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gassenhauer

Bewertungen

Insgesamt 8 Bewertungen
Bewertung vom 21.05.2018
Der Nachtzirkus
Morgenstern, Erin

Der Nachtzirkus


ausgezeichnet

Hier geht's zur vollständigen Rezension: https://gassenhauertelegraf.wordpress.com/2018/05/21/der-nachtzirkus

Die gesamte Ausbildung der Zauberlehrlinge Celia und Marco diente allein dem Zweck, den seit Jahrzehnten andauernden Wettstreit ihrer Meister eines Tages fortzuführen. Am Schauplatz des eigens dafür eröffneten „Cirque des Rêves“, unter den Augen tausender unwissender Besucher, kreieren die Gegner Zelte, deren Inneres den physikalischen Gesetzen trotzt, Kunstwerke, die Einfallsreichtum und Geschick erfordern. Wir begleiten den Wettstreit über viele Jahre, in denen manch einer erkennt, dass etwas sonderbares vor sich geht, in denen Freundschaften entstehen und Liebe entbrennt, die keinen Platz an einem Ort hat, dem kein glückliches Ende bestimmt ist…

Auf den ersten Seiten begegnet der Leser durch den kapitelweisen Wechsel der Jahreszahlen und Schauplätze einer Fülle an Personen und Handlungssträngen, die zunächst erschlagend wirken können. Doch wenn man im Verlaufe der Geschichte Gefühle für die Charaktere entwickelt, wenn die verschiedenen Fäden sich annähern, schließlich aufeinandertreffen, dann weiß man, dass dies die anfängliche Verwirrung wert war.

Morgenstern lässt sich Zeit, legt den Fokus auf Geschehnisse, die wenig Erregungspotential in sich tragen und bewirkt so, dass es ihrer Geschichte an einem Spannungsbogen fehlt. Dies führt dazu, dass wohl viele Leser frühzeitig aussteigen. Ich selbst legte das Buch häufig zur Seite, las und hörte es über einen langen Zeitraum, kehrte aber immer wieder dorthin zurück, da die Welt und die rätselhafte, teils düstere Atmosphäre, welche „Der Nachtzirkus“ erschafft, eine bisher selten erlebte Faszination in mir erweckte.

Wie ich soeben erwähnte, nutzte ich auch das Hörbuch, das ich im Übrigen wärmstens empfehlen kann. Der große Vorteil, den das Lauschen (explizit) dieser Geschichte in sich trägt, ist die Tatsache, dass sich die Wirkmächtigkeit des teils abgehackten Schreibstils (zumindest in meinem Fall) erst beim Hören vollends entfalten konnte. Matthias Brandt schaffte es, den Worten mehr Bedeutung zu verleihen, als deren stummes Widerhallen in meinem Kopf es vermochte.

„Der Nachtzirkus“ ist also eindeutig nichts für diejenigen, die schnell lesen, die spannungsgeladen Seite für Seite verschlingen möchten. Er ist für jene, die einer Geschichte Zeit geben, sich zu entfalten, die träumen und fühlen und so eine kleine Perle am Bücherhimmel erkunden wollen…

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 21.05.2018
Die Flüsse von London / Peter Grant Bd.1
Aaronovitch, Ben

Die Flüsse von London / Peter Grant Bd.1


gut

Hier geht's zur vollständigen Rezension: gassenhauertelegraf.wordpress.com/2018/05/13/305

Das Buch wird mit der Beschreibung „wenn Harry Potter erwachsen geworden wäre“ beworben, was (dies sei schon einmal vorweg gesagt) ganz einfach nicht stimmt. Es ist eine eigene, vollkommen andere Welt, die Ben Aaronovitch mit „Die Flüsse von London“ erschafft, einem soliden ersten Band einer mehrteiligen Reihe, der mich jedoch nicht vollends zu überzeugen vermochte…

Peter ist ein glaubhafter Protagonist, dem ich die Neugier und Ehrfurcht gegenüber der neuen Welt, in die er unverhofft hineingerät, abkaufe. Es macht Spaß, seinen wissenschaftlichen Erklärungsansätzen über die Funktionsweisen von Magie zu folgen, insbesondere dann, wenn Theorie schließlich zu Praxis wird und die Geschichte elegant abrundet. Was mich allerdings stört, mir ob seiner allgemeinen Neugier widersprüchlich und unglaubhaft erscheint, ist die Tatsache, dass Peter wenig Interesse an den Kreaturen der verborgenen Welt bekundet, allem voran an der Haushälterin Molly, welche eindeutige nicht-menschliche Verhaltensweisen an den Tag legt. Ich hätte mir an dieser Stelle eine ausführlichere Weltenbeschreibung als den Hinweis, dass es weit mehr Wesen als Vampire, Zauberer und Geister gäbe, gewünscht.

Der Schreibstil war durch Peters ironisch-zynische Art weitgehend erfrischend, wies jedoch durch reiseführerähnliche Ortsbeschreibungen durchaus seine Längen auf. Als besonders problematisch empfand ich das wiederkehrende Motiv der wirren Handlungsabläufe. Vor allem in schnelleren Szenen wie etwa bei Verfolgungsjagden musste ich häufig Absätze doppelt lesen, da die sprunghaften Schilderungen oft verschleierten, was genau gerade passierte.

Nichtsdestotrotz konnte mich das Buch bei der Stange halten. Es werden interessante und liebenswerte Charaktere eingeführt, die ich gern näher kennenlernen würde. Auch wenn die Auflösung – vielmehr der Twist – und der etwas zu lang geratene Nebenstrang mich nicht ganz überzeugen konnten, ist darum nicht auszuschließen, dass ich zukünftig zu weiteren Teilen der Reihe greifen werde.

Bewertung vom 21.05.2018
Die Champagnerkönigin / Jahrhundertwind-Trilogie Bd.2
Durst-Benning, Petra

Die Champagnerkönigin / Jahrhundertwind-Trilogie Bd.2


sehr gut

Hier geht's zur vollständigen Rezension: gassenhauertelegraf.wordpress.com/2018/04/30/die-champagnerkoenigin

„Die Champagnerkönigin“ folgt einem grundsoliden Aufbau, offeriert einen bunten Strauß an Figuren und Antagonisten sowie eine zarte Liebesgeschichte, die jedoch keinesfalls im Vordergrund anzusiedeln ist. Unsere Protagonistin Isabelle Feiniger ist ein glaubhaft entwickelter Charakter, der mir (trotz manch anstrengender Momente) nie vollkommen unsympathisch erschien, da ich Isabelles Verhalten durchaus nachvollziehen konnte. Tatsächlich fühlte ich selbst mich schon beinahe ungerecht behandelt, als eine Dorfbewohnerin Isabelles früheres Ich als verwöhnte Städterin bezeichnete, weil sie sich durchaus Mühe gegeben hatte, Anschluss zu finden. In diesem Zusammenhang überkam mich häufig das Gefühl, dass mir die Existenz einer Charakterentwicklung durch Aussagen anderer Figuren „aufgedrückt“ wurde, wenngleich fest steht, dass sich Isabelles Denken am Ende des Buches durchaus von seinem Beginn unterscheidet, erwachsener wirkt. Lediglich die betonten Ausmaße wage ich zu bezweifeln. Anders als Isabelle konnte ich ihrem Mann Leon kaum etwas abgewinnen – was wohl auch so gewollt ist. Das einzige, für das er sich interessierte, war Radfahren (ich sage nur: Patrick aus „Ein ganzes halbes Jahr“); von Liebe zu Isabelle (die vollkommen in ihn vernarrt war) spürte ich hingegen kaum etwas. Er war keineswegs gewalttätig oder ähnliches, es war vielmehr seine (wohl zeitgemäße) Auffassung von der Rolle der Frau als derjenigen, die den Haushalt zu organisieren und gut in Bett zu sein hatte, die mich abstieß.

Doch all diese Eigenschaften, die Probleme, Diskussionen, und Gedankengänge wirkten so echt und aus dem Leben gegriffen, dass ich der Geschichte glaubte, was die rüstigen Dorfbewohner mit ihrem liebenswerten Argwohn gegenüber Fremden und den Lästereien untereinander zu vollendeten wussten. Petra Durst-Bennig schuf insgesamt eine Atmosphäre, die über die romantische Vorstellung der Champagne hinausging und tiefer griff, plastisch wirkte, wobei ihre Erzählung stets eine sonderbare Ruhe in sich trug, indem sie einfach dem Leben folgte, ohne den Höhen und Tiefen ein unnötiges Maß an Dramatik angedeihen zu lassen. Diese Ruhe spiegelte sich auch im Schreibstil wieder, welcher nicht nicht ungewöhnlich oder besonders, schlicht hinweg angenehm zu lesen war.

Müsste ich meinen Leseeindruck in einem Wort zusammenfassen, wäre es ganz einfach „schön“, was sich spätestens in den prickelnden Beschreibungen vom Geschmack des Champagners und seiner Aromen bestätigt sieht. Trotz einer gewissen Vorhersehbarkeit wird mir das Buch positiv in Erinnerung bleiben und sicherlich noch das ein oder andere Mal den Weg auf meinen Nachttisch finden…

Bewertung vom 22.04.2018
Hunderteins Einsatzgeschichten
Heyse, Nele

Hunderteins Einsatzgeschichten


ausgezeichnet

Hier geht's zur vollständigen Rezension: gassenhauertelegraf.wordpress.com/2018/03/11/hunderteins-einsatzgeschichten

Die dargebotenen Geschichten werden derart plastisch und dramaturgisch geschickt geschildert, dass vor meinem inneren Auge unentwegt ein kleiner Film ablief, der mühelos die Eckpunkte eines wahrhaftigen Drehbuchs markieren könnte, wirkten die beschriebenen Situationen doch so echt und aus dem Leben gegriffen, als berichte die Autorin von realen Begebenheiten aus ihrem Umfeld. Dass dieser Eindruck zum Teil tatsächlich der Wahrheit entspricht, erfuhr ich während eines Lesungsbesuches im Rahmen der Leipziger Buchmesse. Frau Heyse erzählte, dass einigen Geschichten Erlebnisse ihrerseits oder die anderer zugrunde liegen, welche zugespitzt dargestellt, manchmal auch nur zum Teil eingebracht wurden.

Den Geschichten gemeinsam ist wohl die Art ihres Endes, welches nie klar umrissen, sondern lediglich zart angedeutet wird, zum weiterdenken anregt. Vielen Erzählungen haftet ein dämpfender Unterton an, der wie ein Sprung in der sonst makellosen Tasse wirkt und eine Komposition von trauriger Schönheit offenbart. Von Seitensprüngen wird berichtet, von Schmerz und Glück wie süßer Rache; skurille, lustige Situationen werden ebenso gezeichnet wie die letzten Gedanken einer sterbenden Frau. Und all dies wird untermalt von wunderbar düsteren Illustrationen aus der Hand von Hamster Damm, sodass ich nicht anders kann, als eine Empfehlung für „Hunderteins Einsatzgeschichten“ auszusprechen. Mit ihren 144 Seiten für 9,95 € sind sie nicht nur geeignet für jene, die dicke Wälzer scheuen, aber an gehaltvollem Inhalt interessiert sind, sondern auch als Geschenk für jedermann. Zumal das Buch sich, wie Frau Heyse selbst scherzhaft anmerkte, in seiner Kürze auch immer gut neben dem Klo machen würde… ;)

Bewertung vom 22.04.2018
Die Spieluhr
Tukur, Ulrich

Die Spieluhr


sehr gut

Hier geht's zur vollständigen Rezension: gassenhauertelegraf.wordpress.com/2018/03/25/die-spieluhr

Wenn ich überhaupt eine Erwartung an dieses Buch hatte, dann war es die der angepriesenen Sprachgewalt und derem Sehnen nach „Schönheit, Kultiviertheit [und] altem Glanz“, wie sie die Süddeutsche Zeitung beschrieb. Und in der Tat verliert man sich nur allzu leicht in Tukurs wunderbar altmodischem Schreibstil, der eine ganz eigene verstaubte, mystische und märchenhafte Stimmung zu erzeugen vermag. Tatsächlich gestaltete sich die Sprache derart überzeugend, dass mir erst nach der Hälfte der Novelle und einigen logisch-zeitlichen Irritationen mein Fehler auffiel: die Handlung gedanklich in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts zu verfrachten anstatt in die heutige Zeit…

Doch worum geht es eigentlich? So einfach wie die Frage ist, so schwierig gestaltet sich deren Antwort. Denn als ich die letzte Seite verschlungen und das Büchlein kurz darauf zugeklappt hatte, war mein erster Gedanke „Was habe ich da gerade eigentlich gelesen?“ Dennoch will ich versuchen, euch die Rahmenbedingungen zu schildern, ohne zu viel vorwegzunehmen: Während der Dreharbeiten zur Geschichte der Dienstmagd Séraphine Louis, welche vom Kunstsammler Wilhelm Uhde entdeckt wurde und bald darauf zu einer berühmten Malerin aufstieg, verschwindet der Filmassistent Jean-Luc spurlos. Schon kurze Zeit darauf taucht er vollkommen durcheinander wieder auf und berichtet von seiner Suche nach einem passendem Drehort und den unglaublichen Erlebnissen, derer er Zeuge wurde. Als Wochen später ein Unglück geschieht und unser Protagonist einen sonderbaren Brief von Jean-Luc erhält, beschließt er, dessen wirren Beschreibungen aus der Vergangenheit auf den Grund zu sehen und sieht sich bald selbst den wundersamen Gestalten und Orten jener Geschichte gegenüber, unsicher was Fantasie und was Wirklichkeit ist…

Die Raffinesse der Novelle offenbart sich in dem Wissen um die Tatsache, dass Tukur vor einigen Jahren selbst im Film „Séraphine“ die Hauptrolle des Wilhelm Uhde übernahm. Indem er sein Werk nun mit den Worten „nach einer wahren Begebenheit“ einleitet und den Protagonisten namenlos lässt, erzählt er eine Geschichte, in der Realität und Fiktion bis zur Unkenntlichkeit zerfließen, kann man die enthaltenen phantastischen Elemente doch schwerlich wahren Geschehnissen zuordnen.

Wie bereits angedeutet lässt einen die Erzählung etwas ratlos zurück, verzichtet zum Großteil darauf, die verbleibenden losen Fäden zu verknüpfen und überlässt es dem Leser, sich einen Reim darauf zu machen. Insbesondere zu Beginn bedarf die Geschichte eines gewissen Maßes an Geduld, da es schwerfällt, die Zusammenhänge verschiedener Ereignisse auszumachen oder sie schlicht zu vermuten; die Szenen regnen gewissermaßen auf einen hinab und machen es nahezu unmöglich, wichtiges von unwichtigem zu trennen. Doch wenn man sich auf den verworrenen und wankelmütigen Charakter des Werkes einlässt und nicht nach Logik sucht, erwartet einen eine spannende, phantastische Erzählung, die mich als glühenden Fan desselben durchaus an die Werke E.T.A. Hoffmanns erinnerte…

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 22.04.2018
Der arme Poet
Groß-Striffler, Kathrin

Der arme Poet


sehr gut

Hier geht's zur vollständigen Rezension: gassenhauertelegraf.wordpress.com/2018/03/31/der-arme-poet

Ich habe selten beim Lesen eines Buches so viel gelacht, den Kopf geschüttelt, Zuneigung und Abscheu empfunden wie bei der Lektüre des armen Poeten, erst recht nicht all dies zugleich. Sven Bogner ist ein wunderbar schrulliger und kontroverser Charakter, der im einen Moment voller Selbstzweifel (wortwörtlich) am Boden liegt und sich im nächsten mit Franz Kafka vergleicht und verächtlich auf die Schrottautoren hinabsieht, deren Werke im Schaufenster der Kaffbuchhandlung ausgestellt werden. In seinen besonders finsteren Momenten überdecken herrliche Fantasiegebilde die Wirklichkeit und machen es einem als Leser nahezu unmöglich, zu unterscheiden, was tatsächlich passiert und was lediglich seiner Vorstellungskraft entspringt (ich sage nur: MORD). Dass unser Protagonist auf den 232 Seiten keinerlei Charakterentwicklung erfährt, wundert nicht, (Warum auch? ER, der Schreibende, der Schriftsteller, der Dichter wird schließlich missverstanden, ER ist das Opfer. Warum sollte ER sich also ändern?) denn es ist das, was dem uns gebotenen Naturell entspricht. Sein Handeln besteht allein aus Reaktionen auf sein Umfeld, übertriebenen Reaktionen wohlgemerkt. Das Sprichwort, aus der Mücke einen Elefanten zu machen, erreicht bei Bogner vollkommen neue Dimensionen. Seine amüsante Tiraden werden hierbei stets von in Versalien gekleideten Wörtern begleitet, die seine ohnehin deutlich spürbare Aufregung potenzieren. In seinem egozentrischen Verhalten wirkt er meist wie ein eingeschnapptes Kind, ein zornig aufstampfendes Rumpelstilzchen (wie er selbst an einer Stelle treffend feststellt) und bemerkt nicht, dass er durch seine Verweigerung, Empathie aufzubringen und Kompromisse zu schließen alles zu zerstören droht… Mit „alles“ ist in diesem Fall tatsächlich annährend „alles“ gemeint, steht mit der angegriffenen Beziehung zu seiner Frau (der er gütigerweise nach anderthalb Jahren nun doch beschließt hinterher zu ziehen) doch auch seine Existenzgrundlage auf dem Spiel. Denn Theresa ist diejenige, die das Geld verdient, während Bogner zuhause in Selbstmitleid und Schreibblockade versinkt und lieber einen Aufstand anzettelt, als das Geschirr zu spülen…

Dieses Buch bietet ein höchst unterhaltsames, zugespitztes Bild des Schriftstellerklischees und ist definitiv lesenswert, hat aber eine entscheidende Schwäche, die viele ungewarnte Leser am Ende wohl enttäuscht zurücklassen könnte: die fehlende Geschichte. Liest man den Klappentext, kennt man den Inhalt. Doch es geht dem Buch auch gar nicht um Inhalt. Es geht um Künstlerallüren und Eitelkeiten, Charakterstudien, Schreibprozesse und den allgegenwärtigen Einfluss des Literaturbetriebes. Darum liest sich „Der arme Poet“ wie eine Aneinanderreihung von Erlebnissen, die gefühlt zufällig einer Chronologie folgen, wodurch es an Spannung fehlt und eines willigen Lesers bedarf. Es ist also kein Buch, das sich einfach „weglesen“ lässt, es ist vielmehr ein Titel, der gefallen muss, um gelesen zu werden und eben nicht gelesen werden will, um zu gefallen.

Bewertung vom 22.04.2018
Das Gespenst von Canterville
Wilde, Oscar

Das Gespenst von Canterville


sehr gut

Hier geht's zu vollständigen Rezension: gassenhauertelegraf.wordpress.com/2018/04/08/das-gespenst-von-canterville

Mein Bücherregal beherbergt einige Varianten jener „hylo-idealistischen“ Erzählung, wie sie Oscar Wilde selbst mit einem Augenzwinkern bezeichnete. Diese Variante der Inselbücherei sticht wegen der einnehmenden Illustrationen von Aljoscha Blau hervor (am liebsten würde ich sämtliche Bilder herausreißen und einrahmen) und ist darum auch meist die Fassung, zu der ich greife, wenn mich die Sehnsucht packt.

Es ist erstaunlich, wie Wilde auf wenigen Seiten vollbringt, was andere in ganzen Reihen nicht vermögen: eine Verbindung zwischen Charakteren und Leser zu schaffen. Eine Verbindung, die mich mitfühlen lässt und dazu bringt, die Figuren weniger als Konstruktionen, sondern nahezu (zwecks Wirkung wird manch ein Charakter überzeichnet dargestellt) reale Personen wahrzunehmen, da sie handeln, wie sie handeln würden und nicht so, wie der Autor es will. Zudem schätze ich den für Wilde untypischen Humor, der dieses Werk bestimmt und doch auch ernste Momente zulässt, die mich jedes Mal die ein oder andere Träne verdrücken lassen…

Kommen wir nun zum wunden Punkt der Erzählung, welcher in ihrem abrupt wirkenden Ende begründet liegt. Während der Hauptteil gemächlich voranschreitet, von einigen gar als langweilig empfundenen wird, stellt sich die Auflösung in ihrer verhältnismäßig kurzen „Abhandlung“ der vorangegangenen Handlung kontrastreich entgegen. Mit einem Mal ist es vorbei und ich als Leser fühle mich allein gelassen, vielleicht sogar ein wenig betrogen. Die betreffende Schlüsselszene zählt zwar zu meinen „Top 5 Buchszenen“, vereint sie doch mit ihrer Ehrlichkeit, Traurigkeit, Sehnsucht und Freundlichkeit ein derart starkes Bund an dargebotenen Gefühlen wie kaum eine andere mir bekannte Situation, hätte jedoch durch etwas mehr Ausführlichkeit vermutlich nur profitiert.

Nichtsdestotrotz ist „Das Gespenst von Canterville“ ein keinesfalls zu verpassender Lesegenuss, der Schmunzeln, Verbundenheit und Nachdenklichkeit garantiert – und das alles auf gerade einmal 71 Seiten!

Bewertung vom 22.04.2018
Schatten und Tod / Wédora Bd.2
Heitz, Markus

Schatten und Tod / Wédora Bd.2


ausgezeichnet

Hier geht's zu vollständigen Rezension: gassenhauertelegraf.wordpress.com/2018/04/22/wedora-schatten-und-tod

Bei dieser Geschichte kommen nicht nur (Dark) Fantasy-Fans auf ihre Kosten. Markus Heitz erschafft mit „Wédora“ eine Welt, in die es sich lohnt, einzutauchen, wo nicht die altbekannten Zwerge, Orks oder Elfen auf einen warten, sondern intrigante Echsen, charmante Menschenherzfresser, aufbrausende Wüstenvölker und eine Spur Magie. Tomeija und Liothan sind toll gezeichnete Charaktere, die mir (ich wage es kaum, dies auszusprechen) sympathisch (!) waren und mich mitfiebern ließen. Viele Konflikte werden unerwartet gelöst, allem voran die Lösung eines großen Nebenstranges, der in der untergehenden Heimatwelt unserer Protagonisten spielt und mir am Ende ein breites Grinsen ins Gesicht zauberte.

Kurzum: Markus Heitz? Ich bin ein Fan!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.