Martenstein gelingt es, einem todtraurigen Thema Tiefe, Humor und Sinn abzugewinnen. Dass er brilliant, fesselnd und wendungsreich schreiben kann, ist ein Sahnehäubchen oben drauf.
Was für ein Lichtblick in der laaaangweiligen, moralinsauer geprägten deutschen Germanisten-Belletristik!
Es gibt kaum ein anderes zeitgenössisches Buch, das so spannend, unterhaltsam, berührend und einsichtsreich vom Leben in Deutschland erzählt. Jan Brandt gelingt es, nicht nur einen tiefen Einblick in die Immobilienlage von Stadt und Land zu geben sondern auch mitten in Herz und Seele familiärer Befindlichkeit. Jan Brandt stammt aus Ostfriesland. Was er erzählt - von Armut und Tüchtigkeit über mehrere Generationen über Auswanderung nach Amerika um 1900 bis hin zu Gewaltaffinität unter Geschwistern - , kenne ich ganz ähnlich aus alteingesessenen schwäbischen und bayrischen Familien.
Brandts Stil ist besonders bemerkenswert. Mitten in der belletristischen Wüste germanistischen Geschwurbels schreibt Brandt im besten Sinne schlicht, intelligent, mit feinem Humor und sehr gut lesbar.
Grandios.
DAS Buch über Leben, Werte und Widersprüche der westlichen Welt: es ist kenntnisreich, von kühler Intelligenz, klug und warmherzig zugleich. Bestes Amerika!
Sehr unterhaltsam und leicht lesbar, dabei überaus kenntnisreich schildert Christoph Hein deutsche (und russische) Geschichte von unten, als Familien- und Freundschaftsgeschichte. Sein Ton ist geadezu westernhaft lakonisch, was die Bitterkeit der Schicksale ganz besonders unterstreicht. Der Leser erfährt hautnah, wie es sich für den rechtschaffenen Normalbürger anfühlt, wenn Kriminelle an der Macht sind, die mittels irgend eines perfiden Glaubens (ganz gleich ob links oder rechts oder sonstwie bigott) andere gnadenlos terrorisieren. Hört diese Geschichte jemals auf? fragt sich der Leser am Ende. Hein lässt es offen.
Über Jahrhunderte und Generationen hinweg erzählt Annie Proulx die Geschichte der Zerstörung der Urwälder der Welt als Migrationsgeschichte des Menschen.
Dabei gibt es keine nur Guten und keine nur Bösen, die Menschen dieser Geschichte handeln nachvollziehbar auf der Basis der jeweiligen, ihnen eigenen Kultur und deren (wandelbare) Sicht auf die Welt. So mäandert die Erzählung von Europa nach Nordamerika, von dort nach China, nach Neuseeland und nach Südamerika; es ist ein gigantisches Epos des Waldes (und des Menschen), aus dem sich viel lernen läßt. Dennoch ist es alles andere als ein trockenes Lehrbuch, man folgt der Geschichte mit großem Vergnügen, da Proulx Individuen und Ereignisse mit hintergründigem Humor detailreich schildert und gerade eben liebgewonnene Personen immer wieder auf erschreckende Weise (wie im wirklichen Leben!) umkommen läßt.
Und vor allem: Proulx wertet nicht, sie lamentiert nicht, sie erzählt.
Mit einem offenen Ende: dem Heute.
Sehr empfehlenswertes Buch, ein Beispiel für richtig guten Journalismus, wie er leider selten geworden ist.
C. Schreiber dokumentiert ausführlich einige Predigten, die er freitags in verschiedenen Moscheen angehört hat. Dabei hält er sich mit Wertungen zurück, äußert aber auch seine Meinung. Die Ernsthaftigkeit, Besonnenheit und Aufrichtigkeit, mit der er das tut, sind beeindruckend. Ich selbst habe nicht immer seine Meinung geteilt, z.B. mußte ich während einer Predigt laut lachen, weil sie mir vorkam wie ein wirres Märchen aus 1001 Nacht, während C. Schreiber resp. der von ihm befragte Experte sie als "schwer verständlich", wertkonservativ und radikal einstufte.
Fazit: Dieses Buch ist eine Kostbarkeit, denn es ermöglicht es dem Leser, sich sein eigenes Urteil zu bilden.
21 von 21 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.
Egozentriert, nostalgisch an der Vergangenheit klebend, ohne tieferen Nachhall, nicht der Hauch einer kreativen Idee für das Leben von heute und morgen.
Ein schlechtes Buch mehr, das nur wegen der Prominenz der Autoren zum Bestseller geworden ist. In diesem Fall besonders ärgerlich, weil irreführend: die übertriebenen (vor dem ZEIT-Chefredakteur katzbuckelnden?) Lobeshymnen aus Journalistenkreisen.
Insbesondere von Giovanni di Lorenzo wäre mehr zu erwarten gewesen. Es gibt nun wirklich genug Bücher auf dem Markt, in denen sich die Autoren egozentrisch biografisch präsentieren. Und fällt Giovanni di Lorenzo als hehres Ziel in der modernen Gesellschaft tatsächlich nichts Besseres ein als der Kampf gegen die Mafia? Nichts gegen diesen Kampf. Er ist wichtig und bewundernswert. Aber war er das etwa nicht schon zur Zeit unserer Grossväter?
Was sind denn nun die neuen Herausforderungen von heute?
Das Buch leistet zu dieser Frage keinen nennenswerten Beitrag.
Ganz anders dagegen - um nur ein Beispiel zu nennen - das Buch von Walter Kohl: Leben oder gelebt werden. Auch W. Kohl beginnt egozentrisch, kämpft mit Selbstmitleid, dann aber ringt er sehr viel tiefgehender, schonungsloser sich selbst gegenüber und weitreichender um Verarbeitung und um neue Antworten. DAS ist mutig, und das unterscheidet W. Kohl auch ganz gewaltig von den Generationen zuvor .
26 von 28 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.
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