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Kirstin

Bewertungen

Insgesamt 32 Bewertungen
Bewertung vom 07.09.2025
Georg, Miriam

Die Verlorene


ausgezeichnet

Ein Porträt, das die weit über 90jährige Änne eines Tages mit der Post erhält, versetzt sie mit einem Schlag in eine längst vergangene Zeit und löst eine Reihe von tragischen Ereignissen aus, die zu Ännes Tod führen. Ihre Enkeltochter Laura begibt sich auf eine Reise in Ännes Vergangenheit und sucht den Gutshof in Schlesien, auf dem Änne groß geworden ist. Dort hofft sie Antworten zu finden auf die vielen offenen Fragen und unausgesprochenen Worte, die das Leben ihrer Großmutter begleiteten. Zu Ännes Lebzeiten war das Thema Schlesien tabu und mehr, als dass Änne mit ihrer kleinen Tochter Ellen aus Schlesien fliehen musste, hat sie ihrer Familie nie anvertraut. Doch wie es dazu kam, erfährt Laura nun auf ihrer emotionalen Reise und sie hilft dadurch auch ihrer Mutter, den Geheimnissen, die deren Leben bislang begleitet haben, näher zu kommen. Ein spannender und flüssig zu lesender Generationenroman mit ausdrucksstarken Charakteren.

Bewertung vom 26.08.2025
Slocombe, Penelope

Sunbirds


ausgezeichnet

Seit sieben Jahren wird Torran in Indien vermisst, seit sieben Jahren ist seine Mutter Anne auf der Suche nach ihm. Während ihr Ehemann Robert irgendwann resigniert und zuhause auf einer kleinen schottischen Hebrideninsel bleibt, bereist Anne Indien, immer auf der Suche nach einem vertrauten Gesicht, einer bekannten Silhouette. Als sich neue Hinweise auf Torrans Aufenthaltsort ergeben, begibt sich Anne gemeinsam mit ihrer Nichte Esther auf eine beschwerliche Reise in den Himalaya. Die gemeinsame Zeit wird zu einer Chance für die beiden Frauen, die in der Vergangenheit nur schwer einen Zugang zueinander fanden.
Das Buch berührt unmittelbar. Die Emotionen der Mutter, stets gefangen zwischen Hoffnung und Resignation, Trauer und Akzeptanz werden von der Autorin auf eine ruhige Art erzählt und trotzdem baut sie große Spannung auf. Zudem faszinieren die Einblicke in das Leben westlicher AussteigerInnen in Indien, genannt Sunbirds, denn immer wieder begegnet Anne Menschen, die ihre Existenz in der westlichen Welt einfach hinter sich gelassen haben.

Bewertung vom 26.08.2025
Völler, Eva

Der Sommer am Ende der Welt


ausgezeichnet

Eva Völler hat mit ihrem neuen Roman ein kaum aufgearbeitetes Kapitel der deutschen Nachkriegsgeschichte gewählt: Das Schicksal der Verschickungskinder. Selbst sehr junge Kinder wurden für mehrere Wochen alleine zu Heilkuren "verschickt", die ihrer Gesundheit gut tun sollten, doch vielfach erlebten die Kinder in diesen Wochen traumatische Ereignisse, die sie ihr Leben lang prägten. So erging es auch den Geschwistern der Autorin, denen sie dieses Buch widmet. Die persönliche Betroffenheit trägt dazu bei, dass Eva Völler ein authentischer und emotionaler Roman gelingen ist, der den Lesenden von Beginn an fesselt und an den gegenwärtigen und vergangenen Geschehnissen teilhaben lässt. In der Gegenwart macht sich die Journalistin Hanna auf den Weg nach Borkum, um dort zu einem ehemaligen Kinderkurheim zu recherchieren, das ihre Mutter früher besucht hat. Unterstützung erfährt sie von Ole, dem Inselarzt, dessen Großvater ebenfalls in die Abläufe im Kurheim involviert war. In der Vergangenheit erzählt die kleine Susanne, wie sie 1963 zu ihrer Kinderkur aufbrach und im Ruhrgebiet alleine in einen Bus gesetzt wurde, um auf Borkum als erstes ihren Namen gegen eine Nummer eintauschen zu müssen.

Bewertung vom 30.07.2025
Kröhn, Julia

Das Lied der Rose


sehr gut

Julia Kröhn umfasst mit ihrem Epos über die Anfänge des Minnegesangs mehrere Jahrzehnte im 11. Jahrhundert nach Christus. Sie erzählt spannend und fesselnd die Geschichte der jungen Sahar, einer bildschönen Frau mit sarazenischem Erbe und Marian, einem zurückhaltenden Novizen, dem das Klosterleben nicht vorbestimmt zu sein scheint. Beide eint eine große Liebe – zueinander und zur Musik. Doch das politische Kalkül der herrschenden Klasse und die Ohnmacht, über das eigene Leben bestimmen zu können, verhindern über viele Jahre, dass die beiden Liebenden beieinander sein können. Wie sie immer wieder auseinandergerissen werden, wie Sahar zunächst ein protektiertes Leben am Hof der Herzogin von Toulouse, Philippa, führt und Marian als Medikus den Herzog von Aquitanien, Guillaume, auf einen Kreuzzug ins Heilige Land begleitet, erzählt die Autorin anschaulich und mitreißend. Die häufigen Zeitsprünge erfordern Aufmerksamkeit beim Lesen, doch durch Rückblenden werden Lücken gefüllt, so dass am Ende keine Fragen für den Lesenden offen bleiben. Außergewöhnlich für einen historischen Roman ist der emanzipierte und differenzierte Blick auf die Frauengestalten des Buches, sie sind hier diejenigen, die die Handlung vorantreiben.

Bewertung vom 06.07.2025
Szántó, Henrik

Treppe aus Papier (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Bereits der erste Satz des Romans "Treppe aus Papier" vermittelt einen umfänglichen Eindruck der Sprachgewandtheit und Wortgewalt des Autors Henrik Szantó - denn er ist fast vier Seiten lang. In diesem ersten Satz listet das Haus, in dem es in dem Buch geht, zahllose Erlebnisse, Gefühle und Eindrücke auf, die im Laufe der Jahrzehnte in seinen Mauern gemacht wurden. Die Erzählperspektive ist so ungewöhnlich wie kreativ - der gesamte Roman ist aus der Sicht des Hauses geschrieben. Es kennt keinen linearen Zeitablauf und so geschieht für das Haus immer alles gleichzeitig - während die Teenagerin Nele, die das Haus in unserer Gegenwart mit ihren Eltern bewohnt, mit ihrem Hund Balu die Treppe hinunterläuft, hüpft Ruth Sternheim, ein jüdisches Mädchen, dass zur NS-Zeit dort lebte, die Treppe hinauf. Auch die 90jährige Irma lebt in dem Haus, und zwar bereits seit ihrer Geburt. Irma kannte Ruth, durfte aber von Seiten ihrer Nazi-Eltern keinen Kontakt mit ihr pflegen. Als Nele Irma näher kennenlernt und mit ihr in Gespräche über die Zeit des Nationalsozialismus kommt, sehen sich beide mit ihrer Familiengeschichte konfrontiert, mit dem, was verdrängt wird und dem, was nicht ausgesprochen werden kann.
Dieses Buch ist ein wichtiger Beitrag zur Erinnerungskultur und mahnt, dass auch junge Generationen nicht die Augen vor dem verschließen dürfen, was durch Ignoranz, Hass und Überlegenheitsdenken zur schlimmsten Katastrophe der deutschen Geschichte geführt hat. Gleichzeitig ist es aber auch voller Hoffnung, denn das Haus hat einen sehr liebevollen Blick auf die meisten seiner Bewohner und ihre Eigenheiten.
Obwohl der Autor literarisch anspruchsvoll schreibt, formt er seine Worte so flüssig und poetisch zu Sätzen, dass man beim Lesen in einen regelrechten Flow gerät. Mich hat dieser Roman tief beeindruckt.

Bewertung vom 20.06.2025
Simon, Teresa

Zypressensommer


sehr gut

Die junge Goldschmiedin Julia reist nach dem Tod ihres geliebten Großvaters von Hamburg in die Toskana. Im Gepäck hat sie einen Zettel mit Namen, die ihr der Opa kurz vor seinem Tod anvertraut hat. So begibt sich Julia auf eine Reise in die Vergangenheit ihrer Familiengeschichte, die ihren Ursprung im letzten Jahr des zweiten Weltkrieges hat. Während der Großvater als Kriegsgefangener in Hamburg Zwangsarbeit leisten musste, kämpfte sein Bruder bei den italienischen Partisanen. Beide liebten dasselbe Mädchen, Giulia. Die Handlung entfaltet sich auf zwei Zweitebenen. Julia reist im Jahr 1998 in die Toskana, parallel zu Julias Geschichte gibt es den Zeitstrang ab 1944, der abwechselnd aus Giannis und Giulias Sicht erzählt wird. Die Autorin Teresa Simon nimmt hier das weitgehend unbekannte Schicksal der italienischen Militärinternierten in den Blick, die Geschichte ist sehr gut recherchiert und spannend erzählt. Und da Julia im kleinen Städtchen Lucignano sehr rasch auf den attraktiven Matteo Conti trifft, ist der Roman auch etwas fürs Herz

Bewertung vom 15.06.2025
Gerstberger, Beatrix

Die Hummerfrauen (eBook, ePUB)


sehr gut

"Die Hummerfrauen" erzählt die Geschichte von Ann, Julia und Mina - drei Frauen aus unterschiedlichen Generationen, die das Leben an die Küste von Maine gespült hat. Während Ann und Julie sich nach Schicksalsschlägen in Stone Harbour niedergelassen haben und Hummerfischerinnen geworden sind, wird Mina tatsächlich eines Tages - nach einem Kajakunfall- am Strand angespült. Es ist jedoch kein Zufall, dass sie sich in der Nähe aufhielt, denn auf der Nachbarinsel Eagle Island hat Mina viele unbeschwerte Sommer ihrer Kindheit verbracht, nach denen sie sich zurücksehnt. Bei Ann findet sie ein Zuhause und in den beiden älteren Frauen gute Freundinnen, die sie endlich so akzeptieren, wie sie ist. Das Buch erzählt nicht nur von Freundschaft, sondern auch von der Liebe und ihrem Glück und Unglück, ihrer Unbeschwertheit und ihrer Bürde. So trifft Mina Sam wieder, ihren Freund aus Kindheitstagen. Beide verbindet ein schweres Schicksal, denn sie verloren durch tragische Unfälle ihre älteren Brüder. Dass Mina nicht locker lässt und nach Verbindungen sucht, belastet die beginnende Partnerschaft.
Beatrix Gerstberger hat in ihrem Buch starke Charaktere erschaffen, die eigenwillig, stark, freiheitsliebend und manchmal ein wenig kauzig sind. Sie schreibt abwechslungsreich und flüssig, so dass die Lektüre Freude bereitet.

Bewertung vom 09.06.2025
Kemp, Kate

Lauter kleine Lügen


ausgezeichnet

Mit „Lauter kleine Lügen“ ist Kate Kemp ein vielschichtiger und spannender Roman gelungen, der, obwohl seine Handlung im Jahr 1979 angesiedelt ist, hochaktuelle Themen aufgreift. Es geht um die Menschen am Warrah Place, einer Straße in Canberra, die einen Mörder in ihren Reihen suchen. Das Opfer ist der 19-jährige Antonio und bereits auf der ersten Seite weiß man, wer ihn ermordet hat. Doch was trieb den Täter zu diesem Mord? Die Handlung springt auf einer Zeitschiene mehrere Monate vor dem Mord bis einige Zeit danach von Kapitel zu Kapitel hin und her, so dass sich das Geschehen in den einzelnen Häusern am Warrah Place immer mehr entfaltet. Die Geheimnisse und Verbindungen der Menschen werden immer klarer und sind so unterschiedlich, wie die Menschen selbst. Es geht um Liebe und Betrug, Fremdenfeindlichkeit, patriarchale Strukturen, Feminismus und gleichgeschlechtliche Beziehungen. Und mittendrin agiert die 12jährige Tammy, die selbst ein wenig verliebt in Antonio war und es sich zur Aufgabe gemacht hat, den Mord aufzuklären. Dabei stiftet sie durch ihre oftmals sozial ungeübte Persönlichkeit mehr Schaden als ihr lieb ist.
Das Buch ist eine absolute Leseempfehlung für alle, die subtile Spannung und gesellschaftskritische Literatur mögen. Kate Kemp schreibt sehr flüssig, bisweilen bissig und mit ironischem Unterton. Ein großes Leseerlebnis!

Bewertung vom 09.06.2025
Mommsen, Janne

Das Licht in den Wellen


ausgezeichnet

Mit "Das Licht in den Wellen" von Janne Mommsen hält man ein wunderschön gestaltetes Buch in den Händen, das bereits durch die Coverillustration die Sehnsucht nach dem Meer weckt und auf das Trefflichste auf den Buchinhalt vorbereitet: Mit Anfang 20 verlässt Inge, eine Föhrer Bauerstochter, ihre Heimatinsel und erhofft sich im pulsierenden New York einen Neuanfang. Was sie von ihrer geliebten Insel wegtreibt, bleibt lange im unklaren. Die Sehnsucht nach Föhr und Inges Verwurzelung in ihrer Heimat wird aber immer deutlich. Durch ihre besondere Persönlichkeit und ihre Begabung, ausgefallene Gerichte zuzubereiten, schafft sie es, sich in New York von einer einfachen Verkäuferin in einem Delikatessenladen zur Besitzerin eines gehobenen Restaurants hochzuarbeiten.
Erzählt wird die Geschichte rückblickend aus Inges Perspektive, denn nun, mit 100 Jahren und seit vielen Jahren zurück auf Föhr, möchte sie noch einmal die Überfahrt nach New York antreten, begleitet von ihrer Urenkelin Swantje. Auch diese scheint an einem Scheidepunkt in ihrem Leben zu stehen und ist unsicher, wie sie in die Zukunft gehen soll. Inge hofft, durch diese Reise nicht nur sich selbst Frieden zu verschaffen, sondern auch Swantje helfen zu können.
Besonders gut hat mir an diesem Buch die liebevolle Charakterisierung der Figuren gefallen. Vor allem Inge wird so natürlich, sympathisch und herzlich beschrieben, dass man sie einfach gerne haben muss.

Bewertung vom 09.06.2025
Hopkinson, Deborah

Von einem Mädchen, das das Schreiben liebte. Jane Austen


sehr gut

Das Bilderbuch "Von einem Mädchen, das das Schreiben liebte - Jane Austen" bezaubert zunächst durch die zarten, aquarellierten Illustrationen von Qin Leng. Passend zur Regency-Epoche, in der Jane Austen lebte, sind die Bilder romantisch-verspielt, aber sehr authentisch und die jungen Lesenden können sich eine gute Vorstellung vom Leben einer gut situierten Familie in der damaligen Zeit verschaffen. In ihren Texten erzählt die Autorin Deborah Hopkins von der frühen Liebe der kleinen Jane zu Geschichten und Büchern, vom Leben in ihrer großen, fröhlichen Familie und davon, wie vor allem Janes Vater ihre Liebe zum Lesen und Schreiben förderte und unterstützte - ganz sicher etwas Besonderes Ende des 18. Jahrhunderts. Abgerundet wird dieses wunderschöne Bilderbuch von einer Zeittafel, die die wichtigsten Lebensdaten Jane Austens enthält und einem "Bücherregal", in dem all ihr Werke kurz mit ihrem Inhalt, dem Erscheinungsjahr und berühmten Zitaten vorgestellt werden. Ein Buch, das ermutigt, den eigenen Träumen zu folgen und an sich zu glauben. Einzig mit der Auswahl einer anderen Schriftart und dem Verzicht auf Kommentare in Klammern hätte man das Layout für junge Alleinlesende noch etwas vereinfachen können.