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La Calavera Catrina

Bewertungen

Insgesamt 61 Bewertungen
Bewertung vom 10.08.2025
Graw, Theresia

In uns der Ozean


ausgezeichnet

Die Romanbiografie «In uns der Ozean» über die Meeresbiologin und wegbereitenden Umweltschützerin Rachel Carson, einfühlsam geschrieben von Theresia Graw, erzählt die inspirierende Lebensgeschichte dieser außergewöhnlich tapferen Frau und befasst sich mit der Debatte um die Pestizide-Sprühkampagne und die Rolle, die Rachel Carson darin spielte, als sie ein Buch über die Wunder-Chemikalie schrieb.

„Wir sind alle Teil eines großen Ganzen.“

Der Roman beginnt 1963, in der die 56-jährige Rachel, gesundheitlich schwer gezeichnet, mit einem Taxi zu einem Termin fährt, und wechselt sich mit der Vergangenheit ab, bis irgendwann die beiden Erzählstränge zusammenfließen und es in der Gegenwart zu einem spannenden Showdown kommt. Ein erzählerischer Kniff, der mir sehr gefallen hat und Rachel nahbarer machte. Dadurch war dieses Buch für mich eine sehr mitreißende Lesereise. Die Ungerechtigkeit, der Rachel als Frau ausgesetzt war, hat mich sprachlos und wütend gemacht. Das Pech, das ihr widerfuhr, war so bitter und deshalb freute mich jeder Triumph, den sie feiern konnte, umso mehr. Besonders ihre verbale Ausdrucksfähigkeit und gefasste Schlagfertigkeit hat mich beeindruckt. Ihre Aussagen waren wissenschaftlich korrekt, ließen sich stets belegen und stützten ihre Glaubwürdigkeit in der Bevölkerung. Dadurch hat sie viele Menschen zum Umdenken bewegt und inspiriert - bis heute.

Mit Zweiundzwanzig Jahren sieht Rachel das erste Mal das Meer und freut sich darauf, die nächsten drei Monate in Woods Hole zu forschen. Ihre Begeisterung ist ansteckend. Sie verschreibt sich ganz der Natur und dem Leben auf der Erde, doch ihre vielversprechende Karriere als Wissenschaftlerin endet, noch bevor sie ihren Doktor in Meeresbiologie machen kann. Doch Rachel lässt sich von niemanden abhalten und so ergeben sich neue Wege, um ihre Leidenschaften zu kombinieren: ihr poetisches Schreibtalent und ihre Liebe zur Natur. Klug und Informativ möchte sie alle Menschen an der Naturwissenschaft teilhaben lassen, sie zum Staunen bringen und sie zu Verbündeten machen, die mit Ehrfurcht und mitfühlender Neugier die Natur bewahren. Dabei durchlebt Rachel einige schicksalshafte Wendungen, die sie verkraften muss. Ihre furchtlose Stärke und ihren Ehrgeiz fand ich beeindruckend. Ihr fortschrittliches Denken macht die Diskrepanz und Ungerechtigkeit ihrer Zeit noch deutlicher.

Theresia Graw hat genau die richtigen fiktionalen Ergänzungen ergänzt, die es zwar so nicht gegeben hat, wie sie im Nachwort verrät, aber die den Roman spannend und nachvollziehbar machen. Der Schreibstil ist einladend und liest sich wie von selbst. Das führt dazu, dass man die Worte einfach auf sich wirken lassen kann. Ich habe diese leichte Lesbarkeit in Kombination mit der Ich-Perspektive als angenehm empfunden. Für mich war es die Buchentdeckung des Jahres und eine große Freude, Rachel Carson auf diese Art zu entdecken. Eine absolute Empfehlung für alle, die eine inspirierende Romanbiografie über eine bewundernswerte Frau lesen möchten, die man nicht so schnell vergisst.

Bewertung vom 10.08.2025
Russ, Rebecca

Der Weg - Jeder Schritt könnte dein letzter sein


gut

Fast 80 Kilometer wollen die Freundinnen Julia und Nicki in der Wildnis zurücklegen. Es soll ein unvergesslicher Junggesellenabschied in der Natur werden, fernab von Trubel und Party. Lars sollte eigentlich nur ein kurzer Flirt für Julia werden, aber dann kam der Antrag und alles ging ganz schnell. Seit dieser aufreibenden Zeit in Julias Leben haben sich die Freundinnen lange nicht gesehen. Nickis Verhalten lässt darauf schließen, dass irgendwas nicht stimmt. Auch der Aufbau der zwei Erzählstränge läßt bald erahnen, das hier einiges nicht in Ordnung ist und in welche Richtung sich die Story bewegen könnte. Zu vorhersehbar macht Rebecca Russ es aber nicht und baut unerwartete Wendungen ein und düstere Atmosphäre auf.
Beim Klappentext fühlt ich mich an «Das Mädchen» von Stephen King erinnert. Julia bleibt allein in der rauen Natur zurück. Kälte, Hunger und wilde Tiere bringen sie an ihre Grenzen, während sie versucht, Nicki zu finden. King schaffte es, diesen Überlebenskampf so mitreißend in den Fokus zu rücken, dass mir das Buch im Gedächtnis geblieben ist. Hier war das leider nicht der Fall, was auch am Schreibstil lag, und nahm weniger Raum ein, als ich erwartet hatte, denn es geht eigentlich um ganz andere Dinge. Besonders gestört hat mich aber die Naivität der blassen Charaktere, die sich wie ein trauriges Eingeständnis liest, wenn sich eine der beiden als naives Opfer bezeichnet, und sich handlungsfähig in diese Schublade belässt und alles Drumherum angepasst wird. Zum Ende gab es dann einen Punkt, an dem die Glaubwürdigkeit für mich ganz kippte. Auch wenn es Momente gab, die mich in ihrer Tragik berühren konnte und durchaus spannende Szenen locken, bin ich von dem gesamten Buch nur mäßig angetan und würde zu Thrillern mit mehr Nervenkitzel und psychologische Raffinesse raten.

Bewertung vom 06.08.2025
Furniss, Jo

Der Stau


weniger gut

Der Locked-Room-Thriller «Der Stau - Es gibt kein Entkommen» von Jo Furniss hat mich leider nicht gefesselt, wobei alles so vielversprechend begann und die Locked-Car-Idee originell ist.

Belinda ist Kommissarin und kurz vor dem Ruhestand. Aus Australien angereist gerät sie in London auf dem Heimweg kurz vor einem Tunnel in einen Stau und entdeckt in einem der Autos eine erstochene Leiche. Der Mörder muss mit ihr im Stau festsitzen und Belinda beginnt zu ermitteln, wobei ihr Kollege Dominic Day ihr wichtigster Kontakt am Telefon ist. Alle Fahrzeuginsassen sind verdächtig, wobei jeder mal in einem Kapitel seine Sicht zeigen kann und genau von Belinda analysiert wird.

Die Anspannung und Hitze konnte ich direkt spüren. Bombenalarm in der Innenstadt und die Leute werden immer gereizter. Auch für Belinda eine herausfordernde Situation. Das verfehlt seine Wirkung nicht. Doch die Zeit vergeht schleichend und das fühlt sich auch beim Lesen zäh an, während immer unglaubwürdigere Dinge passierten, die für mich nicht stimmig ins Bild passten. Die Fahrzeuginsassen wirken alle schuldig, haben aber tatsächlich wenig Inhalt und sind schwammig gezeichnet - da verliert man einfach das Interesse. Auch ein genanntes Details im Klappentext hat mir etwas den Lesespaß geraubt. Wer viel und gern spannende Thriller liest, dem würde ich von diesem Buch abraten.

Bewertung vom 06.08.2025
Buck, Vera

Der dunkle Sommer


sehr gut

Tilda hat ein Haus auf Sardinien gekauft und glaubt, den fast unbewohnten Geisterort Botigalli vor dem Sterben zu bewahren. Es ist auch eine Flucht vor ihrem selbstzerstörerischem Trauma, weshalb sie die Stille und Unerreichbarkeit genießt. Doch sie ahnt nicht von den grausamen Ereignissen, die sich einst im Dorf zugetragen haben und gibt nichts auf den Aberglauben der Einheimischen. Nur einer weiss, was damals wirklich passiert ist: Silvio. Der beruflich besessene Journalist Enzo, der über die Geschichte des Ortes und ihren letzen Überlebenden recherchiert, und Tilda begegnen sich zwar, aber dann gehen ihre Wege auseinander und jeder von ihnen hat sein eigenen Päckchen zu tragen, bis ein schreckliches Ereignis ihre Wege erneut zusammenführt.
Erzählt wird aus mehren Perspektiven. Hauptsächlich Tilda, Enzo und Franca. Mit der rebellischen Franca reist man nach Botigalli in die 80er Jahre und bekommt einen lebhaften Eindruck davon, was damals wirklich passiert ist.

«Der dunkle Sommer» von Vera Buck, der mir besser als «Das Baumhaus» gefallen hat, greift das aktuelle Szenario Süditaliens auf, wo Häuser für einen Euro verkauft werden, um das Dorfsterben aufzuhalten. Das ist nicht der einzige wahre Bezug, wie die Autorin im Nachwort schreibt, was der real anmutenden Handlung anzumerken ist, die trotzdem mit makabren Extras punktet.

In drei Teilen wird eine atmosphärisch Geschichte über einen düsteren Sommer in Italien erzählt, mit durchweg guter Spannung, authentischen Charakteren und einem starken - wenn auch schnellem - Ende. Vera Buck schreibt einnehmend, flüssig und kann mit einigen Überraschungen und Hintergrundwissen aufwarten. Die Umsetzung des sowieso schon interessanten Themas fand ich gelungen und würde es allen empfehlen, die einmal die dunkle Seite von Italien kennenlernen wollen.

Bewertung vom 06.08.2025
Schreiber, Jasmin

Im Schatten von Giganten


sehr gut

Die Biologin Jasmin Schreiber erkundet gern verschiedene Lebensräume und möchte wissen, wer dort lebt. In ihrem Forschungsdrang kraucht sie durch das Unterholz und hält Entdeckungen von kleinsten Jägern, Pflanzenfressern und Zersetzern mit ihrer Kamera fest. Mit «Im Schatten von Giganten» bricht sie eine Lanze für die ungeliebten Insekten und man ist praktisch auf ihren Gassirunden dabei und darf sich wie bei einer Expedition fühlen. Die Faszination und Achtung vor den Kleinsten wächst mit jeder Seite und letztlich hatte ich große Lust, selbst niederzuknien und die Mikrolebensräume zu entdecken.

Acht Lebensräume werden genauer betrachtet und neben dem, was sich auf dem kleinsten Raum einer Blüte abspielt, fand ich die Vorstellung, durch das Leben im Baum einen anderen Planeten zu entdecken, ziemlich spannend. Denn der Parasitismus, der sich im Inneren einer einzigen Galle abspielt, ist unglaublich. Ich weiß jetzt außerdem, warum Kastanienbäume schon im Hochsommer braune Blätter haben und woran ich einen wertvollen Habitatbaum mit all seinen Mikrohabitaten erkenne.

Wenn man sich damit noch gar nicht beschäftigt hat, dann bekommt man ganz neue Einblicke in die Welt der Kleinstlebewesen, muss aber möglicherweise den ein oder anderen Fachbegriff nachschlagen, obwohl die meisten erklärt werden. Der Text ist tief in der Materie drin, aber eben auch auflockernd und humorvoll, wie ich es von Jasmin Schreiber gewohnt bin, die mit leidenschaftlicher Begeisterung und Kompetenz erzählt. Man merkt, dass sie die Themen selbst toll und spannend findet, wenn sie über die niedlichen Blattläuse oder die entscheidenden Beiträgen für das Ökosystem von Springschwänzen, Asseln, Flechten schwärmt. Bei einigen Themen blieben bei mir noch Fragen offen, die ich gern gestellt hätte. Aber der gesamten Komplexität kann man in einem Buch kaum gerecht werden und die Zusammenstellung der Schwerpunkte gibt bereits einen gelungenen Überblick.

Die Auswahl der Fotos und die schlichte Aufmachung finde ich grandios, genauso wie die eindrucksvolle Goldwespe auf dem Cover. Für mich war das der ausschlaggebende Punkt, dieses Sachbuch in meine Sammlung aufzunehmen, denn viele Fotos haben etwas Anziehendes und zeigen ganz nah Tiere, die man sonst nicht sieht. Ab und zu gab es eine Illustration, die ich sehr hilfreich fand, denn so eine akrobatische Tigerschnegelpaarung ist schon witzig anzusehen. Ich hätte mir gewünscht, dass alle Fotografien beschriftet sind (z.B. Kurzflügler) oder es Verweise gibt, wenn die passenden Aufnahmen auf einer andere Seite sind (z.B. Asseljäger), aber das kam selten vor und insgesamt hab ich die hier präsentierte Welt der Winzlinge mit Staunen genossen.

Bewertung vom 31.07.2025
Tunnicliffe, Hannah

Detektiv Stanley und das Geheimnis im Museum


ausgezeichnet

Ein Diebstahl im Museum, bei dem nichts gestohlen wurde? Seltsam! Ein guter Grund für Stanley, das köstliche Pfannkuchenfrühstück zu unterbrechen, die Detektiv-Kappe aufzusetzen und der Sache nachzugehen.

«Detektiv Stanley und das Geheimnis im Museum» liest sich wie eine Hommage an die Detektivgeschichten von Agatha Christie. Wie Hercule Poirot analysiert der charmante Hunde-Detektiv Stanley den Schauplatz des Verbrechens und präsentiert mit detaillierten Erklärungen seine spannende Lösung des Falls, die beinahe die Hälfte des Buches in Anspruch nimmt.

Das gelungene an dieser Detektivgeschichte ist die kinderechte Darstellungsform und die spannende Erzählweise. Der Comic ist für Kinder ab 6 Jahren empfohlen und angepasst: Tiere leben wie Menschen in der Menschenwelt, dazu großflächig bunte Cartoon-Illustrationen und große Sprechblasen. Die Bildabfolge ist eindeutig erkennbar und der Fall ist nicht zu knifflig, enthält einen spannenden Plotttwist und gibt ganz nebenbei Hintergrundwissen über den Künstler Piet Mondrian und sein Werk, was die Aspekte Literatur und bildende Kunst in dieser Bildgeschichte vereint. Am Ende gibt es nämlich eine Fallakte zum Künstler und die letze Seite hält eine Überraschung bereit.

Wer einen witzigen Tier-Krimi mit einem charmanten Pfannkuchen-Liebhaber-Hunde-Detektiv zum Miträtseln sucht, findet hier eine tolle Beschäftigung mit Liebe zum künstlerischen Detail, bei der es viel zu entdecken gibt.
Absolut empfehlenswert, auch wenn sonst selten zum Buch gegriffen wird: Hier ist für jeden was dabei.

Bewertung vom 31.07.2025
Gaida, Dominik

Gestern waren wir unendlich / Death Duet Bd.1


sehr gut

Die Liebesgeschichte von Louis und Henry ist eine queere New-Adult-Romance mit großer emotionaler Wucht und tiefgreifenden Existenzfragen.

Louis und Henry sind seit über drei Jahren ein glückliches Paar, das gerade einen Streit hat. Trotzdem begleitet Louis seinen Freund auf dessen Familienfeier. Doch es gibt keine Versöhnung, denn auf dem Heimweg kommt es zu einem Autounfall, bei dem Henry vor Louis Augen stirbt. Louis erwacht und erlebt diesen schicksalshaften Tag immer wieder, während Henry sich an nichts erinnert.

Jedes dramatische Sterben ist aufwühlend beschrieben - man leidet mit und wünscht sich ein gutes Ende für die beiden. Denn Louis kann nicht akzeptieren, dass es so enden soll und ergreift jede Chance, seinen Freund zu retten. Er ist zutiefst erleichtert, ihn wiederzusehen, nachdem er vor seinen Augen gestorben ist, später enttäuscht, frustriert, traurig und verzweifelt - es ist eine wilde Achterbahn der Gefühle, der man sich beim Lesen nicht entziehen kann. Zudem ist es sehr nachvollziehbar, was Louis durchlebt und wie er sich verhält. Die Rückblicke in die Anfänge der Beziehung geben der Romance noch mehr Tiefe und man verliert sein Herz an Louis und Henry, die aus verschiedenen Sichtweisen erzählen.
Sehr bedeutsam ist das Gespräch zwischen Louis und Henrys Großmutter Grandma Leanne. Meine liebste Stelle, denn sie greift alles auf, wofür die Geschichte steht und regt zum Nachdenken an.
Dem Genre ist es wohlmöglich geschuldet, dass einige Wiederholungen und Klischees vertreten sind, obwohl die Botschaft bereits klar ist. Das war ermüdend, aber verzeihbar, weil das Gesamtkonzept mich so mitgerissen und berührt hat.

Ich würde „Gestern waren wir unendlich“ allen empfehlen, die schreckliche Angst davor haben, Menschen zu verlieren, die sie lieben. In meinen Augen ist es eine tröstliche Geschichte, die nicht zwingend Taschentücher braucht, und ich gehöre zu denen, die das Ende mögen.

Bewertung vom 31.07.2025
George, Nina

Die geheime Sehnsucht der Bücher


ausgezeichnet

Monsieur Perdu verkauft auf dem Bücherschiff in seiner „Literarischen Apotheke“ nur die Bücher, die man braucht, nicht die, nach denen man verlangt. Die Siebzehnjährige Pauline hält seinen Metapherstreubomben
stand und hilft Perdu auf dem Bücherschiff, wobei ihre ereignisreichen Mittwochsrunden besonders unterhaltsam und für sie lehrreich sind. „Bücher können viel, Pauline. Aber sie können nicht dein Leben ersetzen.

Françoise ist zwar erst zwölf Jahre alt, aber belesen, klug, benutzt gern schwierige Wörter und mag es nicht geduzt zu werden. Allzu gern wäre sie einfach Kind, aber es lastet zu viel Verantwortung auf ihren Schultern. Um den Zustand ihrer Mutter zu verschleiern lügt sie, oder wachträumt wie sie es nennt, damit niemand merkt, wie ihr Leben wirklich ist. Françoise wünscht sich literaturmedizinische Beratung - allerdings für ihre Mutter, die dringend Rettung braucht - und so lernen sich Françoise, Monsieur Perdu und Pauline kennen.

Auf Françoise Kapitel begann ich mich besonders zu freuen, denn sie ist so schlagfertig und ironisch, gleichzeitig ist sie verzweifelt und verletzlich, findet Zuflucht in Büchern. Für sie wünschte ich mir ein glückliches Ende. Die wilden Büchermädchen haben mein Herz gewärmt und bescheren der Geschichte entzückende Momente über die Macht der Freundschaft, die unvergesslich bleiben.

Wenn man «Die geheime Sehnsucht der Bücher » liest, dann hat man ein Buch, welches selbst in der Buchapotheke stehen könnte. Für die Menschen, die den Glauben an die Menschlichkeit und Freundschaft verloren haben. Bibliophile fühlen sich verstanden, saugen die zahlreichen Buchempfehlungen auf und schätzen Perdus feinere Gespür für Menschen.

Inhaltlich geht es um Freundschaft, darum, neue Gedanken in die Köpfe zu lassen und besorgte Eltern, die das nicht wollen. Es geht natürlich um Liebe, um Vergebung und ein Online-Missgeschick, das Folgen hat. Der Schreibstil ist poetisch, geschickt, ausdrucksstark und hat einen authentischen französischen Flair.

Ein sommerlicher Schmöker mit Herz für alle, die gedanklich nach Paris reisen möchten und bibliophile Weisheiten schätzen, die inspirieren.

Bewertung vom 31.07.2025
Rossell, Judith

Midwatch - Schule der unerwünschten Mädchen


ausgezeichnet

Maggie wird zukünftig das Midwatch-Institut besuchen, eine Schule für Waisen, Ausreißerinnen und unerwünschte Mädchen. Deren Ruf ist berüchtigt, denn dort soll es sehr streng und trostlos zugehen. Gemeinsam mit der schweigsamen Sofie, die vom Zirkus kommt und sich an der Hand verletzt hat, und der klugen Nell und ihrem kleinen Begleiter Spike, wird Maggie von der Leiterin Miss Mandelay aufgenommen, die sich - zur Überraschung aller - als warmherzige Frau entpuppt, die das Bild eines strengen Instituts zum Schutz aufrechterhalten muss. Hier werden die Mädchen in die Anfangsklasse aufgenommen und erhalten ein Bett, Kleidung, genussvolle Mahlzeiten und vielseitigen Unterricht, um nützliche Dinge zu lernen.

Diese Geschichte ist ein Reise in die Vergangenheit des 19. Jahrhunderts, die von einer geheimen Organisation erzählt, die ihre Fälle auf altmodische Art löst. Eine verschwundene Person, unerklärliche nächtliche Angriffe und eine Stadt in Angst, rufen die Mädchen der „Midwatch“ auf den Plan. Die Themen sind breit gefächert und das Aufbrechen der Gesellschaftsschicht macht es klugen Mädchen, die nicht angepasst, brav und gehorsam sind, möglich, ihr Potenzial zu entfalten und anspruchsvolle Rätsel zu lösen. Sie erfahren zum ersten Mal in ihrem Leben Zuversicht und Unterstützung. Dabei lernen sie „nützliche Dinge, die jedes Mädchen wissen sollte“, die darauf vorbereiten, knifflige Rätsel zu lösen, Gutes zu tun und Bösewichte zu bekämpfen.

Ich habe dieses Buch von der ersten Seite an geliebt. Die Atmosphäre war so eindringlich geschildert, dass ich sehr mit Maggie mitfiebern konnte. Als sich zeigt, welche Chance wirklich vor ihr liegt, ist man ebenso aufgeregt und neugierig. Eine wichtige Rolle spielt, neben der Aufklärung des Falles, auch der Zusammenhalt der neun Mädchen, die sich als Anfängerinnen beweisen wollen und über sich hinauswachsen. Judith Rossel schreibt geistreich, mit anschaulicher Vorstellungskraft und einem guten Händchen für Charaktere. Bettina Obrecht hat mit viel Wärme und Leidenschaft ihre Worte zugänglich gemacht. Das machte den Schreibstil flüssig und wunderbar lesbar. Darüber hinaus ist es spannend, wendungsreich, humorvoll und sehr unterhaltsam geschrieben. Das Finale setzt nochmal einen obendrauf.
Ich freute mich begierig auf jedes Umblättern und das Entdecken dieser spektakulären Illustrationen, oder der Seiten mit den nützlichen Dingen. Es macht einfach Spaß, Praktisches mit kindlicher Neugier zu entdecken, weil sie sich perfekt in die Geschichte einfügen und zum Ausprobieren inspirieren. Davon abgesehen besticht das Buch mit vielen besonderen Details - in der Ausgabe und in der Handlung. Durchgehend blaue Textfarbe, jede zweite Seite ist illustriert, teilweise aufwendige Doppelseiten, die Stimmung und Atmosphäre erzeugen, und Einblicke in die Handlung und geschichtliche Einordnung bieten. Bilder und Text fügen sich nahtlos zusammen und helfen dabei, sich alles vorzustellen (Personen, Orte, Gegenstände). Dazu finden sich auch Hinweise in den Illustrationen und so fügt sich alles zusammen. Ein großartiges Lesevergnügen für Groß und Klein, das mich total begeistern konnte. Es wirkt, als wäre die Geschichte abgeschlossen, aber ich würde mich sehr über eine Fortsetzung freuen.

Bewertung vom 22.07.2025
Wildner, Maxine

Jane Austen - Stolz und Leidenschaft


sehr gut

«Jane Austen - Stolz und Leidenschaft», geschrieben von Maxine Wildner, erzählt in fiktionaler Form das Leben der britischen Schriftstellerin Jane Austen, die 1775 bis 1817 lebte und deren Werke zu den Klassikern der englischen Literatur gehören, obwohl sie zu Lebzeiten weder reich noch besonders berühmt war. Der Roman erinnert an die Filmbiografie «Becoming Jane» aus dem Jahr 2007.

Zu Beginn des Romans, lebt die 20-jährige Pfarrerstochter mit ihren Geschwistern und Eltern im ländlichen Steventon in der Region Hampshire, als sie, als junge ledige Frau im heiratsfähigen Alter, unter die Haube gebracht werden soll. Zwei Anträge lehnt sie ab, denn Jane hat ihr Herz bereits an den irischstämmigen Tom Lefroy verloren. Doch das Schicksal ist ihr nicht gewogen und so gilt ihre Leidenschaft fortan dem Schreiben.

„Das Mädchen, dass so gern Geschichten von Liebesschmerz und Liebesglück zu Papier bringt, gibt es nicht mehr. Du bist eine junge Frau und spürst all das im eigenen Herzen, was bisher nur deine Romanfiguren fühlten.“

Es gibt authentische Einblicke in das Familienleben der Austens, bei denen die wertschätzende Vater-Tochter-Beziehung deutlich wird und die Unterstützung, die Jane von ihrer Familie erhielt, um ihren Traum zu erfüllen. Ich konnte mir eine anschauliche Vorstellung davon machen, wie Jane Austen wohlmöglich Inspiration für ihre Romane fand und wie eng ihr Leben mit ihren Romanfiguren verknüpft war, in dessen Gesellschaft sie sich weniger einsam fühlte. Der Roman zeigt, wie beschwerlich der Weg als Schriftstellerin für sie war, an welchen Orten sie lebte und welche Bekanntschaften sie inspirierten, wer ihr ein Vorbild war und warum Jane Austen die fortschrittliche Haltung einnahm, nur aus wahrer Liebe zu heiraten, die damals unüblich war.

Es entsteht eine wunderbare Geschichte, die mich in die Vergangenheit entführt und berührt hat, in der Jane Austen für ihre Werke gewürdigt wird und die Anerkennung erhält, die sie zu Lebzeiten verdient gehabt hätte. Sie ist in diesem Werk keine tragische Figur ihrer eigenen Liebesgeschichte, sondern eine außergewöhnliche Persönlichkeit, die geschätzt und geliebt wurde.

Leider trübt gleich auf der ersten Seite ein Jahreszeiten-Fehler in der Überschrift (nicht bei allen Ausgaben) und auch das, durch eine künstliche Intelligenz geschaffene, Cover den ersten Eindruck. Was ich im Roman außerdem vermisst habe, waren Hinweise auf die regen Briefwechsel, die Jane unterhielt - mit ihrer Schwester Cassandra beispielsweise, ihrer großen Liebe zu Büchern oder das sie 1802 einen Heiratsantrag annahm und dann doch ablehnte. Es gibt noch weitere Unterschiede zu der realen Lebensgeschichte von Jane Austen, weshalb für mich trotzdem ein unvollständiges Bild von ihr entstand. Ihr Porträt zeigt jedoch ihre gute Beobachtungsgabe, ihren scharfen Verstand und ihre Sprachbegabung.

Anrührend erzählt, ist es weniger eine Biografie von Jane Austen, vielmehr eine fiktive literarische Kompositionen ihrer Romane, die auf ihre Person übertragen wurde und sowohl einfühlsames Gesellschaftsporträt als auch mitreißendes Melodrama ist. Der Schreibstil verschmilzt gekonnt mit den Klassikern von Jane Austen und lässt einen völlig eintauchen. Besonders gelungen fand ich die Schreibprozesse, bei denen man Jane über die Schulter sieht und in kurze Szenen ihrer Romane schlüpft. Eine Empfehlung für alle, die Fans von den Dialogen in «Stolz und Vorurteil» sind.