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EvelynM

Bewertungen

Insgesamt 23 Bewertungen
Bewertung vom 16.04.2023
Das Schweigen der Klippen / Guernsey-Krimi Bd.2
Corbet, Ellis

Das Schweigen der Klippen / Guernsey-Krimi Bd.2


sehr gut

Aus einem Pflegeheim auf der Kanalinsel Guernsey verschwindet die an Demenz erkrankte Odile. Wenig später wird sie tot auf dem Grund der Klippen gefunden. Als Kate Langlois dazu gerufen wird, sieht es ganz nach einem tragischen Unfall einer verwirrten, alten Frau aus. Wäre da nicht „das winzige Zucken in Kates Gehirnwindungen“ und eine vage Ahnung von Police Constable Knight, der an viele unentdeckten Mordfälle denkt. Kate gibt ihrem unguten Gefühl nach und beginnt mit Ermittlungen.
Wer kommt als Täterin oder Täter in Frage? Wer hätte ein Motiv, der 90jährigen Odile nach dem Leben zu trachten? Es gibt viele lose Enden und ein paar kleine Spuren hier und da, aber nichts was Kates Langlois in ihren Ermittlungen voranbringen würde. Sollte sie sich getäuscht haben?
Während Kate versucht, aus den unterschiedlichen Spuren zu einem Ermittlungsergebnis zu kommen, überlegt Nicolas, wie er Kate zurückgewinnen kann. Er hatte sie von heute auf morgen auf Guernsey zurückgelassen und war aus ihrem Leben verschwunden. Ob er ihr helfen kann?
Ellis Corbet verbindet wunderschöne Landschaftsbeschreibungen mit einem sympathischen Ermittlerteam und einer nicht ganz einfachen Liebesgeschichte am Rande mit einem komplexen Geflecht aus Geheimnissen, die so ziemlich jeder Mensch in Odiles Nähe zu haben scheint. Eine Prise Humor schleicht sich ganz selbstverständlich in den Roman und lockert die angespannte Situation bei der langwierigen Suche nach der Ursache für Odiles Tod auf.
Die Autorin macht mir Lust, die Insel Guernsey mit eigenen Augen zu sehen. Wer hätte gedacht, dass mir die Orte des Geschehens in einem Krimi tatsächlich so gut gefallen?
Am Ende sind nicht alle Fragen beantwortet und die Spannung ließ etwas auf sich warten, aber ich fühlte mich gut unterhalten und konnte mit den anderen Leserinnen und Lesern eigene Vermutungen anzustellen.
Den ersten Teil der Buchreihe hatte ich nicht gelesen, was jedoch für das Verständnis in „Das Schweigen der Klippen“ nicht essentiell war. Der Schreibstil ist leicht zu lesen und das Team um Kate wunderbar „normal“. Es braucht keine schrägen oder schwierigen Charaktere, um einen Kriminalroman zu schreiben.

Bewertung vom 23.02.2023
Das Flüstern der Mütter (Thriller)
Schwarz, Gunnar

Das Flüstern der Mütter (Thriller)


sehr gut

Das Gesamtpaket stimmt hier! Das Cover ist ansprechend und zugleich lässt es keinen Zweifel, dass es sich um einen Thriller handelt. Der Titel passt perfekt zum Inhalt und der Prolog jagt schon gleich zu Anfang des Buches einen Schauer über den Rücken.

In der scheinbar perfekten Familie der gefolterten, getöteten und schließlich schrecklich zur Schau gestellten Mutter Simone Baumgartner weist nichts darauf hin, warum ihr dieses Schicksal widerfahren ist. Dabei sprechen die Umstände ihres Todes und eine makabre Glückwunschkarte an die Kinder zum Tod ihrer Mutter für eine schwere Schuld der Frau. Nur wie sieht diese Schuld aus? Woher kommt dieser blinde Hass auf die Frau?
Kaum haben sich die Kriminalkommissare Lena Freyenberg und Henning Gerlach von ihrem ersten Fall erholt und Verstärkung durch die ruhige und zugleich zupackende Maike erhalten, stehen sie unter enormen Druck, einen gefährlichen und methodisch vorgehenden Mörder zu finden. Und ehe die Kommissare auch nur ansatzweise in ihren Ermittlungen vorankommen, taucht eine zweite Frauenleiche auf. Können Lena und Henning den Mörder stoppen?

„Das Flüstern der Mütter“ wird hörbar durch den geschickten Perspektivenwechsel, den Gunnar Schwarz in seinem tollen Thriller vornimmt. Er lässt die Leserschaft am Leben im Inneren wie auch im Äußeren eines zutiefst traumatisierten Menschen teilhaben. Die grausamen Taten beschäftigen das Ermittlungsteam um Lena und Henning so lange, bis es plötzlich sehr persönlich wird und die Zeit ihnen davonläuft.

Das Team um die beiden bildet einen schönen Gegenpol zu den gefolterten und getöteten Müttern, ohne dass dabei eine heile Welt entsteht. Auch die einzelnen Personen im Team haben ihre Päckchen zu tragen. Ich hoffe, dass es ein Wiedersehen gibt! Der Thriller bleibt spannend bis zur letzten Zeile und ich bin bis dahin ganz schön im Dunklen getappt.

Bewertung vom 04.12.2022
Der eiserne Herzog
Schiewe, Ulf

Der eiserne Herzog


ausgezeichnet

„Guilhem der Normandie und sein steiniger Weg zum Thron von Englaland“
Das Cover hat mich bereits magisch angezogen und mich auf den „Eisernen Herzog“ neugierig gemacht. Natürlich wissen wir alle, wie die Schlacht in Hastings geendet hat. Trotzdem wurde es mir beim Lesen nie langweilig. Ich bin nur so durch die Seiten geflogen und habe mitgefiebert, obwohl der Schluss längst feststand.

Das Ende …die Schlacht um den Thron von England (Englaland) … alle haben wir es im Geschichtsunterricht gelernt und die meisten danach vergessen. Durch Ulf Schiewe wird das 11. Jahrhundert greifbar, erlebbar und die Einblicke in das harte Leben der einfachen Menschen, ebenso wie in das der privilegierten Earls, Herzögen und deren Frauen lebendig. Die Grausamkeit der historischen Schlacht von Hastings ließ mich erschauern. Dabei hat der Autor nicht zu viele Details in seinen historischen Roman einfließen lassen. Vielmehr liegt sein Augenmerk auf die Beweggründe von Harold Godwinson und Guilhem der Normandie, um die Krone Englands zu kämpfen. Dabei waren es Zwänge von außen, Stolz und Ehrgeiz, der beide angetrieben hat. Erstaunlich finde ich, dass die beiden in ihrem Privatleben gar nicht so verschieden zu sein schienen. Ihre Herkunft dagegen konnte nicht unterschiedlicher sein.

Besonders spannend fand ich zu lesen, wie akribisch sich Guilhem auf die Überfahrt nach Englaland vorbereitet und sich so mancher seiner Kampfgefährten Sorgen darüber gemacht hat, ob sie überhaupt heil in Englaland ankommen. Bei aller Härte, die Guilhem aufgrund seines Schicksals in jungen Jahren an den Tag legte, schimmerte doch auch seine Menschlichkeit immer wieder durch.

Wie so oft fällt es mir schwer, mich von den Personen und der Geschichte zu verabschieden, wenn mir das Buch so sehr gefallen hat. Das Nachwort gibt einen guten Einblick darüber, wie Ulf seine Recherchen betreibt und an das Schreiben herangeht. Das finde ich sehr wertvoll, denn ich kann mir nur annähernd vorstellen, wie viel Arbeit in diesem historischen Roman steckt.
Ulf Schiewe hat sich eng an die Geschichte gehalten und nur ganz wenige fiktive Figuren in seinen historischen Roman aufgenommen. Das finde ich absolut erstaunlich, aber auch schwierig. Seiner Fantasie wurden somit enge Grenzen gesteckt und die hat er perfekt ausgefüllt. Ich war schon von seinem Roman „Der Attentäter“ begeistert und mit „Der eiserne Herzog“ hat er mich vollends für sein Schreiben eingenommen.

Bewertung vom 16.06.2022
Das Mädchen und der Totengräber / Inspektor Leopold von Herzfeldt Bd.2
Pötzsch, Oliver

Das Mädchen und der Totengräber / Inspektor Leopold von Herzfeldt Bd.2


ausgezeichnet

An den ersten Fall von Leopold von Herzfeldt und dem Totengräber Augustin Rothmayer kam ich durch einen Büchertausch. Ich habe das Buch verschlungen. Es machte nicht nur viel Spaß ins Wien des späten 19. Jahrhunderts einzutauchen, auch die beiden so gegensätzlichen Charaktere der beiden Hauptdarsteller kennenzulernen war mir eine wahre Freude.
Das Cover lässt auch ohne den Titel erkennen, dass die Ermittlungen von Herzfeldt weitergehen. Und dann spielt auch noch das alte Ägypten, dessen Totenkult und -die Entdeckung eines Grabes eine große Rolle. Gleich zu Beginn des Buches wird es spannend und ich kann mir lebhaft vorstellen, wie der Archäologe Strössner durch die Wüste irrt, um dann diese unglaubliche Entdeckung zu machen. Danach der Sprung nach Wien zu Julia, Leopold und der grausam entstellten Leiche eines jungen Mannes. Als wäre das nicht schon genug, taucht unversehens eine Mumie in den Kellern des Kunsthistorischen Museums auf. Diese gibt Leo einige Rätsel auf und bringt ihn in Lebensgefahr. Seine Beziehung zu Julia, die inzwischen als Tatortfotografin arbeitet, leidet sehr unter der vielen Arbeit und den viel zu seltenen Momente der Zweisamkeit.

Der Totengräber Augustin Rothmeyer hat da ganz andere Sorgen, die sich um seine kleine „Mitbewohnerin“ drehen, die das Herz des knurrigen Mannes gewonnen hat. Er kann es nicht lassen, Leo bei seinen Ermittlungen reinzureden und wird zudem auf das Thema Totenkult der Völker gebracht, das ihn zu einem neuen Buch inspiriert.

Innerhalb weniger Seiten war ich mitten drin im Wien des Jahres 1894 und freute mich sehr auf das Wiedersehen mit Leo, Julia und Augustin. Die 3 bilden teils unfreiwillig ein ausgesprochen kluges Team. Der Autor versteht es auch den ganz privaten Alltag der Protagonist*innen in die Ermittlungen einzuweben. So lernen die Leser*innen die doch sehr unterschiedlichen Charaktere und deren Gefühlsleben immer besser kennen und verstehen. Gerade Julia hat es nicht leicht und muss sich durchbeißen. Leo schwebt in Lebensgefahr und ich beneide ihn keineswegs um seine Aufgabe, die verschiedenen, blutigen Morde aufzuklären. Augustin erobert in diesem Teil mein Herz, das er endlich öffnet und für einen anderen Menschen einsteht und kämpft. Er ist und bleibt der ungewöhnlichste Charakter in dieser Krimireihe und sein Wissen mag gruselig erscheinen, jedoch hilft es auch Leo so manches Mal bei seinen Ermittlungen.

Der Autor erzeugte schon auf den ersten Seiten seines Buches eine atemlose Spannung. Genau das erwarte ich von einem grandiosen, geschichtlich gut recherchierten und wendungsreichen Krimi, der mich gut unterhält, mir den Atem stocken und mich das Buch keinen Moment aus den Händen legen lässt. Die Wiener Mundart gefällt mir gut und Oliver Pötzsch hat sie gekonnt in das Buch eingeflochten. Als „Piefke“ stelle ich mir ganz gerne vor wie Leo an seine Grenzen stößt und sich das eine oder andere Mal gegen Vorurteile durchsetzen muss.

Ich möchte erwähnen, dass das Nachwort ebenfalls sehr interessant und spannend geschrieben ist, da sowohl die Völkerschauen als auch die s.g. Mumienpartys beschrieben werden. Unglaublich, was zu Ende des 19. Jahrhunderts als „chic“ und „normal“ galt!

Als Ägyptenfan hat mich die Geschichte zur Mumifizierung und der Totenkult fasziniert. Es gab eine Zeit, da habe ich jede Menge Sachbücher über das alte Ägypten verschlungen und das Ankh begleitet ich seit 16 Jahren durch mein Leben.

Mit großer Ungeduld und Vorfreude erwarte ich den 3. Band der Krimiserie, um erneut ins „alte“ Wien einzutauchen, den Ermittlungen von Leo von Herzfeldt zu folgen, Julia bei ihrer beruflichen Laufbahn zu verfolgen und Augustins immensem Wissen und seinem großen Herz wieder zu begegnen.

Bewertung vom 13.02.2022
Der Erinnerungsfälscher
Khider, Abbas

Der Erinnerungsfälscher


ausgezeichnet

Der Erinnerungsfälscher ist nicht nur ein schönes Buch, sondern besticht auch mit seinem schönen Cover. Erst auf den zweiten Blick ist mir aufgefallen, dass der Schatten des Vogels in die entgegengesetzte Richtung zeigt. Ob der Schatten dem Vogel entgegenkommt? Mit Erinnerungen an Geschehnisse, Gefühle und Lebensgeschichte verhält es sich ganz ähnlich: jeder Mensch trägt seine eigene Wahrheit/Erinnerung in sich und oft stellt sich heraus, dass es nicht nur eine wahre Geschichte gibt, sondern ganz unterschiedliche Betrachtungsweisen.
Zum Erinnerungsfälscher von Abbas Khideer habe ich gegriffen, weil mich allein schon der Titel und der kurze Klappentext interessiert haben und der Autor mich mit "Palast der Miserablen" bereits begeistern konnte. Sein Schreibstil ist bisweilen minimalistisch und die Emotionalität seiner Geschichten blitzt zwischen den Zeilen auf.
Said ist ein Fremder in der Fremde, aber auch in seiner Heimat - dem Irak, aus dem er geflohen ist. Seine Mutter liegt im Sterben und so beginnt er widerstrebend seine Reise zu ihr, aber auch in seine Vergangenheit. Abbas Khider lässt Said nicht nur einmal an seinen Erinnerungen zweifeln und stellt die Frage, wie wir und ob wir unserem Gedächtnis tatsächlich trauen können.
Said ist mir sofort ans Herz gewachsen. Für mich ist er wie ein Spiegelbild, in dem ich mich selbst erkenne, obwohl meine Lebensgeschichte sich so anders gestaltet.
Dieses kleine Buch erzählt auf wenigen Seite mit einer wunderbaren Poesie von einem Mann, der herausgerissen aus seinem "alten" und "neuen" Leben nach sich und seiner Erinnerung sucht und dabei feststellt, dass er seinem Gedächtnis nicht immer trauen kann. Abbas Khider nahm mich mit in den Irak, in Saids Leben und seine Gedanken. Meine Begeisterung für Saids Geschichte gebe ich gerne an all die Leser weiter, die sich an Oberflächlichkeit stören und sich mit Begeisterung in fein gezeichnete Geschichten fallen lassen können.
Ich werde Abbas Khiders andere Romane mit Freude lesen und bin schon gespannt, wohin er mich entführen wird.

Bewertung vom 03.03.2021
Der andere Sohn / Karlstad-Krimi Bd.1
Mohlin, Peter;Nyström, Peter

Der andere Sohn / Karlstad-Krimi Bd.1


ausgezeichnet

„Wie weit kommt ein erfahrener FBI-Agent als Ermittler in der schwedischen Einöde?“
Diese Frage und nicht zuletzt der vielversprechende Klappentext haben meine Neugier sofort geweckt. Und ich muss sagen, dass ich nicht enttäuscht wurde und das Buch einfach nicht mehr aus der Hand legen konnte. Die beiden Autoren Mohlin und Nyström haben mich von der ersten Seite an mitgenommen nach Baltimore und Karlstad. Die beiden Handlungsstränge in der Gegenwart und der Vergangenheit (10 Jahre Abstand) sind so geschickt angelegt, dass ich immer weiter lesen musste, um zu erfahren, was es mit „Der andere Sohn“ auf sich hat. Dass von Anfang an klar war, dass der FBI-Agent John Adderley der Halbbruder von Billy, dem Hauptverdächtigen in einem Cold Case ist, hat die Spannung nicht geschmälert. Die Autoren haben die ganzen Krimi so gekonnt aufgebaut, dass viele mögliche Ermittlungsansätze oder gedachte Wahrheiten sich als Irrtum oder falsche Fährte erwiesen.
Da es sich hier um den Auftakt einer Krimireihe handelt, fand ich es sehr wichtig, dass die Leser*innen den im Mittelpunkt stehenden amerikanisch-schwedischen FBI-Agenten erst einmal kennenlernen. Ich kann mir diesen Mann mit seinen Schwächen und Stärken sehr gut vorstellen und hatte zwischendurch das Gefühl, ihn auch einmal schütteln zu müssen, wenn er leichtsinnig agierte. Er ist sicherlich nicht Schwiegermutters Liebling, aber auch kein Testosteron-gesteuerter Draufgänger. Seine Familie ist nicht unbedingt sympathisch und Empathie oder Liebe ist auch nicht im Übermaß vorhanden. John Adderley hat eine Lebensgeschichte, die ihn prägt und den Leser*innen eine Vorstellung von seiner Person und seinen Handlungen beschert. Ich finde, dass die Autoren den Spagat zwischen vielen Informationen zum Protagonisten und der Entwicklung der Geschichte/Cold Case sehr gut hinbekommen haben. Eine ganz besondere Gabe von John, die ich hier nicht verraten möchte, zeichnet ihn aus und macht mich jetzt schon sehr neugierig auf seinen nächsten Fall und die weitere Entwicklung, was auch seine Psyche anbelangt. John Adderley entkommt seiner Vergangenheit nicht, auch wenn er versucht, einen Ozean zwischen sich und dem Schicksal zu bringen.
Ich bin absolut begeistert von diesem ersten Teil einer neuen Krimiserie, denn die Geschichte hat alles, was einen guten Krimi für mich ausmacht: Spannung, einen ungewöhnlichen, aber nicht zu abgehobenen Hauptcharakter, Ermittlungen, die nicht immer linear verlaufen, Verwirrung, die die Leser*innen in die Irre führen und eine Portion Privatleben, das den Hauptcharakter menschlich macht und seine Reaktionen ein Stück weit erklären. Der Schluss hat zwar den aktuellen Fall geklärt, aber beinhaltet doch einen Cliffhanger.

Bewertung vom 19.12.2020
Das letzte Licht des Tages
Harmel, Kristin

Das letzte Licht des Tages


sehr gut

Frankreich 1940:
Inès, die Frau des Winzers Michel, lebt auf Chaveau mit ihrem Mann und wenigen Angestellten. Der zweite Weltkrieg kommt immer näher und erreicht schließlich die Idylle in den Weinbergen. Inès ist nicht glücklich, denn sie hat kein Händchen für die Arbeiten auf dem Weingut – im Gegensatz zu Céline, die dort arbeitet. Sie liebt das Leben dort und kennt sich in allen Bereichen der Weinherstellung perfekt aus. Neben ihr kommt sich Inès unzulänglich und tollpatschig vor. Als Inès schließlich herausfindet, dass Michel sich der Résistance angeschlossen hat, will sie ihm helfen und versucht, endlich nützlich zu sein und ihren Mann zu unterstützen.

Die Résistance kommt hier nur am Rande der Geschichte zur Sprache, was ich schade finde, denn ich hatte mir ein paar gefährliche Situationen gewünscht. So kommen das Verstecken von Flüchtlingen und Waffen etwas zu kurz. Dafür werden die Gefühle und vor allem die Handlungen von Inès sehr lebendig beschrieben. Sie ist naiv und unsicher, findet ihren Platz auf dem Weingut nicht und lädt durch eine Dummheit große Schuld auf sich. Diese wirkt lange nach und hat ungeahnte Folgen für viele Menschen.

In einem zweiten Handlungsstrang erleben wir Liv und ihre ungewöhnliche Großmutter Edith, die ihre Enkelin nach deren Trennung von Eric aus der Trauer reißt und kurzerhand nach Paris „entführt“. Die beiden Frauen sind nicht nur unterschiedlich, sondern auch Welten voneinander entfernt. Grandma Edith ist streng, unnachgiebig und geradlinig. Jedoch verbirgt sie etwas vor Liv, die auf taube Ohren bei ihr stößt. Liv möchte wissen, warum sie plötzlich auf dem Weingut Chaveau landet und was Edith vor ihr verbirgt. Ganz nebenbei trifft Liv dabei auf den Anwalt ihrer Großmutter. Julien Cohn respektiert den Willen von Edith und hilft Liv trotzdem, der Vergangenheit des Weingutes auf die Schliche zu kommen.

Zunächst scheinen die beiden Handlungssträng zusammenhanglos nebeneinander her zu verlaufen. Doch im Laufe des Romans kristallisieren sich die Verbindungen zwischen den Charakteren heraus. Mit viel Gefühl und Gespür für die französische Landschaft, den Weinbau und die Charakter, sowie die Emotionen der Protagonisten erzählt Kristin Harmel eine tragische Geschichte von Liebe, Verrat, Eifersucht und den Schrecken des 2. Weltkrieges. Es ist ein berührendes und gefühlvolles Buch, das mir gut gefallen und mir schöne Lesestunden bereitet hat. Nur Inès hat mich nicht wirklich erreicht. Ihr Wesen blieb mir fremd und doch konnte ich auch etwas Verständnis für sie aufbringen. Liv und ihre Grandma haben mich dagegen von Anfang an in ihren Bann gezogen.

Das Buch ist schön gestaltet. Die bunten Weinblätter und Reben finden sich am Anfang eines jeden Kapitels und bilden somit ein schönes Gesamtbild. Zudem finde ich es schön, wie die Kapitelüberschriften die Sicht von Liv, Inès, Céline auf das Geschehen wiedergeben. Männer sind im Roman nur Nebenfiguren und somit entsteht der weiblich Blick auf die Geschehnisse dieser Zeit. Die Anmerkung der Autorin zum Champagner ergänzt das Buch und ist sehr interessant. Somit steckt auch noch eine Menge Wissen im Buch.

Bewertung vom 23.11.2020
Marigolds Töchter
Woolf, Julia

Marigolds Töchter


sehr gut

Martigolds Töchter erzählt die Geschichte einer starken, empathischen Frau mit einer liebevollen Familie. Die Ü60jährige Marigold ist der Dreh- und Angelpunkt in ihrer Familie und auch im Dorf. Sie sorgt sich um ihre lieben Mitmenschen und hat für jede/n ein offenes Ohr und hilft, wo sie kann. Ihr Mann Dennis und sie wohnen mit ihrer Mutter und der jüngsten Tochter Suze unter einem Dach, als auch die ältere Daisy nach einer gescheiterten Beziehung aus Mailand in die Heimat zurückkehrt. Plötzlich merkt Marigold, dass sie vergesslich wird. Doch das ist leider nicht ihrem Alter geschuldet.
Julia Woolf erzählt in berührenden Worten, die auch mal poetisch Schnee oder die Landschaft beschreiben, eine Geschichte vom Leben, Erinnerungen, die im Nebel versinken, Familie, Hilfsbereitschaft, Hingabe und unendlicher Liebe. Der englische Originaltitel lautet "Here and Now" und beschreibt ganz schön, dass es sich lohnt, im Hier und Jetzt zu leben. Sogar die ewig nörgelnde Nan wird gegen Ende des Buches noch ein bisschen sympathisch und auch die verwöhnte und weltfremde Suze findet ihren Platz im Leben und im Dorf. Wenn auch ein paar Begebenheiten voraussehbar sind, hat mich die Autorin tief berührt. Gegen Ende des Buches musste ich immer wieder innehalten und konnte die Bücher aus dem Regal fallen hören. Diese Metapher finde ich besonders schön! Dieser Roman erzählt vor allem von unverbrüchlicher Liebe, Vertrauen und einem Zusammenhalt, der in unserer Gesellschaft leider oft zu kurz kommt. "Marigolds Töchter" möchte ich all jenen empfehlen, die vor Gefühlen keine Angst haben und sich bisweilen fragen: "Was ist falsch am Jetzt?"

Bewertung vom 12.10.2020
Die Tochter des Zauberers / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.14
Rehn, Heidi

Die Tochter des Zauberers / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.14


ausgezeichnet

„Die Tochter des Zauberers – Erika Manns Flucht ins Leben“ schildert eindrücklich das Leben von Thomas Manns Tochter, die ihren mutigen Weg durch die instabile Zeit des Jahres 1936 geht. Inmitten deutscher Künstler im Exil in New York versucht sie, ihr Ensemble Pfeffermühle/Pepper Mill zu etablieren und den Menschen die Augen vor der Willkür der Nazis und dem drohenden 2. Weltkrieg zu öffnen. Dabei stößt sie auf so manchen Widerstand und riskiert ihr privates Glück mit ihrer Lebensgefährtin Therese. Doch Erika kann einfach nicht anders. Sie ist klug, stark, mutig, fürsorglich, beharrlich, elegant, charmant, willensstark und überzeugend. Sie steht für ihre Überzeugung ein und verfolgt unnachgiebig ihre Mission, die Amerikaner über das Geschehen in Deutschland und ganz Europa die Augen aufzuklären und vor Hitler zu warnen. Ihren Vater, den Nobelpreisträger Thomas Mann, musste sie erst überzeugen, ebenfalls gegen Nazideutschland aufzustehen und sich zu positionieren. Dies zeigt, wie viel Überzeugungskraft sie hat und welche Leidenschaft in ihr brennt, mit der sie unablässig vor der großen Gefahr eines erneuten Krieges warnt. Wer nun vermutet, dass wir es hier mit einer verhärmten Frau zu tun haben, irrt gewaltig. Sie hat eine enge Bindung zu ihrem labilen und sensiblen Bruder Klaus. Sie unterstützt ihn stets und verliert ihn trotz eigener Probleme und ihres Kampfes um Anerkennung als eigenständige Persönlichkeit und nicht nur als „Tochter von …/Tochter des Zauberers“ nie aus den Augen. Erika hat mit ihrem androgynen Aussehen, ihrer Ausstrahlung und ihrem Charme Männer wie Frauen betört, was ihr viele Türen öffnete, sie in Liebesdingen schwanken ließ und konnte sich nur schwer entscheiden. Galt ihre jahrelange Liebe Theres Giehse, der etwas grummeligen, bayrischen Powerfrau mit dem losen Mundwerk, entbrennt sie in New York in Liebe für den Arzt und Poeten Martin Gumpert und den reichen, amerikanischen, Geschäftsmann Maurice Wertheim. Sie kann sich nicht entscheiden und will keinem wehtun. Das sieht von außen betrachtet wie Berechnung oder Hinhaltetaktik aus, doch ihr Charakter ist sehr viel komplexer. Die Pfeffermühle ist ein politisches, kritisches Kabarett, das vor den Nazis in die Schweiz geflohen ist und nun von Erika nach New York geholt werden soll. Schnell stellt sich die Frage, ob das was in Deutschland und der Schweiz als Kritik an der Vorherrschaft der Nazis funktioniert, auch in New York überzeugen kann. Die Amerikaner leben in einem so großen Land, dass Europa außerhalb ihrer Reichweite ist. Erika hofft darauf, die deutschen Exilanten zu überzeugen und an die amerikanische Bevölkerung heranzukommen. Oftmals stürzt sie sich so in die Arbeit, die Vorbereitungen für die Pepper Mill, die Einreise des Ensembles und die Sorge um ihren drogenabhängigen und labilen Bruder Klaus, dass sie sich dabei selbst sträflich vernachlässigt. Wie gut, dass sie immer wieder Menschen um sich hat, die sie umsorgen und ihr Aufmerksamkeit und Zuneigung entgegenbringen. Die Geschichte von Erika Mann hat mich so gut unterhalten und neugierig gemacht, dass ich sofort recherchiert. An ihrem Vater Thomas, ihrem Onkel Heinrich und ihrem Bruder Klaus kam ich nicht vorbei. Heidi Rehn hat mit ihrem wunderbaren Schreibstil das Jahr 1936 in New York so bildhaft vor meinen Augen entstehen lassen, dass ich zu gerne noch ewig weitergelesen hätte. Bisher wusste ich nicht viel über die Familie Mann. Sie muss eine wirklich faszinierende, aufregende Frau gewesen ein. Ihr wäre ich gerne begegnet. Ich hätte mich gerne mit ihr über ihre Ansichten zu des Nationalismus, zum 2. Weltkrieg und ihr Leben unterhalten. Was gibt es Schöneres beim Lesen, als sich in der Geschichte zu verlieren und sich der Hauptfigur Erika Mann so nahe zu fühlen, dass es schwerfällt, sie zu verabschieden? In der Handlung finden sich viele bekannte Namen wie Billy Wilder oder Vicky Baum, die zwar nur kurz skizziert werden, dennoch im Gedächtnis bleiben und die Neugier wecken, auch über

Bewertung vom 08.10.2020
Kalmann
Schmidt, Joachim B.

Kalmann


ausgezeichnet

Im beschaulichen Raufarhöfn auf der Halbinsel Melrakkaslétta im Nordosten von Island lebt Kalmann. Der 34jährige ist ein Mann mit der Seele eines Kindes.
Alles, was Kalmann weiß und was ihm wichtig ist, hat er von seinem inzwischen dementen Großvater gelernt - vom richtigen Umgang mit Frauen bis übers Jagen von Wildtieren hin zum Zubereiten von Gammelhai/Hákarl wurde er aufs Leben vorbereitet. Einerseits finde ich es erstaunlich, dass gerade der respektvolle Umgang mit Frauen. Es wäre töricht, Kalmann für dumm zu halten und seine Intelligenz zu unterschätzen. Er erinnert zwar etwas an Forrest Gump und erscheint naiv, doch letztlich ist er anders, so wie viele Menschen anders sind und das ist keinesfalls negativ gemeint. Kalmanns Talent für Erdkunde und Geografie ließ mich an Autismus denken. Jedenfalls wird Kalmann von den Bewohnern von Raufarhöfn akzeptiert wie er ist – wenn er z.B. mit Cowboyhut und Sheriffstern samt Halfter mit Mauser als Sheriff von Raufarhöfn durch den Ort geht. Gerade diese Akzeptanz hat mich berührt, zeigt es doch, dass jeder Mensch seinen Platz in der Gesellschaft haben kann.
Eines Tages wird das ruhige Leben im Ort durch das Verschwinden des Königs von Raufarhöfn, Róbert McKenzie, erschüttert. Der Hotelbesitzer ist unauffindbar und so machen sich die Bewohner nicht nur ihre Gedanken, sondern die Polizei in Gestalt der Polizistin Birna kommt zu Ermittlungen in das Dorf. Offensichtlich scheint niemand Róbert ernsthaft zu vermissen, denn er hat sich durch seine Art keine Freunde gemacht. Kalmann hat bei der Fuchsjagd eine Entdeckung gemacht, die darauf schließen lässt, dass dem Hotelier etwas zugestoßen ist. Ein Blutfleck im Schnee … Kalmann unterhält sich mit seinem Internetfreud Noí über die Geschehnisse in Raufarhöfn und Noí ist nur allzu gerne bereit, im Internet zu recherchieren und Verdächtigungen gegen die Bewohner des Ortes zu erheben. Es scheint für ihn ein spannendes Spiel zu sein. Doch so leicht lässt sich Kalmann nicht für dessen Ideen gewinnen und macht sich seine eigenen Gedanken. Ein weiteres unerwartetes Ereignis bringt die Dorfgemeinschaft in Aufruhr und nach wie vor gibt es keine Spur von Róbert. Weiß Kalmann mehr als er sagt?

Joachim B. Schmidt schafft in seinem Buch eine intensive Atmosphäre, in der Kalmann nie der Lächerlichkeit preisgegeben wird und auch der Einzelgänger und Internetfreud „ohne Gesicht“ Noí seinen Platz findet. Der Roman erzählt eine Zeitspanne aus dem Leben von Kalmann im kühlen Island, von seiner Einzigartigkeit und wie er durch seine Liebenswürdigkeit mein Herz berührt. Es handelt sich nicht nur um einen Roman, sondern auch einen gut erzählten Krimi rund um das Verschwinden eines Mannes. Mir gefiel diese leise Geschichte von Anfang an sehr gut. Das Verschwinden von Róbert McKenzie machte einen zusätzlichen Reiz für mich aus, da ich Krimis und Thriller liebe.

Kalmann, der Sheriff von Raufarhöfn, mit Cowboyhut, Sheriffstern und Mauser mag zwar ein amüsanter Anblick sein, doch wer denkt, dass er naiv oder gar dumm ist, irrt sich gewaltig. Er ist reflektiert, weiß sehr wohl, dass er z.B. nicht ok ist, jemandem weh zu tun, auch wenn er zu Wutanfällen neigt. Kalmann hat einen guten Blick auch für Kleinigkeiten, selbst wenn er sie nicht immer richtig einzuordnen weiß.

Kalmann brachte mich übrigens dazu, mich mehr für Island zu interessieren und ich habe nicht nur über das Monument Arctic Henge und Raufarhöfn nachgelesen.

Das Ende des Buches hat mich überrascht, tief getroffen und für Kalmann ganz und gar eingenommen. „Kalmann“ hat mich berührt, überrascht, wunderbar unterhalten und die Spannung um den vermissten König von Raufarhöfn hat mein Lesetempo merklich erhöht. Schade, dass ich mich nun von Kalmann verabschieden muss.