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www.susanne-eichholz.de
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Frankfurt
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Ich bin Personalentwicklerin und Coach in Frankfurt. Als leidenschaftliche Leserin seit Kindertagen binde ich in meine Arbeit immer Bücher aller Art ein. Auf meiner Website www.susanne-eichholz.de betreibe ich einen Leseblog: "Das Freitagsbuch" und stelle dort alle 14 Tage eine Buch vor.

Bewertungen

Insgesamt 87 Bewertungen
Bewertung vom 08.08.2025
Geiger, Arno

Unter der Drachenwand


sehr gut

Einige verregnete Tage am Mondsee schienen mir in diesem Sommer der ideale Zeitpunkt, Arno Geigers so bekannten wie hochgelobten Briefroman „Unter der Drachenwand“ zu lesen. Während es draußen immer wieder goss und die Drachenwand hinter dicken Wolken verschwand, kam die richtige Stimmung für diesen harten Stoff auf, der den ganzen Irrsinn des Krieges in den Jahren ab 1943 zeigt.

Gleich zu Beginn kommt ausgerechnet die Ukraine vor, einer der Hauptschauspielplätze des zweiten Weltkriegs. Hier wird der Protagonist, der Wehrmachtssoldat Veit Kolbe, im Gefecht schwer verletzt und in ein Lazarett im Saarland gebracht. Von dort geht es nach Wien und dann an den Mondsee, wo Veit sich körperlich und nervlich vom Horror seiner Jahre an der Front erholen will. Im beschaulichen Mondsee lebt er sich durch unterschiedliche Begegnungen recht gut ein und sein Leben scheint erst einmal sicher. Er wird jedoch misstrauisch beäugt, sobald er wieder einigermaßen laufen kann und manchem wieder feldtauglich erscheint. Was von außen nicht sichtbar ist, ist sein Kriegstrauma, das ihn mit Panikattacken erschüttert und ihn tablettenabhängig machen wird.

Geiger zeigt meisterhaft, wie der Krieg die Menschen verändert und entwurzelt, sie vorsichtig macht und Familienmitglieder, Nachbarn, Dorfbewohner gegeneinander aufbringt. In ihrem oft verzweifelten Versuch zu überleben, überschreiten sie Grenzen, verraten und verletzen sich gegenseitig und vereinsamen.
Das Besondere an diesem recht umfangreichen Roman ist für mich die Empathie, mit der Geiger sich in die Figuren hineinversetzt. Stilistisch bemerkenswert finde ich die Schrägstriche, mit denen er immer wieder arbeitet und Äußerungen verknappt. Es ist insgesamt ein Werk, das sicher viele Leser packen kann wird.

Bewertung vom 18.07.2025
Aoyama, Michiko

Frau Komachi empfiehlt ein Buch


weniger gut

Für dieses – sagen wir – wenig komplexe Werk fanden sich bereits in über 20 Ländern Leser in vielen verschiedenen Sprachen und es wurde 2023 auf die 100-Must-Read-Liste der TIME gesetzt. In Buchhandlungen liegen Stapel des Buchs mit dem gefälligen bunten Deckblatt. Möglicherweise gehört es in den Bereich Wohlfühl-Literatur, mit dem Menschen sich aus dem Alltag verabschieden, um Antworten auf ihre Sinnkrise zu finden? Der Erfolg scheint der Autorin recht zu geben. Ich jedenfalls finde diesen Roman nur insofern bemerkenswert, als er mit ganz einfachen Mitteln das schafft, was heute selbst Weltliteratur eher selten gelingt, nämlich viele zu begeistern.

Bewertung vom 20.06.2025
Budde, Gunilla

Jutta Limbach


sehr gut

Dies ist auch die Geschichte eines Menschen, der vielfach zunächst unterschätzt wurde. Jutta Limbach war mit 1,60 m selbst für eine Frau ihrer Generation klein. Zudem war sie stets freundlich, herzlich und höflich. Solche Menschen werden oft zunächst in die Schublade "harmlos" gesteckt, was in ihrem Fall komplett falsch war. Sie selbst fragte Journalisten gerne: "Glauben Sie, dass ich mit Nettigkeit so weit gekommen wäre?" Sie war eben ein Beweis dafür, dass man zuvorkommend UND hocherfolgreich sein kann.

Es lohnt sich aus meiner Sicht aus vielerlei Gründen, diese Biografie zu lesen. Sie ist auf der einen Seite ein Stück deutscher (Rechts-)Geschichte und stellt auf der anderen Seite dar, wie das Frauenbild in Deutschland sich in den letzten 90 Jahren verändert hat. Schließlich ist Familien- und Geschlechtergeschichte ein Forschungsschwerpunkt der Autorin Budde. 

Bewertung vom 30.05.2025
Kehlmann, Daniel

Lichtspiel


ausgezeichnet

Ziemlich großes Kino

Obwohl die Kritik zu Kehlmanns Buch nicht euphorisch war, kann ich in der Figur des Regisseurs Pabst viel lesen zur Rolle des Künstlers in einem totalitären Regime. Es geht im Grunde um Gewissensfragen, Korruption und Mitläufertum in chaotischen Verhältnissen. Für mich ist das alles ziemlich großes Kino und damit auf jeden Fall empfehlenswert.

Bewertung vom 02.05.2025
Azzeddine, Saphia

Mein Vater ist Putzfrau


gut

Dem Leser bietet sich ein Panorama, das in vielen französischen Filmen aus den Banlieues zu sehen ist. Und doch bietet Azzeddine mehr als unzählige umgangssprachliche Elemente und die üblichen Klischees. Denn es geht auch darum, wie der heranwachsende Junge trotz der sich vertiefenden Bildungskluft weiter an seinem Vater hängt. Paul macht dabei eine Wandlung durch, die viele Einwandererkinder kennen. Die Unfähigkeit seiner Eltern, sich sprachlich einzuleben, führt zu ihrer Isolation. Der Sohn traut sich nicht, seine Eltern zu korrigieren, und so wird der sprachliche Abstand zwischen den Generationen immer größer.

Einige originelle Elemente und viele humorvolle Einwürfe machen diesen Entwicklungsroman sehr lesenswert, finde ich. Die Autorin schreibt auch Drehbücher. Sicher lohnt es sich, ihren Weg zu verfolgen.

Bewertung vom 20.04.2025
Kurbjuweit, Dirk

Nachbeben


sehr gut

Eine Freundin bemängelte das Hin und Her zwischen verschiedenen Perspektiven und Zeitebenen, aber das hat mich nicht gestört. Der rote Faden war für mich immer klar erkennbar. Ich habe hier etwas vorgefunden, das mir in vielen Romanen fehlt: eine wirklich packende Geschichte. Zudem habe ich noch nie eine so starke Beschreibung der Stadt Frankfurt direkt nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gelesen. Wenn Kurbjuweit beispielsweise schildert, wie eine kanadische Militärmaschine mit Kriegsgefangenen über der komplett zerstörten Frankfurter Innenstadt kreist, müssen nicht nur die Soldaten an Bord schlucken.

Ich kann mir zudem wenige Autoren vorstellen, die das Ende der D-Mark und die Entscheidung für den EURO derart interessant und unterhaltsam erzählen könnten wie Dirk Kurbjuweit. Lorenz hängt nämlich an der Mark und lässt sich zu mancher nicht opportunen Aktion hinreißen.

Ich kann diese Geschichte eines Absturzes nur sehr empfehlen für alle, die sich für Erdbeben und Währungspolitik interessieren, aber auch für alle, die schlicht und einfach gerne spannenden Stoff lesen.

Bewertung vom 28.03.2025

Die Welt im Fluss. Über Bewegtes und Vergängliches in der Japanischen Kunst


ausgezeichnet

Wer sich mit Bewegtem und Vergänglichem beschäftigen möchte, dem kann ich diesen sehr hochwertig gestalteten Katalog nur ans Herz legen oder - noch besser - die Ausstellung selbst.

Bewertung vom 09.03.2025
Unseld, Siegfried

Hundert Briefe


ausgezeichnet

Anlässlich des 100. Geburtstags von Siegfried Unseld erschien eine Auswahl von 100 aus der unfassbaren Fülle von über 50.000 Briefen des Verlegers. Ja, richtig gelesen: über 50.000 Briefe hat Unseld im Rahmen seiner rastlosen Tätigkeit über Jahrzehnte verfasst. Er entdeckte schon im Studium Briefe für sich als wichtige Arbeits- und Lebensform. Er schrieb unaufhörlich Briefe, um seine ständig sprudelnden Ideen festzuhalten, Kontakte aufzubauen und Freundschaften zu pflegen. Briefe waren DAS Mittel für ihn, um sich mitzuteilen und zu arbeiten.

Bewertung vom 07.02.2025
Reybrouck, David van

Gegen Wahlen


sehr gut

Das Ganze liest sich erstaunlich mühelos, wirkt wie ein längerer Essay in vier Teilen mit medizinischen Metaphern als Überschriften. Er überzeugt dabei durch eine straffe Gedankenführung und einen sachlichen Ton. Wieso nicht einmal über neue Möglichkeiten und Wege innerhalb der Politik nachdenken? Die Gedanken sind frei und können Neues hervorbringen. Wer sich dieser Grundidee anschließen kann, wird sich von dem schmalen Band sicher gerne inspirieren lassen.

Bewertung vom 05.01.2025
Göpfrich, Astrid

Herr Fliegenbein und die Suche nach der Stille


sehr gut

Besonders leise Menschen werden nachvollziehen können, was Herrn Fliegenbein stört und wie belastend der Lärm der Welt oft auf ihn wirkt. Insbesondere ihnen würde ich dieses Buch empfehlen, obwohl es nach einer charmanten Auflösung etwas abrupt endet.