonders durch den Charakter seiner charismatischen Protagonistin heraussticht und weder mit abgedroschenden, superdramatischen Liebesgeschichten daherkommt, noch permanent die "Meine Güte, war das alles schlimm"-Keule schwingt. "Sturmvögel" ist kleiner im Impact, das ließ mich Buch, Geschichte und Charaktere als sympathisch und nahbar empfinden. Fein!
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