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Leobiene
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Düsseldorf

Bewertungen

Insgesamt 28 Bewertungen
Bewertung vom 17.06.2025
Myers, Benjamin

Strandgut


ausgezeichnet

Soul zum Lesen und Hören
Myers ist ein erneuter Bestseller mit Strandgut gelungen. Es spiegelt ein kaputtes Amerika, in dem Protagonisten im Gefängnis sterben und andere der Opioid Krise zum Opfer fallen, so wie Bucky, der Held dieser Geschichte. Komplett abhängig von den Drogen wird der ehemalige Soulsänger auf ein Festival nach England eingeladen, um dort seine wenigen Songs zu singen. Während er in den USA vergessen wurde, ist er in England nach wie vor ein gern gehörter Sänger und hat eine beeindruckende Fanbase. Sein größter Fan Dinah ist gleichzeitig auch seine Betreuerin für die Zeit seines Aufenthalts in England und die beiden freunden sich an. Während Bucky versucht, den beginnenden kalten Entziehung zu verdecken, geht es unaufhaltsam auf den Auftritt zu.
Eindringlich, klar und offen beschreibt Myers die Schmerzen und die Suche nach Drogen im fremden Land. Auch das Thema Soul und Bucky als gefeierter Sänger ist in seiner Naivität sehr liebenswert.
Ich empfehle noch intensiver in die Geschichte einzutauchen, indem man die im Buch erwähnten Songs dazu anhört. So entsteht neben der spannenden Geschichte ein Soundtrack der sich hören lassen kann!
Das Cover dazu, Titel und die Haptik des in Leinen gebundenen Buchs machen das Buch zu einem Highlight!

Bewertung vom 11.06.2025
Tang, Jiaming

Cinema Love


gut

1985 in China ist Homosexualität geächtet und für die beiden verheirateten Shun-Er und Old Second etwas, dass sie nur im dunklen Kino ausleben können. Auf der anderen Seite stehen ihre Ehefrauen, die nach Entdeckung die Beziehung unterbinden wollen. Einfühlsam begleitet der Roman die Protagonisten von China bis ins NY unserer Zeit. Ab da wandelt der Roman von der queeren zur Auswanderergeschichte. Die Zeitwechsel waren sprunghaft und im Mittelteil hat mich das Buch verloren. Zu viele Side-Geschichten. Gegen Ende laufen die Fäden zusammen und es entsteht im Ganzen eine gekonnte Mischung aus queerem Roman, Auswanderergeschichte und Identitätsfindung. Ich habe dieses Debut gern gelesen mit leichten Flauten. Das Cover finde ich sehr gelungen!

Bewertung vom 05.06.2025
Debré, Constance

Play Boy


gut

Der Titel Play Boy scheint zunächst irritierend für eine lesbische Coming Out Geschichte, doch die Protagonistin war schon immer sehr männlich geprägt. Groß gewachsen mit kurzen Haaren hat sie als Kind lieber mit den anderen Jungs gespielt und ist die Bäume hoch geklettert. Dennoch lässt sie sich auf eine Ehe ein und bekommt ein Kind. Nach der Scheidung merkt sie, dass sie sich zu Frauen hingezogen fühlt. Ihre Beziehungen zu Frauen verlaufen aber eher nach einem männlichen Muster. Sie ist schnell gelangweilt, lässt die Partnerinnen kaum an sich heran. Für mich ist die Protagonistin kaum beziehungsfähig. Im Text wiederholt sich die Autorin, sie beschreibt offen und schonungslos die Bettszenen. In ihrer Auseinandersetzung mit ihrem drogensüchtigen Vater und der früh verstorbenen Mutter bleibt sie diestanziert und kalt. Insgesamt eine für mich eher unsympathische Person, andererseits sehr freiheitsliebend und unangepasst geht sie ihren Weg. Empfehlung wohl eher an ein jüngeres Publikum. Mich hat es nicht mitgerissen.

Bewertung vom 08.05.2025
Disher, Garry

Desolation Hill


sehr gut

Mit Desolation Hill präsentiert uns Disher seinen vierten Roman um den geschassten Constable Hirschhausen, genannt Hirsch. Er hat ein riesiges Gebiet zu patrouillieren und die Fahrten sind eher ungemütlich, weil sie über Schotterpisten führen. Das Land, ca. 2 Stunden von Adelaide entfernt, ist von Landwirtschaft und Tierhaltung geprägt.
Gleich mehrere Delikte beschäftigen Hirsch: ein verschwundener Student aus Belgien, eine verbrannte Leiche in einem Koffer und die Tochter seiner Freundin, die gemobbt wird. Die vielen Protagonisten lassen das Buch manchmal unübersichtlich werden, aber gegen Ende laufen die Fäden zusammen. Insgesamt finde ich das Buch zu gemächlich und es hat mich nicht so richtig gepackt wie die Vorgänger. Das Cover hingegen ist fantastisch mit großem Wiedererkennungswert der Serie.

Bewertung vom 26.04.2025
Armstrong, Tammy

Pearly Everlasting


ausgezeichnet

Absolutes Highlight
Dieses Buch ist jetzt schon ein Jahreshighlight für mich. Pearly Everlasting wächst in einem Holzfällercamp im Kanada ca. 1918 auf. Ihr Vater ist Koch, die Mutter als Heilerin geschätzt, denn es passieren viele Unfälle. Als ein kleiner neugeborener Bär gefunden wird, stillt die Mutter ihn einfach zusammen mit ihrer kleinen Tochter Pearly zusammen. Die Fotografie eines Naturfotografen hat die Autorin Armstrong zu diesem Buch inspiriert. Pearly und ihr Bärenbruder Bruno wachsen fortan zusammen auf.
Eine Szenerie wie in den frühen John Irving Büchern, absolut faszinierende Landschaftsbeschreibungen und eine spannende, zu Herzen gehende Geschichte machen dieses Buch zu einem Erlebnis. Man möchte das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen und am Ende gleich wieder von vorn beginnen. Auch das Cover hat mich sehr angesprochen. Absolute Leseempfehlung!

Bewertung vom 24.04.2025
Hughes, Siân

Perlen


ausgezeichnet

"Perlen" ist ein bemerkenswertes Debut. Die Protagonistin Marianne erleben wir als Kind und später als Mutter, die ihr Leben lang nach der Mutter sucht und sie betrauert. Als Kind und Teenager gibt sie sich die Schuld am Verschwinden der Mutter. Auch der Polizei kann sie keine zufriedenstellenden Antworten geben und so erfindet sie bei jeder Befragung neue Varianten des Tages. Die Reaktion scheinen die Polizisten nie zufrieden zu stellen und sie zwifelt an sich selbst. Sie durchlebt viele Phasen der Selbstzerstörung und auch der Vater kann sie da nicht rausholen. Erst nach und nach offenbart sich das Schicksal der Mutter.
Das Buch ist in einer sehr sanften und einfallsreichen Sprache geschrieben, man möchte viele Sätze herausschreiben. Das Cover erschließt sich einem nicht auf den ersten Blick. Man muss schon genau hinschauen, dass die Perlen kleine Einblicke geben in Familienbilder. Und so wie die Perlen auf dem Cover entwickelt sich die Geschichte Perle um Perle. Sehr empfehlenswert!

Bewertung vom 13.04.2025
Suter, Martin

Wut und Liebe


ausgezeichnet

Nichts, wie es scheint
Ein Künstler, der seine große Liebe zurück gewinnen will, ein unmoralisches Angebot und viel Geld sind die Zutaten zu diesem neuen, großartigen Suter!
Camilla trennt sich, obwohl sie Noah, einen mittellosen Künstler noch liebt. Sie hat sich ein besseres Leben erhofft und das will Noah ihr nun mit allen Mitteln ermöglichen. Betty, eine sehr wütende, reiche Frau, kommt da grade recht.
Suters Bücher entwickeln einen Sog, in den man sich gern hineinziehen lässt und oft sind die Dinge nicht so wie sie scheinen, oder wie die Protagonisten sie darstellen. Und so lässt auch Noah sich in die Geschichte hinein ziehen und die Dinge nehmen ihren Lauf.
Für mich sind Suters Bücher immer ein Muss und auch diesmal hat er mich nicht enttäuscht. Auch diesmal sind nicht alle Protagonisten die sympatischsten Mitmenschen, aber auch das macht das Suter-Panoptikum der "normalen" Typen aus. Das klassische Diogenes Cover, passend wie immer. Unbedingt empfehlenswert!

Bewertung vom 04.04.2025
Bilkau, Kristine

Halbinsel


ausgezeichnet

Einfühlsam und ohne Kitsch
Bilkau präsentiert uns ihren zu Recht mit dem Buchpreis der Leipziger Buchmesse ausgezeichneten Buch eine Mutter-Tochter-Beziehung, die auf die Probe gestellt wird.
Nach einem Schwächeanfall und einem offensichtlichen Burnout zieht Linn wieder ins kleine Haus am Wattenmeer zu ihrer Mutter Annett. Durch den frühen und plötzlichen Tod vom Vater und Ehemann waren sie schon früh eine Schicksalsgemeinschaft. Aber erst jetzt mit Anfang 20 begreift die Tochter die Dimension des Verlusts der großen Liebe.
Die Mutter, an das Alleinsein gewohnt, muss sich auf die erneute Anwesenheit und Verletztheit der Tochter erst wieder einlassen, was gar nicht so einfach ist. Herausragend beschreibt Bilkau die inneren Zwiegespräche der Mutter, den Spagat zwischen Fürsorge und Freiheit, den wohl jede Mutter kennt. Egal ob Kleinkind, Teenager oder Erwachsene - die Sorge bleibt und die Kunst des Loslassens bleibt eine Herausforderung.
Schön fand ich auch die Leichtigkeit der Wohngemeinschaft im Nachbarhaus, die beiden, Mutter und Tochter eine neue, freiere Form der Zukunftsgestaltung aufzeigt.
Auch das Cover finde ich sehr gelungen. Ein rundherum empfehlenswertes Buch!

Bewertung vom 12.03.2025
Brodesser-Akner, Taffy

Die Fletchers von Long Island


gut

Reich und unglücklich
Die Leseprobe war sehr ansprechend und ich habe mich gefreut, weiter lesen zu können. Allerdings verliert sich die Autorin in Langatmigkeit. Zudem sind die Protagonisten wenig sympathisch. Da ist zum einen Oma Phyllis, die ihre Kinder abwertet und schlecht behandelt, damit sie dem Übel der Welt gewachsen sind – eine schreckliche Einstellung. Ihr Sohn Carl, jüdischer, sehr reicher Fabrikant, wird Opfer einer Entführung, es fließt Lösegeld und er kommt äußerlich unbeschadet zurück zur Familie. Phillys redet ihm ein, dass es nur seinem Körper passiert ist und nicht ihm. Damit löst sie ein Familientrauma aus, dass sich fortan durch alle Generationen zieht. Keiner kann das Grauen verarbeiten, es wird geschwiegen.
Ruth kümmert sich nach der Entführung nur noch um ihren paralysierten Mann Carl und die Kinder bleiben sich selbst überlassen. Ihr Sohn Nathan wird ein wenig erfolgreicher Anwalt und ist überängstlich. Beamer ist nach Hollywood geflüchtet und betäubt sich mit Drogen und Dominas. Die jüngste Tochter Jenny, erst nach der Entführung auf die Welt gekommen, ist planlos und aufsässig. Jenny ist mir noch am sympathischsten, da sie sich des Schadens bewusst ist, den ihre Familie ihr angetan hat. Für sie ist das viele Geld mehr Belastung als Privileg.
Diese dysfunktionale Familie kommt zur Beerdigung der Oma Phyllis zusammen und es offenbaren sich nicht überwundene Traumata. Das Buch wird als sehr lustig beworben, was ich nicht nachvollziehen kann. Der herrlich-ironische jüdische Humor fehlt mir gänzlich. Das Cover ist ansprechend. Insgesamt hätten dem Buch ein paar Seiten weniger gut getan.

Bewertung vom 13.02.2025
Schünemann, Christian

Bis die Sonne scheint


gut

80er Zeitreise
Dies war mein erstes Buch von Schünemann, hat er doch bisher hauptsächlich Krimis verfasst. Das Cover zeigt einen jungen Mann in Schlaghosen an ein Auto gelehnt, was einen sofort in die 70er/80er Jahre bringt. Tatsächlich spielt das Buch 1983, der Zeit von Kohl, Volkszählung und den Grünen erstmals im Bundestag.
Eine Familie mit 4 Kindern, die Älteste macht grad Abi und der Jüngste hat noch ein paar Jahre auf der Schule vor sich. Von ihm geht die Erzählung aus, bleibt aber als Figur eher schwammig. Der Vater ist Architekt, verlässt die sichere Stelle als Beamter, macht sich selbständig und geht pleite. Doch der Schein wird bewahrt, nach außen hin ist alles in bester Ordnung, das Geld wird für banale Statussymbole rausgeschmissen. Der Autor verliert sich für meinen Geschmack zu oft in allzu detaillierte Ausführungen über Inneneinrichtungen und Handwerker Arbeiten, was mich etwas gestört hat. Unter dem Strich fand ich die Geschichte nicht packend, eher sehr gemächlich. Dazu trugen auch die Rückblenden in die Kriegszeit und die Jugend der Eltern, bzw. Großeltern bei, die allesamt sehr unkritisch daherkamen. Für Leser von leichten Familiengeschichten geeignet.