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DickeTilla

Bewertungen

Insgesamt 51 Bewertungen
Bewertung vom 27.03.2024
Paare
Millner, Maggie

Paare


sehr gut

In ihrem Debütroman erzählt die Autorin Maggie Millner die Geschichte einer Protagonistin, die für eine neue weibliche, offene Paarbeziehung ihren Mann verlässt. Dabei spielen Eifersucht, Streitereien und Zweifel ebenso eine Rolle wie obsessive Hingabe und Neugierde auf das Unbekannte.

Millner hat ein althergebrachtes Geschichtenmotiv, die Liebe, in diesem Buch in einer für mich ungewohnten Form präsentiert: ein Buch abwechselnd in sich reimenden Versen und in Prosa geschrieben. Lyrik und Prosa wechseln sich dabei auch in ihren Erzählperspektiven ab. Während innerhalb der Lyrik die Ich-Form verwendet wird, ist der Prosatext in der Du-Form geschrieben. Die Reime sind als Paarreime gehalten und, bis auf wenige Ausnahmen, sehr gelungen und originell. Durch die Versform erhält der Text eine eigene Tonalität und die Reduzierung der Worte erzeugt in meinen Augen Leichtigkeit. Die Verknappung und Poetik des Textes wird durch eine treffsichere, unmittelbare und zum Teil lockere Wortwahl erreicht (für die der Übersetzerin gewiss ein erheblicher Dank gilt). Mit vermeintlich wenig Sprache gelingt es der Autorin doch so viel und so gekonnt zu erzählen. Diese kleine leidenschaftliche, Sehnsüchte schürenden Liebesgeschichte kommt behende daher und vermag mit wenigen Versen Gedanken und Gefühle herauszuarbeiten und für mich in nachvollziehbare Bilder zu verwandeln. Immer wieder kreist die Protagonistin um ihr Verlangen, dem Getriebensein hin zur Geliebten und der Lust am Neuen, dem sie gleichzeitig ihre Unsicherheit und ihren Wunsch nach Halt gebenden, vertrauten Strukturen entgegengesetzt.
Das weitverbreitete Romanmotiv, die Liebe, in einem modernen Schauplatz angelegt, vermag inhaltlich in „Paare“ nicht unbedingt viel Neues zu erzählen. Aber die Form des Versepos holte mich aus meiner Lesekomfortzone heraus und verschaffte mir angenehme Lesestunden.

Bewertung vom 24.03.2024
Mein ziemlich seltsamer Freund Walter
Berg, Sibylle

Mein ziemlich seltsamer Freund Walter


sehr gut

Ein Außerirdischer zum Freund oder Du bist nicht schuld!
Sibylle Berg hat mit „Mein ziemlich seltsamer Freund Walter“ ihren ersten Kinder-und Jugendroman geschrieben, einen Comicroman.
In ihm geht es um die unglückliche, fast 9-jährige Lisa. Unglücklich, weil Lisa keine Freund*innen hat und sie glaubt, selbst Schuld daran zu sein, weil sich ihre Eltern desinteressiert an der Welt und ihrem Kind gehen lassen oder weil sie Angst vor ihrem Schulweg hat, auf dem sie auf herum pöbelnde, gelangweilte Jugendliche trifft. Auch in der Schule ist sie unglücklich und einsam. Der Platz neben ihr bleibt leer. Statt mit anderen Kindern zu spielen und zu erzählen, wird sie von ihnen gehänselt und ausgelacht: „Sie sieht dann verwirrt aus. Und ein bisschen bescheuert. … Jeder ist froh, nicht Lisa zu sein“ (31). Lisa verkriecht sich lieber heimlich in ihre Bücher, die sie in die Welt der fremden Planeten und der Astronomie verführen. Überhaupt interessiert sie sich für alles, was mit dem Weltall zu tun hat: Teleskope, Galaxien, unbekannte Flugobjekte und Außerirdische.
Und tatsächlich landet eines Nachts ein Ufo und mit ihm Klakalnamanazdta, oder eben Walter. Er freundet sich schnell mit Lisa an und nimmt ab da an ihrem Leben teil. Er begleitet Lisa in die Schule, gibt Tipps, stellt kluge Fragen, ermutigt das Mädchen für seine Anliegen einzustehen und bringt es zum Lachen.
Leicht und behände kommt die Sprache daher. Mal wird aus der Perspektive von Lisa in der dritten Person erzählt und mal wird dialogisch die Geschichte vorangetrieben. Es ist ein Roman, der Mut macht, nicht aufzugeben, an sich und seine Stärken zu glauben. Walter ist für andere unsichtbar und vielleicht existiert er auch wirklich nur in Lisas Phantasie, aber er zeigt ihr auf, dass es einen Ausweg gibt und verhilft ihr zu mehr Selbstbewusstsein. Die Lösungen von Walter mögen ein wenig schlicht und schnell daherkommen angesichts der komplexen Herausforderungen in Lisas Alltag. Die Aussagen, die meiner Meinung nach dahinter stehen, „Du bist nicht Schuld!“ und „Du hast Einfluss!“, werden dennoch deutlich.
Der Inhalt des Buches wird darüberhinaus auch durch freche und witzige Illustrationen in schwarz-weiß transportiert, die passend den Text begleiten oder ihn sogar ergänzen. Ich finde, dass das Buch, nicht nur wegen der Thematik, sondern auch aufgrund der zahlreichen Bebilderung, des geringen Umfangs der Textpassagen und des abwechslungsreichen Layouts, sowohl für junge Vielleser*innen, als auch für Kinder, für die das Lesen herausfordernd ist, unterhaltsam und lesenswert ist.

Bewertung vom 10.03.2024
Lil
Gasser, Markus

Lil


gut

Im Roman „Lil“ wird über den Dialog zwischen Sarah, der Ur-,Ur-,…Enkelin von Lillian Cutting, und ihrer Hundedame Miss Brontë die Geschichte der einst selbstbewussten, zielstrebigen Lillian erzählt, an der ausgerechnet ihr Sohn Robert ein verachtenswertes Verbrechen begeht. Ihm ist das unkonventionelle, ihrer Zeit um 1880 weit vorausgehende Auftreten und Denken sowohl bei Zusammenkünften der gehobeneren Gesellschaft New Yorks als auch bei unternehmerischen Entscheidungen ein Dorn im Auge. Um seine Mutter zu brechen, greift Robert mithilfe eines Psychiaters und begründet auf vermeintlich wissenschaftliche Methoden zu menschenverachtenden, brachialen Mitteln. Doch Rache ist bekanntlich süß und unterstützt durch das rechtschaffene Anwälte-Ehepaar Colby und Jay Sandberg, kämpft sich Lil wieder empor.

Das es überhaupt soweit kam, dass Lil ihrer Rechte beraubt und medikamentös benommen, völlig schutzlos eingesperrt werden konnte, ist vor allem auch einer Zeit geschuldet, in der misogyne oder rassistische Äußerungen salonfähig waren und die Psychiatrie als akademische Wissenschaft noch in ihren Anfängen steckte. Und so ist der Roman auch ein Gesellschaftsromane, der vor allem die Mitglieder der High Society vorzuführen vermag und einen Finger in die gesellschaftlichen Missstände legt. Dazu bedient sich der Autor Markus Gasser einer oft sarkastischen Sprache. Die Überspitzung und Verspottung der Figuren und die somit dargestellte Kritik, zum Beispiel die Übersättigung und Selbstverliebtheit der Oberen Vierhundert, hat mir oft gefallen. Der humorige, sarkastische Erzählton mag augenscheinlich konträr zur Schwere des übergeordneten Romanmotivs Misogynie, Antisemitismus und der Geschichte der Psychiatrie anmuten, schaffte mir aber auf diese Weise eine angenehme Distanz und somit einen Zugang zu einer fast unerträglichen Thematik. Vor allem die Textstellen, denen ganz offensichtlich eine größere Recherche zur Geschichte der psychiatrischen Kranken- und Pflegeanstalten und den damit verbundenen entwürdigenden, verletzenden Behandlungen vorausgehen, sind unmittelbar und eindringlich beschrieben.

Bedingt durch die Wahl der Erzählperspektive, gibt es zeitliche Sprünge der Handlung von einer Zeitebene des heutigen New Yorks in die andere um 1880. Sie sind sprachlich gut erkennbar und störten meinen Lesefluss nicht.
Die Erzählweise ist aus meiner Sicht sehr bildlich und durch das überwiegend dialogische Erzählen stellte ich mir immer wieder einzelne Abschnitte als filmische Szenen vor, die Ereignisse zusammenfassen oder im Zeitraffer bzw. mittels kurzer Rückblenden durch das rasante und dynamische Geschehen führen.

Lil, die Protagonistin und Namensgeberin des Romans, ist der Dreh-und Angelpunkt der Handlung, wenngleich sie selbst oft nur im Hintergrund agiert oder durch Gespräche Dritter zum Gegenstand der Erzählung wird. Sie selbst bleibt in meinen Augen allerdings eher blass und passiv.
Auch die weiteren Figuren werden mir leider nur schablonenhaft und überraschungsarm näher gebracht, als stünden sie musterhaft für „die Guten und die Bösen“. Die inneren Beweggründe für ihre Entscheidungen bleiben mir bis zum Schluss meist fremd. Ich erkenne keine echte Entwicklung und Tiefe in ihnen. Stattdessen scheint mir der Verlauf der Handlung vorhersehbar. Seite um Seite lösen sich die Probleme beinahe in Wohlwollen auf. Die einen erfahren Genugtuung und die anderen werden bestraft. Es ist für mich als Leserin ein Leichtes, die Figuren zu mögen bzw. zu verachten. Nur leider geht dadurch für mich die Spannung am Lesen und die Glaubwürdigkeit für die Geschichte verloren. Unterhaltsam war der Roman aber allemal.

Bewertung vom 12.02.2024
Lichtungen
Wolff, Iris

Lichtungen


ausgezeichnet

Auf Spurensuche
„Lichtungen“ ist für mich der erste Roman der Autorin Iris Wolff, und um es vorweg zu nehmen, er hat mich von Beginn an eingenommen und mir bis zum Schluss ein großes Lesevergnügen bereitet.

Im Zentrum der Geschichte stehen Lev und seine über Jahre anhaltende Freundschaft zu Kato. Die beiden einstigen Kinder sind zwei ungleiche, gegensätzliche Menschen, die einander tief verbunden sind. Kato kann als ruhelos, kreativ und nach außen gerichtet beschrieben werden. Lev wirkt introvertiert, beobachtend und abwartend. In neun Kapiteln wird mir ihre Kindheit und ihr Familienleben in einem rumänischen Dorf näher gebracht. Besonders Lev habe ich dabei kennengelernt, wie er, statt zur Schule zu gehen, die Arbeit im Wald annimmt und später bereits 18-jährig zum Militär geht. Ich erfahre seine Sicht auf die Beziehungen zu Familienmitgliedern z.B. zum Großvater, dem er zur Flucht verhilft. Auch das Verhältnis zu einzelnen Schulkameraden oder zu den Frauen der Familie (Mutter, Großmutter und der Schwester), die ihm stets näher als die beiden Brüder sind, werden eindringlich beschrieben.

Der Roman spielt unter anderem in der Zeit vor dem Fall des Eisernen Vorgangs. Immer wieder werden Beschreibungen und Bezüge zur Alltagswelt der Handelnden und zum Staatssystem sichtbar. Manchmal werden sie nur beiläufig erwähnt, z.B. „ein Witz über Ceausescu reichte“, um Strafmaßnahmen befürchten zu müssen (126). Doch diese Andeutungen genügen, die damit verbundene Entbehrungen und Repressalien erahnen zu lassen.

Über alle Kapitel hinweg zeichnet sich für mich die Frage nach Zugehörigkeit, Herkunft und Freundschaft ab. Um ihr nachzugehen, wird von den beiden Hauptfiguren abverlangt, sich zwischen Bleiben und Aufbruch zu entscheiden („Jedes Land, jede Stadt, jedes Bild hat mir gezeigt, wer ich bin. […] Ich musste fortgehen, um es herauszufinden“) (40).

Wolffs Sprache ist poetisch und äußerst atmosphärisch, was bei mir ein Nachklingen vieler Sätze zur Folge hat und mir ein bildliches Hineinspüren in dargestellte Szenen ermöglicht. Der Roman wird episodisch und in umgekehrter zeitlicher Abfolge erzählt, was vor allem zu Beginn dazu geführt hat, dass ich immer wieder auf Textpassagen stieß, die sich mir nicht sofort erschlossen haben und erst im Nachhinein aufgelöst werden konnten. Der Ausgang von Katos und Levs Beziehung steht somit am Anfang des Romans. Seite um Seite führt die Erzählung in die Vergangenheit zum Ursprung ihrer Freundschaft und zu den Gründen ihre Entscheidungen zurück. Die Darstellung einzelner Szenen ist oft wage und bloße Andeutung, aber stets sprachlich intensiv und klug ausgeführt. Diese Erzählweise mutet ein konzentriertes Lesen zu und lässt gleichzeitig genügend Spielraum für Interpretationen zu, was ich als besonders ansprechend empfinde.

„Lichtungen“ ist ein zartes, feinsinniges und berührendes Buch mit einem sehnsüchtigen Unterton. Ich habe mich sehr gern auf diese literarische Spurensuche eingelassen.

Bewertung vom 03.02.2024
Ein fantastischer Geburtstag - lesen lernen mit dem Leserabe - Erstlesebuch - Kinderbuch ab 6 Jahren - Lesen lernen 1. Klasse Jungen und Mädchen (Leserabe 1. Klasse)
Vogel, Maja von

Ein fantastischer Geburtstag - lesen lernen mit dem Leserabe - Erstlesebuch - Kinderbuch ab 6 Jahren - Lesen lernen 1. Klasse Jungen und Mädchen (Leserabe 1. Klasse)


sehr gut

Lesend auf Schatzsuche gehen
Für einen Kindergeburtstag braucht es gute Freunde und Freundinnen, eine Schatzsuche mit spannenden Rätseln und eine leckere Geburtstagstorte. Wenn dann noch ein Einhorn, ein Drache und freche Piraten auftauchen, dann wird daraus „Ein fantastischer Geburtstag“.
Junge Leseanfänger*innen können Finn und seine Gäste auf der Suche nach den drei magischen Steinen begleiten. Das Abenteuer bestehen sie, indem sie gemeinsam nach Lösungen suchen und Rätselfragen beantworten.
Das Kinderbuch ist im Ravensburger Verlag innerhalb der Leserabe-Reihe erschienen. Es ist der Lesestufe 1 zugeordnet und somit für Kinder ab der 1. Klasse geeignet. Die Texte sind in einfachen Satzkonstruktionen und einem dem Alter entsprechenden Wortschatz formuliert. Sie weisen eine fantasievolle und fröhliche Erzählweise auf. Jede Buchseite wird durch sehr farbenfrohe und zum Textinhalt passende Illustrationen ergänzt. In den Zeichnungen wurde darüberhinaus auf ein diverses Bild der Protagonist*innen geachtet. Der Papa mit Tattoos und die Kinder mit unterschiedlicher Hautfarbe, sehr gut!
Um die Leseleistung des Kindes zu visualisieren, kann es sich nach einem jeden Kapitel mit einem kleinen Sticker belohnen. Außerdem gibt es für die Leseanfänger*innen die Möglichkeit, am Ende der Geschichte ein Leserätsel zu jedem Kapitel zu lösen. Dadurch wird nicht nur ihr Leseverständnis überprüft, sondern ein weiterer Leseanreiz geschaffen.
Meine Schüler*innen konnte die Geschichte überzeugen und zum Lesenlernen verführen.

Bewertung vom 04.01.2024
Büchermenschen
Vernet, Stéphanie;de Cussac, Camille

Büchermenschen


ausgezeichnet

Geschichten zum Leben erwecken oder wie entsteht ein Buch

Wer schon immer einmal erfahren wollte, wie das Wissen der Menschen oder ihre erdachten Geschichten in ein Buch gelangen bzw. wer den gesprochenen Worten zu lesbaren Buchstaben in gehefteten Seiten verhilft, ist mit dem Buch „Büchermenschen - Wie ein Buch entsteht“ bestens beraten. Durch die Vorstellung der Tätigkeitsbereiche von neun Berufen erfahren die jungen Leser*innen Wissenswertes und Neues rund um den Buchdruck und die Vermarktung von Literatur. Dabei werden bekanntere Berufe wie der einer Illustratorin ebenso anschaulich dargestellt wie für Kinder unbekanntere Berufe zum Beispiel der einer Lektorin oder eines Literaturkritikers, der seine Meinung im Feuilleton hinterlässt. Das Buch wirft für die Leser*innen einen Blick hinter die Kulissen des Buchmarktes. Die vielfältigen Aufgaben werden in kurzen Texten, etwa als Form eines Klebezettels und oft farbig untermalt, weitestgehend verständlich vorgestellt und durch zahlreiche zum Teil großflächige Zeichnungen passend zum Textfeld ergänzt.

Beim Lesen und Verstehen der Passagen werden vielleicht einige Kinder Unterstützung benötigen, denn die Schrift ist relativ klein im Vergleich zu anderen Sachbüchern und nicht alle Fachbegriffe werden meiner Meinung nach ausreichend erklärt. Aber das gemeinsame Lesen mit einem Erwachsenen lohnt sich, denn neben der Präsentation der Berufsgruppen werden Fragen rund um die gedruckten Buchstabenschätze beantwortet, die vielleicht nicht nur für Kinder wissenswert erscheinen (z.B. Was geschieht mit Büchern, die nicht verkauft werden?, Wann öffnete die älteste Buchhandlung der Welt erstmals ihre Türen? oder Wie klimafreundlich ist ein Buch?).

Die französischen Verfasserinnen ermöglichen mit diesem Buch ihrer Leserschaft nicht nur einen äußerst informativen und umfassenden Einblick in bemerkenswerte Berufsfelder und in die spannende Welt der Bücher. Sie vermitteln mit ihren Beschreibungen und verspielten, detailreichen Illustrationen letztlich ihre Wertschätzung gegenüber Büchermenschen und ihre Liebe zum Buch. Schön zu wissen, dass auch wir als Lesende ein Teil dieses bunten Bücherkosmos‘ sind!

Bewertung vom 05.11.2023
Die Heldin in dir
Pietruszczak, Barbara

Die Heldin in dir


ausgezeichnet

Für ein positives Körperbild

Das Buch „Die Heldin in dir“ ist ein Ratgeber und Sachbuch für Kinder und Jugendliche ab 10 Jahre und lädt auf einen Erkundungsgang durch die weibliche Pubertät ein.
Neben ersten körperlichen und mentalen Veränderungen, werden die äußeren und inneren Geschlechtsorgane dargestellt. Es wird Wissenswertes rund um die Menstruation vermittelt, aber auch auf ganz alltägliche Fragen eingegangen, die mit den körperlichen Veränderungen auftreten können z. B. Kann ich während der Monatsblutung Sport treiben? Was passiert beim ersten Frauenarztbesuch? Das finde ich besonders gut, denn genau darauf finden Mädchen z.B. in der Schule oft keine ausreichenden Antworten.
Die Ausführungen im Buch sind stets sachlich und verständlich erklärt. Die Informationen werden anschaulich und kleinschrittig dargestellt. Die Textpassagen sind von überschaubarer Länge und werden durch farbige, äußerst ansprechende Illustrationen aufgelockert und inhaltlich passend ergänzt. Ich empfinde es als sehr wertschätzend und Nähe schaffend, dass die Adressatinnen des Buches persönlich angesprochen werden. Mir gefällt der durchgehend empfindsame Ton, mit dem die körperlichen Veränderungen während der Pubertät beschrieben werden. Die Leserinnen werden darin ermutigt, neue Situationen selbstliebend und selbstbewusst anzunehmen und ihrem Körper achtsam und mit Stolz zu begegnen.
Mit dem Wissen, dass es den einen perfekten Körper nicht gibt und die Verschiedenheit der weiblichen Körper und Empfindungen die Regel sind, ist der Autorin und der Illustratorin in meinen Augen ein zeitgemäßer Ratgeber über ein nach wie vor sensibles, intimes Thema, die weibliche Pubertät, für junge Heranwachsende gelungen.

Bewertung vom 01.11.2023
Lichtspiel
Kehlmann, Daniel

Lichtspiel


ausgezeichnet

Kunst in schwierigen Zeiten

Der neue Roman von Daniel Kehlmann, „Lichtspiel“, entführt in die Filmwelt der 30er und 40er Jahre, der Zeit des Nationalsozialismus, und rückt den Regisseur G. W. Pabst in den Fokus der Handlung. In Europa als erfolgreicher Filmemacher gefeiert, gelingt Pabst hingegen der erhoffte Durchbruch im amerikanischen Exil nicht. Um seine erkrankte Mutter vielleicht ein letztes Mal zu sehen, reist er kurz vor Kriegsausbruch mit Frau und Kind zu ihr zurück nach Ostmark, einst Österreich. Und tatsächlich werden die Grenzen geschlossen und Pabst und seine Familie sitzen in Deutschland fest. Schnell geraten auch sie in das Räderwerk der NS Propaganda. Jakob, der Sohn, wird Mitglied in der Hitlerjugend, seine Ehefrau Trude, ertränkt den bedauernswerten Fortgang aus Amerika in Wein und Pabst selbst gibt den eindringlichen Forderungen des Ministeriums nach und dreht weiter Filme, wenngleich er damit zweifelhafte Interessen bedient. Er korrumpiert und lässt sich auf die unanständigen Verstrickungen mit den Nazis ein, welche zwangsweise dazu führen, dass er sich in der Ausübung seines Berufes verbiegen muss. Pabst ist bemüht, sich selbst zu entlasten, indem er vorgibt, der Kunstwillen und um zu überleben, keine andere Wahl zu haben.
Diese Ambivalenz zwischen dem Wunsch seinem künstlerischen Schaffen nachzukommen und dem Wissen um die moralische Verderbtheit des Regimes, machen das großartig dargestellte Spannungsfeld dieses Romans für mich aus. Um welchen Preis ist Kunst gerechtfertigt? Und ist sie noch wahrhaftig, wenn sie auf Kosten der Selbstaufgabe entsteht? „Vielleicht ist es gar nicht so wichtig, was man will. Wichtig ist, Kunst zu machen unter den Umständen, die man vorfindet. Das hier sind jetzt meine Umstände.(…)“ gibt Pabst zur Antwort(305).

In Kehlmanns Künstlerroman verschwimmen immer wieder Fiktion und Realität eingebunden in den historischen Kontext. Wahrheit und Erfindung gehen eine Symbiose ein. Die Figuren sind, wenn auch an manchen Stellen etwas überzogen (z.B. der nationaltreue Hausmeister), glaubhafte Protagonist*innen. Ihrer Sicht auf die Geschehnisse wird durch das mehrperspektivische Erzählen entsprochen. So fällt der Spot für die Dauer eines Kapitels auch auf Nebenfiguren und rückt ihre Wahrnehmung und ihre Fragen ins Blickfeld. Die Erzählung ist tragisch und von großer Ernsthaftigkeit und doch kommt sie dank Kehlmanns bildstarker, intensiver, klaren Sprache, fast behände daher.
Kurzum, der Roman hat mir hervorragend gefallen und mir eine ganz wunderbare Lesezeit bescherte.

Bewertung vom 23.10.2023
Kocht mit Checker Tobi - Meine Lieblingsgerichte, Mitmach-Checks und Checker-Fragen rund ums Essen
Krell, Tobias;Eisenbeiß, Gregor

Kocht mit Checker Tobi - Meine Lieblingsgerichte, Mitmach-Checks und Checker-Fragen rund ums Essen


sehr gut

Um es gleich vorwegzunehmen, mein Sohn ist elf Jahre alt und somit älter, als die vom Verlag angedachte Altersgruppe. Ich bin mir ziemlich sicher, hätte er dieses Buch bereits mit sieben Jahren bekommen, wäre es schnell wieder beiseite gelegt worden. Stattdessen hat sich mein Sohn nach Erhalt sofort mit dem Buch beschäftigt. Er hat Einkaufslisten erstellt, Pizza, Waffeln und eine Pfannkuchentorte gebacken (zum Teil mit Hilfe), mir nach dem Lesen erklären können, welche Aufgabe die Hefe im Teig hat und warum man beim Schälen von Zwiebeln weinen muss und natürlich ging er der Checker-Frage nach „Warum müssen wir furzen“. Andere Themen z.B. Wie heißen die häufigsten Zwiebelsorten oder welche Eigenschaft, welchem Gewürz zugeschrieben wird, stießen auf weniger Interesse.
Das Buch weist einen großen Wiedererkennungswert zu Checker Tobis Wissenssendungen im Fernsehen auf. Es wird den beliebten Checker- und Mitmachfragen nachgegangen und jede Menge Wissenswertes vermittelt. Es geht somit nicht (wie es der Titel vielleicht suggerieren mag) nur ums Kochen von Gerichten aus Allerwelt oder Tobis Lieblingsrezepten, sondern auch um Küchenwissen rund um die Zubereitung, Herkunft oder Wirkungsweise von Lebensmitteln. Die Auswahl der Rezepte ist sehr vielfältig. Neben zu vermutenden Kinderklassikern wie Nudeln mit Tomatensoße oder Pizza Napoletana, gibt es bestimmt für viele junge Leser*innen auch geschmackliche Neuheiten zu probieren z.B. Süßkartoffel-Masala oder Sommerrollen mit Tempeh.
Das vermittelte Sachwissen rund ums Essen kommt leider sehr textlastig daher und beinhaltet viele nicht alltägliche Begriffe wie Monokulturen, Moleküle, Myzel oder Waidgerechtigkeit. Sich diese Begriffe lesend anzueignen, stellt für Leseanfänger*innen, was 7-Jährige in der Regel noch sind, gewiss eine sehr große Herausforderung dar. Stattdessen setzen sowohl der Textumfang als auch der thematische Inhalt der Wissensseiten eine ausgeprägte Lesefähigkeit voraus. Meiner Meinung nach hätte es dem Buch gut getan, vorab das Küchenwissen einzugrenzen und an den Entwicklungsstand der Zielgruppe anzupassen bzw. das empfohlene Lesealter nach oben zu stufen.
Und doch hat meinem Sohn und mir das Buch gefallen, so dass ich es bald an die Schüler*innen meiner Schule weiterreichen werde. Es wird einen Platz in der Schulbücherei finden. Einen Platz im Regal mit der Beschriftung „Bücher ab 10“. Aber vorher probieren wir noch die Linsenbolognese aus.

Bewertung vom 14.10.2023
Die Regeln des Spiels
Whitehead, Colson

Die Regeln des Spiels


sehr gut

Auf 380 Seiten und in drei Untergeschichten verpackt, erzählt der Autor Colson Whitehead in seinem neuen Roman „Die Regeln des Spiels“ vom New York der 70er Jahre. Die Handlung spielt in einer Stadt zu einer Zeit in der Gewalt, Kriminalität, Korruption, Ausgrenzung und Rassismus allgegenwärtige und schicksalhaft gegeben scheinen. Es beschreibt ein New York als Panoptikum krimineller Kuriositäten, in dem nicht immer klar ist, wer auf der Seite der Ganoven und wer auf Seiten der Gesetzeshüter steht („In einer Stadt wie dieser steht es einem gut an, verdammt noch mal die Widersprüche zu akzeptieren.“ 159). Einer Zeit und einer Stadt, in der Verbrecher sein als ein Beruf gilt.
Verbindendes Element der drei Handlungsplots, die sich, beginnend 1971, im Abstand von zwei bzw. drei Jahren abspielen, ist Ray Carney, ein schwarzer Möbelhändler, Familienvater und (Ex)ganove, der gleich zu Beginn des Buches seine kriminelle Enthaltsamkeit beendet. Und das nur, um seiner Tochter Karten für ein längst ausverkauftes Konzert der „Jackson Five“ zu besorgen.

Whitehead schafft es aus meiner Sicht ziemlich gut, die Stimmung des anarchischen, nervösen Harlems, durch eine zum Teil ausschweifende und anekdotische Erzählweise, einzufangen. Er macht Nebenschauplätze auf, baut Rückblenden ein und verwebt die Handlung in den geschichtlichen Kontext. Dabei tauchen eine Menge Namen von Typen und Straßen auf, die die Verstrickungen und Abhängigkeiten der Handelnden herausstellen. Der Roman ist dadurch nicht nur eine Ganovengeschichte, sondern liest sich auch als ein Großstadtroman.
Whitehead schreibt spannend, rasant und atmosphärisch und nimmt immer wieder den roten Faden auf, um so zur eigentlichen Handlung zurückzuführen. Besonders gut gefiel mir der trockene, fast beiläufig einfließende Humor im Roman. Zuweilen schwankt das Erzähltempo, einzelne Passagen erschienen mir langatmig. Dann musste ich besonders aufpassen und konzentriert lesen, damit ich bei all den Detailbeschreibungen gedanklich nicht abschweifte. Aber insgesamt konnte das mein Interesse am Roman nicht schmälern.